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zu relativieren.115 WAGNER möchte mit der alleinigen Maßgeblichkeit der Eigenschaft als Außengesellschaft „externen Dritten eine objektive, nachprüfbare und
leicht handhabbare Grundlage“116 an die Hand geben, um bestimmen zu können, gegen wen eine etwaige Klage richtigerweise gerichtet werden muss. Trotzdem rekurriert auch er auf die „Identifizierbarkeit des Prozesssubjekts“.117 Im Ergebnis werden
also nicht Einwände gegen die Identitätsausstattung als Kriterium geltend gemacht,
sondern lediglich ihr erforderlicher Umfang weniger streng beurteilt und stärker in
Verhältnis zum Rechtsverkehr gesetzt. Damit ist zugleich der Kern der Fragestellung angesprochen. Vor dem Ausgangspunkt, dass die Kriterien Handlungsorganisation, Haftungsverband und Identitätsausstattung für die Subjekteigenschaft konstituierend sind,118 fragt es sich, ob für das Prozessrecht sinnvollerweise eine andere
Ausgestaltung der Identitätsausstattung als für das materielle Recht gefordert werden muss und notfalls auch divergierende Ergebnisse hingenommen werden können.
Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass sich hinter dem Postulat
der Registerpublizität die Forderung eines bestimmten Grades der Identitätsausstattung verbirgt. Ist aber nicht die Registerpublizität selbst letztlich das ausschlaggebende Kriterium, so kann die Zubilligung der Parteifähigkeit an Gebilde nicht einfach damit abgetan werden, dass es ihnen an der Registerpublizität bzw. der
mangelnden „Voll-Rechtsfähigkeit“ oder Rechtspersönlichkeit fehle.119
III. Zwischenergebnis
Unter der prozessrechtlichen Qualifikation werden der Parteifähigkeit, gestützt auf
§ 50 Abs. 2 ZPO, im Wesentlichen zwei Funktionen zugemessen. Es handelt sich
dabei um die Durchsetzung des Systems der Normativbestimmungen und die Sicherung der Publizität aller Verfahrenssubjekte. Beide Funktionen sind jedoch mit
Zweifeln behaftet.
Die Durchsetzung des Systems der Normativbestimmungen ist ein prozessfremder Zweck. Wird der Mangel des Status einer juristischen Person mit der Versagung
der Subjektivität sanktioniert, so müsste ein Gleichlauf zwischen materiellem und
prozessualem Recht stattfinden. In materieller Hinsicht wird der nichtrechtsfähige
Verein jedoch als Rechtsträger anerkannt. Der Status der juristischen Person erlangt
materiellrechtlich nicht in der Frage der Rechtsfähigkeit, sondern vielmehr in der
Frage der Haftungs- und Außenhandlungskompetenz Bedeutung.
115 WAGNER, ZZP 117 (2004), 305, 338 mit Verweis auf den Standpunkt von ULMER (MüKo-
ULMER, BGB, § 705, Rz. 306 m.w.N.).
116 WAGNER, ZZP 117 (2004), 305, 338.
117 WAGNER, ZZP 117 (2004), 305, 338.
118 Vgl. auch MüKo-ULMER, BGB, § 705, Rz. 306 m.w.N., der die Identitätsausstattung sowohl
für die Rechts- als auch Parteifähigkeit von Gesellschaften als ausschlaggebendes Kriterium
ansieht.
119 Vgl. auch JOHN, Rechtsperson, S. 242.
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An dieser Stelle werden die Verbindungen zur zweiten Funktion, der Sicherstellung der Publizität der Verfahrenssubjekte, sichtbar. Die Sicherstellung der Publizität wird als genuin prozessrechtlicher Zweck aufgefasst. Sie ist jedoch nur das perpetuierte prozessrechtliche Seitenstück zur Durchsetzung des Systems der
Normativbestimmungen. Sie erfüllt keinen Selbstzweck. Hinter ihr verbirgt sich
vielmehr die Fragestellung, welchen Grad der Identitätsausstattung und damit der
Verselbständigung die Zuerkennung der Parteifähigkeit bedarf. Ob dabei unbedingt
die Registerpublizität erforderlich ist, kann an dieser Stelle noch nicht abschließend
bewertet werden. Anhaltspunkte für die Abwägung lassen sich daraus gewinnen, in
welchem Ausmaß vor allem das Publizitätsprinzip und damit das Fundament einer
prozessrechtlichen Qualifikation durch Korrekturen relativiert wird.
E. Auf § 50 Abs. 2 ZPO gestützte Korrekturen unter einer prozessrechtlichen
Qualifikation
Die Versagung der Parteifähigkeit als Ergebnis ihrer prozessrechtlichen Qualifikation erscheint wie im Beispielsfall 1, dem „Herabsinken“ einer OHG zur Außen-GbR,
unbillig. Um dem Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1 ZPO nicht ausdehnen zu
müssen, bietet sich unter einer prozessrechtlichen Qualifikation nur ein Ausweg
über eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 2 ZPO. § 50 Abs. 2 ZPO scheint, eine
auf die passive Parteifähigkeit beschränkte Zuerkennung der verfahrensrechtlichen
Subjekteigenschaft zu ermöglichen. Eine Zuerkennung der Parteifähigkeit aus
Rechtsschutzerwägungen muss jedoch, auch wenn sie auf die passive Parteifähigkeit
limitiert bleibt, mit dem Ziel der Registerpublizität in Konflikt treten.
I. Relative Parteifähigkeit als Ausfluss von § 50 Abs. 2 ZPO
§ 50 Abs. 2 ZPO weist dem sog. „nichtrechtsfähigen“ Verein für den Fall, dass er
verklagt wird, in diesem Rechtstreit die Stellung eines rechtsfähigen Vereins und
ausdrücklich die passive Parteifähigkeit zu. Daran anknüpfend wurde § 50
Abs. 2 ZPO bisher eine Differenzierung hinsichtlich der Zuerkennung von aktiver
und passiver Parteifähigkeit entnommen. Eine unterschiedliche prozessuale Betrachtung von Aktiv- und Passivprozessen wird mancherorts schon aus der z.B. in
§ 124 Abs. 1 HGB enthaltenen Formel „klagen und verklagt werden“ hergeleitet.120
Diese Formel wird vor allem in Normen verwendet, die unter einer prozessrechtlichen Qualifikation konstitutive Wirkung entfalten und hiernach teilrechtsfähigen
Gebilden die Parteifähigkeit ausdrücklich zuerkennen sollen. Die Möglichkeit einer
auf die passive Parteifähigkeit beschränkte Verleihung wird als allgemeines Prinzip
aus § 50 Abs. 2 ZPO hergeleitet
120 So z.B. FURTAK, Parteifähigkeit, S. 32.
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References
Zusammenfassung
Mit der Untersuchung der Parteifähigkeit erörtert der Autor grundsätzliche Fragen des prozessualen und materiellen Gesellschaftsrechts und zeigt bestehende Brüche zwischen beiden Regelungsmaterien auf.
Die Parteifähigkeit wurde traditionell vor allem prozessrechtlich qualifiziert. Nach der Zuerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit an die Außen-GbR durch den BGH und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Verfahren Centros, Überseering und Inspire Art steht die hergebrachte Konzeption auf dem Prüfstand.
Diesen Befund nimmt der Autor zum Anlass und untersucht zunächst die Dogmatik der Parteifähigkeit anhand inländischer Sachverhalte. Nach einem rechtsvergleichenden Teil geht der Verfasser auf die Parteifähigkeit von Gebilden mit ausländischem Personalstatut ein und diskutiert insbesondere die so genannte Scheinauslandsgesellschaft. Darüber hinaus wird die gemeinschaftsrechtliche Dimension der Parteifähigkeit erörtert.