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scheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots vorliegt (§ 33 a II 2 Nr. 1
WpÜG)953.
C) Vorgaben nach dem WpHG954
I.) Ad hoc-Publizität, § 15 WpHG
1.) Allgemeines
§ 15 WpHG verpflichtet den Inlandsemittenten von Finanzinstrumenten zur Veröffentlichung und Mitteilung ihn unmittelbar betreffender Insiderinformationen in
einem genauer bezeichneten Verfahren. Die Ad hoc-Publizität gem. § 15 WpHG
dient der Gewährleistung einer bestmöglichen Marktransparenz, der weitestgehenden Einschränkung von Insiderhandel und der Förderung der Integrität der Finanzmärkte955. Im Vordergrund stehen damit die frühzeitige Information der Marktteilnehmer sowie die schnellstmögliche und angemessene öffentliche Bekanntgabe von
Insiderinformationen956.
Durch das AnSVG vom 28. Oktober 2004957 hat § 15 WpHG bedeutende Änderungen erfahren. Die Systematik der Insiderregeln wurde grundlegend überarbeitet
und an die europäischen Vorgaben angepasst. Die bisherige Unterscheidung in Insidertatsachen und Ad hoc-Tatsachen (§§ 13, 15 WpHG a.F.)958 wurde aufgegeben;
die §§ 14 und 15 WpHG knüpfen nunmehr einheitlich an das in § 13 WpHG legaldefinierte Tatbestandsmerkmal der „Insiderinformation“ an.
Für die Frage, welche Pflichten § 15 WpHG der Gesellschaft im Rahmen eines
auf § 71 I Nr. 8 AktG gestützten öffentlichen Rückerwerbsverfahrens auferlegt, ist
somit in zwei Schritten vorzugehen: Zunächst gilt es zu untersuchen, wann der (ge-
953 Knott, NZG 2006, 849, 850; van Kann/Just, DStR 2006, 328, 330; Meyer, WM 2006, 1135,
1139.
954 Anders als das WpÜG, das streng situationsbezogen das öffentliche Erwerbsverfahren normiert (und dementsprechend auch nur auf öffentliche Rückerwerbsangebote Anwendung finden kann), regelt das WpHG aus einem allgemeineren Ansatz heraus bestimmte Kernbereiche, die für das Funktionieren des Kapitalmarkts erheblich sind. Es betrifft den Erwerb eigener Aktien damit erwerbsformübergreifend. In Ansehung des Untersuchungsgegenstandes
dieser Arbeit soll es im Folgenden aber insbesondere darum gehen, die entstehenden Besonderheiten für öffentliche Rückerwerbsverfahren herauszuarbeiten.
955 Begr RegE, BT-Drucks. 15/3174, S. 34.
956 Begr RegE, BT-Drucks. 15/3174, S. 34 f.
957 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28. Oktober 2004 (Anlegerschutzverbesserungsgesetz - AnSVG), BGBl. I, 2630.
958 Vg. dazu etwa Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 13 WpHG, Rn. 27
m.w.N.
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plante) Rückerwerb eine Insiderinformation i.S.d. § 13 WpHG darstellt. Erst dann
kann auf die aus § 15 WpHG resultierenden Vorgaben eingegangen werden.
2.) Vorliegen einer Insiderinformation, § 13 WpHG
a) Bewertungsmaßstab und Neuerungen durch das AnSVG
Nach der Definition in § 13 I 1 WpHG ist eine Insiderinformation eine konkrete
Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und
die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder
Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.
Anders als auf Basis der alten Fassung, die durch das Merkmal der „Tatsache“ an
dem Beweis zugängliche Geschehnisse oder Zustände anknüpfte959, ist nunmehr für
§ 13 I 1 WpHG das Vorliegen einer „konkreten Information über nicht öffentlich
bekannte Umstände“ ausreichend. Darin ist konzeptionell eine insiderrechtliche
Kontrollverschärfung zu erblicken, denn ausweislich der Regierungsbegründung
sollen hiermit über den Tatsachenbegriff hinaus nunmehr auch überprüfbare Werturteile und Prognosen erfasst werden960. Von Relevanz ist in diesem Zusammenhang
zudem § 13 I 3 WpHG, der klarstellt, dass jetzt auch im Falle einer hinreichenden
Eintrittswahrscheinlichkeit ein „Umstand“ und damit eine Insiderinformation vorliegen kann. Dies ist insbesondere im Hinblick auf den auf Basis der alten Rechtslage geführten Streit von Bedeutung, ob im Falle gestreckter Sachverhalte ein Zuwarten auf den Abschluss des gesellschaftsinternen Entscheidungsprozesses erforderlich
sein sollte961 oder ob es vielmehr aus der Sicht des Emittenten darauf ankam, ob bei
gewöhnlichem Verlauf der Dinge mit einer Realisierung zu rechnen ist962. Unter §
13 I 1, 3 WpHG kann nunmehr bereits auf jeder Stufe eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses - ein Kursbeeinflussungspotential vorausgesetzt - eine Insiderinformation vorliegen963.
959 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 13 Rn. 33 a, m.w.N.
960 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 15/3174, S. 33; zustimmend Spindler, NJW 2004, 3449, 3450;
Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 930 f.; Ziemons, NZG 537, 538; zurückhaltend bezüglich einer tatsächlichen Verschärfung gegenüber dem alten Recht Merkner/Sustmann, NZG
2005, 729, 731; Koch, DB 2005, 267, 267 f.
961 Dafür etwa Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 24 ff., 27; Happ, JZ 1994, 240, 242 f.; Zimmer, in:
Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 15 Rn. 91 ff.
962 Dafür etwa Kümpel/Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 60, m.w.N.
963 Möllers, WM 2005, 1393, 1394; Ziemons, NZG 2004, 537, 541; vgl. auch Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 737. Dass dies so ist, verdeutlichen auch Art. 3 I lit. b) der
Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG sowie § 6 2 Nr. 2 der auf Basis des § 15 VII WpHG erlassenen WpAIV (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung vom 13.
Dezember 2004), die Befreiungsmöglichkeiten von der Veröffentlichungspflicht regeln und
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Bereits nach altem Recht kam es auf darauf an, dass eine Insidertatsache geeignet
war, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs erheblich zu beeinflussen
(§ 13 WpHG a.F.). Mangels genauerer gesetzlicher Vorgaben war allerdings in diesem Zusammenhang streitig, anhand welchen Maßstabs das Kursbeeinflussungspotential zu bemessen war964. Diesem Streit ist inzwischen aber die Grundlage entzogen965, da der Gesetzgeber des AnSVG nunmehr in Übereinstimmung mit Art. 1 II
der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG in § 13 I 2 WpHG darauf abgestellt, ob
ein „verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“. Angesichts der Unvorhersehbarkeit von Marktvolatilitäten wurde
dabei bewusst auf eine Fixierung von Kursschwellenwerten verzichtet966.
b) Übertragung der Grundsätze auf öffentliche Rückerwerbsvorhaben
aa) Kursbeeinflussungspotential des Vorlagebeschlusses
Für die Frage, ob bzw. wann ein öffentliches Rückerwerbsvorhaben eine Insiderinformation darstellt, kommt es nach den aufgezeigten Grundsätzen somit entscheidend auf ein hiermit verbundenes (und gem. § 13 I 2 WpHG aus der Sicht eines
verständigen Anlegers zu bemessendes) Kursbeeinflussungspotential an967. Wie
bereits an anderer Stelle aufgezeigt wurde, führt bereits die Ankündigung öffentlicher Rückerwerbsverfahren regelmäßig zu einem erheblichen Kursanstieg. Im Zusammenhang mit der Untersuchung einer Insiderinformation gilt es aber, insofern
genauer auf den § 71 I Nr. 8 AktG zugrunde liegenden gesellschaftsrechtlichen
Entscheidungsprozess einzugehen968.
Dazu ist zunächst der Vorlagebeschluss der Unternehmensführung zu betrachten.
Insofern ist aber zu berücksichtigen, dass die Hauptversammlung in dem Fall, dass
Vorstand und Aufsichtsrat ihr die Fassung eines näher bestimmten Ermächtigungsbeschluss gem. § 71 I Nr. 8 AktG vorschlagen, diesen Vorschlag problemlos zudabei implizit davon ausgehen, dass auch bei noch erforderlicher Zustimmung eines anderen
Organs bereits die Entscheidung eines Geschäftsführungsorgans publizitätspflichtig sein
kann. Ganz explizit benennt auch der Emittentenleitfaden der BaFin im Falle mehrstufiger
Entscheidungsprozesse bereits die Entscheidung des Geschäftsführungsorgans als Insiderinformation (BaFin, Emittentenleitfaden vom 15. Juli 2005, S. 46).
964 Vgl. dazu etwa Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 154 f.; Kümpel, AG 1997, 66, 70; Gruson/Wiegmann, AG 1995, 173, 178 f., 180 f.; Wölk, AG 1997, 73, 79; Burgard, ZHR 162
(1998), 51, 69.
965 Vgl. auch Ziemons, NZG 2004, 537, 538.
966 Begr RegE, BT-Drucks. 15/3174, S. 34.
967 Vgl. auch Koch, DB 2005, 267, 268, der darlegt, dass sich durch das neue Recht generell der
Prüfungsschwerpunkt vom Tatbestandsmerkmal der Tatsache bzw. der Information zu demjenigen des Kursbeeinflussungspotentials verschiebt.
968 Vgl. zu den einzelnen Stufen bereits S. 128.
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rückweisen kann969. Es ist somit keinesfalls sicher, ob es überhaupt zu einer entsprechenden Ermächtigung kommt, geschweige denn, ob und wann der Vorstand in
einem solchen Fall von dieser Ermächtigung Gebrauch macht. Angesichts dieser
Unwägbarkeiten ist die Annahme fern liegend, dass ein verständiger Anleger bereits
den Vorlagebeschluss als einen anlageerheblichen Umstand ansieht (§ 13 I 2
WpHG)970. Eine Insiderinformation liegt mithin noch nicht vor.
bb) Kursbeeinflussungspotential des Ermächtigungsbeschlusses
Etwas anderes gilt auch dann (noch) nicht, wenn der Ermächtigungsbeschluss
schließlich gefasst worden ist. Auch in diesem Stadium ist nicht sicher, ob, wann
und unter welchen Konditionen der Vorstand von der Ermächtigung zum Rückerwerb Gebrauch macht971. Diese Unwägbarkeiten bestehen zumal der aktuell geltenden Höchstgeltungsdauer für eine solche Ermächtigung von immerhin 18 Monaten
(§ 71 I Nr. 8 Satz 1 AktG). Die noch ausstehende Entscheidung des Vorstandes, die
Ermächtigung auszuüben, bietet aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen
Anlegers für seine fiktive Anlageentscheidung i.S.d. § 13 I 2 WpHG eine weitaus
verlässlichere Ausgangsbasis.
Darüber hinaus kann auch der Rückgriff auf die Wahrscheinlichkeitsvermutung in
§ 13 I 3 WpHG nicht zu einem anderen Ergebnis führen: Um bereits im Zeitpunkt
des Ermächtigungsbeschlusses auf den zukünftigen Ausübungsbeschluss des Vorstandes (oder gar den Rückkauf selbst) als Insiderinformation abzustellen zu können, wäre eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit hierfür erforderlich. Eine
solche liegt aber, wie ausgeführt, nicht vor.
Vor diesen Hintergründen kann auch die vom BAWe zu § 13 WpHG a.F. vertretene Rechtsauffassung, nach der „in Sonderfällen“ bereits im Zeitpunkt des Vorlageoder des Hauptversammlungsbeschlusses eine Insider- bzw. Ad hoc-Tatsache gegeben sein konnte972, nicht (mehr) überzeugen973. Da nach der neuen gesetzlichen
Konzeption für das Kursbeeinflussungspotential nunmehr allein auf die Sicht eines
verständigen Anlegers abzustellen ist, besteht für die Auffassung des BAWe kein
Raum mehr974.
969 Vgl. dazu bereits S. 64 f.
970 So auch Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 47 Rn. 64 (mit Fn. 2 a.E.).
971 Vgl. Kümpel/Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 117.
972 BAWe, Schreiben vom 28. Juni 1999, WM 2000, 438, 438; zustimmend Bosse, ZIP 1999,
2047, 2049; Johannsen-Roth, S. 276 f.
973 Der Auffassung des BAWe wurde schon auf Basis der alten Rechtslage Kritik entgegengebracht, vgl. etwa van Aerssen, WM 2000, 391, 403.
974 So im Ergebnis auch Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 47
Rn. 64 (Fn. 2); Singhof/Weber, AG 2005, 549, 551, 552 (Fn. 38).
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cc) Kursbeeinflussungspotential des Ausübungsbeschlusses
Erst wenn der Vorstand beschließt, die ihm nach § 71 I Nr. 8 AktG erteilte Rückkaufermächtigung auszuüben, ist der geplante Rückkauf eine Insiderinformation
i.S.d. § 13 I 1 WpHG975. Hiergegen spricht auch nicht, dass die Ankündigung des
Vorstandes, künftig eigene Aktien zu erwerben, rechtlich unverbindlich ist976. Spätestens auf Basis des neuen Insiderrechts dürfte diesem Argument die Grundlage
entzogen sein977. So muss der Ausübungsbeschluss aus der nunmehr allein maßgeblichen Perspektive eines verständigen Anlegers durchaus als geeignet betrachtet
werden, die Anlageentscheidung zu beeinflussen, da anzunehmen ist, dass der Vorstand in aller Regel entsprechend seines gefassten Ausübungsbeschluss tätig werden
wird, um das Vertrauen des Anlegerpublikums zu wahren978.
dd) Ausnahme bei noch erforderlicher Zustimmung des Aufsichtsrates?
Fraglich verbleibt, ob von der Maßgeblichkeit des Ausübungsbeschlusses für das
Vorliegen einer Insiderinformation abzuweichen ist, wenn die Ausübung gesellschaftsrechtlich noch von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig ist. Das
kann jedoch im Ergebnis nicht angenommen werden979.
Grundlage hierfür ist, dass nach dem neuen Recht nunmehr auf jeder Entscheidungsstufe eine Insiderinformation vorliegen kann. Ist aber einmal zuerkannt, dass
der Ausübungsbeschluss des Vorstandes wegen des aus Anlegersicht bestehenden
erheblichen Kursbeeinflussungspotentials eine Insiderinformation darstellt (§ 13 I 1,
2 WpHG), so kann hieran grundsätzlich auch eine noch erforderliche Zustimmung
des Aufsichtsrates nichts ändern.
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn anzunehmen wäre, dass ein verständiger Anleger den Ausübungsbeschluss bei seiner Anlageentscheidung gänzlich
unberücksichtigt ließe, eben weil der Aufsichtsrat die Zustimmung noch nicht erteilt
975 Singhof/Weber, AG 2005, 549, 551; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 47 Rn. 64; vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden vom 15. Juli 2005, S. 44, wo
(erst) der Ausübungsbeschluss als typischer Ad hoc-Tatbestand i.S.d. § 15 WpHG benannt
wird.
976 So die Argumentation von Martens, AG 1996, 337, 341; sowie von Peltzer, WM 1998, 322,
329 f., gegen eine Publizitätspflicht nach § 15 WpHG a.F. im Zeitpunkt des Ausübungsbeschlusses.
977 Vgl. Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 47 Rn. 64 (Fn. 3).
978 Vgl. bereits Johannsen-Roth, S. 274, zu § 15 WpHG a.F.
979 So bereits zu § 15 WpHG a.F. von Aerssen, WM 2000, 391, 402; Schockenhoff/Wagner, AG
1999, 548, 556 f., 558; Johannsen-Roth, S. 275 f; a.A. BAWe, Schreiben vom 28. Juni 1999,
WM 2000, 438, 438; Kümpel/Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 118; Möller, Rn. 351 f.
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hat. Angesichts der bereits konkreten Absicht des Vorstandes und der Tatsache, dass
die Zustimmung des Aufsichtsrates ohnehin regelmäßig nur die Geschäftsführungs-,
nicht aber die Vertretungsbefugnis des Vorstandes beeinflusst980, erscheint dies
jedoch eher unwahrscheinlich981 und kann jedenfalls i.V.m. der Wahrscheinlichkeitsvermutung des § 13 I 3 WpHG nicht zum Eignungswegfall des Ausübungsbeschlusses als Insiderinformation führen982.
3.) Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten nach § 15 WpHG
Da es somit im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien auf Basis des § 71 I
Nr. 8 AktG für das Vorliegen einer Insiderinformation gem. § 13 WpHG übergreifend auf den Ausübungsbeschluss des Vorstandes ankommt, ist dieser Zeitpunkt
grundsätzlich auch maßgeblich für die Ad hoc-Publizität gem. § 15 WpHG983. Soweit § 15 WpHG gilt, hat der Vorstand der rückerwerbenden Gesellschaft hiernach
den wesentlichen Inhalt des Ausübungsbeschlusses zu veröffentlichen und mitzuteilen und dabei Volumen, Preiskonditionen und Zeitpunkt des geplanten Rückerwerbs
sowie den Inhalt des Ermächtigungsbeschlusses nach § 71 I Nr. 8 AktG anzugeben984.
Jedoch ist die Anwendbarkeit des § 15 WpHG für den Fall der hier interessierenden öffentlichen Rückerwerbsverfahren durch § 10 VI WpÜG erheblich zurückgedrängt. Nach dieser Vorschrift ist § 15 WpHG auf die Entscheidung zur Abgabe
eines öffentlichen Angebots nicht anwendbar. Wie der Regierungsbegründung zu
entnehmen ist, sieht der Gesetzgeber § 10 WpÜG dabei als Spezialregelung zu § 15
WpHG an985. Die Entscheidung zur Abgabe eines öffentlichen Erwerbsangebots ist
damit generell ausschließlich nach § 10 WpÜG, nicht aber nach § 15 WpHG zu
veröffentlichen986. Da nach der hier vertretenen Auffassung § 10 I 1, III WpÜG auch
980 Vgl. hierzu bereits Fn. 665 und begleitenden Text.
981 Ähnlich schon auf Basis des alten Rechts van Aerssen, WM 2000, 391, 402; Johannsen-Roth,
S. 275; vgl. auch Möller, Rn. 351.
982 Dass eine dementsprechend frühzeitige Veröffentlichungspflicht möglicherweise die Kontrollfunktion des Aufsichtsrates unterläuft, ist systemgerecht erst im Rahmen einer Befreiung
nach § 15 III WpHG zu thematisieren, vgl. hierzu BaFin, Emittentenleitfaden vom 15. Juli
2005, S. 46, sowie noch im Text unter dem folgenden Gliederungspunkt.
983 So im Ergebnis auch Singhof/Weber, AG 2005, 549, 552; Schäfer, in: Marsch-
Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 47 Rn. 64 (jeweils bereits in Bezug auf die
Rechtslage nach Inkrafttreten des AnSVG).
984 Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 47 Rn. 64; Singhof/Weber, AG 2005, 549, 552; vgl. bereits auch BAWe, Schreiben vom 28. Juni 1999, WM
2000, 438, 438; Kraft/Altvater, NZG 1998, 448, 451.
985 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 39.
986 Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 10 Rn. 77; Wackerbarth, in: Münchener
Kommentar zum AktG, § 10 WpÜG Rn. 80. Hiermit soll eine Kollision der Ad-hoc-Publizität
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Anwendung auf den Erwerb eigener Aktien finden987, gilt dies auch für das öffentliche Rückerwerbsangebot. Zwar scheint dies auf den ersten Blick nicht zu Besonderheiten zu führen, da auch für die Entscheidung nach § 10 WpÜG der Ausübungsbeschluss des Vorstandes der allein maßgebliche Zeitpunkt ist988. Konsequenzen hat
die Verdrängung des § 15 WpHG jedoch deshalb, weil insoweit auch der Befreiungstatbestand in § 15 III WpHG keine Anwendung mehr findet. Hiernach beständen unter Berufung auf berechtigte Gesellschaftsinteressen an einer vorläufigen
Geheimhaltung in der Tat gute Chancen auf eine Befreiung, soweit der Aktienrückerwerb noch an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden ist989. Dies verdeutlichen § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV sowie der Emittentenleitfaden der BaFin, demnach
eine Befreiung bei noch erforderlicher Zustimmung des Aufsichtsrates unter dem
Gesichtspunkt einer guten corporate governance regelmäßig zulässig sein soll990. Im
Rahmen des allein auf den Schutz der Wertpapierinhaber ausgelegten § 10 WpÜG
ist für solche Publizitätsausnahmen jedoch kein Raum. § 10 VI WpÜG sichert diese
besondere Wertung ab.
Gleichwohl folgt aus § 10 VI WpÜG keine gänzliche Verdrängung der Bedeutung des § 15 WpHG generell für öffentliche Erwerbsangebote. Insbesondere ist
Gegenstand der Veröffentlichungspflicht nach dem Gesetzeswortlaut des § 10 I 1
WpÜG nur die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots, nicht aber die zu erwartenden Bedingungen, wie etwa und insbesondere die Höhe der Gegenleistung991.
Soweit aber § 10 I, III WpÜG keine Regelung treffen, kann auch § 10 VI WpÜG
andere gesetzliche Veröffentlichungspflichten nicht ausschließen992. Damit bleibt
allgemein ein Rückgriff auf § 15 WpHG dann möglich, wenn nach Veröffentlichung
der Entscheidung weitere Eckdaten des Angebots vorliegen993.
Im Gegensatz zu einem öffentlichen Fremdangebot, bei dem ein erhebliches
Kursbeeinflussungspotential für den Bieter regelmäßig nur dann anzunehmen ist,
wenn die nachträglich präzisierten Konditionen außergewöhnlich sind994, kann diemit den detaillierten Vorschriften über das Verfahren bei öffentlichen Erwerbsangeboten
vermieden werden, vgl. Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 736.
987 Vgl. hierzu bereits S. 127.
988 Vgl. bereits S. 128 ff.
989 An dem Bestehen der Publizitätspflicht gem. § 15 I 1 WpHG bereits im Zeitpunkt des Aus-
übungsbeschlusses des Vorstandes könnte dies nach den dargelegten allgemeinen Grundsätzen nichts ändern, vgl. bereits Fn. 982 und begleitenden Text.
990 BaFin, Emittentenleitfaden vom 15. Juli 2005, S. 46 und 55. Gleichwohl soll für die Darlegung eines berechtigten Interesses ein bloßer pauschaler Verweis auf einen Gremienvorbehalt
nicht ausreichend sein, BaFin, a.a.O., S. 54; kritisch dazu Merkner/Sustmann, NZG 2005,
729, 737.
991 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 39.
992 Näher hierzu Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 10 Rn. 78 f.
993 So auch ausdrücklich Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 39.
994 Zutreffend Steinmeyer/Häger, § 10 Rn. 48; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar, § 10
Rn. 81.
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ser Umstand für Rückerwerbsangebote durchaus auch von praktischer Erheblichkeit
sein. Hier besteht die Besonderheit, dass die rückerwerbende Gesellschaft nicht nur
Bieter, sondern auch Zielgesellschaft ist. Infolge dieser Identität sind die für die
Zielgesellschaft potentiell kurserheblichen Erwerbskonditionen per se Insiderinformationen, die auch den Bieter i.S.d. § 15 I 1 WpHG „unmittelbar betreffen“. Gibt
die Gesellschaft i.R.d. Veröffentlichungspflicht nach § 10 WpÜG nur ihre Entscheidung zur Abgabe des Rückerwerbsangebots bekannt, ohne aber bereits die Konditionen des Angebots zu präzisieren, so verbleibt aus Sicht des Anlegerpublikums
noch Informationsbedarf, da insbesondere das Rückerwerbsvolumen und die Höhe
der Rückerwerbsprämie für das Kursbeeinflussungspotential der Rückerwerbsankündigung von erheblicher Bedeutung sein können. Es empfiehlt sich daher aus
Sicht der rückerwerbenden Gesellschaft, die Konditionen des Angebots - sofern zu
diesem Zeitpunkt bereits bekannt995 - zusammen mit der Entscheidung nach § 10
WpÜG zu veröffentlichen. Hierdurch ist die Ad hoc-Publizitätspflicht als abbedungen zu betrachten996. Nicht selten wird der Vorstand allerdings angesichts der positiven Signalwirkung ohnehin eine frühzeitige Veröffentlichung der Rückerwerbspläne
anstreben997.
II.) Verbot von Insidergeschäften, §§ 14, 13 WpHG
1.) Verbotstatbestand nach § 14 I WpHG
a) Geplanter Rückerwerb als Insiderinformation
Der Kerntatbestand des § 14 I Nr. 1 WpHG verbietet es Insidern, unter Verwendung
von Insiderinformationen mit Insiderpapieren zu handeln. Im Gegensatz zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AnSVG kommt es damit nicht mehr darauf an, dass eine
Insiderinformation „ausgenutzt“ wird998. Eine Verwendung von Insiderinformatio-
995 Dies dürfte allerdings im Zeitpunkt des Ausübungsbeschlusses des Vorstandes in der Regel
der Fall sein, denn die Konditionen des Rückkaufs sind regelmäßig ein zentraler Aspekt des
Vorhabens. Zudem läuft mit Veröffentlichung der Entscheidung ohnehin die recht kurze
vierwöchige Angebotsübermittlungsfrist des § 14 I WpÜG an.
996 Vgl. Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 736 f.; Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 10 Rn. 80.
997 Bezzenberger, Rn. 158.
998 Die Regierungsbegründung beruft sich insofern auf erhebliche Beweisschwierigkeiten, die
zuvor im Zusammenhang mit einem Ausnutzen von Insiderinformationen entstanden, weil es
hiernach auf ein zweckgerichtetes Handeln des Täters ankam, das insbesondere bei Hinzutreten weiterer, nur schwierig widerlegbarer Motive kaum nachweisbar war, vgl. Begr RegE,
BT-Drucks. 15/3174, S. 34.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien erfreuen sich – dem US-amerikanischen Vorbild folgend – auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Basierend auf der fortschreitenden Modernisierung des europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland in dieser Hinsicht in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt.
Mit einem vergleichenden Blick in die USA, und angelehnt an die Erscheinungsformen und Hintergründe öffentlicher Rückkaufverfahren in der Wirtschaftspraxis, analysiert und hinterfragt die vorliegende Arbeit den geltenden Rechtsrahmen sowie die einschlägige Verwaltungspraxis. Einen Schwerpunkt stellt die vom Autor geforderte Anwendung des WpÜG auf öffentliche Rückerwerbsangebote dar. Zudem spricht sich der Autor unter Verweis auf Missbrauchspotentiale im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien gegen eine Liberalisierung nach US-amerikanischem Vorbild, und dabei insbesondere gegen die An- bzw. Aufhebung der derzeit geltenden 10%-Bestandgrenze für eigene Aktien, aus.
Der Autor ist als Rechtsanwalt im Bereich M&A und Gesellschaftsrecht in einer international ausgerichteten Wirtschaftskanzlei in Stockholm tätig.