98
In diesem Teil der Arbeit soll jedoch der Schwerpunkt der Untersuchung insbesondere auf diejenigen kapitalmarktrechtlichen Regelungen gelegt werden, die für
die Gesellschaft konkret im Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang der eigenen
Aktien bzw. der Verfahrensdurchführung von besonderer Bedeutung sind. Im Fokus
stehen dabei die Vorgaben nach §§ 3, 10-28, 33, 33 a WpÜG (dazu sogleich unter
B) sowie nach §§ 12-15, 20 a, 21 ff. WpHG (dazu sodann unter C).
B) Vorgaben nach dem WpÜG
Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)490 ist am 1. Januar 2002 in
Kraft getreten und wurde zuletzt im Juli 2006 durch das Übernahmerichtlinie-
Umsetzungsgesetz geändert491. Es trifft Regelungen für sog. einfache öffentliche
Erwerbsangebote492 (§§ 10-28 WpÜG), Übernahmeangebote (§§ 29-34 WpÜG) und
Pflichtangebote (§§ 35-39 WpÜG). Im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener
Aktien sind speziell zwei Aspekte des WpÜG von Bedeutung: Zum einen stellt sich
die überaus umstrittene Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang die Regeln für
einfache Erwerbsangebote auch Anwendung auf ein öffentliches Rückerwerbsangebot finden (dazu sogleich I.)493. Zum anderen ist zu klären, welche Auswirkungen
die den Vorstand gem. §§ 33, 33 a WpÜG in der Übernahmesituation treffenden
Verhaltenspflichten auf die Durchführung eines Rückkaufs bzw. eines öffentlichen
Rückerwerbsverfahrens im Besonderen haben können (dazu sodann II.)494.
490 Das WpÜG bezweckt die Stärkung des Wirtschaftsstandorts und Finanzmarktes Deutschland
(vgl. Begr RegE, BT-Drucks.14/7034, S. 1) und verbindet dabei kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Elemente (vgl. Berding, WM 2002, 1149, 1150; Mülbert, ZIP 2001, 1221,
1222; Körner, DB 2001, 367, 369).
491 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-
Umsetzungsgesetz), vom 8. Juli 2006. Zu den Änderungen vgl. etwa Diekmann, NJW 2007,
17, 17 ff.; Meyer, WM 2006, 1135, 1135 ff.
492 Verstanden als Angebote, die nicht auf eine Übernahme gerichtet sind.
493 Dass dagegen das Rückerwerbsangebot ein Übernahmeangebot darstellt, ist von vornherein
nicht denkbar, denn die Gesellschaft leitet aus eigenen Aktien gem. § 71 b AktG keine Rechte
her, so dass sie auch keine Kontrollstellung i.S.d. § 29 I WpÜG erlangen kann. Folgerichtig
kann ein öffentliches Rückerwerbsverfahren auch kein Pflichtangebot der Zielgesellschaft
auslösen (§§ 29 II, 35 WpÜG).
494 Eine weitere (umstrittene) Frage, die sich im Zusammenhang mit dem Aktienrückerwerb und
dem WpÜG stellt, ist diejenige, ob der Erwerb von Aktien durch die Zielgesellschaft zu einer
sog. passiven Kontrollerlangung eines Dritten i.S.d. §§ 29 II, 35 WpÜG führen kann. Hierauf
wird jedoch an dieser Stelle nicht näher eingegangen, da es insoweit nicht um die im Rahmen
dieser Arbeit allein interessierenden rechtlichen Rahmenbedingungen für Aktienrückerwerbe
geht. Zum Streitstand vgl. etwa Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 35 Rn.
115 ff. m.w.N.
99
I.) Anwendung der §§ 10-28 WpÜG auf den Erwerb eigener Aktien
1.) Grundsätzliche Anwendbarkeit
a) Problemstellung
Weder in den §§ 1-3 WpÜG, die den Anwendungsbereich des WpÜG bestimmen,
noch in den §§ 10-28 WpÜG ist der Erwerb eigener Aktien explizit erwähnt. Im
Schrifttum ist die Frage, ob ein öffentliches Angebot zum Erwerb eigener Aktien zur
Befolgung des in §§ 10-28 WpÜG geregelten Angebotsverfahrens verpflichtet, heftig umstritten495.496
Mit dem Inkrafttreten des WpÜG im Januar 2002 bestanden dementsprechend
auch in der Praxis erhebliche Rechtsunsicherheiten. Die BaFin erklärte deshalb im
April 2002 auf Anfrage der Siemens AG, dass nach ihrer Ansicht auch ein öffentliches Angebot zum Erwerb eigener Aktien den Regeln des WpÜG unterfalle497. Diese Entscheidung stieß auf erhebliche Kritik von Seiten der Praxis498, was angesichts
der damit verbundenen Erschwerung und Verteuerung öffentlicher Rückerwerbsverfahren sowie der Beeinträchtigung des flexiblen Einsatzes dieses Instruments in den
Händen der Unternehmensführungen nicht verwundert. Nach Veröffentlichung der
Erklärung der BaFin im April 2002 führten einige namenhafte deutsche Unterneh-
495 Für eine Anwendung Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2592 f; Oechsler, NZG 2001, 817,
818 f.; Lenz/Linke, AG 2002, 420, 421 ff.; Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1513 ff.; Hopt, ZHR
166 (2002), 383, 393; Lenz/Behnke, BKR 2003, 43, 49; Krause, 4 Int Comp Corp Law J, 345,
361 Fn. 43 (2002); Thaeter, in: Thaeter/Brandi, Teil 2 Rn. 29 f.; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 92 ff.; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum
AktG, § 2 WpÜG Rn. 25 ff.; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 40 ff.;
Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 2 Rn. 5 ff.; Hirte, in: Kölner Kommentar zum
WpÜG, Einl. Rn. 81; Steinmeyer/Häger, § 1 Rn. 6; Zech, S. 227. Für eine analoge Anwendung Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 704 ff.; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1
Rn. 104 ff. Gegen eine Anwendung Süßmann, AG 2002, 424, 424 ff.; Berrar/Schnorbus,
ZGR 2003, 59 68 ff.; Baum, ZHR 167 (2003), 580, 589 ff.; Koch, NZG 2003, 61, 64 ff.; Möller, Rn. 252 ff., 264; Koch, S. 137 ff, 235; Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, §
1 Rn. 22; Hüffer, § 71 Rn. 19 l; Angerer, in: Geibel/Süßmann, § 1 Rn. 99 ff.; Noack, in: Kapitalmarktrechtskommentar, § 1, 2 WpÜG Rn. 4.
496 Zur Parallelproblematik im österreichischen und schweizerischen Recht vgl. eingehend Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2590 f.; Baums/Hecker, in: Baums/Stöcker, § 1 Rn. 174 ff.;
Koch, S. 216 ff., jeweils m.w.N.; zur US-amerikanischen Rechtslage vgl. noch ausführlich S.
209 ff.
497 Vgl. Artikel „Aktienrückkäufe fallen unter Übernahmegesetz“, FAZ vom 3. Mai 2002, S. 17
ff.; vgl. auch Lenz/Linke, AG 2002, 420, 421 ff.; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der
Diskussion 2003, 81, 92 ff.
498 Vgl. Baum, ZHR 167 (2003), 580, 584 m.w.N.
100
men bereits zeitnah öffentliche Rückerwerbsverfahren nach dem WpÜG durch499.
Im Juli 2005 veröffentlichte die BaFin dann ein Merkblatt, in dem sie erläuternde
Hinweise zum Verfahren für Rückerwerbsangebote nach dem WpÜG erteilte. Hiernach sollte der Großteil der §§ 10-28 WpÜG auf den Aktienrückerwerb anzuwenden
sein, jedoch sollten auch bestimmte Ausnahmen gelten, um den Besonderheiten
eines auf den Erwerb eigener Aktien gerichteten Angebots Rechnung zu tragen500.
Im Zuge der Umsetzung der europäischen Übernahmerichtlinie 2004/25/EG, geschehen durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz im Juli 2006, hatte der
Gesetzgeber sodann Gelegenheit, die Anwendung des WpÜG auf öffentliche Rückerwerbsangebote klarzustellen. Insbesondere zwangen die Vorgaben der Übernahmerichtlinie betreffend Angebotsverfahren mit grenzüberschreitendem Bezug ohnehin zu einer Überarbeitung der den Anwendungsbereich des WpÜG bestimmenden
Vorschriften. Dennoch ist eine explizite gesetzliche Klarstellung (leider) ausgeblieben. Jedoch wurde immerhin in der Gesetzesbegründung zum Übernahmerichtlinie-
Umsetzungsgesetz klargestellt, dass die Umsetzung keinen Einfluss darauf haben
solle, dass die WpÜG-Vorschriften für einfache Erwerbsangebote grundsätzlich
auch auf Rückerwerbsangebote Anwendung finden501.
Trotz dieser Vorgabe veröffentlichte die BaFin in der unmittelbaren Folge am 9.
August 2006 eine Mitteilung, nach der „im Zuge der Umsetzung“ der Richtlinie
nunmehr die Verwaltungspraxis dahingehend geändert werde, dass das WpÜG bei
einem öffentlichen Angebot der Zielgesellschaft zum Rückerwerb eigener Aktien
nun doch keine Anwendung (mehr) finde502. Die Geltung des zuvor im Juli 2005
veröffentlichten Merkblatts mit Hinweisen für das Verfahren für Rückerwerbsangebote nach dem WpÜG wurde aufgehoben. Eine nähere Begründung für diese Änderung der Verwaltungspraxis erfolgte nicht.
Die ausgebliebene gesetzliche Klarstellung sowie die geänderte Verwaltungspraxis der BaFin sollen Anlass für eine eingehende Untersuchung sein, welche Gründe
für bzw. gegen eine Anwendung des WpÜG auf öffentliche Rückerwerbsverfahren
sprechen. Wenn auch die Rechtsauffassung der BaFin für den Moment eine gewisse
499 So beispielsweise die Axel Springer AG (Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe
eines öffentlichen Rückerwerbsangebots am 9. Oktober 2003) und die Beiersdorf AG (Veröffentlichung der Entscheidung am 22. Dezember 2003).
500 Merkblatt „Erläuternde Hinweise zum Rückerwerb eigener Aktien nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) und der WpÜG-Angebotsverordnung, Stand: Juli
2005“.
501 Begr RegE, BT-Drucks. 16/1003, S. 17.
502 Die Mitteilung ist erhältlich auf der Homepage der BaFin („http://www.bafin.de“). Einen
dementsprechenden Hinweis enthielt bereits auch das Merkblatt „Allgemeine Informationen
zur Aufsicht über Wertpapiererwerbsangebote, Übernahmeangebote und Pflichtangebote
nach dem WpÜG“ vom 25. Juli 2006, ebenfalls erhältlich auf der zuvor bezeichneten Homepage der BaFin.
101
„normative Kraft des Faktischen“ schafft503, ist sie mangels dementsprechender
Kompetenz der BaFin nicht dafür entscheidend, ob die Anwendung der §§ 10-28
WpÜG auf den Rückerwerb von Rechts wegen geboten ist oder nicht504.
b) Wortlaut der §§ 1, 2 WpÜG
Die Frage, ob die §§ 10-28 WpÜG auf öffentliche Rückkaufangebote anzuwenden
sind, muss zunächst von dem Gesetzeswortlaut ausgehen. Der Anwendungsbereich
des WpÜG wird durch die §§ 1, 2 (und nunmehr auch 3) WpÜG bestimmt. Die §§ 1,
2 WpÜG in der Fassung vor Inkrafttreten des Übernahmerichtlinie-
Umsetzungsgesetzes erwähnten zwar das Angebot zum Erwerb eigener Aktien nicht
explizit, umfassten dieses jedoch - da weit gefasst - zumindest vom Wortlaut her505.
Hieran hat sich auch nach der Neufassung des WpÜG im Jahre 2006 nichts geändert506.
Sprachliche Bedenken gegen eine Erfassung des Aktienrückerwerbs durch das
WpÜG wurden im Schrifttum mit Hinblick auf §§ 1, 2 I WpÜG a.F. allenfalls insoweit gehegt, als die rückerwerbende Gesellschaft nicht „Zielgesellschaft“ im Sinne
dieser Vorschriften sein könne507. Da das Tatbestandsmerkmal der Zielgesellschaft
auch nach der Änderung des WpÜG noch maßgebend ist, sind diese Bedenken zwar
auch auf dieser Basis prinzipiell noch von Relevanz; sie greifen jedoch im Ergebnis
nicht durch.
Gegen die Erfassung von Gesellschaften, die ein Rückkaufangebot abgeben, wird
zunächst angeführt, dass die Bezeichnung als „Ziel“-Gesellschaft begriffsnotwendig
die Beteiligung einer zweiten Person als zielendem Protagonisten voraussetze508.
Hiergegen spricht jedoch, dass der Annahme einer Identität zwischen einem zielendem und einem anvisierten Subjekt nichts im Wege steht. Ein „Zielen auf sich
selbst“ ist denknotwendig keineswegs ausgeschlossen, so dass dem Begriff „Zielgesellschaft“ das Erfordernis einer personalen Dualität nicht entnommen werden kann.
503 Vgl. Pluskat, NZG 2006, 731, 732.
504 Vgl. insofern auch Leuering, AG 2007, 435, 440.
505 So im Ergebnis auch Lenz/Linke, AG 2002, 420, 421; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703,
705; Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2592; Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Baums/Hecker,
in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 93; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2
WpÜG Rn. 26 f.; Steinmeyer/Häger, § 1 Rn. 6; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 2 Rn. 41; Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 1 Rn. 22; Angerer, in:
Geibel/Süßmann, § 1 Rn. 100; Koch, S. 167 f.
506 Vgl. auch DAI, Stellungnahme vom 24. Januar 2006, S. 1; Merkt, Stellungnahme vom 8.
März 2006, S. 8 f.; ZKA, Stellungnahme vom 5. Mai 2006, S. 2.
507 So Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 72 f.; Koch, NZG 2003, 61, 64.
508 Koch, NZG 2003, 61, 64.
102
Darüber hinaus wird argumentiert, die Verwendung des Begriffs „Zielgesellschaft“ lasse den Schluss darauf zu, dass mit dem Aktienkauf stets weitere Zwecke,
wie insbesondere eine Kontrollintensivierung, verfolgt werden müssten. Im Falle
des Erwerbs eigener Aktien sei der Gesellschaft allerdings infolge der §§ 71 II 1, 71
b AktG ein beherrschender Einfluss auf die Hauptversammlung verwehrt. „Ziel“ des
Erwerbs könne beim Aktienrückkauf somit gar nicht die Gesellschaft, sondern nur
die Aktien selbst sein509. Eine solche Argumentation ist jedoch abzulehnen. Zunächst ist die Differenzierung zwischen einem Abzielen einerseits auf die Gesellschaft und andererseits auf die zu erwerbenden Aktien weder praktikabel, noch einleuchtend510. Wenn auch aus eigenen Aktien keine Rechte herleitbar sind, so hat der
Rückerwerb, sofern er nicht vollständig pro rata erfolgt, dennoch eine Verschiebung
der Mehrheitsverhältnisse zur Folge. Gerade diesen Effekt mag der Vorstand, der
seine Kontrollstellung wahren will, im Falle eines Rückerwerbs zu Abwehrzwecken
sogar gezielt ausnutzen wollen511. Darüber hinaus dürfte für die besagte Differenzierung ohnehin überhaupt kein Raum bestehen, da der Begriff der Zielgesellschaft in §
2 III WpÜG schließlich legaldefiniert wurde, und dort von einer Differenzierung
nach dem Zweck des Erwerbs nicht die Rede ist. Es ist davon auszugehen, dass der
Gesetzgeber das Tatbestandsmerkmal der Zielgesellschaft zum Zwecke der „Begriffsbestimmung“ (vgl. den Titel des § 2 WpÜG) abschließend definieren wollte512.
Für die Annahme darüber hinausgehender qualitativer Anforderungen ist daher kein
Platz. Der Zweck des Aktienerwerbs ist mithin ohne Einfluss darauf, ob eine Gesellschaft „Zielgesellschaft“ ist oder nicht. Sie ist es in jedem Fall, solange sie die in § 2
III WpÜG beschriebenen Voraussetzungen erfüllt.
Im Ergebnis ist das öffentliche Angebot zum Erwerb eigener Aktien somit vom
Wortlaut der §§ 1, 2 WpÜG erfasst. Dies gilt sowohl für die Fassung dieser Vorschriften vor, wie auch nach Inkrafttreten des Übernahmerichtlinie-
Umsetzungsgesetzes.
c) Historische Auslegung
aa) Situation vor dem Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz 2006
Ziel der historischen Auslegung ist die Erforschung des Regelungszwecks einer
Gesetzesnorm aus deren entstehungsgeschichtlichem Zusammenhang513. Der Blick
509 Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 73.
510 Ähnlich Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 27, mit dem
zutreffenden Hinweis, dass als „Ziel“ ohnehin nicht die Gesellschaft, sondern allein das Unternehmen in Frage kommt.
511 Vgl. hierzu bereits S. 43 f.
512 Dies bestätigt auch der vergleichende Blick auf die Abs. I-II und IV-VIII.
513 Vgl. Rüthers, Rn. 780.
103
auf die Entstehungsgeschichte des WpÜG in der Ursprungsfassung aus dem Jahre
2002 lässt, wie im Folgenden darzulegen sein wird, keinen Schluss darauf zu, dass
der Gesetzgeber der WpÜG-Ursprungsfassung den Erwerb eigener Aktien aus dem
Geltungsbereich des WpÜG ausnehmen wollte514.
Die relevanten Eckdaten betreffend die Gesetzesgeschichte des § 2 I WpÜG, welcher das Tatbestandsmerkmal des „Angebots“ definiert, sind die folgenden: Im Juni
2000 verabschiedete der Rat der EU einen Gemeinsamen Standpunkt für eine Übernahmerichtlinie515. Art. 2 lit. a) Satz 1 des Richtlinienvorschlags definierte das den
Anwendungsbereich der Richtlinie bestimmende Angebot als ein „an die Inhaber der
Wertpapiere einer Gesellschaft gerichtetes (und nicht von der Zielgesellschaft selbst
gemachtes) öffentliches Angebot zum Erwerb eines Teils oder aller dieser Wertpapiere“. In den Diskussionsentwurf zum WpÜG vom 29. Juni 2000516 wurde der den
Rückerwerb ausschließende Klammerzusatz aus dem Richtlinienvorschlag nicht
übernommen und bekanntlich auch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht
mehr eingefügt. Nun erstreckte sich der Diskussionsentwurf - anders als bereits der
Referentenentwurf vom 12. März 2001517 und schließlich auch die Gesetzesfassung lediglich auf Übernahme-, nicht aber auch auf einfache Erwerbsangebote. Diesen
Umstand ziehen Gegner einer Anwendung des WpÜG auf den Rückerwerb als Erklärung dafür heran, dass § 2 I WpÜG öffentliche Rückerwerbsangebote nicht explizit ausschließt, obwohl er sie tatsächlich nicht erfassen solle518.
Diese Sichtweise überzeugt jedoch nicht. Richtig ist zwar, dass sich die Frage
nach der Einbeziehung von Rückerwerbsangeboten auf Basis des Diskussionsentwurfes gar nicht stellte, so dass die sprachliche Abweichung von dem Richtlinienvorschlag (in Form des Verzichts auf den o.g. Klammerzusatz) tatsächlich nicht als
Argument für eine geplante Erfassung des Rückerwerbs herangezogen werden kann.
Keinesfalls „erklärt“ jedoch die Gesetzesgeschichte vor diesem Hintergrund das
514 Das Schrifttum gelangt in Bezug auf die historische Auslegung zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zugunsten einer Erfassung des Aktienrückerwerbs Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 42 f. Zugunsten einer Nichterfassung Süßmann,
AG 2002, 424, 426; Koch, NZG 2003, 61, 65. Für eine Unergiebigkeit der historischen Auslegung dagegen die überwiegende Mehrheit: Lenz/Linke, AG 2002, 420, 421; Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2592; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 706;
Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 106 f.; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar
zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 28; Möller, Rn. 252; Koch, S. 168 ff.
515 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote: Gemeinsamer Entwurf nach Billigung durch den
Vermittlungsausschuss am 6. Juni 2001 (abgedruckt bei Pötzsch, S. 342 ff.). Dieser Gemeinsame Entwurf scheiterte allerdings im Folgenden im Europäischen Parlament, vgl. hierzu
Schlitt, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 33 WpÜG Rn. 15 m.w.N.
516 Abgedruckt in NZG 2000, 844 ff.
517 Hierzu explizit im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien DAV, NZG 2001, 420,
420.
518 So Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 74 ff.
104
(angebliche) Auseinanderlaufen zwischen gesetzlicher Definition und Intention.
Hätte der Gesetzgeber den Rückerwerb tatsächlich aus dem WpÜG ausnehmen
wollen - so ließe sich gegenargumentieren - wäre vernünftigerweise zu erwarten
gewesen, dass er im Zuge der Erweiterung auf einfache Erwerbsangebote auch den
Klammerzusatz aufgenommen hätte, denn nunmehr war die sprachliche Abweichung von dem Richtlinienvorschlag tatsächlich auch inhaltlich bedeutsam. Dies gilt
umso mehr, als auch die Begründung für die Erweiterung auf einfache Erwerbsangebote den Erwerb eigener Aktien inhaltlich nicht ausgrenzt: Hiernach sollte auch
für Angebote, die nicht mit dem Überschreiten einer Kontrollschwelle verbunden
sind, ein faires und transparentes Verfahren geschaffen werden519. Solche Angebote
sind, wie dargestellt, aber auch solche zum Erwerb eigener Aktien.
Auch die Tatsache, dass der Erwerb eigener Aktien in den Gesetzesmaterialien
zum WpÜG (in seiner ursprünglichen Fassung aus dem Jahre 2002) an keiner Stelle
problematisiert wird, kann jedenfalls nicht gegen eine Erfassung sprechen. Gegner
einer Erfassung des Aktienrückerwerbs führen an, dass der Gesetzgeber einen Willen zur Einbeziehung des Rückerwerbs, falls vorhandenen, sicherlich an irgendeiner
Stelle in den Materialien geäußert hätte, denn da der Richtlinienvorschlag den Rückerwerb explizit ausklammerte, sei bei den Normadressaten bereits eine gewisse
„Erwartungshaltung“ entstanden520. Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen. Es ist bereits ein überaus fragwürdiges Vorgehen, das Bewusstsein des
Gesetzgebers über eine bestimmte Erwartungshaltung der Normadressaten als
Grundlage dafür heranzuziehen, ein Schweigen der Materialien als ein konkludentes
Bekenntnis zu deuten. Ohnehin sind aber die Grenzen der Plausibilität insofern
überschritten, als der Gesetzgeber sich bei der Schaffung des Gesetzestextes selbst
schließlich ganz deutlich von der die „Erwartungshaltung“ prägenden Vorlage namentlich dem Richtlinienvorschlag - abgekehrt hat. Denn den darin enthaltenen
Klammerzusatz hat er nicht übernommen und somit einen Gesetzeswortlaut geschaffen, der den Rückerwerb mit einschließt. Wenn man somit aus der unterbliebenen
Begründung schon Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers ziehen möchte,
so müsste man aus diesem Grund vielmehr annehmen, dass eine Erfassung des
Rückerwerbs - in der Annahme, der nunmehr offen gefasste Gesetzestext spreche für
sich - gewollt war521.
Zuletzt kann auch die Berücksichtigung der Möglichkeit, dass der Gesetzgeber
des WpÜG 2002 die Problematik des Aktienrückerwerbs infolge redaktioneller
Nachlässigkeit überhaupt nicht reflektiert hat522, eine Ausklammerung aus dem
519 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 27. Vgl. hierzu auch die zutreffenden Ausführungen von
Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 28.
520 So Koch, NZG 2003, 61, 65; ähnlich Berrar/Schnorrbus, ZGR 2003, 59, 75 (Fn. 80).
521 Ähnlich Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 42 (mit Fn. 2).
522 Dafür Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1514; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 106;
Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 2002, 703, 707; Koch, S. 169.
105
Anwendungsbereich des WpÜG nicht begründen. Ganz davon abgesehen, dass diese
Annahme ohnehin eher unplausibel erscheint523, ist nicht ersichtlich, inwiefern eine
Nichtreflektierung unter gesetzeshistorischen Gesichtspunkten für eine Ausklammerung des Rückerwerbs sprechen sollte, denn in diesem Fall wäre die historische
Auslegung einfach nur unergiebig524.
Als Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die historische Auslegung nach dem Gesagten keine überzeugenden Argumente dafür hervorbringen kann, dass der Gesetzgeber des WpÜG in der Fassung aus dem Jahre 2002 den Erwerb eigener Aktien aus
dem Anwendungsbereich des WpÜG ausklammern wollte. Es dürften sogar die
besseren Gründe für das Gegenteil sprechen, ohne dass es jedoch angesichts der
Erfassung des Rückerwerbs durch den Wortlaut der §§ 1, 2 WpÜG positiv hierauf
ankäme.
bb) Änderung durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz 2006?
Wenn schon die historische Auslegung der Entstehungsgeschichte des WpÜG 2002
eine Ausklammerung des Aktienrückerwerbs aus dem Geltungsbereich des WpÜG
nicht begründen kann, so gilt nun auch unter Einbeziehung des jüngsten Reformprozesses im Zusammenhang mit der Umsetzung der europäischen Übernahmerichtlinie
im Jahre 2006 nichts anderes. Insbesondere war dem Gesetzgeber des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes die Problematik in Bezug auf den Erwerb eigener
Aktien bekannt. Es wurde auch im Gesetzgebungsprozess betreffend das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz mehrfach auf ein Klarstellungsbedürfnis aufmerksam gemacht525. Dass eine gesetzliche Klarstellung trotzdem nicht erfolgt ist, ist
zwar einerseits zu bedauern. Andererseits hat der Gesetzgeber jedoch, wie bereits
ausgeführt, explizit in der Gesetzesbegründung zum Übernahmerichtlinie-
Umsetzungsgesetz klargestellt, dass die Umsetzung der Übernahmerichtlinie keinen
Einfluss auf die grundsätzliche Geltung des WpÜG für einfache Erwerbsangebote,
523 Nicht nur wird der Aktienrückerwerb im Zusammenhang mit anderen Regelungsbereichen
mehrfach in der Regierungsbegründung zum WpÜG erwähnt (vgl. bspw. BT-Drucks.
14/7034, S. 53, 58); der Handelsrechtsausschuss des DAV hatte sich in seinen Stellungnahmen während des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. zum RefE NZG 2001, 420, 420; zum RegE
ZIP 2001, 1736, 1736) auch ausdrücklich für eine übernahmerechtliche Erfassung von Rückerwerbsangeboten ausgesprochen. Zudem hatte die Frage der übernahmerechtlichen Einbeziehung des Rückerwerbs bereits insbesondere im Nachbarland Österreich zu lebhaften Kontroversen geführt, die letzten Endes - überaus medienwirksam - in der Klärung durch den Verfassungsgerichtshof gipfelten. Deshalb gehen auch Baum, ZHR 2003, 580, 586, Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 76; Lenz / Linke, AG 2002, 420, 421; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 42, mit guten Gründen davon aus, dass dem Gesetzgeber die Problematik des Erwerbs eigener Aktien durchaus bewusst war.
524 Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 28.
525 Vgl. insbesondere DAI, Stellungnahme vom 24. Januar 2006, S. 1; zudem etwa auch
Seibt/Heiser, AG 2006, 301, 302.
106
die auf den Erwerb eigener Aktien gerichtet sind, haben soll526. Dies kann nur vermuten lassen, dass der Gesetzgeber schlicht keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Klarstellung gesehen hat527, zumal es schließlich im Zeitpunkt der Umsetzung
der Übernahmerichtlinie in der Praxis gang und gäbe war, das WpÜG-Verfahren
auch beim Aktienrückerwerb einzuhalten, nachdem die BaFin bereits im April 2002
ihre dahingehende Rechtsauffassung erklärt und im Juli 2005 sogar einen speziellen
Katalog der beim Rückerwerb zu beachtenden Vorschriften veröffentlicht hatte. Die
historische Auslegung gelangt also auch unter Einbeziehung des WpÜG-
Reformprozesses im Zusammenhang mit der Umsetzung der Übernahmerichtlinie
nicht zu dem Ergebnis, dass das WpÜG nicht auf den Aktienrückerwerb anzuwenden ist.
d) Systematische Auslegung
aa) Gesetzlich vorausgesetzte Personenverschiedenheit
Als systematisches Argument gegen die Erfassung von Rückkaufangeboten durch
das WpÜG wird zunächst angeführt, dass einige der Vorschriften in §§ 10-28
WpÜG auf eine Personenverschiedenheit zwischen Bieter und Zielgesellschaft zugeschnitten seien528. Dies ist zwar durchaus zutreffend. Ein Beispiel ist § 14 IV 1
WpÜG, der den Bieter verpflichtet, die nach Maßgabe des § 11 WpÜG erstellte
Angebotsunterlage auch der Zielgesellschaft zu übermitteln. Es leuchtet ein, dass es
nicht Wille des Gesetzgebers gewesen sein kann, dass auch die rückerwerbende
Gesellschaft nach Veröffentlichung des Angebots sich selbst noch eine Angebotsunterlage übermitteln muss529. Die an einigen Stellen des WpÜG vorausgesetzte Personenverschiedenheit zwischen Bieter und Zielgesellschaft kann jedoch keinesfalls
dafür sprechen, dass der Gesetzgeber den Aktienrückerwerb gänzlich aus dem Anwendungsbereich des WpÜG ausnehmen wollte530.
526 Begr RegE, BT-Drucks. 16/1003, S. 17.
527 Vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/1541,
der ebenfalls keine Änderungsvorschläge betreffend die Problematik des Erwerbs eigener Aktien (wie insbesondere eine Klarstellung der Frage nach der Anwendbarkeit des WpÜG) vorsieht.
528 Koch, NZG 2003, 61, 65; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 2002, 703, 713; Süßmann, AG
2002, 424, 426; Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 76 f.; Angerer, in: Geibel/Süßmann, § 1
Rn. 100-102; Noack, in: Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 1, 2 WpÜG Rn. 4;
Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 113 ff.; Versteegen, in: Kölner Kommentar zum
WpÜG, § 1 Rn. 22.
529 Weitere Fälle einer gesetzlich vorausgesetzten Personenverschiedenheit sind §§ 10 V 1, 11 II
3 Nr. 3, 16 III, IV WpÜG. Für eine eingehende Darstellung der Anwendbarkeit der §§ 10-28
WpÜG im Falle des Aktienrückerwerbs vgl. im Übrigen sogleich S. 127 ff.
530 So im Ergebnis auch Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2592; Wackerbarth, in: Münchener
Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 29 ff.; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 2 Rn. 46.
107
Zunächst wird an keiner Stelle des Gesetzes vorgeschrieben, dass Bieter und
Zielgesellschaft unterschiedliche Personen sein müssen531. Insbesondere zwingen
die getrennt erfolgten Definitionen in § 2 III und IV WpÜG nicht zu einem entgegenstehenden Verständnis532, denn sie schließen sich gegenseitig nicht aus.
Darüber hinaus ist auch nicht einzusehen, warum die Nichtanwendbarkeit einzelner Normen533 in systematischer Hinsicht dafür sprechen könnte, den Aktienrückerwerb per se aus dem WpÜG auszuklammern534. Dass nicht der Rück-, sondern der
Fremderwerb zumindest den Regelfall des WpÜG darstellt, ist nicht zu bezweifeln.
Angesichts der besonderen personellen Konstellation beim Rückerwerb ist es vor
diesem Hintergrund prinzipiell auch gar nicht verwunderlich, dass einige Verfahrensvorschriften des WpÜG hierauf nicht passen. Dies rechtfertigt es jedoch nicht,
unter Berufung auf systematische Zwänge auch diejenigen Vorschriften ihrer Geltung zu berauben, deren Regelungszweck gar nicht durch die Identität von Bieter
und Zielgesellschaft beeinträchtigt wird. Augenscheinlich wird dies z.B. insofern,
als die Verfahrensvorschriften des WpÜG zum Zwecke der Förderung einer marktangemessenen Anlageentscheidung eine umfassende Information der Angebotsadressaten erreichen wollen. Jedenfalls in systematischer Hinsicht535 ist nicht erkennbar, warum dieser Zweck durch die Dualität von Bieter und Zielgesellschaft hinfällig geworden sein sollte536. Für diejenigen Vorschriften, die auf den Erwerb eigener
531 Lenz/Linke, AG 2002, 420, 421; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion
2003, 81, 93; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 31.
532 A.A. wohl Koch, NZG 2003, 61, 65.
533 Die Anzahl der Normen, die eine Dualität von Bieter und Personengesellschaft voraussetzen,
ist zudem gemessen an der Gesamtzahl der existierenden Verfahrensvorschriften im Ergebnis
ohnehin nur eine geringe. Die Vielzahl der §§ 10-28 WpÜG knüpfen dagegen an eine Personenverschiedenheit gar nicht an, vgl. hierzu wiederum die eingehende Analyse auf S. 127 ff.
534 Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2592; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, §
2 Rn. 46; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 31.
535 Die Frage, ob die Information der Wertpapierinhaber gem. WpÜG in diesem Fall auch inhaltlich geboten ist, ist nicht systematischen, sondern teleologischen Charakters, vgl. dazu sogleich eingehend S. 114 ff.
536 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 46; Wackerbarth, in: Münchener
Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 31 - A.A. Möller, Rn. 261, sowie Koch, S. 176 f., mit
dem Argument, dass die Schutzziele des WpÜG in ihrer Gesamtheit zu betrachten seien, da
ansonsten die dem WpÜG zugrunde liegende Abwägung verschiedener Interessen aufgelöst
werde (so Möller, a.a.O.) bzw. dass das WpÜG als Einheit erlassen worden sei, so dass auch
die Anwendung als Einheit geboten sei (so Koch, a.a.O.). Diese Auffassung ist aber nicht systemgerecht. Es ist nicht einzusehen, warum sich die einzelnen Schutzanliegen des WpÜG gegenseitig bedingen sollten. Wenn das WpÜG etwa eine umfassende Information und Transparenz für die Verfahrensbeteiligten gewährleisten soll (vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034,
S. 1), so wird hierdurch die Allokationseffizienz und damit ein zentrales Anliegen des gesamten Kapitalmarktrechts gefördert. Es kann nicht angenommen werden, dass das WpÜG im
Zusammenhang mit öffentlichen Erwerbsverfahren nur dann für Transparenz sorgen will,
wenn gleichsam im Gegenzug hierzu bspw. auch das Interesse der Zielgesellschaft an einer
nicht übermäßig langen Behinderung ihrer Geschäftstätigkeit (§ 3 IV 2 WpÜG) gewahrt ist.
Dies verkennt Koch mit der Folge, dass er etwa die Angaben nach § 2 WpÜG-AngebotsVO
108
Aktien nicht passen, könnte dann ggf. schließlich immer noch auf das Instrument der
teleologischen Reduktion zurückgegriffen werden537.
bb) Kohärenz der Rechtsordnung
(1) Dogmatische Grundüberlegungen
Teilweise wird der Anwendung des WpÜG auf den Aktienrückerwerb als systematisches Argument538 die „Kohärenz der Rechtsordnung“ entgegengehalten539. Bevor
im Einzelnen auf die angeblich inkohärenten Ergebnisse eingegangen werden kann,
gilt es aber zunächst, einige dogmatische Grundüberlegungen zur Handhabung des
Arguments der „Kohärenz der Rechtsordnung“ anzustellen, die für die anschließende Analyse von Bedeutung sind. Die Vertreter der zuvor benannten Gegenauffassung leiten ein, das Recht erfordere „eine Kohärenz seiner verschiedenen Bereiche
zum Ganzen, eine Systematik, die das Zusammenspiel der Normen regelt und zumindest so steuert, dass der Normadressat sich nicht widersprechenden Rechtsfolgen
ausgesetzt sieht“540. Entscheidend für den Gehalt dieser Aussage erscheint dabei der
Terminus der „sich widersprechenden“ Rechtsfolgen, den es zu präzisieren gilt.
Auszugehen ist dabei von drei verschiedenen Fallkonstellationen.
Zunächst (1.) ist an die Möglichkeit zu denken, dass Rechtfolgen, die von prinzipiell gleichrangigen Vorschriften für einen identischen Sachverhalt angeordnet werden, sich gegenseitig ausschließen. Soweit mit dem oben angeführten Zitat eben
diese Fälle gemeint sind, ist der Geltung der zugrunde liegenden Aussage im Grundsatz zuzustimmen541. Ein unmittelbarer Widerspruch ist in diesem Fall offenkundig.
Normen, deren Gebote sich ausschließen, können nicht mit dem Anspruch auf Gelbeim Rückerwerb nicht zur Anwendung kommen lassen will, obwohl er diese Anwendung
prinzipiell als sinnvoll erachtet (Koch, S. 207). Ganz davon abgesehen kann Möller und Koch
aber auch insofern nicht zugestimmt werden, als sie meinen, die Gesamtbetrachtung der
Schutzgrundsätze des WpÜG lege eine Erfassung des Aktienrückerwerbs nicht nahe, da die
„Abweichungen sehr viel gravierender als die Übereinstimmungen“ seien (so Möller, a.a.O.)
bzw. „wesentliche Leitprinzipien, die eine Dualität von Bieter und Zielgesellschaft voraussetzen, nicht zur Geltung kommen“ (so Koch, S. 176 f.). Dass diese Annahme unzutreffend ist,
wird auf S. 114 ff. noch eingehend darzulegen sein.
537 Vgl. hierzu S. 122 f.
538 Zur Einordnung der Kohärenz der Rechtsordnung als Aspekt der Rechtssystematik vgl. Seelmann, Rn. 72.
539 In diesem Sinne Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 80 ff.
540 Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 80, insoweit unter Bezugnahme auf Kischel, AöR 124
(1999), 174, 175.
541 Dieses Verständnis scheint offensichtlich auch Baum, ZHR 167 (2003), 580, 605, zugrunde
zu legen, wenn er - ebenfalls gegen die Anwendbarkeit des WpÜG argumentierend - von
„widersprüchlichen Verhaltensgeboten“ spricht.
109
tung auftreten542. Darüber hinaus (2.) kann es vorkommen, dass eine identische
Rechtsfolge durch mehrere (gleichrangige) Vorschriften gleichzeitig angeordnet
wird543. Bei Zugrundelegung dieser Konstellation ist allerdings ein Widerspruch
nicht feststellbar. Da unterschiedliche Verhaltensgebote oder Regelungen nicht
bestehen und der Rechtsanwender somit keiner Zwangslage ausgesetzt ist, besteht
kein Grund, die gesetzliche Systematik unter dem Gesichtspunkt der Inkohärenz in
Frage zu stellen. Zuletzt (3.) mögen gleichrangige Regelungen oder Regelungskomplexe an einen identischen Sachverhalt verschiedene Rechtsfolgen knüpfen, die
sich gegenseitig aber nicht ausschließen544. Zwar kann sich der Rechtsanwender im
Einzelfall ggf. in berechtigter Weise fragen, ob vor dem Hintergrund einer einheitlichen Wertung tatsächlich nicht nur die Rechtfolge einer der Regelungen eintreten
soll. Dies aber hat mit der Frage kohärenten oder inkohärenten Rechts nichts zu tun
und stellt auch keinen Widerspruch dar. Häufig nämlich ist es nur notwendige Folge
divergierender rechtspolitischer Blickwinkel und grundverschiedener gesetzlicher
Schutzausrichtungen, dass Regelungen verschiedener Rechtsgebiete an einen identischen Sachverhalt unterschiedliche Vorgaben knüpfen545. Die Koordination solcher
durch die Mehrschichtigkeit des Normgefüges entstehenden Spannungen ist zwar
durchaus eine von Grund auf systematische Aufgabe; ihr ist jedoch nicht unter dem
Deckmantel der Kohärenz der Rechtsordnung nachzukommen. Es geht hierbei vielmehr um eine sach- und systemgerechte Rechtsanwendung im Einzelfall, die - bezogen auf den hier in Frage stehenden Fall - unter umfassender Berücksichtigung und
Abwägung verbands- und kapitalmarktrechtlicher Interessen geschehen muss546.
Unter Zugrundelegung dieser Ergebnisse wäre die eingangs dargestellte Argumentation, nach der die Anwendung des WpÜG auf den Erwerb eigener Aktien zu
inkohärenten Ergebnissen führen soll, somit nur insoweit schlüssig, als einzelne
übernahmerechtliche Vorschriften Verhaltensgebote oder Regeln statuieren würden,
die zu anderen gesetzlichen Vorgaben in einem Ausschlussverhältnis und somit in
einem unmittelbaren Widerspruch stehen547. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte
und müsste man sich die Frage stellen, ob und wenn ja welche Konsequenzen hieraus für die generelle Anwendbarkeit des WpÜG auf den Aktienrückerwerb gezogen
542 Vgl. Seelmann, Rn. 71.
543 Vgl. hierzu auch Fleischer, ZIP 2006, 451, 456 f., der konkret im Hinblick auf Aktien- und
Kapitalmarktrecht „Funktionsäquivalenzen“ aufzeigt.
544 Hierbei sind auch Mischfälle dergestalt denkbar, dass nur teilweise unterschiedliche Rechtsfolgen angeordnet werden oder dass die Rechtsfolgen sich nur teilweise (nicht) ausschließen.
545 Dies gilt es insbesondere im Hinblick auf das Gesellschaftsrecht, das die Interessen im Verband regelt, und das Kapitalmarktrecht, das auf das Funktionieren des Kapitalmarktes ausgelegt ist, festzustellen, vgl. hierzu auch noch S. 225 ff.
546 Vgl. zu diesem Aspekt auch noch im nachfolgenden Teil 4 B I 1 d) cc) (S. 111 ff.), wo es um
die Frage geht, ob das Aktienrecht den Erwerb eigener Aktien erschöpfend regelt.
547 Dies verkennen offenbar Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 80 ff., die unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz der Rechtsordnung auf eine Reihe von Fallkonstellationen verweisen, ohne sich dabei auf sich gegenseitig ausschließende Rechtsfolgen zu berufen, vgl. auch
die Ausführungen unter dem folgenden Gliederungspunkt.
110
werden müssen. Unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz der Rechtsordnung kann es
dagegen nicht darauf ankommen, dass andere Gesetze - namentlich das AktG oder
das WpHG - Rechtsfolgen anordnen, die mit denen des WpÜG identisch sind oder
aber selbständig daneben stehen können, ohne diese auszuschließen.
(2) Inkohärente Ergebnisse?
Im Schrifttum wird zunächst vielfach darauf verwiesen, dass sich im Falle einer
Überzeichnung des öffentlichen Rückkaufangebots ein Widerspruch zwischen aktien- und den übernahmerechtlichen Zuteilungsregeln ergebe548. Tatsache ist, dass §
19 WpÜG im Falle der Überzeichnung öffentlicher Erwerbsangebote eine verhältnismäßige Berücksichtigung der Annahmeerklärung vorschreibt, während die herrschende Meinung §§ 53 a, 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG das Gebot einer Zuteilung nach
Beteiligungsquoten entnimmt. Ganz unabhängig davon, ob diese herrschende Meinung nun zutreffend ist oder nicht549, ist in diesem „Konflikt“ unter Berücksichtigung der Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt aber jedenfalls kein inkohärentes Ergebnis zu sehen. Um den behaupteten Widerspruch überhaupt unter dem
Gesichtspunkt der Kohärenz der Rechtsordnung als methodisches Argument für die
Nichtanwendbarkeit des gesamten WpÜG auf den Rückerwerb heranziehen zu können, bedürfte es schon der Darlegung einer systematischen Inkompatibilität von § 53
a AktG und § 19 WpÜG. Nur vor diesem besonderen Hintergrund ließe sich argumentieren, dass die Anwendung des WpÜG auf den Rückerwerb der Vermutung
widerspreche, dass der Gesetzgeber systemgerechtes und stimmiges Recht schaffen
will. Eine solche systematische Unvereinbarkeit ist aber nicht feststellbar. Bei § 53 a
AktG handelt es sich lediglich um eine aktienrechtliche Generalklausel, die das
allgemeine Erfordernis einer Gleichbehandlung der Aktionäre statuiert, aber im
Gegensatz zu § 19 WpÜG gar keine explizite Regelung bezüglich des Zuteilungsverfahrens enthält. An sich, worauf es nach dem Gesagten aber allein ankommen
kann, widersprechen sich die beiden Vorschriften mithin gar nicht550.
548 Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Autoren gegen oder für eine Anwendung des WpÜG
auf den Rückerwerb aussprechen; vgl. für die erste Gruppe Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59,
81; Baum, ZHR 167 (2003), 580, 605; Süßmann, AG 2002, 424, 432; vgl. für die zweite
Gruppe etwa Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2593; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 2 Rn. 6.
549 Nach hier vertretener Auffassung sind beide Verfahren mit §§ 53 a, 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG
vereinbar, siehe dazu bereits S. 85 ff.; vgl. insofern zur Anwendung des § 19 WpÜG auf den
Erwerb eigener Aktien auch noch S. 151 ff.
550 Zutreffend stellt daher Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn.
39, fest, dass sich die methodische Frage eines Anwendungsvorrangs insofern gar nicht stellt;
unzutreffend mithin Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 81; Baum, ZHR 167 (2003), 580, 605.
111
Auch die Anwendung von § 17 WpÜG auf den Rückerwerb kann nicht zu widersprüchlichen oder inkohärenten Ergebnissen führen551. Die Vorschrift verbietet die
Ausgestaltung eines öffentlichen Erwerbsangebots als invitatio ad offerendum.
Selbst unter der Voraussetzung, dass hiernach ein Aktienrückerwerb im Wege einer
dutch auction verboten wäre552, kann aber angesichts der Tatsache, dass das AktG
ein solches Verfahren gar nicht verbietet, nicht von einem Widerspruch gesprochen
werden. Ein Handlungskonflikt besteht für den Rechtsanwender nicht, so dass nach
den aufgezeigten Grundsätzen die Kohärenz der Rechtsordnung nicht in Frage
steht553.
Soweit zuletzt das Entstehen inkohärenter Ergebnisse damit begründet wird, dass
die Anwendung der §§ 10, 11, 16 III und IV, 27 WpÜG auf den Rückerwerb angesichts einschlägiger Regelungen des AktG und des WpHG unnötig sei554, kann auch
dem nicht gefolgt werden. Nach den aufgezeigten Grundsätzen wäre selbst für den
Fall, dass diese Aussage - als Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung zuträfe, in ihr nichts Widersprüchliches zu sehen555. Die Kohärenz der Rechtsordnung ist damit überhaupt nicht in Frage gestellt.
Insgesamt verbleibt mithin festzustellen, dass sich unter dem Aspekt der „Kohärenz der Rechtsordnung“ kein Argument gegen die Anwendung des WpÜG auf den
Erwerb eigener Aktien herleiten lässt, da eine Anwendung in keiner Weise zu inkohärenten Ergebnissen führt556.
cc) Erschöpfende Regelung des Rückerwerbs durch die §§ 71 ff. AktG?
Der Anwendung des WpÜG auf den Erwerb eigener Aktien wird zudem entgegengehalten, dass dieser bereits erschöpfend durch das Aktienrecht geregelt sei557. Auch
diese Annahme kann jedoch unter keinem Blickwinkel überzeugen558.
551 A.A. Baum, ZHR 167 (2003), 580, 605 f. (differierender Handlungsspielräume nach WpÜG
und AktG als „Widerspruch“).
552 Vgl. dazu noch eingehend S. 148 f.
553 Es liegt die im Rahmen der oben stehenden dogmatischen Grundüberlegungen als (3.) gekennzeichnete Konstellation vor.
554 Nicht anders lautet praktisch der Tenor der Argumentation von Berrar/Schnorbus (ZGR 2003,
59, 80 ff.) betreffend diese Vorschriften unter dem Gesichtspunkt der „Kohärenz der Rechtsordnung“.
555 In diesem Fall liegt die zuvor als (2.) bezeichnete Konstellation vor.
556 So im Ergebnis zutreffend auch Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2
WpÜG Rn. 34 ff.
557 Baum, ZHR 167 (2003), 580, 606 ff.; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 109 f.;
Noack, in: Kapitalmarktrechtskommentar, §§ 1, 2 WpÜG Rn. 4; so auch jeweils im Zusammenhang mit einer Analogiebildung Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 84 f.; Koch, NZG
2003, 61, 68.
112
So wird zunächst vertreten, das Aktienrecht sei im Hinblick auf den Rückerwerb
Spezialregelung, da es einen dem Rückerwerb sachlich näheren Markt regele als das
Übernahmerecht. Der Erwerb eigener Aktien verfolge lediglich finanztechnische
Ziele, die aber dem durch das WpÜG geregelten „Beteiligungs“- Markt gar nicht
zuzuordnen seien559. Diese Argumentation geht jedoch fehl. Sie verkennt den grundlegend gleichwertigen Geltungsanspruch von Aktien- und Kapitalmarktrecht560.
Generell ist in diesem Lichte bereits die Frage nach einem methodischen Anwendungsvorrang - sei es zugunsten des AktG, da das Rückerwerbsangebot nicht der
Regelfall eines öffentlichen Angebots ist561 oder auch zugunsten des WpÜG, insoweit es eine besondere Erscheinungsform des Rückerwerbs regelt562 - unzutreffend
gestellt, da sie eine Ausschließlichkeit vermittelt, die dem tatsächlichen Verhältnis
beider Rechtsgebiete nicht gerecht wird. Das Aktienrecht behandelt den Erwerb
eigener Aktien nur aus einer verbandsrechtlichen Perspektive, indem es das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Aktionär regelt563. Die
behauptete „Sachnähe“ kann damit allenfalls in einem Zusammenhang festgestellt
werden, der sich den marktrechtlichen Außenbeziehungen der Gesellschaft entzieht.
Das WpÜG will dagegen durch die Normierung von Transparenz- und Informationsgeboten Leitlinien für ein faires und geordnetes Angebotsverfahren schaffen564.
Es ist insbesondere in Form der hier in Frage stehenden §§ 10-28 WpÜG auf die
Funktionalität der Kapitalmärkte ausgerichtet. Somit wird deutlich, dass Aktien- und
Übernahmerecht den Aktienrückerwerb originär aus unterschiedlichen rechtspolitischen Blickwinkeln regeln. Der Gesetzgeber hat durch das WpÜG gezielt für öffentliche Kaufangebote einen eigenständigen Schutzstandard geschaffen, der grundsätzlich gleichwertig neben die dem Aktienrecht immanenten Schutzziele tritt. Vor diesem Hintergrund kann aber nicht davon die Rede sein, dass das Aktienrecht die dem
Aktienrückerwerb per se sachnähere und damit speziellere Regelung darstelle. Entscheidend ist vielmehr, dass dem öffentlichen Rückerwerbsangebot auch eine kapitalmarktrechtliche Relevanz nicht abgesprochen werden kann. Die nur partielle
Erfassung des Erwerbs eigener Aktien (nämlich desjenigen auf Basis eines öffentlichen Erwerbsangebots) ist Ausdruck des eigenständigen marktrechtlichen Schutzstandards, den der Gesetzgeber speziell für öffentliche Kaufangebote statuiert hat.
Durch die Annahme einer Anwendungsexklusivität der §§ 71 ff. AktG würde das
558 So im Ergebnis auch Lenz/Linke, AG 2002, 420, 422; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 33; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2
Rn. 45; vgl. auch Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1517.
559 So insbesondere Baum, ZHR 167 (2003), 580, 606 ff. Allerdings dürfte es ohnehin methodisch zutreffender sein, nicht von einer Spezialität, sondern von einer Subsidiarität des
WpÜG „infolge erschöpfender Regelung“ durch das Aktienrecht zu sprechen, da die Rechtsfolgen für öffentliche Rückerwerbsangebote nach dem WpÜG diejenigen nach dem AktG
nicht ausschließen, vgl. hierzu Larenz/Canaris, S. 89 (mit Fn. 30).
560 Vgl. hierzu wiederum auch noch die Ausführungen auf S. 225 ff.
561 So Baum, ZHR 167 (2003), 580, 607.
562 Vgl. hierzu Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 33.
563 Vgl. Henn, Rn. 41.
564 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 28.
113
WpÜG in systemwidriger Weise seiner grundsätzlichen Schutzwirkung beraubt
werden565. Diese Zusammenhänge verdeutlichen aber auch gleichzeitig, dass es
nicht angehen kann, unter Zugrundelegung der Bieterziele einen (aktienrechtlichen)
Finanz- von einem (übernahmerechtlichen) Beteiligungsmarkt abzugrenzen und den
Rückerwerb ausschließlich dem erstgenannten zuzuordnen. Auf die Ziele eines Aktienerwerbs und hiernach abgrenzbarer Märkte kann es für die Anwendung des
WpÜG gar nicht ankommen, da hiernach ein situationsbezogener Schutz gewährt
wird566, der in erster Linie zugunsten der Wertpapierinhaber geht.
Darüber hinaus wird teilweise zugunsten einer Exklusivität des AktG angeführt,
dass nach dem Willen des Gesetzgebers des KonTraG § 71 I Nr. 8 AktG (bzw. im
Besonderen §§ 53 a, 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG) eine abschließende Regelung des
Rückerwerbsverfahrens darstellen sollte567. Auch dies kann jedoch nicht überzeugen. Richtig ist zwar, dass sich der Gesetzgeber im Wege der umfassenden Neuregelung des Erwerbs eigener Aktien durch das KonTraG damit begnügt hat, das dem
Rückerwerb zugrunde liegende Verfahren allein durch die Maßgabe in § 71 I Nr. 8
Satz 3 AktG zu regeln, welcher auf den allgemeinen aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53 a AktG verweist; ausweislich der Regierungsbegründung hielt der Gesetzgeber die Normierung weiterer Verfahrensvorschriften angesichts der strikten Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dabei für entbehrlich568. Wenn nunmehr durch die §§ 10-28 WpÜG weitere Verfahrensvorschriften
für den Rückerwerb in einer seiner Erscheinungsformen hinzutreten, so ist hierin
jedoch kein legislatorischer Wertungswiderspruch zu sehen, der als Indiz dafür herangezogen werden könnte, dass der Gesetzgeber des WpÜG den Aktienrückerwerb
aus den (jüngeren) §§ 1, 2, 3, 10-28 WpÜG ausklammern wollte. Zur Begründung
ist wiederum auf die bereits oben genannten Argumente zu verweisen. So will das
WpÜG einen besonderen marktrechtlichen und damit eigenständigen Schutzstandard schaffen und unterwirft in diesem Zuge auch das öffentliche Rückerwerbsangebot einem formalisierten Verfahren. Selbst wenn also der Gesetzgeber seinerzeit §
71 I Nr. 8 Satz 3 AktG als ausreichende (verbandsrechtliche!) Verfahrensvorschrift
für den Rückerwerb erachtet hat, spielt dieser Umstand für die Anwendung des
WpÜG auf den Rückerwerb keine Rolle569. Ein spezielles übernahmerechtliches
Bedürfnis für weitere Verfahrensregeln konnte der Gesetzgeber des KonTraG zu
diesem Zeitpunkt nicht ausschließen.
565 Vgl. auch Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1517.
566 So zutreffend Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 25 (mit
Fn. 47).
567 Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 109 f.; jeweils im Zusammenhang mit einer Analogiebildung Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 84; Koch, NZG 2003, 61, 68.
568 Begr RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 13.
569 So im Ergebnis auch Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 33.
114
e) Teleologische Auslegung nach Schutzgrundsätzen gem. § 3 WpÜG570
aa) Gebot der Gleichbehandlung (§ 3 I WpÜG)
Das übernahmerechtliche Gebot der Gleichbehandlung (§ 3 I WpÜG) muss seinem
Sinn nach prinzipiell auch beim Erwerb eigener Aktien Anwendung finden571. Die
Gegenmeinung ist unzutreffend: Weder ist die Anwendung des § 3 I WpÜG angesichts der bereits aktienrechtlich angeordneten Gleichbehandlung als sachlich unnötig zu betrachten572, noch ist § 53 a i.V.m. § 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG im Hinblick auf
den Rückerwerb erschöpfende oder spezielle Regelung573.
Zunächst ist festzustellen, dass zwischen aktien- und übernahmerechtlichem
Gleichbehandlungsgebot keine Deckungsgleichheit besteht. § 3 I WpÜG reicht in
mancher Hinsicht weiter als § 53 a AktG574. Da diese gesteigerte Schutzwirkung
auch beim Erwerb eigener Aktien erheblich wird, kann nicht argumentiert werden,
dass dieser Fall unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung einer übernahmerechtlichen Regelung nicht bedürfe. So ist zwar zutreffend, dass der in persönlicher
Hinsicht weitere Geltungsbereich des § 3 I WpÜG nicht als Argument für ein Anwendungsbedürfnis im Falle des Rückerwerbs herangezogen werden kann575. Obwohl § 3 I WpÜG sich im Gegensatz zu § 53 a AktG (auch) auf das Verhältnis zwischen Bieter und Aktionär erstreckt576, folgt hieraus beim Rückerwerb kein gesteigerter Aktionärsschutz, da in diesem Fall Gesellschaft und Bieter identisch sind. § 3
570 Zwar besteht ein selbständiger und über die besonderen Ausprägungen in §§ 10-28 WpÜG
hinausgehender Anwendungsbereich des § 3 WpÜG nur in begrenztem Umfang; gerade im
Hinblick auf nicht unmittelbar geregelte Problemkreise können diese allgemeinen Wertungen
jedoch im Besonderen bedeutsam sein, vgl. dazu Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1748;
Zech, S. 37.
571 So im Ergebnis auch Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1514, 1518 f.; Lenz/Linke, AG 2002, 420,
422; Pötzsch, S. 22, 23; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 96;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 44; Wackerbarth, in: Münchener
Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 7.
572 So aber Süßmann, AG 2002, 424, 426, 433; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 711;
Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 111, 121; wohl auch Möller, Rn. 259.
573 So aber Oechsler, NGZ 2001, 817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 2 Rn. 6;
in diesem Sinne wohl auch Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 78; Baum, ZHR 167 (2003),
580, 607.
574 Dies ist im Übrigen auch umgekehrt der Fall, denn § 53 a AktG schreibt im Gegensatz zu § 3
I WpÜG die Gleichbehandlung in gattungsübergreifender Weise vor (vgl. dazu etwa Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 3 WpÜG Rn. 7); hierauf kommt es jedoch an
dieser Stelle nicht an.
575 Insoweit zutreffend Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 78; Koch, NZG 2003, 61, 68; Süßmann, AG 2002, 424, 426; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 709 und 711.
576 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, § 3 Rn. 3; Versteegen, in: Kölner Kommentar zum
WpÜG, § 3 Rn. 16. Ob § 3 I WpÜG darüber hinaus auch das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Aktionär erfasst, ist umstritten, dafür etwa Schwennicke, a.a.O.; dagegen etwa
Versteegen, a.a.O.
115
I WpÜG geht jedoch auch in seiner sachlichen Schutzwirkung über § 53 a AktG
hinaus577. So stellt allein § 53 a AktG die Gleichbehandlung unter den Vorbehalt
„gleicher Voraussetzungen“ und gewährt so Raum für sachlich gerechtfertigte Differenzierungen im Interesse der Gesellschaft578. Einer dementsprechenden Einschränkung unterliegt dagegen das übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgebot nicht.
Zuwiderhandlungen sind im Lichte des kapitalmarktrechtlichen Schutzstandards als
unbillig anzusehen und verletzen die legitimen Interessen der Kapitalmarktteilnehmer579. Kraft seiner kapitalmarktspezifischen Rechtfertigung ist das übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgebot von zwingender Natur, so dass ein formaler
Verstoß nicht durch gesellschaftliche Interessen bzw. die Wahrnehmung unternehmerischer Ermessensspielräume gerechtfertigt werden könnte580.
Soweit behauptet wird, das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot regele den
Aktienrückerwerb erschöpfend und lasse keinen Raum für die Anwendung des § 3 I
WpÜG, ist dem mit den bereits im Zusammenhang mit der angeblichen Spezialität
des AktG angeführten Argumenten entgegenzutreten. Es wurde bereits aufgezeigt,
dass sich als Ausfluss des grundsätzlich selbständigen Nebeneinanders von Verbands- und Kapitalmarktrecht die Annahme einer erschöpfenden Regelung des
Rückerwerbs durch das AktG verbietet. Aus diesem Grunde kann auch im Besonderen dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot keine Exklusivität im Hinblick
auf den Rückerwerb beigemessen werden. Vielmehr sind § 3 I WpÜG und §§ 53 a,
71 I Nr. 8 Satz 3 AktG prinzipiell kumulativ anwendbar, schon da sie unterschiedliche Schutzstandards zugrunde legen und hierfür grundsätzlich an eigenständige
Grundkonstellationen anknüpfen581. Konkret wird dies auch durch die aufgezeigten
unterschiedlichen inhaltlichen Ausprägungen beider Vorschriften belegt.
577 Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1518; Pötzsch, S. 23; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 2 Rn. 50.
578 Vgl. hierzu bereits S. 69 f.
579 Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 3 Rn. 12.
580 Anschaulich Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1518. Dagegen erachtet Schüppen, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 3 Rn. 5, unter Berufung auf die „übliche Dogmatik von Gleichheitssätzen“ sachliche Differenzierungen für möglich, ohne aber konkrete Kriterien hierfür zu
benennen. Selbst wenn man dem zustimmen möchte, dürfte dies jedoch der hier angeführten
Argumentation nicht entgegenstehen können. So müsste von diesen (unbenannten) sachlichen
Differenzierungen zumindest erwartet werden, dass sie ihre Rechtfertigung aus dem unmittelbaren Zusammenhang der Regelungsmaterie ableiten; aus kapitalmarktpolitischer Perspektive kann es jedoch, anders als aus der Sicht des Verbandsrechts (§ 53 a AktG!), jedenfalls
nicht auf einen Interessenausgleich zwischen dem Aktionär und „seiner“ Gesellschaft ankommen.
581 Zutreffend Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 3 WpÜG Rn. 7 (Fn. 10),
soweit er feststellt, dass die Normen den Schutz der Aktionäre „in unterschiedlichen Situationen“ verfolgen und daher kumulativ anwendbar seien.
116
bb) Gebot von Überlegungszeit und Information (§ 3 II WpÜG)
Weiteren Aufschluss über die Schutzrichtung des WpÜG gibt die Grundsatzvorschrift des § 3 II WpÜG. Hiernach sollen die Wertpapierinhaber über genügend Zeit
und ausreichende Informationen verfügen, um in Kenntnis der Sachlage über das
Angebot entscheiden zu können. Diese Schutzwirkung ist auch beim Rückerwerb in
keiner Weise abdinglich582.
Liegt dem Aktionär ein öffentliches Erwerbsangebot vor, so hat er ein Interesse
daran, diejenigen Informationen zu erlangen, die für ihn bei der Ermittlung einer
sachgerechten Entscheidung von Bedeutung sind. Beim Rückerwerb wird zwar
bereits auf Basis der §§ 71 ff. AktG erreicht, dass der Hauptversammlung in gewissem Umfang rückerwerbsbezogene Informationen unterbreitet werden. Der nach
dem WpÜG intendierte Informationsstandard zugunsten der Wertpapierinhaber kann
jedoch hierdurch nicht in annähernder Weise verwirklicht werden. Insbesondere der
Hauptversammlungsbeschluss nach § 71 I Nr. 8 AktG (i.V.m. § 124 AktG) ist hierfür weder in zeitlicher, noch in qualitativer Hinsicht ausreichend. Zwischen Ermächtigung und Rückerwerb kann ein Zeitraum von bis zu 18 Monaten liegen (§ 71 I Nr.
8 Satz 1 AktG), wobei der Publizitätseffekt mit dem Zeitlauf abnimmt583. Der
Zweck eines umfassenden kapitalmarktrechtlichen Schutzes erfordert es aber, dass
die für eine Entscheidung wichtigen Informationen auch zeitgleich mit dem Angebot
übermittelt werden, sei es auch dadurch, dass relevante Inhalte der Ermächtigung
erneut zum Ausdruck gebracht bzw. bestätigt werden584. Zudem stellen die im Zuge
des Ermächtigungsbeschlusses übermittelten Informationen über den zukünftigen
Rückerwerb (§ 71 I Nr. 8 Satz 1 AktG) ohnehin nur einen überaus kleinen Bruchteil
derjenigen Informationen dar, die der Wertpapierinhaber nach Wertung des WpÜG
zur sachgemäßen Bewertung des Angebots benötigen würde. Dies macht bereits der
Blick auf die umfangreichen Informationspflichten in der Angebotsunterlage gem. §
11 WpÜG i.V.m. § 2 WpÜG Angebots-VO mehr als deutlich. Es lässt sich auch
nicht gegen die Schutzwirkung des § 3 II WpÜG beim Rückerwerb anführen, dass
hier angesichts der vorangegangenen Hauptversammlungsermächtigung kein „Über-
582 Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2592; Lenz/Linke, AG 2002, 420, 422; Paefgen, ZIP 2002,
1509, 1514; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 94, 96;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 44; Zech, S. 228; Baums/Stöcker,
FS Wiedemann, 703, 717 (für eine analoge Anwendung des § 3 II WpÜG); Baums/Hecker,
in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 121 (ebenfalls für eine analoge Anwendung). A.A. Süßmann, AG
2002, 424, 426 f.; Koch, NZG 2003, 61, 68 f.; Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 78 f.; Baum,
ZHR 167 (2003), 580, 600; wohl auch Möller, Rn. 259, dem es jedoch nur um den Nachweis
geht, dass im Hinblick auf § 3 II WpÜG die Interessenlage beim Rückerwerb nicht die gleiche ist wie beim Fremderwerb.
583 Benckendorff, S. 292.
584 Vgl. Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 32 und 36, mit dem
zusätzlichen Verweis darauf, dass regelmäßig überhaupt auch nur ein geringer Teil der Kleinaktionäre bei der Hauptversammlung anwesend ist.
117
raschungsmoment“ bestehe585. Die Wertpapierinhaber werden regelmäßig erst in
Ansehung eines konkreten Rückerwerbsangebots fundierte Überlegungen über ihre
Verkaufsentscheidung anstellen können, denn im Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses ist weder abzusehen, ob und wann ein Rückerwerb erfolgt, noch ist regelmäßig bereits überhaupt der konkrete Rückerwerbspreis bestimmt. Zuletzt können
auch andere Informationsmechanismen des Aktienrechts den durch das WpÜG intendierten Informationsstandard nicht gewährleisten. Dies gilt sowohl für die Berichtspflichten nach §§ 71 III 1, 160 I Nr. 2 AktG, die nur nachträglich informieren586, als auch für das aktionärische Auskunftsrecht in der Hauptversammlung gem.
§ 131 I 1 AktG587. Auch dieses kann den Aktionären, einmal ganz abgesehen von
seiner inhaltlichen Reichweite, schon in zeitlicher Hinsicht nicht weiterhelfen, wenn
es darum geht, ein konkret unterbreitetes Rückerwerbsangebot qualitativ zu bewerten. Da die §§ 71 ff. AktG nicht annähernd gewährleisten, dass das konkret nach
dem WpÜG vorgeschriebene (Informations-) Verfahren eingehalten wird, hilft auch
kaum der pauschale Verweis darauf weiter, dass verbleibender Informationsbedarf
hinsichtlich des Rückerwerbs „grundsätzlich gesellschaftsrechtlich zu gewährleisten
sei“588 oder dass das AktG die Anleger durch „ähnliche Verfahren“ wie das WpÜG
schütze589.
Es lässt sich auch nicht argumentieren, dass der Wertpapierinhaber beim Rückerwerb kein Bedürfnis habe, in gleicher Weise wie bei einem Fremderwerb über das
Angebot unterrichtet zu werden und/oder dass er in diesem Fall keinem echten Entscheidungsdruck ausgesetzt sei590. Insbesondere können die durch §§ 71 b, 71 II 1
AktG entstehenden Besonderheiten das Informationsinteresse der Aktionäre nicht
mindern. Zutreffend ist zwar, dass beim Rückerwerb das Bedürfnis entfällt, zu prüfen, ob das Angebot möglicherweise einen ersten Schritt zum Aufbau einer Großbeteiligung darstellen soll591. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Aktionär auch beim Aktienrückerwerb ein Interesse daran hat, mit den entscheidungserheblichen Informationen versorgt zu werden, die ihn beurteilen lassen, ob das
Angebot für ihn günstig ist oder nicht592. Zwar wird das Angebot der Gesellschaft
585 So aber Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 78.
586 Vgl. hierzu bereits S. 96.
587 Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 96; vgl. auch
Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 126 (im Zusammenhang mit § 11 WpÜG).
588 So Baum ZHR 167 (2003), 580, 601.
589 So Koch, NZG 2003, 61, 69, der jedoch gleichzeitig eingesteht, dass der Mangel an technischen Einzelbestimmungen nach dem Aktienrecht „Schutzlücken eröffnen mag“. Soweit er
diesen Umstand sodann durch die entstehende Flexibilität der Unternehmensleitung beim
Rückerwerb rechtfertigt, ist dies jedenfalls ungeeignet, den an dieser Stelle allein interessierenden (teleologischen) Befund zu stürzen, dass § 3 II WpÜG die Wertpapierinhaber nicht
nur beim Fremd-, sondern auch in gleicher Weise beim Rückerwerb schützen kann.
590 In diesem Sinne aber Baum, ZHR 167 (2003), 580, 600; Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 78
f.; Süßmann, AG 2002, 424, 426 f.
591 Vgl. Süßmann, AG 2002, 424, 427; Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 78 f.
592 Vgl. Lenz/Linke, AG 2002, 420, 422.
118
regelmäßig über dem Börsenkurs liegen, so dass sich dem Aktionär durch den Verkauf die Chance einer unmittelbaren Gewinnrealisierung bietet. Hieraus allein kann
jedoch kein verringertes Informationsbedürfnis hergeleitet werden, denn die Mitnahme der Prämie muss aus Sicht des Anlegers nicht immer die für ihn vorteilhaftere Anlageentscheidung sein. Nur auf diese kann es aber in kapitalmarktpolitischer
Hinsicht ankommen, denn auf einem funktionierenden Kapitalmarkt, der das Vertrauen der Anleger genießt, muss gewährleistet sein, dass das Kapital den effizientesten Investitionsmöglichkeiten zugeführt werden kann (Allokationseffizienz)593. Es
kann somit nicht erheblich sein, dass die Nichtannahme des Angebots für den Aktionär „lediglich mit dem Verlust einer Chance auf Gewinnrealisierung verbunden
ist“594. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Aktionär eine marktgerechte Entscheidung
bezüglich der Annahme des Rückerwerbsangebots treffen kann. Hierfür sind aber
eine angemessene Informationsversorgung und eine hinreichende Überlegenszeit
unabdinglich, denn die zu treffende Entscheidung ist durchaus vielschichtig und
angesichts des erheblichen Kursbeeinflussungspotentials des Rückerwerbs keinesfalls auf die Mitnahme der Prämie reduziert595.
cc) Gebot des Handelns im Zielgesellschaftsinteresse (§ 3 III WpÜG)
Auch der Grundsatz aus § 3 III WpÜG tritt beim Erwerb eigener Aktien jedenfalls
nicht mit einem geringeren Geltungsanspruch auf als beim Fremderwerb596. Die
Vorschrift verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, im Interesse
der Zielgesellschaft zu handeln und hat damit ohnehin nur Klarstellungsfunktion.
Einhergehend mit der Gesetzesbegründung ist der Sinn und Zweck der Vorschrift in
der Bestätigung der für die Gesellschaftsorgane bereits nach dem Aktienrecht (§§
76, 93, 116 AktG) bestehenden Pflichten zu sehen597. Der Anlass für eine solche
Klarstellung mag darin gesehen werden, dass angesichts der in den letzten Jahren
geführten Diskussion um den shareholder value Stellung bezogen werden sollte
593 Vgl. etwa Assmann/Bozenhardt, S. 17 f.; Lenenbach, Rn. 1.40; Assmann, in: Handbuch des
Kapitalanlagerechts, § 1 Rn. 24.
594 So aber Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 79, die darin ein „allgemeines Risiko, das jeder
Anleger tragen muss“ sehen; dem folgend Koch, S. 190; ähnlich wohl auch Leuering, AG
2007, 435, 442.
595 Der Aktionär kann etwa auch seine Aktien behalten und darauf spekulieren, dass ein folgender Kurszuwachs ihm einen Vermögenszuwachs beschert, der größer ist als der unmittelbar
durch den Verkauf realisierbare Gewinn. Eine weitere Alternative besteht in der Mitnahme
der Rückkaufprämie und dem Spekulieren auf eine daran gemessen günstigere Neuerwerbsmöglichkeit über die Börse, sei es, weil eine entsprechend hohe Kurssteigerung gar nicht erst
eintritt oder aber nicht von Dauer ist.
596 Für eine Geltung auch Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 98;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 49.
597 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 35; zustimmend das Schrifttum, vgl. Versteegen, in:
Kölner Kommentar zum WpÜG, § 3 Rn. 34; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum
AktG, § 3 WpÜG Rn. 18; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, § 3 Rn. 21.
119
zulasten eines den Interessen der Gesellschaft übergeordneten Aktionärsinteresses598.
dd) Beschleunigungsgebot (§ 3 IV WpÜG)
Auch die in § 3 IV WpÜG angeordnete Verfahrensbeschleunigung ist beim Erwerb
eigener Aktien prinzipiell sinnvoll, wenn auch nicht in gleichem Umfang wie bei
einem Fremderwerb. Ausgangspunkt hierfür ist die Aufspaltung des Beschleunigungsgebotes in § 3 IV WpÜG: Satz 1 schreibt Bieter und Zielgesellschaft eine
rasche Verfahrensdurchführung vor, und Satz 2 verbietet eine unangemessen lange
Behinderung der Zielgesellschaft in ihrer Geschäftstätigkeit. Im Sinne einer stimmigen Gesetzesauslegung wird man davon ausgehen können, dass Satz 2 im Besonderen den Schutz der Zielgesellschaft regeln will, so dass Satz 1 und 2 letztlich jeweils
unterschiedliche Personenkreise begünstigen599. § 3 IV 2 WpÜG macht vor diesem
Hintergrund für den Erwerb eigener Aktien tatsächlich keinen Sinn600. Geht das
Angebot von der Zielgesellschaft selbst aus und ist sie damit zugleich Bieter, so
kann sie sich kaum selbst durch ihre eigenen Tätigkeiten beeinträchtigt sehen. Dies
bedeutet jedoch nicht, dass eine Verfahrensbeschleunigung beim Erwerb eigener
Aktien generell ohne Bedeutung ist. So muss § 3 IV 1 WpÜG auch beim Rückerwerb mit Geltungsanspruch auftreten601, denn die geforderte Verfahrensbeschleunigung steht im Interesse der Wertpapierinhaber und des gesamten Kapitalmarktes602.
Deutlich wird dies etwa mit Blick auf die in § 16 I 1 WpÜG als Ausfluss des Beschleunigungsgebotes normierte Angebots-Höchstfrist von 10 Wochen, die nicht nur
die Zielgesellschaft vor einer überlangen Beeinträchtigung schützt, sondern auch im
598 Schüppen, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 3 Rn. 12; Versteegen, in: Kölner Kommentar
zum WpÜG, § 3 Rn. 34 (wenn auch kritisch gegenüber einem solchen Bekenntnis im WpÜG
und nicht im AktG).
599 Ähnlich Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 Rn. 29 (Fn. 57); Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 3 Rn. 41.
600 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 50; Wackerbarth, in: Münchener
Kommentar zum AktG, § 2 Rn. 29 (Fn. 57); insoweit auch noch zutreffend Baums/Stöcker,
FS Wiedemann, 703, 711; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 114; Strunk/Behnke, in:
Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 97; vgl. auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt D.
601 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 50; Wackerbarth, in: Münchener
Kommentar zum AktG, § 2 Rn. 29 (Fn. 57); a.A., jedoch ohne überhaupt zwischen Satz 1 und
2 der Vorschrift zu differenzieren, Lenz/Linke, AG 2002, 420, 423.
602 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 35; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, § 3 Rn. 40. Dies
übersehen Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 711; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1
Rn. 114; sowie Möller, Rn. 259, und gelangen so zu der Auffassung, dass der Grundsatz der
Verfahrensbeschleunigung im Falle des Rückerwerbs wegen der Identität von Bieter und
Zielgesellschaft keinen Sinn mache; ähnlich auch Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in
der Diskussion 2003, 81, 97 (siehe jedoch sodann die Ausführungen zur Höchstfrist des § 16
WpÜG).
120
Interesse des Kapitalmarktes einen geordneten und vorhersehbaren Verfahrensablauf
gewährleistet603.
ee) Verbot von Marktverzerrungen (§ 3 V WpÜG)
Auch das Schutzanliegen des § 3 V WpÜG ist beim Erwerb eigener Aktien in gleicher Weise sachlich gerechtfertigt wie beim Fremderwerb604. Die Vorschrift verbietet Marktverzerrungen beim Handel mit Wertpapieren der Zielgesellschaft, des Bieters und anderer durch das Angebot betroffener Gesellschaften. Zweck ist es, eine
Verleitung der Wertpapierinhaber zu sachlich ungerechtfertigten Entscheidungen zu
vermeiden605. Sachlich fundierte Entscheidungen der Aktionäre müssen aus kapitalmarktrechtlicher Sicht in jedem Fall Priorität genießen606. Auch im Falle des Rückerwerbs tragen die besonderen publizitätsfördernden WpÜG-Vorschriften dazu bei,
dass unrichtige bzw. unvollständige Informationen sowie Gerüchte im Zusammenhang mit dem Angebot vermieden werden.
f) Verfassungsrechtliche Bedenken?
Zuletzt bestehen auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der §§ 10-28 WpÜG auf den Erwerb eigener Aktien607. Stimmen im Schrifttum, die eine Subsumtion öffentlicher Rückerwerbsangebote unter
das WpÜG verneinen, da dies dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes sowie
dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 II GG zuwiderlaufe608,
kann nicht gefolgt werden. Der rechtsstaatliche Vorbehalt des Gesetzes verbietet es
der Exekutive, ohne gesetzliche Grundlage tätig zu werden609. Da jedoch das öffentliche Rückerwerbsangebot ohne weiteres vom Wortlaut der den Anwendungsbereich
des WpÜG bestimmenden Vorschriften erfasst ist, lässt sich das Fehlen einer gesetz-
603 Vgl. Hasselbach, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 16 Rn. 1; siehe auch die Ausführungen zu § 16 WpÜG auf S. 144 ff.
604 Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 98; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 49; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 718;
Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 121.
605 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 35.
606 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 50.
607 Lenz/Linke, AG 2002, 420, 422 (Fn. 25); Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 95; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 47.
608 Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 714 ff.; dem folgend Baum, ZHR 167 (2003), 580, 586
(Fn. 29); Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 188 f.; Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 1 Rn. 22.
609 Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 113.
121
lichen Grundlage in diesem Fall nicht anmahnen610. Es verbleibt damit der Einwand,
dass manche Vorschriften der §§ 10-28 WpÜG auf eine Verschiedenheit zwischen
Bieter und Zielgesellschaft zugeschnitten sind und damit keine gesetzliche Klarheit
im Hinblick auf die Anwendung im Falle einer personellen Identität besteht611. Derartige im Detail liegende gesetzliche Unklarheiten sind jedoch nichts Außergewöhnliches und können, wenn wie hier der grundsätzliche Anwendungsbereich des
Gesetzes nun einmal eröffnet ist, für sich genommen keine rechtsstaatlichen Bedenken rechtfertigen612. Vor diesem Hintergrund ist schließlich auch die Anwendung
der Bußgeldvorschriften des WpÜG im Falle des Erwerbs eigener Aktien unproblematisch; ein Verstoß gegen Art. 103 II GG ist nicht ersichtlich.
g) Fazit und Maßgabe für die Anwendung der §§ 10-28 WpÜG
Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die §§ 10-28 WpÜG auch auf
öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien anzuwenden sind. Der Gesetzeswortlaut lässt eine Subsumtion zu, und auch die systematische Gesetzesauslegung
gelangt zu keinem entgegenstehenden Ergebnis613. Teleologische Gesichtspunkte
lassen die Anwendung des WpÜG auf den Aktienrückerwerb absolut erforderlich
erscheinen: Mit dem WpÜG wollte der Gesetzgeber Leitlinien für ein faires und
geordnetes Angebotsverfahren schaffen und dabei die Information und Transparenz
für die betroffenen Wertpapierinhaber verbessern614, und diese Anliegen treten auch
in Ansehung öffentlicher Rückerwerbsverfahren mit Geltungsanspruch auf. Hervorzuheben ist insofern das zentrale Gebot von Überlegungszeit und Information nach §
3 II WpÜG, das bereits für sich genommen die grundsätzliche Anwendung der
übernahmerechtlichen Verfahrensvorschriften auf den Rückerwerbs als gerechtfertigt erscheinen lässt615.
Dass dieses Ergebnis auch vom Willen des Gesetzgebers getragen wird, verdeutlicht die Begründung zum Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz, in der explizit
zum Ausdruck gebracht ist, dass die Umsetzung keinen Einfluss auf die grundsätzliche Geltung des WpÜG für einfache Rückerwerbsangebote haben soll616. Vor diesem Hintergrund erscheint die Mitteilung der BaFin aus dem August 2006, nach der
610 Lenz/Linke, AG 2002, 420, 422 (Fn. 25); Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, §
2 Rn. 47.
611 Vgl. Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 715.
612 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 47; vgl. auch das plastische Beispiel von Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 31 a.E.
613 Damit entfällt auch das Bedürfnis für die von Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 704 ff.;
Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 104 ff, befürwortete analoge Anwendung des
WpÜG.
614 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 28.
615 Vgl. auch Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 94.
616 Begr RegE, BT-Drucks. 16/1003, S. 17.
122
das WpÜG insgesamt nicht mehr auf den Aktienrückerwerb Anwendung finde,
willkürlich. Sie ist auch aus kapitalmarktpolitischer Sicht bedauerlich617, da sie für
den Moment eine Kraft des Faktischen schafft. Es kann daher nur gefordert werden,
dass die Erheblichkeit des WpÜG für öffentliche Rückerwerbsangebote alsbald
gesetzlich klargestellt wird. Für die nahe Zukunft bleibt zu hoffen, dass es Aktionären, denen ein öffentliches und nicht den Vorgaben des WpÜG entsprechenden
Rückerwerbsangebot unterbreitet wird, zeitnah gelingt, sich erfolgreich gerichtlich
dagegen zu wehren, dass die BaFin ihnen infolge der Unterlassung aufsichtsrechtlichen Einschreitens den insofern de lege lata gebotenen Schutz verwehrt618.
Als Maßgabe für die vor diesen Hintergründen generell zu befürwortende Anwendung der §§ 10-28 WpÜG auf den Aktienrückerwerb gilt es jedoch auch, die
hierbei entstehenden Besonderheiten gegenüber öffentlichen Fremdangeboten zu
berücksichtigen. Diese rühren zum einen aus der besonderen Personenkonstellation
beim Rückerwerb her, sprich der Identität von Bieter und Zielgesellschaft. Es wurde
aufgezeigt, dass einzelne Verfahrensvorschriften des WpÜG auf eine Personenverschiedenheit zugeschnitten sind. Dies ist zwar grundsätzlich unbedenklich, wenn
diese Vorschriften auf ihrer tatbestandlichen Seite an besondere Sachverhaltskonstellationen anknüpfen, die beim Erwerb eigener Aktien gar nicht eintreten können;
in diesen Fällen kommt der betroffenen Vorschrift schlicht keine Bedeutung zu619.
Falls es sich jedoch um unbedingte Verhaltensgebote handelt620, wird zu überprüfen
sein, ob der Zweck der in Frage stehenden Vorschrift auch dann erfüllbar ist, wenn
eine personelle Identität besteht. Wenn dies nicht der Fall ist, ist eine teleologische
Reduktion in Betracht zu ziehen621, denn regelmäßig entstehen durch die Auferle-
617 Anders wird dies wohl aus Sicht der Unternehmenspraxis beurteilt werden (vgl. auch Zschocke, in: „Verhandlungsschleifen - Die Europäische Richtlinie ist umgesetzt“, FAZ, Artikel
vom 26. September 2006; Pluskat, NZG 2006, 731, 731 f.), denn den rückerwerbenden Unternehmen wird das zeit- und kostenaufwendige Verfahren nach dem WpÜG erspart.
618 Zwar nimmt die BaFin die ihr nach dem WpÜG zugewiesenen Aufgaben gem. § 4 II WpÜG
nur im öffentlichen Interesse wahr. Im Schrifttum werden jedoch Bedenken gegen einen damit verbundenen vollständigen Ausschluss des Drittschutzes vorgetragen (vgl. zu dieser Diskussion etwa Ritz, in: Baums/Thoma, § 4 Rn. 31; Giesberts, in: Kölner Kommentar zum
WpÜG, § 4 Rn. 54 ff., 75 ff., jeweils m.w.N.; vgl. etwa Steinmeyer/Häger, § 4 Rn. 17, die
darauf verweisen, dass § 4 II WpÜG wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes sich aus
anderen Normen erwachsende subjektive Rechte der daraus geschützten Personenkreise nicht
ausschließen kann).
619 Als Beispiele seien §§ 11 II 3 Nr. 3, 16 III, IV und 25 WpÜG genannt, vgl. dazu noch eingehender die entsprechenden Ausführungen auf S. 138, 145 f. bzw. 167 f.
620 Beispiel hierfür ist der bereits angesprochene § 14 IV 1 WpÜG, vgl. dazu bereits S. 106 und
noch S. 142.
621 Für eine teleologische Reduktion der nicht auf den Rückerwerb passenden Vorschriften auch
Lenz/Linke, AG 2002, 420, 422; Oechsler, NZG 2001, 817, 818 f.; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 95; Wackerbarth; in: Münchener Kommentar
zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 41; Hirte, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, Einl. Rn. 81;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 46; Zech, S. 228; ursprünglich auch
123
gung von Verfahrenspflichten Belastungen für die rückerwerbende Bietergesellschaft, die diese generell nicht grundlos tragen müssen soll. Dies gilt insbesondere
vor dem Hintergrund, dass solche unfundierten Belastungen mit der vom Gesetzgeber des KonTraG intendierten Erleichterung des Erwerbs eigener Aktien622 in einen
Widerspruch geraten. Soweit es allgemein im Einzelfall zu Spannungen zwischen
einschlägigen Vorgaben des AktG des WpÜG kommt, muss es darauf ankommen,
einen punktuellen Werteausgleich zu treffen, der sich an den jeweiligen aktien- und
kapitalmarktpolitischen Regelungsanliegen orientiert und auf eine angemessene
Koordination beider Rechtsgebiete ausgerichtet ist623.
2.) Rückerwerbsangebot als „öffentliches“ Angebot i.S.d. § 2 I WpÜG
a) Allgemeine Grundsätze
Der sachliche Anwendungsbereich des WpÜG ist nur dann eröffnet, wenn das Erwerbsangebot ein „öffentliches“ ist (§ 2 I WpÜG). Eine nähere gesetzliche Definition ist nicht erfolgt. Laut Regierungsbegründung sollte so der Vielseitigkeit der
Sachverhalte Rechnung getragen und zudem der Gefahr von Umgehungsversuchen
entgegengewirkt werden624. Dementsprechend vielschichtig sind die Auslegungsgrundsätze, die im Schrifttum bezüglich des Merkmals der Öffentlichkeit präsentiert
werden. Zutreffender Weise hat sich eine Konkretisierung des Merkmals der Öffentlichkeit grundsätzlich an den Schutzzielen des WpÜG auszurichten625. Anknüpfungspunkt hierfür kann die Gefahr einer Verletzung der in § 3 WpÜG formulierten
allgemeinen Grundsätze sein626. Diesbezügliche methodische Zweifel mögen in
gewisser Weise ihre Berechtigung haben627, müssen jedoch angesichts der gesetzge-
BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschn. D; wohl auch Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 393 („sachgerechte Anpassungen“).
622 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 13.
623 Vgl. hierzu Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2593; Steinmeyer/Häger, § 1 Rn. 6.
624 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 33; gleichwohl werden gewisse Anhaltspunkte dafür
gegeben, nach welchen Kriterien sich das Vorliegen der Öffentlichkeit des Angebots bemessen soll, vgl. Begr RegE, a.a.O.
625 Fleischer, ZIP 2001, 1653, 1658; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 393; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 32. Die teilweise vertretene Auffassung, die auf die
zu §§ 1, 2 VerkProspG entwickelten Grundsätze zurückgreifen will (so etwa Angerer, in:
Geibel/Süßmann, § 1 Rn. 14), kann nicht überzeugen, da es im Rahmen der Vertriebspublizität nicht wie im Übernahmerecht auch darum geht, willkürliche Differenzierungen der Aktionäre in der Angebotsphase zu vermeiden, vgl. dazu etwa Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1516;
Koch, S. 146; Pötzsch, S. 20.
626 So Fleischer, ZIP 2001, 1653, 1658 ff.; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2
Rn. 32.
627 Die Grundsätze nach § 3 WpÜG werden benutzt, um den Anwendungsbereich des WpÜG zu
definieren, obwohl sie selbst erst greifen können, wenn dieser Anwendungsbereich eröffnet
ist; vgl. hierzu Baum, AG 2003, 144, 153 f.; Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 70 f.
124
berischen Vorgehensweise, bereits den Anwendungsbereich des WpÜG bewusst
unkonkret zu bestimmen, hingenommen werden628. Voraussetzung ist allerdings,
dass im Einzelfall das allgemeine Sprachverständnis in Bezug auf das Merkmal der
Öffentlichkeit nicht überspannt wird629. Letztlich dürfte es zu diesem Zwecke sachgerecht sein, einzelne Fallgruppen zu bilden, die Erscheinungsformen von öffentlichen und nicht-öffentlichen Angeboten typisieren. Hierfür gibt es in der Literatur
wiederum verschiedene Herangehensweisen. Eine Auffassung greift zur Bestimmung hilfsweise auf den sog. Acht-Faktor-Test zurück, der in der USamerikanischen Rechtspraxis herangezogen wird, um die Öffentlichkeit eines Angebots durch bestimmte Angebotskriterien zu indizieren630. Nach einer weiteren Auffassung ist eine Öffentlichkeit dann gegeben, wenn das Angebot anders als individuell kommuniziert wird; individuell kommuniziert ist es dann, wenn es sich an
bestimmte einzelne Wertpapierinhaber richtet und für diese spezifisch ausgestaltet
ist631. Eine andere Herangehensweise besteht darin, das Tatbestandsmerkmal der
Öffentlichkeit nicht objektiv, sondern subjektiv unter Anknüpfung an den Willen
des Bieters zu bestimmen; hierfür soll es dann in erster Linie auf eine Identifizierung
und anschließende Bewertung von Fällen ankommen, in denen der Bieter die Öffentlichkeit vermeiden will632. Die Diskussion soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Vielmehr als die eingehende Untersuchung allgemeiner Kriterien für
das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit bietet sich für die vorliegenden Untersuchungszwecke eine konkrete Betrachtung in Bezug auf den Aktienrückerwerb an.
b) Kriterien im Falle des Rückerwerbsangebots
Für die Frage, wann ein Rückerwerbsangebot das Merkmal der Öffentlichkeit i.S.d.
§ 2 I WpÜG erfüllt, ist von den in Teil 2 Abschnitt A dieser Arbeit dargestellten
Rückerwerbsmethoden auszugehen633.
628 Noch weitergehend Fleischer, ZIP 2001, 1653, 1658, der angesichts des gesetzlich bewusst
dehnbar gewählten Begriffs in § 2 I WpÜG sogar methodische Restzweifel als ausgeschlossen betrachtet.
629 Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 70 f.
630 Für eine Orientierung am Acht-Faktor-Test auch Fleischer, ZIP 2001, 1653, 1658 ff; Paefgen,
ZIP 2002, 1509, 1516; mit Einschränkungen Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum
AktG, § 2 WpÜG Rn. 5 f. Näher zur Begriffsbestimmung des tender offer und zum Inhalt des
Acht-Faktor-Tests Herkenroth, S. 147 ff.
631 Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 2 Rn. 45 ff.; im Grundsatz auch Koch, S.
146 ff. Auch diese Auffassung sieht sich dann allerdings gezwungen, die (nicht-) individuelle
Kommunikation anhand weiterer Typisierungen bzw. Indizien zu bestimmen.
632 Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG, Rn. 11 ff., der aber sodann
für die Ermittlung des Bieterwillens wiederum auf Indizien zurückgreift, die sich u.a. aus dem
Acht-Faktor-Test ergeben (vgl. a.a.O. Rn. 14 f.).
633 Soweit dort von öffentlichen Rückerwerbsverfahren die Rede ist (gleiches gilt für die Ausführungen in Teil 3 dieser Arbeit), handelt es sich nur um eine allgemeine Typisierung. Eine
125
Im Falle eines Paketerwerbs von einem Großaktionär scheidet die Annahme eines
öffentlichen Angebots offensichtlich aus634; hier ist das Angebot kein breit gestreutes und die Bedingungen werden regelmäßig ausgehandelt635.
Ein Fall der in § 2 I WpÜG geforderten Öffentlichkeit ist dagegen dann gegeben,
wenn die Gesellschaft ein fixed price oder ein dutch auction self tender offer abgibt636; gleiches gilt für die Ausgabe übertragbarer Verkaufsoptionen an die Aktionäre637. Das Angebot enthält hier typischerweise einen Prämienaufschlag, erfolgt zu
nicht verhandelbaren Bedingungen, ist zeitlich begrenzt und übt einen Verkaufsdruck auf die Aktionäre aus638. Zu beachten ist auch, dass es in diesen Fällen der
Gesellschaft bereits zum einen wegen der Signalwirkung gegenüber dem Markt und
zum anderen infolge der bereits durch §§ 53 a, 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG angeordneten
Gleichbehandlung gerade darauf ankommen wird, die Aktionäre aktiv und öffentlich
anzusprechen639, zumal eine Unangreifbarkeit nach § 71 I Nr. 8 Satz 4 AktG gerade
nicht besteht.
Fraglich bleibt damit, ob auch der börsliche Rückerwerb die in § 2 I WpÜG geforderte Öffentlichkeit erfüllen kann. Jedenfalls im Grundsatz wird allgemein in
Bezug auf Erwerbsangebote - einheitlich und zu Recht - verneint, dass bei einem
Erwerb über die Börse ein öffentliches Angebot i.S.d. anzunehmen ist640.
Aber auch dann, wenn der börsliche Erwerb öffentlich angekündigt wurde, kann
im Ergebnis mit der vorzugswürdigen Auffassung nichts anderes gelten641. Bezogen
auf die Ankündigung selbst ist hierfür weniger das Tatbestandsmerkmal der Öffentunmittelbare Übertragung auf das rechtliche Merkmal der Öffentlichkeit in § 2 I WpÜG ist
ohne Weiteres - selbstverständlich - nicht möglich.
634 Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1515; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 37;
Koch, S. 153; vgl. auch Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 71.
635 Vgl. insbesondere Kriterien 1 und 4 des Acht-Faktor-Tests. Das Angebot ist dann auch individuell kommuniziert, da es spezifisch auf den Adressaten zugeschnitten ist.
636 Fleischer/Körber, BB 2001, BB 2001, 2589, 2592; Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1515; Oechsler,
NZG 2001, 817, 818 f.; Lenz/Linke, AG 2002, 420, 421; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 37; Koch, S. 153; vgl. auch Berrar/Schnorbus,
ZGR 2003, 59, 71.
637 Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2592; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, §
2 Rn. 37.
638 Vgl. Kriterien 3, 4, 6 und 7 des Acht-Faktor-Tests.
639 Vgl. Kriterium 1 des Acht-Faktor-Tests.
640 Steinmeyer/Häger, § 1 Rn. 10; Noack, in: Kapitalmarktrechtskommentar, §§ 1, 2 WpÜG Rn.
16; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 14 a; Schüppen, in:
Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 2 Rn. 13; Koch, S. 148 f., 152.
641 Noack, in: Kapitalmarktrechtskommentar, §§ 1, 2 WpÜG Rn. 16; Versteegen, in: Kölner
Kommentar zum WpÜG, § 2 Rn. 30; Schüppen, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 2 Rn.
13; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 36; a.A. Fleischer, ZIP 2001,
1653, 1659; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 14 a;
Steinmeyer/Häger, § 1 Rn. 10; Koch, S. 152 f.
126
lichkeit, als dasjenige des Angebots ausschlaggebend: Im organisierten Börsenhandel setzt eine Transaktion zwingend eine entsprechende Kauforder voraus, so dass
die bloße Ankündigung, börslich Aktien erwerben zu wollen (standing in the market), die nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen für ein Angebot vorauszusetzende
Bindungswirkung gegenüber den Angebotsadressaten allein (noch) nicht hervorrufen kann642. Aber auch darüber hinaus spricht generell gegen eine Erfassung öffentlich angekündigter Börsenerwerbe durch das WpÜG, dass Transaktionen im Rahmen des organisierten Börsenhandels, die durch entsprechende Kauf- und Verkaufsorder entstehen, ganz anderen (eigenständigen) Regeln unterliegen als die Angebotsverfahren, die das WpÜG mit seinen Verfahrensregeln in §§ 10-28 im Sinn
hat643. Zunächst sind die Vertragsparteien bei der Börsentransaktion nicht in gleicher
Weise individualisiert644. So kann der seine Aktien veräußernde Aktionär nicht einmal wissen, ob er an den Bieter, der seinen Erwerb öffentlich angekündigt hat, oder
an einen Dritten veräußert. Davon abgesehen führt allein der Umstand, dass der
börsliche Erwerb öffentlich angekündigt wird, auch nicht zu einem besonders durch
das WpÜG zu schützenden gesteigerten Informationsbedürfnis der Aktionäre, denn
diese befinden sich dann zumindest nicht in einer schlechteren Lage als bei jeder
anderen (nicht öffentlich angekündigten) Börsentransaktion auch645. Und sobald der
Bieter durch den börslichen Kauf von Aktien die Kontrollschwelle i.S.d. § 29 II
WpÜG erreicht, ist er ohnehin nach Maßgabe der §§ 35 ff. WpÜG zur Veröffentlichung dieses Umstandes sowie zur Abgabe eines (WpÜG-) Pflichtangebots verpflichtet.
Da letztlich nicht ersichtlich ist, warum sich insofern ein andere Würdigung ergeben sollte, wenn eigene Aktien an der Börse zurückerworben werden646, ist konsequenterweise unter Zugrundelegung der zuvor gefundenen Ergebnisse auch dieser
Vorgang nicht als öffentliches Angebot zu qualifizieren, und zwar unabhängig davon, ob zuvor eine entsprechende öffentliche Ankündigung erfolgt ist oder nicht647.
642 Zutreffend Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 2 Rn. 30 i.V.m. 25 ff.
643 Vgl. Noack, in: Kapitalmarktrechtskommentar, §§ 1, 2 WpÜG Rn. 16; Schüppen, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 2 Rn. 13; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2
Rn. 36.
644 Schüppen, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 2 Rn. 13; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 36.
645 Versteegen, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 2 Rn. 30.
646 Im deutschen Recht findet das in der US-amerikanischen Literatur teilweise vorgetragene
teleologische Argument, ein defensiv gegen einen fremden tender offer gerichteter Aktienrückkauf müsse aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit auch in Form eines (self) tender offers erfolgen, keine Grundlage, zutreffend und m.w.N. Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1515; Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 72; a.A. offensichtlich Fleischer, ZIP 2001, 1653, 1660.
647 So im Ergebnis auch Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1515; Lenz/Linke, AG 2002, 420, 421;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 37; vgl. auch Berrar/Schnorbus,
ZGR 2003, 59, 72; einschränkend dagegen Fleischer, ZIP 2001, 1653, 1660; Süßmann AG
2002, 424, 425; Koch, S. 152 f.
127
3.) Anwendung der §§ 10-28 WpÜG im Einzelnen
a) Veröffentlichung der Entscheidung (§ 10 WpÜG)
aa) Ad hoc-Publizität gem. § 10 I WpÜG
(1) Bestehen der Veröffentlichungspflicht dem Grunde nach
§ 10 I 1 WpÜG normiert die Veröffentlichungspflicht dem Grunde nach, welcher
gemäß Formmaßgabe des § 10 III WpÜG nachzukommen ist. Da ausweislich der
Gesetzesbegründung § 10 WpÜG die frühzeitige Information der Öffentlichkeit über
marktrelevante Daten bezweckt, um so das Ausnutzen von Spezialwissen zu verhindern648, ist eine Anwendung des Abs. I Satz 1 im Falle Rückerwerbs in gleicher
Weise geboten wie beim Fremderwerb649. Da der Aktienrückerwerb geeignet ist, den
Verlauf des Aktienkurses signifikant zu beeinflussen, hat die Anlegeröffentlichkeit
bereits in einem möglichst frühen Stadium ein Interesse daran, von dem geplanten
Rückerwerb zu erfahren. So kann das Entstehen eines Informationsvorsprungs für
Insider, die anderweitig von der Rückkaufentscheidung Kenntnis erlangt haben,
vermieden werden650. Nicht relevant für den Rückerwerb sind angesichts des rückerwerbsspezifischen Entscheidungsprozesses dagegen § 10 I 2 und 3 WpÜG, da die
letztendliche Entscheidung des Vorstandes zum Rückerwerb nicht mehr von der
Zustimmung der Hauptversammlung abhängig ist651. Die Hauptversammlung erteilt
648 Vgl. BT-Drucks. 14/7034, S. 39.
649 So im Ergebnis auch Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 837; Lenz/Linke, AG 2002, 420,
423; Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler, § 10, Rn. 27 a;
Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 96; Steinmeyer/Häger, §
10 Rn. 18; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 35; Pötzsch,
in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 51; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt
7/2005, Abschnitt C Nr. 1; für eine analoge Anwendung Hirte, in: Kölner Kommentar zum
WpÜG, § 10 Rn. 106; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 122.
650 Unzutreffend Süßmann, AG 2002, 424, 428, der die Anwendung des § 10 WpÜG auf den
Rückerwerb als sinnlos erachtet, da die Gesellschaft den konkreten Rückerwerbspreis nicht
zusammen mit ihrer Entscheidung veröffentlichen könne, wenn die Preisspanne in der Rückerwerbsermächtigung unmittelbar an den Börsenkurs vor Veröffentlichung des Angebots
anknüpft. Zunächst verlangen § 10 I, III WpÜG die Angabe eines Gegenwertes nicht einmal.
Darüber hinaus dürfte die Gefahr des Insiderhandels auch unabhängig von der Angabe eines
bereits konkreten Gegenwertes bestehen, da allein schon die Entscheidung zum öffentlichen
Rückerwerb geeignet ist, den Kurs der Aktie zu beeinflussen. Zu Unrecht meint auch Koch,
S. 189, dass es beim Aktienrückkauf des Schutzes der Aktionäre durch § 10 WpÜG nicht bedürfe: Dass, wie er ausführt, § 53 a AktG ein an alle Aktionäre zu richtendes Angebot voraussetzt, ist im Hinblick auf die einschlägigen Gefahren im Vorfeld eines Angebots, vor denen §
10 WpÜG wie dargestellt schützen will, irrelevant.
651 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 51; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 712, 719; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 115, 122; Hirte, in: Kölner
Kommentar zum WpÜG, § 10 Rn. 106; vgl. hierzu auch die Ausführungen zu § 25 WpÜG
auf S. 167 f.
128
lediglich im Vorfeld die gem. § 71 I Nr. 8 AktG notwendige Ermächtigung; die
konkrete Durchführung des Rückerwerbs obliegt dann allein dem Vorstand als
Maßnahme der Geschäftsführung652.
(2) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Veröffentlichung
Zu klären ist jedoch weiter, in welchem Zeitpunkt eine solche „Entscheidung“ zur
Angebotsabgabe i.S.d. § 10 WpÜG vorliegt. Dem Erwerb eigener Aktien auf Basis
des § 71 I Nr. 8 AktG liegt ein mehrstufiger Entscheidungsprozess zugrunde, der
sich grundsätzlich in folgende drei Stadien unterteilen lässt: den Vorlagebeschluss
durch Vorstand und Aufsichtsrat, den Ermächtigungsbeschluss durch die Hauptversammlung und den Ausübungsbeschluss durch den Vorstand653. Zusätzlich kann der
Rückerwerb jedoch auch noch an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden
sein654; in diesem Fall ist dann eine gesonderte Betrachtung geboten.
Ist der Aktienrückerwerb nicht noch zusätzlich an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden, so kann dem vorgelagerten Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat, der Hauptversammlung eine Ermächtigung des Vorstandes vorzuschlagen, eine
Entscheidungsqualität offensichtlich nicht beigemessen werden. In diesem Stadium
verfügt die Unternehmensleitung noch nicht über eine entsprechende Entscheidungsbefugnis, da die Ermächtigung zum Rückerwerb durch die Hauptversammlung
noch aussteht. Aber auch nach Ergehen des Beschlusses gem. § 71 I Nr. 8 AktG
kann von einer „Entscheidung“ noch nicht gesprochen werden655. Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar, wann und in welchem Umfang der Vorstand von der Ermächtigung Gebrauch macht. Der Vorstand ist als Ausfluss seines Leitungsermessens nicht einmal verpflichtet, die Ermächtigung überhaupt auszuüben656. Würde
man zudem den Ermächtigungsbeschluss als den für die übernahmerechtliche Adhoc-Publizität maßgeblichen Zeitpunkt erachten, so wäre die rückerwerbswillige
Gesellschaft gem. § 14 I WpÜG verpflichtet, der BaFin innerhalb von vier Wochen
ihre Angebotsunterlage zu übermitteln. Die durch § 71 I Nr. 8 AktG erlaubte
Höchstdauer der Ermächtigung von 18 Monaten würde so völlig unterlaufen, und
die Frist des § 14 WpÜG wäre vor diesem Hintergrund unpassend657. Aus diesen
Gründen ist erst in dem Ausübungsbeschluss des Vorstandes eine Überschreitung
652 Vgl. bereits S. 64 f.
653 Bosse, ZIP 1999, 2047, 2048.
654 Vgl. hierzu bereits ebenfalls S. 64 f.
655 Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 10, Rn. 27 a;
Steinmeyer/Häger, § 10 Rn. 18; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 51;
Hirte, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 10 Rn. 106; insoweit auch Berrar/Schnorbus,
ZGR 2003, 59, 80 (Fn. 103).
656 Vgl. bereits S. 64.
657 So auch Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 10, Rn.
27 a.
129
der Entscheidungsschwelle i.S.d. § 10 I 1 WpÜG zu sehen658. Erst dann ist der interne Willensbildungsprozess über das „Ob“ des Angebots als abgeschlossen zu betrachten und die Anknüpfung einer übernahmerechtlichen Publizitätspflicht gerechtfertigt.
Fraglich verbleibt damit, ob der Ausübungsbeschluss des Vorstandes auch dann
für die Veröffentlichungspflicht nach § 10 WpÜG maßgeblich bleibt, wenn der
Rückerwerb gesellschaftsrechtlich noch von einer Zustimmung des Aufsichtsrates
abhängig ist. Im Ergebnis ist diese Frage zu bejahen. Hierfür sprechen die folgenden
Überlegungen:
Der Gesetzesbegründung zu § 10 WpÜG kann zunächst im Hinblick auf die Behandlung mehrstufiger Entscheidungsprozesse bei der Bietergesellschaft nichts
Gegenteiliges (mehr) entnommen werden. Sie führt aus, dass hierfür auf die zu § 15
WpHG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden könne; beispielsweise
solle somit im Einklang mit der herrschenden Meinung zur Ad hoc-Publizität nach §
15 WpHG die Zustimmung des Aufsichtsrates auch für § 10 WpÜG maßgeblich
sein659. Zunächst wird man bereits in Frage zu stellen haben, ob der Gesetzesbegründung angesichts des pauschalen Verweises auf die „zu § 15 WpHG entwickelten Grundsätze“ überhaupt ein klares Bekenntnis zu der hier interessierenden
Rechtsfrage entnommen werden kann660. Es lässt sich mit guten Gründen vermuten,
dass das Problem offen gelassen werden sollte661. Spätestens jedoch in Ansehung
der mittlerweile erfolgten Änderung der §§ 15, 13 WpHG kann die Gesetzesbegründung zu § 10 WpÜG nicht mehr für die Maßgeblichkeit einer Aufsichtsratszustimmung herangezogen werden. Nach der neuen Gesetzeslage kommt nunmehr auf
jeder gesellschaftlichen Entscheidungsstufe das Vorliegen einer Insiderinformation
als Grundlage für die Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG in Betracht662. Die Gesetzesbegründung zu § 10 WpÜG ist damit insofern inhaltlich überholt, denn sie stützt
sich auf eine „herrschende Meinung“ bzw. „entwickelte Grundsätze“, denen nunmehr die Grundlage entzogen ist.
658 Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 10, Rn. 27 a;
Steinmeyer/Häger, § 10 Rn. 18; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2
WpÜG Rn. 35; im Ergebnis ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 1.
659 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 39.
660 Zu den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum
AktG, § 10 WpÜG Rn. 35.
661 So im Ergebnis auch Hopt, ZGR 2002, 333, 342; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar
zum AktG, § 10 WpÜG Rn. 35. Aus diesem Grund lässt sich § 10 I 2 WpÜG auch kaum „im
Umkehrschluss“ entnehmen, dass zwar nicht die Zustimmung der Gesellschafterversammlung, aber diejenige des Aufsichtsrates für die Veröffentlichungspflicht nach § 10 I 1 WpÜG
erheblich sein soll (so aber Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 727; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 10 Rn. 7).
662 Vgl. hierzu noch S. 186.
130
Die Frage, ob eine noch erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrates an der
Maßgeblichkeit des Ausübungsbeschlusses des Vorstandes für § 10 WpÜG etwas
ändern kann, muss mithin aus dem Schutzzweck des § 10 WpÜG heraus bestimmt
werden. Auszugehen ist hierfür zunächst von der Situation bei einem Fremdangebot,
welches der Gesetzgeber bei der Schaffung von § 10 WpÜG als Normalfall zugrunde gelegt hat. In Bezug auf ein Fremdangebot sprechen dabei die besseren Gründe
dafür, dass der Ausübungsbeschluss des Vorstandes als für § 10 WpÜG maßgeblich
zu erachten ist663. So will § 10 WpÜG die Ausnutzung von Spezialwissen verhindern und auf diese Weise die marktgerechte Preisbildung am Kapitalmarkt und die
Wertpapierinhaber schützen. Auf die innere Willensbildung der Bietergesellschaft
kann es somit im Lichte der Vorschrift nur insofern ankommen, als sich die Frage
stellt, wann das Vorhaben des Bieters hinreichend konkret ist, um die beschriebenen
Gefahren für den Kapitalmarkt auszulösen. Das ist aber nicht erst dann der Fall,
wenn der Aufsichtsrat seine erforderliche Zustimmung zu der Maßnahme gegeben
hat, sondern schon im Zeitpunkt der Vorstandsentscheidung664. Bereits dann besteht
die Gefahr, dass durch das Ausnutzen von Insiderwissen Marktverzerrungen i.S.d. §
3 V WpÜG hervorgerufen werden. Zudem beschneidet der Zustimmungsvorbehalt
des Aufsichtsrates den Vorstand ohnehin nicht in seiner Vertretungsbefugnis, sondern entfaltet allein Innenwirkung665. Nur auf die Willensbildung des Vertretungsorgans, nicht aber auf seine Geschäftsführungsbefugnis kann es jedoch für § 10
WpÜG ankommen, denn die Regelung knüpft allein an die Außenwirkung einer
geheim gebliebenen Bieterentscheidung für den Kapitalmarkt an666. Diesem Schutzzweck entsprechend nimmt § 10 WpÜG auf Kompetenzfragen im Innenverhältnis
der Bietergesellschaft keine Rücksicht667. Soweit hierdurch die Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrates der Bietergesellschaft bei Abgabe eines öffentlichen Er-
663 So im Ergebnis auch Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 10 WpÜG Rn.
32 ff.; in verschiedener Weise differenzierend Land/Hasselbach, DB 2000, 1747, 1749; Liebscher, ZIP 2001, 853, 860; Hopt, ZGR 2002, 333, 342 ff.; Steinmeyer/Häger, § 10 Rn. 13 ff.
A.A. Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 727; Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 10 Rn. 14 ff.; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 10 Rn. 7; Riehmer, in:
Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 10 Rn. 24; Hirte, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 10
Rn. 34 ff.; Geibel, in: Geibel/Süßmann, § 10 Rn. 11 ff; zu bemerken ist jedoch, dass ein erheblicher Teil der Argumentationen gegen die hier vertretene Meinung noch an § 15 WpHG
a.F. bzw. an die hierauf Bezug nehmende Gesetzesbegründung zu § 10 WpÜG angelehnt ist,
was jedoch - wie dargelegt - nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr überzeugen kann.
664 A.A. Hirte, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 10 Rn. 35.
665 Vgl. Semler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 111 Rn. 430 m.w.N. Das gilt jedenfalls
für die wohl als Regelfall zu bezeichnende Variante, dass das Zustimmungsbedürfnis des
Aufsichtsrates auf § 111 IV 2 AktG gestützt ist und nicht von vornherein von der Hauptversammlung als Inhalt der Ernächtigung festgelegt worden ist, vgl. dazu bereits S. 64 f.
666 Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 10 WpÜG Rn. 38 f.
667 Dies verkennen etwa Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 10 Rn. 15; Riehmer, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 10 Rn. 23, die jeweils allein auf das für den Bieter
anwendbare Gesellschaftsrecht in Bezug auf die Geschäftsführung abstellen.
131
werbsangebots praktisch eingeschränkt werden668, ist dies folglich als Ausfluss des
speziellen übernahmerechtlichen Schutzstandards hinzunehmen. Dass dabei eine
dem § 15 III WpHG vergleichbare Befreiungsmöglichkeit nicht besteht, ist vor diesen Hintergründen durchaus konsequent und ist als Besonderheit eines transparent
zu gestaltenden und auf den Schutz der Wertapierinhaber ausgerichteten öffentlichen
Erwerbsverfahrens zu begreifen. Die Wertung in § 10 VI WpÜG, der § 15 WpHG
für Entscheidungen zur Abgabe eines Angebots als nicht anwendbar erklärt, kann
dieses Verständnis nur stützen.
Auch konkret bezogen auf den Erwerb eigener Aktien ist von diesem Ergebnis
keine Ausnahme zu machen. Zwar geht hierbei die Angebotsentscheidung, wie es §
10 WpÜG typischerweise zugrunde legen dürfte, nicht von einem den Aktionären
„fremden“ Vorstand aus. Gleichwohl ist die Ad hoc-Publizität nach § 10 WpÜG
ihrer Konzeption nach eben nicht „auch eine Frage der Geschäftsführung“, wie dies
für § 15 WpHG der Fall ist669. Entscheidend ist aus der speziellen übernahmerechtlichen Perspektive allein, dass die für § 3 V WpÜG relevante Gefahr, dass die Wertpapierinhaber in Unkenntnis des Ausübungsbeschlusses des Vorstandes ihre Aktien
zu einem möglicherweise unangemessen niedrigen Preis an Insider abgeben, beim
Rückerwerb in gleicher Weise wie beim Fremderwerb besteht. Dies gilt zumal des
erheblichen Kurssteigerungspotentials eines (öffentlichen) Rückerwerbs bzw. bereits
seiner Ankündigung. § 10 WpÜG gewährt nach seinem besonderen Schutzzweck
keinen Raum für demgegenüber möglicherweise höherwertige berechtigte Bieterinteressen an einer Geheimhaltung. Dieses Schutzes, der ansonsten durch § 15 III
WpHG berücksichtigt wird, begibt sich die rückerwerbende Gesellschaft, wenn sie
sich dem durch das WpÜG vorgeprägten öffentlichen Erwerbsverfahren unterwirft.
bb) Vorab- und Nachmitteilung gem. § 10 II und IV WpÜG
Gem. § 10 II 1 WpÜG ist die Entscheidung über die Abgabe eines Rückerwerbsangebots - maßgeblich ist nach dem Gesagten grundsätzlich der Ausübungsbeschuss
des Vorstandes - noch vor ihrer Veröffentlichung nach Maßgabe der Nr. 1 und 2 den
dort genannten Börsengeschäftsführungen sowie gem. Nr. 3 der BaFin mitzuteilen
(sog. Vorabmitteilung)670. Zu Zwecken der Überwachung der Veröffentlichungspflicht nach § 10 I WpÜG671 hat der Vorstand der rückerwerbenden Gesellschaft die
Veröffentlichung später auch gem. § 10 IV 1 WpÜG an die eben bezeichneten Stel-
668 Vgl. zu diesem Argument etwa Hopt, ZGR 2002, 333, 343; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 10 Rn. 7.
669 Vgl. Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 10 WpÜG Rn. 38.
670 So ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 1; für eine analoge Anwendung Hirte, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 10 Rn. 106.
671 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 40.
132
len zu übersenden (sog. Nachmitteilung)672. Keine Anwendung auf den Rückerwerb
findet dagegen wegen der Identität von Bieter und Zielgesellschaft § 10 II 3 WpÜG,
der an eine Mitteilungspflichtenkollision eines ausländischen Bieters anknüpft. Eine
ausländische Zielgesellschaft kann aber kein Rückerwerbsangebot im Geltungsbereich des WpÜG abgeben673. Zwingend läuft demgemäß auch § 10 IV 2 WpÜG leer.
cc) Entscheidungsmitteilung an die Zielgesellschaft gem. § 10 V WpÜG
§ 10 V 1 WpÜG verpflichtet den Bieter unverzüglich nach Veröffentlichung seiner
Entscheidung zur Angebotsabgabe zu einer gesonderten schriftlichen Benachrichtigung der Zielgesellschaft. Die Vorschrift macht ersichtlich nur bei einer Personenverschiedenheit zwischen Bieter und Zielgesellschaft Sinn und ist deshalb auf den
Fall des Rückerwerbs nicht anzuwenden674. Mittel ist insoweit die telelogische Reduktion. Gleiches gilt für § 10 V 2 WpÜG675, demnach der Vorstand der Zielgesellschaft die Arbeitnehmer bzw. deren Vertretung über die Mitteilung nach Satz 1
informieren muss. Es kann dafür dahinstehen, ob die Vorschrift wegen ihrer Bezugnahme auf „die Mitteilung nach Satz 1“ zwingend an die Pflicht nach § 10 V 1
WpÜG anknüpft, denn jedenfalls ist auch bei isolierter Betrachtung der Normzweck
im Falle des Aktienrückerwerbs hinfällig. Eine Information der Arbeitnehmer (vertretung) ist nämlich nur dann sinnvoll, wenn ein Erwerbangebot durch einen
Fremdbieter ansteht, welches letztlich zu Veränderungen in der Politik der Unter-
672 So ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 1.
673 Vor der Änderung des WpÜG durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz war das
bereits deswegen der Fall, weil Zielgesellschaften zwingend inländisch sein mussten, in diesem Sinne dann auch Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 711; Baums/Hecker, in:
Baums/Thoma, § 1 Rn. 114; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 10 Rn. 27 a; Hirte, in:
Kölner Kommentar zum WpÜG, § 10 Rn. 105; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 2 Rn. 51; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 95.
Nach neuer Rechtslage ist das WpÜG unter Umständen zwar auch auf Zielgesellschaften mit
Sitz in einem EWR-Staat außerhalb Deutschlands anwendbar (§ 2 III Nr. 2 WpÜG). Jedoch
setzt die Anwendung gem. § 1 III Nr. 1 WpÜG voraus, dass ein europäisches Angebot i.S.d. §
2 Ia WpÜG abgegeben wird. Ein Rückerwerbsangebot kann aber kein europäisches Angebot
sein, da in § 2 Ia WpÜG auf die Begriffsbestimmung in Art. 2 I lit. a) der Übernahmerichtlinie (2004/25/EG) verwiesen wird, welche Selbstangebote von Zielgesellschaften nicht erfasst. Für Rückerwerbsangebote von ausländischen Zielgesellschaften hat der deutsche Gesetzgeber keine Regelungsbefugnis (vgl. auch Begr RegE, BT-Drucks. 16/1003, S. 16 und
17).
674 Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 837; Lenz/Linke, AG 2002, 420, 423; Koch, NZG 2003,
61, 64; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 95; Wackerbarth,
in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 40; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma,
§ 1 Rn. 114; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt D.
675 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 51; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 10 Rn. 27 a; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, §
2 WpÜG Rn. 40.
133
nehmensleitung führen kann676. Erst recht läuft auch § 10 V 3 WpÜG leer, der über
die Information der Arbeitnehmervertretung der Zielgesellschaft hinaus zusätzlich
auch noch die Information der (beim Rückerwerb identischen) Bietergesellschaft
verlangt.
b) Finanzierung des Angebots gem. § 13 WpÜG
Die Finanzierungsfrage gehört oft zu den Kernproblemen bei Übernahmetransaktionen677. § 13 WpÜG bezweckt die Sicherstellung der Finanzierung und will unseriöse
und wirtschaftlich nicht erfüllbare Angebote verhindern678. Da die Finanzierungsfähigkeit bereits für die Abgabe des Angebots von entscheidender Bedeutung ist679,
setzen die finanzierungssichernden Maßgaben des § 13 I WpÜG schon im Vorfeld
der Angebotsveröffentlichung an. Satz 1 legt dem Bieter die rechtzeitige Sicherstellung der Finanzierung auf680 und Satz 2 fordert im Falle eines Barangebots zusätzlich die Finanzierungsbestätigung durch ein unabhängiges Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Diese Bestätigung ist gem. § 11 II 3 Nr. 4 WpÜG der Angebotsunterlage beizufügen. § 13 II und III WpÜG statuieren für den Fall, dass der Bieter
im Fälligkeitszeitpunkt zur Erfüllung nicht in der Lage ist, einen Schadensersatzanspruch zugunsten der Aktionäre, die das Angebot angenommen haben.
§ 13 WpÜG ist vollumfänglich auch auf den Erwerb eigener Aktien anzuwenden681. Stimmen im Schrifttum, die darauf verweisen, dass das Aktienrecht durch §
71 II 2 AktG ein ausreichendes Schutzinstrumentarium bietet682, gehen fehl. Schon
ganz unabhängig von der Schutzqualität des § 13 WpÜG im Hinblick auf eine Finanzierungssicherung ist bereits augenscheinlich, dass die Vorschrift technisch weitergehende Absicherungsmechanismen vorsieht als § 71 II 2 AktG. So erfordert die
von § 13 I 2 WpÜG verlangte und über den Schadensersatzanspruch nach § 13 II, III
WpÜG abgesicherte Finanzierungsbestätigung die Einschaltung eines unabhängigen
Wertpapierdienstleistungsunternehmens und somit eines sachverständigen Dritten.
676 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 10 Rn. 25; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 10 WpÜG Rn. 75.
677 Vogel, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 13 Rn. 1.
678 Liebscher, ZIP 2001, 853, 863; Singhof/Weber, WM 2002, 1158, 1159; Zinser, WM 2002,
15, 17.
679 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 44.
680 Vgl. zu den verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten und -maßnahmen ausführlich Vogel,
in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 13 Rn. 13 ff.
681 So auch Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 838; Lenz/Linke, AG 2002, 420, 424;
Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 98; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 47; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2
WpÜG Rn. 25; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 57; ursprünglich
auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 3.
682 Süßmann, AG 2002, 424, 430 f.; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 728 f.;
Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 133 ff.
134
Dies kommt dem durch ein Rückerwerbsangebot adressierten Wertpapierinhaber in
Form einer über das Aktienrecht hinausgehenden Absicherung zugute683. Ganz davon abgesehen ist § 71 II 2 AktG i.V.m. § 272 IV HGB auch ohnehin nicht geeignet,
die von § 13 WpÜG intendierte Schutzwirkung zu gewährleisten. Nach § 71 II 2
AktG muss die Gesellschaft lediglich in der Lage sein, die nach § 272 IV HGB vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien aus frei verfügbaren Mitteln zu bilden684.
Keinesfalls wird durch diese Vorgabe aber sichergestellt, dass die Gesellschaft tatsächlich über ausreichende liquide Mittel verfügt, um den Rückerwerbspreis zu
zahlen685. Die Schutzwirkung des § 13 WpÜG ist aus diesen Gründen auch beim
Aktienrückerwerb unabdinglich.
c) Angebotsunterlage (§§ 11, 11 a, 12, 14 WpÜG)
aa) Bestehen der Verpflichtung aus § 11 I WpÜG dem Grunde nach
§ 11 I WpÜG enthält in Satz 1 die allgemeine Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung der Angebotsunterlage und statuiert in den Sätzen 2-5 allgemeine Anforderungen an Inhalt und Gestaltung. In Ansehung des oben dargestellten Schutzzweck
von § 11 WpÜG kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Normappell auch an die
rückerwerbende Gesellschaft gerichtet sein muss. Da § 11 WpÜG in erster Linie das
Informationsinteresse der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft schützt686, muss
für die Frage der Anwendung der Norm auf den Rückerwerb entscheidend sein, ob
den Aktionären hierbei in gleichem Maße ein Informationsbedürfnis zugesprochen
werden muss wie beim Fremderwerb. Es wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt,
dass das Informationsbedürfnis der Aktionäre beim Rückerwerb ein besonderes ist
und durch verbandsrechtliche Schutzmechanismen nicht in gleicher Weise befriedigt
werden kann wie insbesondere durch § 11 WpÜG687. Vor diesem Hintergrund leuchtet ein, dass die grundsätzliche Verpflichtung aus § 11 I 1 WpÜG auch die rückerwerbende Gesellschaft treffen muss688; sie hat überdies die allgemeinen Anforderungen aus § 11 I 2-5 WpÜG zu beachten689.
683 Lenz/Linke, AG 2002, 420, 424; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion
2003, 81, 98; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 57.
684 Vgl. hierzu bereits S. 90 f.
685 Vgl. Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 98; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 57. Dies verkennen Koch, S. 197; Süßmann, AG
2002, 424, 431: Die Finanzierungsbestätigung schützt eben nicht nur vor „unseriösen“ Angeboten eines Fremdbieters, sondern allgemein vor nicht erfüllbaren Angeboten.
686 Vgl. Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 11 WpÜG Rn. 1; Seydel, in:
Kölner Kommentar zum WpÜG, § 11 Rn. 3.
687 Vgl. hierzu die Ausführungen zu § 3 II WpÜG auf S. 116 ff.
688 Für die grundsätzliche Verpflichtung zum Erstellen der Angebotsunterlage auch Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 838; Lenz/Linke, AG 2002, 420, 423 f.; Oechsler, NZG 2001,
817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 46; Oechsler, in: Münchener
135
bb) Umfang der Angaben (§ 11 II, IV WpÜG, § 2 WpÜG-AngebotsVO)
(1) Allgemein: Rückerwerbsspezifisch „reduzierte“ Angebotsunterlage?
§ 11 II 2 und 3 WpÜG und § 2 WpÜG-AngebotsVO sehen für den Bieter eine Vielzahl von Einzelangaben vor, die in die Angebotsunterlage aufgenommen werden
müssen. Was die Anwendbarkeit der einzelnen Vorgaben auf den Fall des Aktienrückerwerbs betrifft, finden sich im Schrifttum uneinheitliche Darstellungen. Teilweise wird vorgeschlagen, die rückerwerbende Gesellschaft angesichts der beim
Rückerwerb bestehenden Besonderheiten nur zu einer „reduzierten“ Angebotsunterlage zu verpflichten690. Schon vom Grundsatz her erscheint dieser Vorschlag bedenklich, soweit er beinhalten soll, der rückerwerbenden Gesellschaft bestimmte
Verpflichtungen, die ein Fremdbieter zu erfüllen hätte, nicht aufzuerlegen691. Solche
Einzelfallausnahmen im Rahmen der Angebotsunterlage zuzulassen, würde angesichts der Fülle der geforderten Angaben zu Unübersichtlichkeiten und damit zu
unerwünschten Rechtsunsicherheiten führen692. Zudem könnten ggf. Widersprüche
im Hinblick auf das Vollständigkeitsgebot aus § 11 II 2 WpÜG entstehen. Hiernach
muss die Angebotsunterlage unter der vorrangigen Prämisse einer verständlichen
und nachvollziehbaren Entscheidungs- und Informationsgrundlage für den Adressaten aufgestellt werden693. Dies muss selbstverständlich gleichermaßen gelten, wenn
ein Rückkaufangebot der (Ziel-) Gesellschaft im Raume steht. Im Grundsatz sollte
daher davon ausgegangen werden, dass die rückerwerbende Gesellschaft die Vorgaben der § 11 II 2 und 3 WpÜG sowie § 2 WpÜG-AngebotsVO aus Gründen der
Vollständigkeit und Rechtssicherheit in gleichem Maße zu beachten hat wie ein
Fremdbieter694.
Kommentar zum AktG, § 71 Rn. 202 b; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2
Rn. 52; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2; Baums/Stöcker, FS
Wiedemann, 703, 722 f. (für eine analoge Anwendung); Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, §
1 Rn. 126 f. (ebenfalls für eine analoge Anwendung).
689 So explizit auch explizit Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 52.
690 Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 46; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71 Rn. 202 b; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 52; offensichtlich auch Diekmann/Merkner, ZIP
2004, 836, 838.
691 Ein anderer Sinn ist allerdings kaum erkennbar. Soweit eine Angabeverpflichtung lediglich
an einen Sondertatbestand anknüpft, der auch im Falle eines Fremdangebots nicht notwendigerweise gegeben sein muss, und dieser Tatbestand nun speziell angesichts der beim Rückerwerb bestehenden Besonderheiten nicht erfüllt werden kann (so bspw. § 11 II 3 Nr. 3
WpÜG, vgl. dazu sogleich auf S. 138), könnte von einer rückerwerbsspezifisch „reduzierten“
Angebotsunterlage kaum gesprochen werden.
692 Vgl. auch Süßmann, AG 2002, 420, 430.
693 Vgl. Schulz, M & A Review 2002, 559, 560.
694 Es sei überdies bereits vorweggenommen, dass beim Rückerwerb tatsächlich auch in keinem
Punkt ein Bedürfnis für eine teleologischen Korrektur des geforderten Umfangs der Angebotsunterlage besteht.
136
(2) Inhaltsangaben nach § 11 II 2 WpÜG
Um das Angebot nach außen individualisierbar zu machen, sind die in § 11 II 2 Nr.
1-6 WpÜG beschriebenen Angaben über den Inhalt des Angebotes grundsätzlich
vollständig zu veröffentlichen695. Da Bieter und Zielgesellschaft beim Rückerwerb
zusammenfallen, erfüllt die rückerwerbende Gesellschaft durch die Angabe ihrer
Firma, ihres Sitzes und der Rechtsform gleichzeitig die Vorgaben nach Nr. 1 und Nr.
2696. Neben dem Gegenstand des Angebots (Nr. 3) sind zudem Art und Höhe der
Gegenleistung (Nr. 4)697, etwaig angebotene Entschädigungen im Zusammenhang
mit § 33 b WpÜG (Nr. 4 a), etwaige Wirksamkeitsbedingungen des Angebots (Nr.
5) sowie Beginn und Ende der Annahmefrist (Nr. 6) anzugeben.
(3) Ergänzende Angaben nach § 11 II 3 WpÜG
Obwohl diese Vorschrift vielfach Anknüpfungspunkt für die im Schrifttum befürwortete reduzierte Angebotsunterlage ist, hat die rückerwerbende Gesellschaft
grundsätzlich auch die Angabeverpflichtungen gemäß § 11 II 3 WpÜG zu befolgen.
Die Anwendung von § 11 II 3 Nr. 1 WpÜG, der den Bieter zu Angaben über die
Finanzierung des Angebots und den Auswirkungen eines erfolgreichen Angebots
auf seine Vermögens-, Finanz- und Ertragslage verpflichtet698, wird im Falle des
Aktienrückerwerbs teilweise unter Verweis auf § 71 II 2 AktG und §§ 71 III 1, 160 I
Nr. 2 AktG als nicht notwendig erachtet699. In Ansehung des Zwecks der Angebotsunterlage ist diese Auffassung jedoch abzulehnen700. Hiernach geht es allein darum,
den Angebotsadressaten eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen (vgl. §§ 11 I 2
695 Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 838; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2.
696 Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 838; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2. Daher sollte auch nicht davon gesprochen werden, dass die Angaben nach §
11 II 2 Nr. 2 WpÜG „entfallen“ können, so aber Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 2 Rn. 53.
697 Entgegen der Auffassung von Möller, Rn. 245, kann hieraus im Übrigen kaum die Unzulässigkeit eines dutch auction self tender offer gefolgert werden. Auf diese Weise würde das Regelungsanliegen von § 11 II 2 Nr. 4 WpÜG erheblich überspannt werden, denn hierbei handelt es sich lediglich um eine formale Vorgabe für die Angebotsunterlage. Für § 11 II 2 Nr. 4
WpÜG wäre es daher als ausreichend zu erachten, dass die Gesellschaft die Rückerwerbs-
Preisspanne angibt. Einschlägige materielle Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit des
dutch auction self tender offer ergeben sich allerdings im Lichte des § 17 WpÜG (vgl. dazu
ausführlich S. 148 ff.).
698 Zu den genaueren inhaltlichen Anforderungen an diese Angaben vgl. Schulz, M & A Review
2002, 559, 563 ff.
699 Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 46; Koch,
S. 197; teilweise auch Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 724.
700 Für eine Anwendung des § 11 II 3 Nr. 1 WpÜG auch Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839
(einschließlich Fn. 13); Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 54; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2.
137
WpÜG). § 71 II 2 AktG weist keinerlei Informationswert auf, und auch die §§ 71 III
1, 160 I Nr. 2 AktG können den übernahmerechtlich intendierten Informationsstandard nicht ersetzen, da die Berichtspflichten zeitlich erst nach dem Rückerwerb
eingreifen. Dem Wertpapierinhaber ist somit hierdurch bei seiner Entscheidung, ob
er das Erwerbsangebot annehmen soll, in keiner Weise geholfen701. Die in finanzieller Hinsicht beim Erwerb eigener Aktien bestehenden Besonderheiten - und in diesen Zusammenhang ist auch die Schutzvorschrift des § 71 II 2 AktG einzuordnen können an der formellen Pflicht zur Information der Angebotsadressaten nichts
ändern, sondern sind vielmehr von dieser umfasst und somit in der Angebotsunterlage, sei es unter Wiedergabe der gesetzlichen Regelung, darzustellen702.
Die Anwendbarkeit des § 11 II 3 Nr. 2 WpÜG, der den Bieter zu Angaben über
die künftige Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft und, soweit von dem Angebot
betroffen, des Bieters selbst verpflichtet, wird für den Fall des Rückerwerbs ganz
überwiegend verneint703. Dies geschieht ebenfalls zu Unrecht. Richtig ist zwar, dass
das gesetzliche Anliegen, dem Wertpapierinhaber die durch den Einfluss eines
Fremderwerbers ermöglichten Änderungen in der Geschäftspolitik vor Augen zu
führen, beim Rückerwerb wegen § 71 b AktG gegenstandslos ist704. Gleichwohl ist §
11 II 3 Nr. 2 WpÜG deswegen nicht unanwendbar705. Sinnvoll sind die geforderten
Angaben etwa schon dann, wenn die Gesellschaft mit dem Rückerwerb eine freundliche Übernahme unterstützen will706. Aber auch wenn ein solcher Ausnahmefall
nicht besteht, muss § 11 II 3 Nr. 2 WpÜG zumindest zu der Angabe verpflichten,
dass der Rückerwerb keinen ändernden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit haben
wird. Dies folgt aus der Notwendigkeit, dem zumeist rechtsunkundigen Adressaten
eine vollständig informierte Entscheidungsgrundlage zu bieten (§ 11 II 2 WpÜG)707.
Gleichwohl übermittelt die rückerwerbende (Ziel-) Gesellschaft durch die entsprechenden Angaben wegen der personalen Identität gleichzeitig auch die erforderli-
701 Insoweit auch Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 724; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma,
§ 1 Rn. 128.
702 Ähnlich auch Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839 (einschließlich Fn. 13); Pötzsch, in:
Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 54.
703 Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 711 f.; Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 46;
Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 95; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 54; vgl. auch Angerer, in: Geibel/Süßmann, § 1 Rn.
101; Süßmann, AG 2002, 420, 430; Möller, Rn. 253; Koch, S. 174.
704 Insoweit zutreffend Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 46; Süßmann, AG
2002, 420, 430.
705 So im Ergebnis auch Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 25.
706 Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 25.
707 Gestützt wird diese Auffassung im Übrigen auch durch die Gesetzesbegründung zu § 11 II 3
Nr. 2 WpÜG. Demnach soll generell bei solchen Angeboten, die kein Übernahme- oder
Pflichtangebot sind, ein Hinweis erfolgen, dass Absichten, auf die Geschäftstätigkeit Einfluss
zu nehmen, (mangels entsprechender Möglichkeit) nicht bestehen, vgl. Begr RegE, BT-
Drucks. 14/7034, S. 41. Es ist nicht einzusehen, warum im Falle des Rückerwerbs etwas anderes gelten sollte.
138
chen Informationen betreffend den Bieter. Soweit im Übrigen vertreten wird, die
rückerwerbende Gesellschaft habe in die Angebotsunterlage Ausführungen über die
Gründe und weitergehende Ziele des Rückerwerbs aufzunehmen708, kann dem nicht
gefolgt werden. Wie auch die genannten Regelbeispiele verdeutlichen, knüpft § 11
II 3 Nr. 2 WpÜG ersichtlich (nur) an die Offenlegung solcher zukünftiger Änderungen in der Geschäftstätigkeit an, die durch die gewonnene Einflussnahmemacht des
Erwerbers ermöglicht werden. Ein durch den Aktienerwerb begründeter Einflussnahmezuwachs besteht aber wegen § 71 b AktG eben nicht, wenn die (Ziel-) Gesellschaft selbst die Aktien erwirbt. Die rückerwerbende Gesellschaft unter Berufung
auf § 11 II 3 Nr. 2 WpÜG zur Offenlegung der Zwecke des geplanten Aktienerwerbs zu verpflichten, würde mithin eine Überspannung des Regelungszwecks der
Vorschrift bedeuten709. Die Folge wäre eine ungerechtfertigte Unterlaufung der
verbandsrechtlichen Regelungssystematik: Soweit die Ermächtigung gem. § 71 I Nr.
8 AktG nicht von vornherein auf bestimmte Erwerbszwecke begrenzt wurde, verpflichtet das Aktienrecht den Vorstand erst in der nächsten Hauptversammlung (§ 71
III 1 AktG) bzw. i.R.d. Jahresabschlusses (§ 160 I Nr. 2 AktG) zu einem Bericht
über den Erwerbszweck.
Keine Relevanz kommt indes § 11 II 3 Nr. 3 WpÜG beim Erwerb eigener Aktien
zu710. Die Vorschrift verpflichtet zur Veröffentlichung bereits gewährter oder in
Aussicht gestellter Sonderleistungen an Mitglieder von Vorstand oder Aufsichtsrat
der Zielgesellschaft. Die Gesetzesbegründung betont, dass der Offenlegung solcher
Tatbestände wegen der damit möglicherweise verbundenen Interessenkonflikte
insbesondere für die Wertpapierinhaber eine erhebliche Bedeutung zukomme711. Die
Vorschrift setzt somit nach ihrem Inhalt zwingend die Beteiligung eines Fremdbieters voraus und kommt daher beim Rückerwerb nicht zum Zuge.
708 So Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 2 Rn. 54; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2 („Die
Pflicht aus § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 WpÜG … modifiziert sich beim Rückerwerb eigener Aktien dahingehend …“).
709 Damit ist auch einer Berufung auf das Vollständigkeitsgebot des § 11 II 2 WpÜG (in diesem
Sinne Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 2 Rn. 54) die Grundlage entzogen.
710 Lenz/Linke, AG 2002, 420, 423; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 712; Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839; Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 95 f.; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, §
11 Rn. 46; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 54; Koch, S. 174; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt D.
711 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 41.
139
§ 11 II 3 Nr. 4 WpÜG verpflichtet die rückerwerbende Gesellschaft zur Angabe
der Finanzierungsbestätigung eines unabhängigen Wertpapierdienstleistungsunternehmens nach § 13 I 2 WpÜG712.
(4) Ergänzende Angaben nach § 2 WpÜG-AngebotsVO
Zuletzt sind grundsätzlich auch die Vorgaben von § 2 WpÜG-AngebotsVO i.V.m. §
11 IV WpÜG vollständig zu beachten.
§ 2 WpÜG-AngebotsVO fordert zunächst bestimmte Angaben, die die technische
Durchführung von Angebot und Annahme sowie rechtliche Hintergrundinformationen betreffen. Die Befolgung dieser Vorgaben ist beim Erwerb eigener Aktien
grundsätzlich in gleichem Maße erforderlich wie beim Fremderwerb713. Die rückerwerbende Gesellschaft hat demnach die Art und Weise der Annahme des Angebots
(Nr. 4) sowie Hinweise zu erweiterten Annahmefristen (Nr. 9)714, den Veröffentlichungsorten (Nr. 10), den Rücktrittsrechten (Nr. 11) und dem anzuwendenden Recht
(Nr. 12) anzugeben. Die ebenfalls zu dieser Gruppe zu zählenden Angaben über
behördliche Genehmigungen und Verfahren (Nr. 8) werden beim Rückerwerb nicht
relevant, da wettbewerbsrechtliche und andere behördliche Erlaubnisvorbehalte
nicht bestehen715.
Von den übrigen von § 2 WpÜG-AngebotsVO geforderten Angaben sind für die
rückerwerbende Gesellschaft besonders diejenigen über die bereits von ihr und gemeinsam handelnden Personen gehaltenen bzw. gem. § 71 d S. 3 AktG zuzurechnenden Aktien (Nr. 5) sowie über die Anzahl der zu erwerbenden Wertpapiere und
das Zuteilungsverfahren (Nr. 6) relevant716. Den Angaben über das Zuteilungsverfahren kommt dabei angesichts der mitgliedschaftlichen Pflichtenbindung der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären besondere Bedeutung zu717. Von Relevanz
können darüber hinaus die Angaben über gemeinsam handelnde Personen (Nr. 1)
712 Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, §
2 Rn. 54; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2. Zur Anwendung des
§ 13 WpÜG vgl. bereits S. 133 f.
713 Mit gleichem Ergebnis (auch im Hinblick auf die im Folgenden im Text genannten Einzelangaben) Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839; Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Oechsler, in:
Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 46; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, §
71 Rn. 202 b; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2.
714 Nicht zutreffend ist der Verweis von Koch, S. 200, dass auf ein Rückkaufangebot kein konkurrierendes Angebot i.S.d. § 22 WpÜG erfolgen wird, vgl. dazu auch noch ausführlicher S.
162 f.
715 So ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt D.
716 Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2.
717 Vgl. dazu noch eingehender S. 153 (zu § 19 WpÜG).
140
sein718. Zuletzt müssen grundsätzlich auch die einschlägigen Angaben nach § 7
WpPG und § 8 g VerkaufsprospektG (Nr. 2 und Nr. 2 a)719, zu etwaigen Entschädigungen im Zusammenhang mit § 33 b WpÜG (Nr. 3 a) sowie zu Art und Umfang
der Gegenleistung bei Vorerwerben (Nr. 7)720 aufgenommen werden.
Der Anwendung von § 2 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO, der zu Angaben über die zur
Festsetzung der Gegenleistung angewandten Bewertungsmethoden verpflichtet, wird
entgegengehalten, dass die Hauptversammlung im Ermächtigungsbeschlusses gem.
§ 71 I Nr. 8 AktG bereits zwingend den niedrigsten und höchsten Gegenwert vorgegeben haben muss721. Aus diesem Umstand aber die Nichtanwendung im Falle des
Rückerwerbs zu folgern, widerspricht dem Vollständigkeitsgebot des § 11 I 2
WpÜG. Ganz abgesehen davon, dass regelmäßig nur ein Bruchteil der Kleinaktionäre der Hauptversammlung beiwohnt, ist angesichts der 18-monatigen Höchstdauer
des Ermächtigungsbeschlusses die unter Informationsgesichtspunkten erforderliche
zeitliche Nähe zum Angebot nicht gewährleistet. Allein vor diesem Hintergrund
müsste bereits zumindest verlangt werden, dass die Angebotsunterlage den Adressaten erneut vor Augen führt, dass sich der Kaufpreis im durch den Ermächtigungsbeschluss vorgegebenen Preisrahmen bewegt722. Aber auch darüber hinausgehend ist
nicht ersichtlich, warum die rückerwerbende Gesellschaft nicht auch wie jeder andere (Fremd-) Bieter darlegen sollte, welche Preiskriterien sie ihrem Angebot zugrunde gelegt hat723. Da die in der Hauptversammlungsermächtigung vorgegebene Preisspanne unter Umständen ziemlich groß sein kann (insbesondere um die Handlungsflexibilität des Vorstandes in Bezug auf ein öffentliches Rückerwerbsangebot zu
gewährleisten)724, kann sie den Zweck des § 2 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO, eine
718 Koch, S. 200 f.; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 25 (mit
dem Verweis auf eine mögliche Zusammenarbeit mit einem freundlichen Bieter).
719 So ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2; vgl. auch Koch, S. 201.
720 A.A. ursprünglich BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt D; hiergegen zu Recht Pötzsch, in:
Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 55; zudem Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 25; vgl. auch Koch, S. 201 f.
721 Süßmann, AG 2002, 420, 430; Oechsler, NZG 2001, 817, 818; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 46; Koch, S. 198; wohl auch Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 97; auch die BaFin ging ursprünglich davon aus,
dass § 2 Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO nicht anwendbar ist (vgl. dazu Merkblatt 7/2005, Abschnitt D).
722 Ähnlich Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839; vgl. hierzu auch die allgemeinen Ausführungen von Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 36.
723 So im Ergebnis auch Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 724; Baums/Hecker, in:
Baums/Thoma, § 1 Rn. 129; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 55;
Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 25.
724 Fehl geht der Verweis von Koch, S. 198, wenn er meint, die Preisspanne im Ermächtigungsbeschluss knüpfe „in der Regel“ an eine Abweichung von (nur) 5 % vom Börsenpreis an.
Denn wenn dies tatsächlich so wäre, stünden die Chancen, erfolgreich einen (umfänglichen)
öffentlichen Rückerwerb durchzuführen, regelmäßig von vornherein ziemlich schlecht, da den
Aktionären nicht die erforderlich hohe Rückkaufprämie angeboten werden könnte (vgl. hierzu
141
Plausibilisierung und Überprüfung der Gegenleistung zu ermöglichen725, in aller
Regel nicht erfüllen.
cc) Verantwortungsübernahme gem. § 11 III WpÜG
Auch § 11 III WpÜG findet Anwendung auf öffentliche Rückerwerbsangebote726.
Um den Adressaten zu verdeutlichen, wem gegenüber die gem. § 12 WpÜG entstehenden Schadensersatzansprüche im Falle einer fehlerhaften Angebotsunterlage
geltend zu machen sind727, ist hiernach unter Abgabe einer Richtigkeits- und Vollständigkeitserklärung anzuführen, wer die Verantwortung für die Unterlage übernimmt. Dies ist zunächst einmal zwingend der Bieter728, hier also die rückerwerbende Gesellschaft selbst. In ihrem Namen ist bereits die Angebotsunterlage unterzeichnet worden, um so dem Rechtsverkehr die Übernahme der Verantwortung und
der Haftung für die Unterlage anzuzeigen729.
dd) Haftung gem. § 12 WpÜG
§ 12 WpÜG regelt die Haftung für unrichtige bzw. unvollständige Angaben in der
Angebotsunterlage. Durch die Statuierung eines Haftungsanspruchs sichert der Gesetzgeber die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Erstellung und Veröffentlichung
der Angebotsunterlage ab. Es ist daher nur konsequent, § 12 WpÜG auch im Falle
des Erwerbs eigener Aktien anzuwenden730. Adressat des Haftungsanspruchs ist
auch die entsprechenden Ausführungen zum Erfordernis und Umfang der Rückkaufprämien
in Teil 2 A I, insbesondere S. 19 ff.).
725 Vgl. Renner, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 11 Rn. 41.
726 Ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2.
727 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 42.
728 Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 11 WpÜG Rn. 25. A.A. Geibel, in:
Geibel/Süßmann, § 11 Rn. 83 und 7, demnach der Unterzeichner der Angebotsunterlage nicht
mehr zusätzlich als Verantwortlicher i.S.d. § 11 III WpÜG genannt werden müsse, da die Unterzeichnung bereits die intensivste Form der Verantwortungsübernahme darstelle und demgemäß schon an sich eine Haftungsfähigkeit nach § 12 WpÜG auslöse; diese Auffassung verkennt jedoch die Klarstellungsfunktion der Angebotsunterlage zugunsten der Angebotsadressaten. Darüber hinaus ist es selbstverständlich auch anderen Personen, wie etwa Mitgliedern
des Vorstands oder der finanzierenden Bank, unbenommen, zur Steigerung des Prestiges des
Angebots zusätzlich die Verantwortung für die Angebotsunterlage zu übernehmen, vgl. Renner, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 12 Rn. 11. Insbesondere für den Vorstand aber besteht eine dahingehende Verpflichtung nicht, vgl. dazu Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 11 WpÜG Rn. 25.
729 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 41 (zu § 11 I 5 WpÜG).
730 Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 98; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 56; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 2
Rn. 8.
142
damit in jedem Fall die Gesellschaft, da die Angebotsunterlage in ihrem Namen
unterzeichnet wird (§ 11 II Nr. 5 WpÜG) und sie auch explizit die Verantwortung zu
übernehmen hat (§ 11 III WpÜG).
ee) Übermittlung und Veröffentlichung gem. § 14 WpÜG
§ 14 WpÜG regelt die Angebotsunterlage betreffende Übermittlungs- und Veröffentlichungspflichten des Bieters. Abs. I verpflichtet zur Übermittlung der Unterlage
an die BaFin, die Abs. II und III statuieren die der Prüfung durch die BaFin nachfolgende Pflicht zur Veröffentlichung sowie deren Einzelheiten. Abs. IV regelt schließlich die Übermittlung der Angebotsunterlage an den Vorstand der Zielgesellschaft.
An der Geltung von § 14 I-III WpÜG kann auch im Fall des Aktienrückerwerbs
kein Zweifel bestehen731. Ausweislich der Gesetzesbegründung dient die Übermittlung nach Abs. I dazu, der BaFin die mit § 15 WpÜG einhergehende Überprüfung
der Angebotsunterlage zu ermöglichen; zusätzlich soll die BaFin als Evidenzzentrale
fungieren können732. Den Vorgaben zur Veröffentlichung der Unterlage (Abs. II und
III) kommt Standardisierungsfunktion zu: Den Anlegern soll eine einfache Überprüfung ermöglicht werden, ob für ihre Aktien ein öffentliches Kaufangebot abgegeben
wurde733. Die Verfolgung der genannten Regelungsziele ist beim Rückerwerb in
gleicher Weise gerechtfertigt wie beim Fremderwerb734. Keinen Sinn macht im Falle
des Rückerwerbs allerdings die Vorschrift des § 14 IV WpÜG735 und ist daher teleologisch zu reduzieren. Dies gilt sowohl für Satz 1 der Vorschrift, der offensichtlich
eine Dualität von Bieter und Zielgesellschaft voraussetzt, als auch für Satz 2 und 3.
Die Information der Arbeitnehmer bzw. deren Vertretung macht nur dann Sinn,
wenn infolge eines Fremderwerbs und einer damit verbundenen Einflussnahmemöglichkeit eine Änderung der Geschäftspolitik der Gesellschaft zu erwarten ist736.
731 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 58; ursprünglich auch BaFin,
Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 4, 5; a.A. Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 729 f.;
Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 135 ff., jeweils letztlich aber primär nur als Folge
der von ihnen befürworteten analogen Anwendung des WpÜG und daraus entstehender verfassungsrechtlicher Bedenken.
732 BT-Drucks. 4/7034, S. 44.
733 Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 14 Rn. 2.
734 Insoweit auch noch Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 729 f.
735 Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 837; Thaeter, in: Thaeter/Brandi, Teil 2 Rn. 30; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 40; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 96; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 2 Rn. 58; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 711.
736 Vgl. hierzu auch die Ausführungen zu § 10 V 2 WpÜG auf S. 132 f.
143
ff) Europäischer Pass (§ 11 a WpÜG)
Keine Relevanz für den Erwerb eigener Aktien beansprucht allerdings der durch das
Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 8. Juli 2006 eingeführte § 11 a WpÜG.
Hiernach wird eine Angebotsunterlage, die von der Aufsichtsstelle eines anderen
Staates gebilligt wurde, im Inland ohne weiteres Billigungsverfahren anerkannt (sog.
„Europäischer Pass“). Die Vorschrift betrifft jedoch ausschließlich Angebotsunterlagen über europäische Angebote i.S.d. § 2 Ia WpÜG. Wie bereits an anderer Stelle
ausgeführt737, kann aber ein Angebot zum Erwerb eigener Aktien kein europäisches
Angebot sein, da die Übernahmerichtlinie (2004/25/EG), auf die § 2 Ia WpÜG Bezug nimmt, keine (Selbst-) Angebote von Zielgesellschaften erfasst.
d) Untersagung des Angebots durch die BaFin (§ 15 WpÜG)
Der Gesetzgeber legt der BaFin durch § 15 WpÜG eine Prüfungspflicht hinsichtlich
der ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Erstellung der Angebotsunterlage durch den
Bieter auf. In den Fällen des § 15 I WpÜG hat die BaFin das Angebot zwingend zu
untersagen („…untersagt das Angebot…“). Erfolgte die Veröffentlichung nicht in
der von § 14 III 1 vorgeschriebenen Form, liegt die Untersagung gem. § 15 II in
ihrem Ermessen („…kann das Angebot untersagen…“). Die Rechtsfolgen der Untersagung sind in § 15 III WpÜG geregelt. Nach der Gesetzesbegründung soll der Bieter durch § 15 WpÜG dazu angehalten werden, seinen Informationspflichten zügig
und umfassend nachzukommen738, wenngleich in Anbetracht von § 15 I Nr. 2
WpÜG auch die Sanktionierung von inhaltlichen Verstößen des Angebots gegen die
Vorschriften des WpÜG eine Rolle spielt739. Wie die systematische Stellung des §
15 WpÜG verdeutlicht, ist sie jedenfalls in erster Linie Ausprägung des Leitgedankens einer umfassenden Information des Angebotsadressaten; ihre Geltung ist damit
auch im Falle des Rückerwerbs vollumfänglich geboten740.
737 Vgl. bereits die Ausführungen im Zusammenhang mit § 10 II 3 und § 10 IV 2 WpÜG in Fn.
673.
738 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 45.
739 Vgl. hierzu etwa Seydel, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 15 Rn. 6, 23 ff.
740 Für eine Anwendung auch Lenz/Linke, AG 2002, 420, 424; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 72; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005,
Abschnitt C Nr. 4, 5; a.A. Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 731 f.; Baums/Hecker, in:
Baums/Thoma, § 1 Rn. 138 f., jeweils jedoch wiederum primär aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken, die aus der befürworteten analogen Anwendung des WpÜG entstehen.
144
e) Annahmefristen (§ 16 WpÜG)
aa) Allgemeine Laufzeit des Angebots gem. § 16 I WpÜG
§ 16 I WpÜG legt die allgemein zulässige Laufzeit des Angebots auf 4-10 Wochen
fest. Trotz der sich beim Rückerwerb ergebenden besonderen Interessenlage bietet
es sich auch für diesen Fall an, an der zeitlichen Rahmenvorgabe des Abs. I festzuhalten741. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die statuierte Mindestfrist von 4 Wochen,
wie auch für die Höchstfrist von 10 Wochen. Der mit der Mindestfrist verfolgte
Zweck, den Wertpapierinhabern eine fundierte Entscheidung über das Angebot zu
ermöglichen742, ist auch beim Rückerwerb gerechtfertigt, denn hierbei besteht, wie
bereits mehrfach dargelegt, ein besonderes Informationsinteresse der Wertpapierinhaber, das nicht hinter demjenigen im Falle des Fremderwerbs zurücksteht743. Die
Mindestfrist von 4 Wochen bedarf daher keiner Korrektur744. Die Höchstfrist von 10
Wochen betreffend ist zwar festzustellen, dass das zugrunde liegende Hauptziel, die
Zielgesellschaft vor durch das schwebende Angebot entstehenden Beeinträchtigungen zu schützen745, beim Rückerwerb hinfällig ist, da die Gesellschaft sich nicht
selbst durch ihre eigenen Tätigkeiten beeinträchtigt sehen kann. Es gilt jedoch zu
bedenken, dass die Statuierung der Höchstfrist nicht allein der Zielgesellschaft zu
dienen bestimmt ist, sondern hierdurch auch im Interesse des Kapitalmarktes ein
geordneter und in seinem Ablauf vorhersehbarer Verfahrensgang gewährleistet
741 So im Ergebnis auch Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2592; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 47; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion
2003, 81, 97; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 59; Wackerbarth, in:
Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 25 (in Bezug auf die Mindestdauer der
Angebotsfrist); ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 2.
742 Vgl. Riehmer, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 16 Rn. 3; Steinmeyer/Häger, § 16 Rn. 3.
743 Nicht fundiert, vor allem in kapitalmarktpolitischer Hinsicht, erscheint vor diesem Hintergrund die Behauptung von Leuering, AG 2007, 435, 442: Ob bzw. gegen welche Prämie ein
Aktionär seine Aktien verkaufen wolle, sei „sicherlich keine Entscheidung von großer Tragweite!“ (allerdings ausgehend von einer Nichtanwendung des WpÜG).
744 Stimmen im Schrifttum, die die 4-wöchige Mindestfrist beim Rückerwerb für unangemessen
lang erachten, da der Überprüfungsumfang für den Angebotsadressaten in diesem Falle geringer sei, können nicht überzeugen. Dies gilt zunächst für Baums/Stöcker (FS Wiedemann,
703, 732 f.) sowie Baums/Hecker (in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 140), die allein angesichts der
Tatsache, dass keine Stellungnahme nach § 27 WpÜG übermittelt werden muss (dazu noch
ausführlich S. 169 f.) und so für den Wertpapierinhaber die erforderliche Erarbeitungszeit
entfällt, eine um mindestens eine Woche verkürzte Überlegenszeit als ausreichend erachten.
Die für die Erarbeitung der Stellungnahme erforderliche Zeit kann jedoch unmöglich pauschalisiert werden. Jedenfalls entbehrt die generelle Veranschlagung von mindestens einer
Woche jeglicher empirischen Grundlage, vgl. hierzu auch Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 97. Zuletzt kann auch Süßmann (AG 2002, 420, 431) nicht
gefolgt werden, wenn dieser auf den angeblich geminderten Umfang der Angebotsunterlage
beim Rückerwerbsangebot verweist. Dass sich eine Zeitersparnis für die rückerwerbende Gesellschaft tatsächlich nicht ergibt, verdeutlichen insbesondere die Ausführungen zu § 11
WpÜG auf S. 135 ff.
745 Steinmeyer/Häger, § 16 Rn. 3.
145
wird746. Die 10 Wochen-Frist hat somit auch eine Standardisierungsfunktion. Für
ihre Beibehaltung spricht zudem der Aspekt der Rechtssicherheit747.
bb) Erweiterte Annahmefrist gem. § 16 II WpÜG
§ 16 II WpÜG enthält die sog. Zaunkönigregelung, nach der Minderheitsaktionären
nach einem erfolgreichen Übernahmeangebot eine nachträgliche Annahmefrist von
weiteren 2 Wochen eingeräumt wird. Da das Angebot zum Erwerb eigener Aktien
wegen §§ 71 II 1, 71 b AktG aber kein Übernahmeangebot sein kann, können die
Tatbestandsvoraussetzungen für die erweiterte Annahmefrist in diesem Fall nicht
eingreifen. § 16 II WpÜG ist daher beim Rückerwerb bedeutungslos748.
cc) Angebotshauptversammlung gem. § 16 III und IV WpÜG
§ 16 III WpÜG legt für den Fall, dass im Zusammenhang mit dem Angebot nach der
Veröffentlichung der Unterlage eine Hauptversammlung der Zielgesellschaft einberufen wird, die Annahmefrist für das Angebot unbeschadet der §§ 21 V, 22 II
WpÜG auf die Maximalfrist von 10 Wochen fest. § 16 IV WpÜG statuiert Sonderregeln hinsichtlich des Verfahrens einer solchen Hauptversammlung. Diese Vorschriften sind beim Aktienrückerwerb ebenfalls ohne Relevanz749. Dadurch, dass
Abs. III im Falle einer Angebotshauptversammlung die gesetzliche Höchstfrist von
10 Wochen zugrunde legt, wird sichergestellt, dass der Zielgesellschaft genügend
Zeit verbleibt, die Hauptversammlung einzuberufen und durchzuführen. So kann
möglicherweise eine Ermächtigung des Vorstandes zu Handlungen herbeigeführt
werden kann, welche den Erfolg des Fremdangebots und einen dadurch vermittelten
gewichtigen (Fremd-) Einfluss vereiteln können750. Beim Erwerb eigener Aktien
besteht ein solches Bedürfnis nicht. Weder droht ein Fremdeinfluss, noch ist in anderer Hinsicht ein sinnvoller Beschlussgegenstand für eine Angebotshauptversamm-
746 Vgl. Hasselbach, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 16 Rn. 1. Auch die Regierungsbegründung führt zu § 3 IV WpÜG aus, dass die Verfahrensbeschleunigung (u.a.) im Interesse
des gesamten Kapitalmarktes steht (BT-Drucks. 14/7034, S. 35).
747 Vgl. Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 59.
748 Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 732; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 139;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 59.
749 Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 81; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 712, 732;
Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 97; Baums/Hecker, in:
Baums/Thoma, § 1 Rn. 115, 139; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2
WpÜG Rn. 37; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 59; ursprünglich
auch BaFin, Merkblatt 7/2005, Abschnitt D.
750 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 46.
146
lung ersichtlich, zumal die Hauptversammlung den Vorstand bereits gem. § 71 I Nr.
8 AktG zum Rückerwerb ermächtigt hat751.
f) Invitatio ad offerendum (§ 17 WpÜG)
aa) „Klassische“ invitatio ad offerendum
§ 17 WpÜG statuiert das Verbot der invitatio ad offerendum. Hiernach ist es Bietern
untersagt, Wertpapierinhaber öffentlich dazu aufzurufen, bindende Verkaufsangebote an den Bieter abzugeben.
Soweit es zunächst darum geht, dass die rückerwerbende Gesellschaft ihre Aktionäre einfach und ohne weitere Besonderheiten öffentlich dazu aufruft, Aktien an die
Gesellschaft zu verkaufen, muss § 17 WpÜG Anwendung finden752. Entgegen teilweise vertretener Auffassung753 ist der Schutzweck des § 17 WpÜG in diesem Fall
keineswegs unerfüllbar; dies ist lediglich im Hinblick auf einen Teil des Regelungsanliegens der Vorschrift zutreffend. Zwar bezweckt § 17 WpÜG auch einem angemessenen Interessenausgleich zwischen Bieter und Zielgesellschaft, da die im Falle
des Fremdangebots entstehenden Beeinträchtigungen der Zielgesellschaft nach der
gesetzlichen Wertung nur dann gerechtfertigt sein sollen, wenn das Angebot rechtlich bindend i.S.d. § 145 BGB ist754. Insofern wäre eine Anwendung des § 17
WpÜG auf den Rückerwerb nicht nötig, da Beeinträchtigungen der Zielgesellschaft
aufgrund ihres eigenen Handelns nicht schutzbedürftig sind755. Jedoch dient § 17
WpÜG auch dem Schutz der Wertpapierinhaber, und insoweit ist der Normzweck
auch Aktienrückerwerb erfüllbar. So stellt die Vorschrift sicher, dass die Angebotsbedingungen einheitlich vom Bieter und nicht von den Wertpapierinhabern festgelegt werden, so dass gleiche Vertragsbedingungen für alle Aktionäre entstehen756.
Hierdurch wird verhindert, dass der Bieter seine Vertragspartner nach den für ihn
günstigsten Konditionen aussuchen kann und so ausnutzt, dass die Wertpapierinhaber ihre Interessen mangels Kenntnis des Verhaltens der Mitaktionäre nicht koordinieren können und damit möglicherweise ein zu niedriges Verkaufsangebot abgeben
751 Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 81; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 712, 732.
752 So im Ergebnis auch Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1517; Oechsler, NZG 2001, 817, 819; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 47; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar
zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 38; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 60.
753 Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 81; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 734 f.;
Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 164 ff.; Koch, S. 203.
754 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 47; Steinmeyer/Häger, § 17 Rn. 2; Geibel, in: Geibel/Süßmann, § 17 Rn. 4; Riehmer, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 17 Rn. 3.
755 Insoweit zutreffend Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 81; Baums/Stöcker, FS Wiedemann,
703, 734; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 167; Koch. S. 203.
756 Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 17 Rn. 1.
147
(prisoners´ dilemma)757. Dieser Schutz muss den Aktionären auch im Falle des Aktienrückerwerbs zugute kommen.
bb) Dutch auction
(1) Im Allgemeinen: Dutch auction und § 17 WpÜG
Bevor nun auf die hier interessierende Frage eingegangen werden kann, ob § 17
WpÜG einem dutch auction self tender offer entgegensteht, muss zunächst geklärt
werden, ob § 17 WpÜG generell (also auch bei einem Fremdangebot) die Durchführung einer dutch auction verbietet.
Einer Subsumtion der dutch auction unter das Verbot der invitatio ad offerendum
wird zunächst entgegengehalten, dass der Bieter sich bereits verbindlich zum Erwerb verpflichte und somit bereits selbst ein Angebot abgebe758. Diese Ansicht kann
jedoch nicht überzeugen. Zutreffend ist zwar, dass der Bieter bereits eine Kaufzusage im Hinblick auf ein bestimmtes Aktienvolumen macht und somit das Preisspannen-Verfahren letztlich nur dazu einsetzen wird, um in diesem Rahmen die Aktionäre zu ermitteln, die ihre Aktien zu einem vergleichsweise niedrigen Preis verkaufen
wollen. Dennoch dürfte der Bieter damit selbst noch kein Angebot abgegeben haben. Insbesondere weist die Kaufzusage des Bieters nicht die nötige Bestimmtheit
auf, um bereits als Angebot qualifiziert werden zu können759.
Darüber hinaus entsteht durch den Aufruf an die Wertpapierinhaber, ihren Preis
individuell festzulegen, ja gerade auch der kollektive Entscheidungsdruck, vor dem
§ 17 WpÜG schützen will. Auch wenn dies zu einer gewissen Entschärfung führt,
kann prinzipiell auch dann nichts anderes gelten, wenn der Bieter allen im Wege des
bottom up-Verfahrens ermittelten Wertpapierinhabern den gleichen Kaufpreis
757 Vgl. dazu Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 60; Wackerbarth, in:
Münchener Kommentar zum AktG, § 17 WpÜG Rn. 3; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 17 Rn. 1.
758 Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1519.
759 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 17 Rn. 3; im Ergebnis auch Koch, S. 203; Leuering, AG 2007, 435, 440. Hierfür sprechen auch die Grundsätze der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, die vorbehaltlich anderweitiger besonderer übernahmerechtlicher Vorgaben anzuwenden sind (vgl. dazu Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 21 WpÜG
Rn. 9 f.). Weder ist die Erwerbszusage des Bieters mangels Bestimmtheit durch ein einfaches
„Ja“ annehmbar (vgl. dazu etwa Heinrichs, in: Palandt, § 145 Rn. 1), noch wird die genaue
Preisbestimmung der anderen Seite „überlassen“ (hierfür müsste es auf jeden einzelnen Vertragspartner ankommen!). Denn letztlich bestimmt erst wieder der Bieter den Erwerbspreis im
Wege des bottom up-Verfahrens.
148
zahlt760. Entscheidend hierfür ist der Umstand, dass der Entscheidungsdruck, den §
17 WpÜG im Sinn hat, letztlich ungeachtet der Höhe des letztlich gezahlten Kaufpreises besteht. In jedem Fall muss der Wertpapierinhaber mangels Kenntnis des
Verhaltens der anderen Aktionäre tendenziell preislich niedrig kalkulieren, wenn er
sichergehen will, dass er über das bottom up-Verfahren überhaupt als Vertragspartner des Bieters bestimmt wird und somit an der angebotenen Prämie teilhaben kann.
Da dieser Entscheidungsdruck kollektiv wirkt, realisiert er sich somit letztlich auch
in einem einheitlichen closing price. § 17 WpÜG steht damit einer dutch auction im
Grundsatz entgegen761.
(2) Im Besonderen: Dutch auction self tender offers und § 17 WpÜG
Es verbleibt damit die umstrittene Frage zu klären, ob das generelle Verbot einer
dutch auction durch § 17 WpÜG auch dann zu gelten hat, wenn diese auf den Erwerb eigener Aktien gerichtet ist762.
Ein Anknüpfungspunkt für eine teleologische Reduktion des § 17 WpÜG könnte
möglicherweise darin gesehen werden, dass das Verbot des dutch auction self tender
offer der vom Gesetzgeber des KonTraG durch § 71 I Nr. 8 AktG beabsichtigten
Flexibilisierung des Aktienrückerwerbs763 zuwiderläuft. So weist die zugrunde lie-
760 Hierzu ist der Bieter nach § 3 I WpÜG verpflichtet, vgl. insofern Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 61 a.E.; vgl. zudem die Ausführungen auf S. 82, 86
im Zusammenhang mit dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot.
761 So prinzipiell auch Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 17 Rn. 3; Thoma, in:
Baums/Thoma, § 17 Rn. 4; a.A. Paefgen, ZIP 2002, 1519, 1519; Baums/Hecker, in:
Baums/Thoma, § 1 Rn. 166 ff. Es leuchtet allerdings nicht ein, warum etwas anderes gelten
soll, wenn „der Bieter eine feste Preisuntergrenze vorgibt, bei der er die Aktien in jedem Fall
erwerben will und nur nach oben hin Raum für Veränderungen lässt“ (so aber i.S. eines Ausnahmefalls für die Geltung von § 17 WpÜG Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 17
Rn. 3; Thoma, in: Baums/Thoma, § 17 Rn. 4; zurückhaltend Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 61). Eine veränderte Interessensituation ist insofern
nicht erkennbar. Das Argument, dass lediglich auf diese Weise eine Bindungswirkung gegen-
über allen Wertpapierinhabern entstehe (vgl. Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider,
WpÜG, § 2 Rn. 61), ist unzutreffend. Dies ist vielmehr so oder so der Fall. Immer dann, wenn
der Bieter eine Preisspanne vorgibt und sich von vornherein verpflichtet, ein bestimmtes Aktienvolumen zu erwerben, ist der niedrigste Wert der Preisspanne die benannte „Preisuntergrenze, zu der ein Erwerb auf jeden Fall erfolgt“. Denn allein infolge seiner volumenbezogenen Erwerbszusage muss der Bieter (mindestens) zu dem niedrigsten von ihm benannten Preis
kaufen und bindet sich so gesehen gegenüber allen Wertpapierinhabern.
762 Für eine Anwendung: Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn.
38; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 60 ff.; unter der Voraussetzung
der Anwendung des WpÜG auf den Aktienrückerwerb auch Koch, NZG 2003, 61, 63 (Fn.
33); Baum, ZHR 167 (2003), 580, 606; Leuering, AG 2007, 435, 440. Gegen eine Anwendung: Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1519; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 105, 164 ff.
(in Bezug auf eine analoge Anwendung).
763 Vgl. dazu Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 28.
149
gende Interessenlage beim dutch auction self tender offer auch gewisse Unterschiede
zu einem dutch auction-Fremdangebot auf. Einem Fremdbieter geht es bei seinem
Angebot um den Aufbau einer Beteiligung an einem (fremden) Unternehmen764. Für
ihn spielen - anders als beim Aktienrückerwerb - bestimmte gesellschaftsinterne
Leitungsinteressen, wie beispielsweise die Kapitalstrukturierung oder die Befriedigung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, keine Rolle. Das dutch auction self
tender offer dagegen kann ein bedeutsames (internes) finanz- und strukturpolitisches
Instrument in den Händen der Unternehmensführung darstellen. Wenn es nicht gerade darum geht, ein umso stärkeres Signal für eine Unterbewertung des Unternehmens auszusenden oder möglichst umfangreich überschüssige Liquidität an die
Aktionäre auszuschütten, stellt sich eine dutch auction regelmäßig als die gegenüber
einem Festpreisangebot attraktivere, da kostengünstigere Rückerwerbsalternative
dar765. Der Rückgriff auf dieses Instrument würde jedoch durch das Verbot in § 17
WpÜG unterbunden und die Handlungsflexibilität der Unternehmensleitung insofern eingeschränkt.
Einer auf § 71 I Nr. 8 AktG gestützten teleologischen Reduktion des § 17 WpÜG
im Falle des Aktienrückerwerbs steht jedoch entgegen, dass der eigentliche Zweck
des § 17 WpÜG beim Rückerwerbsangebot an sich in identischer Weise erfüllbar ist
wie beim Fremdangebot. Soweit man die rückerwerbende Gesellschaft durch § 17
WpÜG dazu verpflichtet, den Erwerbspreis bereits von vornherein konkret festzulegen, kann hierdurch vermieden werden, dass die Wertpapierinhaber insofern einem
tendenziell die Gegenleistung drückenden kollektiven Entscheidungszwang ausgesetzt werden. Und dies ist, wie dargelegt766, ein Kernanliegen des § 17 WpÜG. Dieser besonderen kapitalmarktpolitischen Wertung des Gesetzgebers ist auch im Hinblick auf das öffentliche Rückkaufangebot zu folgen.
Dass Gesellschaften auf diese Weise der Rückgriff auf ein aus ihrer Sicht oftmals
vorteilhaftes (und insbesondere in den USA auch regelmäßig praktiziertes) Rückerwerbsverfahren untersagt wird, ist hinzunehmen. Dies ist als Konsequenz des eigenständigen marktrechtlichen Schutzstandards zu begreifen, den das WpÜG aufstellt und dabei insbesondere auch den Schutz der Wertpapierinhaber in den Vordergrund rückt. Beschließt eine Gesellschaft, den Erwerb eigener Aktien im Wege eines
öffentlichen Verfahrens durchzuführen, so muss sie sich somit auch den besonderen
Vorschriften unterwerfen, die das WpÜG hierfür statuiert. Hierfür spricht letztlich
auch die im Interesse eines funktionierenden Kapitalmarktes zu gewährleistende
Einheitlichkeit des Verfahrens nach dem WpÜG.
764 Dies gilt regelmäßig unabhängig davon, ob es sich um ein einfaches oder ein Übernahmeangebot handelt.
765 Vgl. dazu bereits S. 23 ff.
766 Vgl. dazu bereits oben S. 146 f.
150
g) Bedingungen sowie Rücktritts-/ Widerrufsvorbehalte (§ 18 WpÜG)
Durch § 18 WpÜG wird es dem Bieter untersagt, sein Angebot mit ausschließlich
durch ihn selbst herbeizuführenden Bedingungen (Abs. I - sog. Potestativbedingung)
oder mit Rücktritts- und Widerrufsvorbehalten (Abs. II) zu verbinden. Die Vorschrift will damit gewährleisten, dass der Bieter grundsätzlich an sein Angebot gebunden bleibt und sich nur unter engen Voraussetzungen hiervon lösen kann767. Es
besteht kein Grund, § 18 WpÜG nicht auch auf den Erwerb eigener Aktien anzuwenden768. Soweit die Vorschrift bezweckt, dass die Zielgesellschaft nicht unangemessen in ihrer Geschäftstätigkeit behindert wird, ist dieses Anliegen zwar im Falle
des auf den Erwerb eigener Aktien gerichteten Angebots sinnlos769. § 18 WpÜG
gewährleistet jedoch auch zugunsten der Aktionäre, dass die Gesellschaft an die
Wirksamkeit ihres Angebots gebunden bleibt, so dass die Anwendung auch beim
Erwerb eigener Aktien geboten ist770.
h) Zuteilung bei Überzeichnung (§ 19 WpÜG)
aa) Zuteilungsmaßgabe in zeitlicher Hinsicht
§ 19 WpÜG ist Ausfluss des in § 3 I WpÜG verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes771 und schreibt vor, dass im Falle der Überzeichnung eines Teilangebots772
„die Annahmeerklärungen grundsätzlich verhältnismäßig zu berücksichtigen“ sind.
Der Bieter muss somit die eingegangenen Annahmeerklärungen mit einer einheitlichen Quote berücksichtigen, die sich nach dem Verhältnis von nachgefragten und
angebotenen Aktien richtet773.
§ 19 WpÜG nimmt dem Bieter damit zunächst bereits in zeitlicher Hinsicht die
Möglichkeit, im Falle einer Überzeichnung nach eigenem Ermessen und für ihn
günstigen Kriterien zuzuteilen. Dies schließt insbesondere das Verbot sog. Windhundrennen ein, bei denen der Bieter nach dem Prioritätsprinzip zuteilt und zudem
767 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 47.
768 Oechsler, NZG 2001, 817, 819; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 47; Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 202 c; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 62; a.A. Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn.
141.
769 Insoweit noch zutreffend Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 141.
770 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 62.
771 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 48.
772 Verstanden als Angebot, das zwar an alle Wertapierinhaber adressiert, jedoch nur auf den
Erwerb eines Teils der Aktien der Zielgesellschaft gerichtet ist, vgl. Hasselbach, in: Kölner
Kommentar zum WpÜG § 19 Rn. 1, 12.
773 Geibel, in: Geibel/Süßmann, § 19 Rn. 9; Riehmer, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 19 Rn.
16; Hasselbach, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 19 Rn. 15 f.
151
regelmäßig eine sich proportional zum Ablauf der Annahmefrist verringernde Gegenleistung anbietet774.
In diesem Umfang kann kein Zweifel daran bestehen, dass es die Wertmaßgabe
des § 19 WpÜG auch im Falle des Aktienrückerwerbs aufrecht zu erhalten gilt.
Dadurch dass die Annahme des Angebots (bzw. die Mitnahme der in einem frühen
Stadium noch ungeminderten Gegenleistung) beim Windhundrennen von dem Zeitpunkt der Annahmeerklärung abhängig gemacht wird, entsteht bei den Wertpapierinhabern der Druck, das Angebot möglichst früh anzunehmen. Damit besteht auch
beim Rückerwerb die Gefahr, dass die Verkaufsentscheidung übereilt getroffen und
eine fundierte Entscheidungsfindung beeinträchtigt wird. Folglich sind Rückkäufe
nach dem Prioritätsprinzip (Windhundrennen) generell als gem. § 19 WpÜG verboten zu betrachten775.
bb) Zuteilungsmaßgabe bezogen auf das Ende der Angebotsfrist
Abgesehen von dem soeben beschriebenen zeitlichen Aspekt regelt § 19 WpÜG
durch die Vorgabe, dass die eingegangenen Annahmeerklärungen verhältnismäßig
zu berücksichtigen sind, zudem (und insbesondere) das Zuteilungsverfahren am
Ende der Angebotsfrist. Das Rückerwerbsangebot ist in termini des § 19 WpÜG
gesprochen stets ein „Teilangebot“, da die Gesellschaft wegen § 71 II 1 AktG eigene
Aktien nur bis zu einer Grenze von 10 % ihres Grundkapitals erwerben kann.
Die Frage, inwieweit § 19 WpÜG im Falle des Rückerwerbs angesichts von §§ 53
a AktG, § 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG überhaupt zur Anwendung gelangen kann, ist
774 Vgl. dazu Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 35 (zu § 3 I WpÜG); Hasselbach, in: Kölner
Kommentar zum AktG, § 19 Rn. 3; Steinmeyer/Häger, § 19 Rn. 3.
775 An dieser Stelle zeigt sich auch einmal mehr der unterschiedliche Regelungsansatz von Aktien- und Übernahmerecht: Bereits an anderer Stelle wurde dargelegt, dass Windhundrennen,
bei denen zeitlich gestaffelte Rückerwerbspreise angeboten werden, gegen das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstoßen, weil den Aktionären im Rahmen des selben Rückerwerbsverfahrens in sachlich ungerechtfertigter Weise unterschiedlich hohe Prämien gezahlt
werden (vgl. S. 83). Dieses Ergebnis ist allerdings nicht ohne Weiteres auf Windhundrennen
ohne eine solche Preisstaffelung übertragbar. Da hierbei - bis zur Befriedigung der Nachfrage
- eine einheitliche Prämie gezahlt wird und jedem Aktionär die gleiche Chance auf eine (frühe) Andienung zukommt, ließe sich zumindest darüber streiten, ob die Voraussetzungen des
aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebots (ggf. i.V.m. einer sachlichen Rechtfertigung)
nicht möglicherweise gewahrt sind. Aus der Perspektive des Übernahmerechts, das über die
Gleichbehandlung hinaus ja auch gerade eine ausreichende Überlegenszeit gewährleisten will
(§ 3 II WpÜG), besteht dagegen kein Zweifel: Windhundrennen sind gem. § 19 WpÜG generell verboten.
152
allerdings umstritten776. Die (wohl herrschende) Meinung, die dem aktienrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz das Gebot entnimmt, im Falle der Überzeichnung eines
öffentlichen Rückkaufangebots pro rata zuzuteilen, befürwortet regelmäßig gleichzeitig auch einen Anwendungsvorrang einer solchen pro rata-Zuteilung gegenüber
dem in § 19 WpÜG generell vorgesehenen Zuteilungsverfahren777.
Dazu ist zunächst zu bemerken, dass im Ausgangspunkt entgegen offensichtlich
teilweise vertretener Auffassung von einem methodischen Anwendungsvorrang der
nach dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot beim Aktienrückerwerb gebotenen Zuteilung nicht ausgegangen werden kann, da es sich bei § 53 a AktG (i.V.m.
§ 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG) lediglich um eine aktienrechtliche Generalklausel handelt.
Eine bestimmte Zuteilungsregel wird hierdurch keinesfalls explizit angeordnet,
sondern ist erst das Ergebnis einer bestimmten Auslegung. Ganz anders ist dies im
Fall des § 19 WpÜG, der wie dargelegt eine Konkretisierung des übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 3 I WpÜG) speziell in Bezug auf die Zuteilung bei öffentlichen Bieterverfahren darstellt778. Wendet man das WpÜG im
Grundsatz auch auf den Aktienrückerwerb an, so bedürfte es somit im Ausgangspunkt für eine teleologische Reduktion des § 19 WpÜG der Darlegung von handfesten Gründen, die für eine (und noch einmal: in § 53 a AktG ja auch nicht einmal
explizit genannte) pro rata-Zuteilung beim überzeichneten Rückerwerbsangebot
sprechen.
Solche sind aber nicht vorhanden. Insbesondere sind beide hier in Frage stehenden Zuteilungsverfahren, wie bereits dargelegt wurde, schließlich auch grundsätzlich
mit dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot vereinbar779. Und es lassen sich
auf Basis des § 19 WpÜG auch die gleichen Ergebnisse wie bei einer beteiligungsentsprechenden Zuteilung erreichen, wenn nämlich (insbesondere bei einer überaus
attraktiven Rückkaufprämie) sämtliche Aktionäre ihre Aktien vollumfänglich anbieten780. Die Gesellschaft - und allein hierauf kann es im Zusammenhang mit dem
Gleichbehandlungsgebot ja auch nur ankommen - behandelt die Aktionäre aber in
776 Zu den Vorgaben des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebots nach §§ 53 a AktG, § 71 I
Nr. 8 Satz 3 AktG für das Zuteilungsverfahren sowie zu dem zugrunde liegenden Meinungsstreit vgl. bereits S. 69 ff.
777 Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 839 ff.; Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2593;
Baums/Stöcker, FS für Wiedemann, 703, 736 f. (im Rahmen der Frage nach einer analogen
Anwendung des § 19 WpÜG); Oechsler, NZG 2001, 817, 819; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 2 Rn. 6; Koch, S. 192 (als teleologisches Argument gegen die Anwendung des WpÜG auf den Rückerwerb). A.A., also im Ergebnis für eine Anwendung des §
19 WpÜG beim Aktienrückerwerb: Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn.
63; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 39.
778 Vgl. hierzu auch Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 39,
nach dessen Auffassung § 19 WpÜG den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53 a AktG
konkretisiert.
779 Vgl. S. 84 ff.
780 Vgl. Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 39.
153
beiden Fällen „gleich“, indem sie ihnen jeweils gleiche Rückerwerbschancen gewährt.
Wenn aber somit im Ergebnis die Anwendung des § 19 WpÜG verglichen mit einer pro rata-Zuteilung nicht zu einer Beeinträchtigung gleicher Teilnahmechancen
beim Rückerwerb führt, so besteht damit gleichzeitig auch kein Raum für eine teleologische Reduktion bzw. Modifikation781 der Vorschrift. Vielmehr handelt es sich
hierbei um eine besondere übernahmerechtliche Vorgabe, die grundsätzlich auch
beim öffentlichen Rückerwerbsangebot beachtet werden muss. Hierfür sprechen
zuletzt wiederum auch Gründe der Rechtssicherheit und der Einheitlichkeit des
Verfahrens nach dem WpÜG.
Bedeutung erlangt § 53 a AktG i.V.m. § 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG (und speziell die
hierin verankerte mitgliedschaftliche Pflichtenbindung der rückerwerbenden Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären) im Zusammenhang mit dem Zuteilungsverfahren nach § 19 WpÜG allerdings unter dem Gesichtspunkt besonderer Informationsverpflichtungen der Gesellschaft. So sind die Wertpapierinhaber beim Aktienrückerwerb aus Bietersicht eben nicht nur „bloße“ Angebotsadressaten, sondern darüber
hinaus auch Mitglieder, denen gegenüber kraft Verbandes eine besonderes Rechtsverhältnis besteht. Dieses verpflichtet die Gesellschaft dazu, die Aktionäre von dem
Ablauf des Zuteilungsverfahrens i.S.d. § 19 WpÜG zu unterrichten und ihnen so die
erforderliche Transparenz bezüglich ihrer Entscheidungsgrundlage zu bereiten782.
Dieser Informationspflicht ist die rückerwerbende Gesellschaft dann durch entsprechende Angabe in der Angebotsunterlage nachzukommen (§ 11 IV WpÜG i.V.m. §
2 Nr. 6 WpÜG-AngebotsVO).
i) Befreiungen für den Handelsbestand (§ 20 WpÜG)
§ 20 WpÜG liegt der Gedanke zugrunde, dass der Besitz von Wertpapieren, welche
lediglich einen Spekulationsbestand darstellen, übernahmerechtlich anders zu beurteilen ist als eine unternehmerische Beteiligung783. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich zur Vermeidung von Marktirritationen und zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes784 die Möglichkeit einer Befreiung von bestimmten
WpÜG-Pflichten auf Basis einer durch die BaFin erteilten Erlaubnis. Zwar sollte
durch § 20 WpÜG ursprünglich nur die Fortführung des Kerngeschäfts von Wertpa-
781 Man könnte ja sonst auch auf die Idee kommen, speziell beim Rückerwerb zusätzlich zu dem
in § 19 WpÜG vorgesehen Verfahren auch eine pro rata-Zuteilung zuzulassen.
782 Vgl. hierzu bereits auch S. 86.
783 Die Vorschrift wird allerdings vielfach kritisiert, vgl. nur die berechtigte Kritik bei Steinmeyer/Häger, § 20 Rn. 4 f.; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 20 WpÜG
Rn. 6 f.; Vogel, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 20 Rn. 6.
784 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 48.
154
pierdienstleistungsunternehmen ermöglicht werden785; da jedoch auch andere Unternehmen gänzlich ohne Beabsichtigung einer unternehmerischen Beteiligung in
Wertpapiere investieren, wurde der Anwendungsbereich der Vorschrift auf Veranlassung des Finanzausschusses auf alle Bieter erweitert786.
§ 20 WpÜG ist nicht auf den Erwerb eigener Aktien anzuwenden787. Nicht recht
überzeugen kann hierfür jedoch die im Schrifttum angeführte Begründung, dass § 20
(II Nr. 2) WpÜG eine Stimmrechtsausübung voraussetze, welche im Falle eigener
Aktien nicht möglich sei788. Hiergegen ließe sich einwenden, dass wegen § 71 b
AktG erst recht eine Befreiung durch die BaFin in Frage käme, denn wie auch ein
Spekulationsbestand stellt eben auch der Bestand an eigenen Aktien gerade keine
unternehmerische Beteiligung dar. Überspitzt formuliert würde die Gesellschaft die
Befreiungsvoraussetzungen des § 20 II Nr. 2 WpÜG im Hinblick auf eigene Aktien
gleichsam aufgrund Gesetzes (§ 71 b AktG) erfüllen können789. Gegen die Anwendung des § 20 WpÜG spricht aber entscheidend, dass der Gesellschaft in Bezug auf
eigene Aktien kein Spekulationsbestand i.S.d. § 20 II Nr. 1 WpÜG zugestanden
werden kann. Dies würde verbandsrechtlichen Wertungen in erheblichem Maße
widersprechen, denn es darf prinzipiell schon nicht Aufgabe des Vorstandes sein,
mit dem Geld der Aktionäre zu spekulieren790. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass für die Anwendung des WpÜG auf den Erwerb eigener Aktien stets auch
die besondere Pflichtenbindung der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären beachtet werden muss.
j) Änderung des Angebots (§ 21 WpÜG)
aa) Inhalt der Angebotsänderung gem. § 21 I WpÜG
§ 21 WpÜG betrifft nachträgliche Änderungen des öffentlichen Erwerbsangebots. §
21 I WpÜG zählt vier Möglichkeiten für den Bieter auf, bis zum Ablauf der An-
785 Vgl. noch Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 48.
786 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14/7477, S. 52.
787 So im Ergebnis auch Lenz/Linke, AG 2002, 420, 423; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 64; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum
AktG, § 2 WpÜG Rn. 40; in Bezug auf eine analoge Anwendung der Vorschrift auch
Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 713; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 143.
788 Lenz/Linke, AG 2002, 420, 423; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn.
64; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 713; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn.
116; vgl. auch Möller, Rn. 254.
789 Insbesondere in Bezug auf Baums/Stöcker (FS Wiedemann, 703, 713) sowie Baums/Hecker
(in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 143), die das WpÜG analog anwenden, ist daher zu bemerken,
dass ihr Verweis auf § 71 b AktG eher für als gegen eine Anwendung des § 20 WpÜG angeführt werden kann.
790 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen zum Verbot des Handels in eigenen Aktien (§ 71 I Nr. 8
Satz 2 AktG) auf S. 68 f.
155
nahmefrist sein Angebot zu ändern; in allen Fällen handelt es sich um Änderungen
zu Gunsten der Angebotsadressaten791. Die Vorschrift ist auch auf den Fall des Aktienrückerwerbs anzuwenden792.
In der Literatur wird gegen eine Anwendung auf den Rückerwerb angeführt, dass
§ 21 I WpÜG (lediglich) der Vermeidung einer ungerechtfertigten Behinderung der
Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft durch den Bieter diene, welche aber im Falle
des Rückerwerbs nicht in Frage stehe793. Diese Argumentation überzeugt jedoch
nicht, da § 21 I WpÜG ein Interessenausgleich zwischen Bieter und Zielgesellschaft
gar nicht zu entnehmen ist. Die genannte Literaturmeinung legt bereits einen inkorrekten Ausgangspunkt zugrunde, demnach § 21 I WpÜG den Bieter insofern an sein
Angebot „binden“ wolle, als ihm lediglich eine Änderung zugunsten des Adressaten
gestattet werde794. Eine dementsprechende Bindung des Bieters wird aber nicht erst
durch § 21 I WpÜG erreicht, sondern ergibt sich bereits aus allgemeinem Vertragsrecht (§ 145 BGB)795. Selbst wenn man das Prinzip der Verbindlichkeit des Angebots übernahmespezifisch herleiten möchte, könnte dies sachnah allein aus §§ 17796
und 18797 WpÜG, nicht aber aus § 21 WpÜG geschehen. Dafür spricht ganz augenscheinlich schon, dass §§ 17, 18 WpÜG explizit die Unzulässigkeit, § 21 WpÜG
dagegen die Zulässigkeit bestimmter die Angebotsverbindlichkeit einschränkender
Vertrags- bzw. Fallgestaltungen statuiert. Dementsprechend führt auch die Gesetzesbegründung allein zu §§ 17 und 18 WpÜG an, dass der Bieter grundsätzlich an
sein Angebot gebunden sein soll und beruft sich zu § 21 WpÜG darauf, dass es dem
Bieter durch die Vorschrift ermöglicht werden soll, sein Angebot in bestimmten
Fällen zu ändern798. Vor diesem Hintergrund bleibt festzustellen, dass § 21 WpÜG
den Rechtskreis des Bieters nicht (um in den Worten der hier abgelehnten Meinung
zu sprechen: „zugunsten der Zielgesellschaft“) beschränkt, sondern vielmehr erweitert, indem er bestimmte Fälle einer Angebotsänderung für zulässig erklärt und es so
dem Bieter ermöglicht, nachträglich auf eine geringe Nachfrageintensität oder geän-
791 Uneinigkeit herrscht im Schrifttum in Bezug auf das Verhältnis von § 21 I WpÜG zum allgemeinen Vertragsrecht des BGB, vgl. zum Streitstand Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 21 WpÜG Rn. 8-14 m.w.N. Siehe zu dieser Frage auch noch sogleich im
Text (mit Fn. 795).
792 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 65; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 47.
793 So Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 737; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 144
, jeweils im Zusammenhang mit einer analogen Anwendung des § 21 I WpÜG.
794 So die These von Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 737; Baums/Hecker, in:
Baums/Thoma, § 1 Rn. 144.
795 Richtiger Ansicht nach sind die allgemeinen Regeln des BGB zumindest solange nicht verdrängt, wie übernahmerechtliche Vorschriften keine spezielle abweichende Regelung treffen,
vgl. Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 21 WpÜG Rn. 9 f.
796 Vgl. Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 21 WpÜG Rn. 14.
797 So wohl Thun, in: Geibel/Süßmann, § 21 Rn. 3.
798 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 47 (zu §§ 17, 18 WpÜG) und S. 49 (zu § 21
WpÜG).
156
derte Umstände zu reagieren. Mit einem Interessenausgleich zwischen Bieter und
Zielgesellschaft hat dies nichts zu tun, so dass sich vor diesem Hintergrund im Falle
des Rückerwerbs keine abweichende Interessenlage ergibt. Es besteht kein Grund,
nicht auch der rückerwerbenden Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, entsprechend flexibel zu reagieren.
bb) Veröffentlichungsverfahren nach § 21 II und III WpÜG
Die rückerwerbende Gesellschaft muss konsequenter Weise grundsätzlich auch das
durch § 21 II WpÜG statuierte Veröffentlichungsverfahren bezüglich der Angebots-
änderung beachten799. Da § 14 IV WpÜG beim Rückerwerb nicht anwendbar ist800
entfällt dabei allerdings die Pflicht zur Übermittlung der Änderungen an den Vorstand der Zielgesellschaft und an die Arbeitnehmer (-vertretung). Aufgrund des
Verweises in § 21 III WpÜG gelten darüber hinaus hinsichtlich der Angebotsänderungen die §§ 11 I 2-5, III, 12, 13, 15 I Nr. 2 WpÜG entsprechend. Bezogen auf den
Aktienrückerwerb ergeben sich insofern keine Besonderheiten801.
cc) Folgen der Angebotsänderung nach § 21 IV-VI WpÜG
§ 21 IV WpÜG gewährt den Aktionären, die das Angebot bereits vor der Veröffentlichung der Änderung angenommen haben, die Möglichkeit, bis zum Ablauf der
Annahmefrist vom Vertrag zurückzutreten. Es wird so erreicht, dass sämtliche
Wertpapierinhaber das Angebot zu den gleichen Bedingungen annehmen können802,
so dass sich § 21 IV WpÜG letztlich als Ausfluss des übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgebots darstellt803. Die Anwendung der Norm ist vor diesem Hinter-
799 Unerheblich ist es für die Frage der Anwendbarkeit von § 21 II WpÜG, ob die Gesellschaft
nachträgliche Änderungen schon aufgrund von §§ 53 a, 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG veröffentlichen muss. A.A. Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 738; Baums/Hecker, in:
Baums/Thoma, § 1 Rn. 145, die aber eine analoge Anwendung der WpÜG-Vorschriften prüfen und somit auf das Vorliegen einer Regelungslücke angewiesen sind.
800 Vgl. bereits S. 142.
801 Vgl. zu diesen Vorschriften die entsprechenden oben stehenden Ausführungen ab S. 133 ff.
802 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 49. Abzulehnen ist dagegen die teilweise vertretene
Auffassung, dass bereits die Veröffentlichung der Änderungen eine nachträgliche Modifikation der geschlossenen Verträge bewirke (so aber Steinmeyer/Häger, § 21 Rn. 6 ff.; Hasselbach, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 21 Rn. 16). Weder ist ersichtlich, woraus sich die
Modifikation der auf Basis allgemeiner rechtsgeschäftlicher Regeln zustande gekommenen
Verträge (vgl. dazu Fn. 795 und begleitenden Text) ergeben sollte, noch wäre erkennbar, welcher Sinn dann noch dem Rücktrittsrecht nach § 21 IV WpÜG zukommen würde, zumal die
zulässigen Änderungen nach § 21 I WpÜG ohnehin ausschließlich solche zugunsten der
Wertpapierinhaber sind.
803 Thun, in: Geibel/Süßmann, § 21 Rn. 45.
157
grund im Falle des Aktienrückerwerbs gleichermaßen angesagt804. Infolge des insoweit identischen Gebots garantiert § 21 IV WpÜG dabei auch die Einhaltung des
aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus § 53 a AktG i.V.m. § 71 I Nr. 8
Satz 3 AktG805.
Um den Adressaten des geänderten Angebots genügende Überlegenszeit einzuräumen806, gilt die unter den Voraussetzungen des § 21 V WpÜG angeordnete Verlängerung der Annahmefrist genauso im Falle des Aktienrückerwerbs807.
Gem. § 21 VI WpÜG sind während der letzten 2 Wochen der verlängerten Annahmefrist808 auch im Falle des öffentlichen Rückerwerbsangebots weitere Angebotsänderungen unzulässig. Soweit in der Literatur argumentiert wird, § 21 VI
WpÜG diene ausweislich der Gesetzesbegründung dem im Falle des Rückerwerbs
unnötigen Schutz der Zielgesellschaft vor einer unangemessenen Hinauszögerung
des Angebotsendes809, kann dies allein keine Nichtanwendung der Vorschrift rechtfertigen. Hierfür spricht, dass durch § 21 VI WpÜG zudem sichergestellt wird, dass
den Wertpapierinhabern nach Änderung des Angebots eine Überlegenszeit von
mindestens 2 Wochen verbleibt - eine Funktion, die beim Rückerwerb gleicherma-
ßen zu begrüßen ist810. Darüber hinaus wäre auch gar kein Bedürfnis ersichtlich, das
es rechtfertigen könnte, das Verbot aus § 21 VI WpÜG im Falle des Rückerwerbs zu
lockern und damit der Einheitlichkeit des öffentlichen Erwerbsverfahrens entgegenzusteuern.
804 Für eine Anwendung auch Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 3 WpÜG
Rn. 7; Oechsler, NZG 2001, 817, 819; insoweit auch Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703,
738 (zugunsten einer analogen Anwendung); a.A., jedoch ohne nähere Begründung, Süßmann, AG 2002, 424, 430.
805 Vgl. hierzu bereits auch oben zu § 21 II WpÜG (S. 156 mit Fn. 799).
806 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 49.
807 Zu der Auffassung von Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 739, sowie Baums/Hecker, in:
Baums/Thoma, § 1 Rn. 148, nach der die 2-wöchige Verlängerung beim Rückerwerb angesichts der Nichtgeltung von § 27 WpÜG in dieser Höhe nicht gerechtfertigt sei, vgl. insbesondere bereits auch Fn. 744 (im Zusammenhang mit § 16 I WpÜG).
808 Dass genau diese 2 Wochen gemeint sind, ergibt sich im Übrigen erst unter Hinzuziehung der
Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/7034, S. 50), vgl. dazu Thun, in: Geibel/Süßmann, § 21
Rn. 57; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 21 Rn. 27.
809 Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 739 f.
810 So auch Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 65.
158
k) Konkurrierende Angebote (§ 22 WpÜG)
aa) Allgemeines
§ 22 WpÜG legaldefiniert (Abs. I)811 und schreibt die Rechtsfolgen (Abs. II und III)
konkurrierender Erwerbsangebote fest. Grundgedanke der Vorschrift ist es, den
unmittelbaren Wettbewerb zwischen zwei öffentlichen Kaufangeboten zu fördern812.
Abs. II schaltet deshalb das Fristende eines ersten Angebots mit demjenigen eines
konkurrierenden zweiten Angebots gleich, um so sicherzustellen, dass die Verkaufsentscheidung der Aktionäre sich isoliert an der Wertigkeit der Angebote orientieren
kann, ohne durch - zufällige - zeitliche Rahmenbedingungen verzerrt zu werden.
Konsequenter Weise gewährt Abs. III den Wertpapierinhabern, die das erste Angebot vor Veröffentlichung des zweiten bereits angenommen haben, ein Rücktrittsrecht, um so ein Umschwenken auf das zweite Angebot zu ermöglichen813.
Ob § 22 WpÜG im Falle des Erwerbs eigener Aktien Anwendung findet, ist umstritten, wird jedoch unter den Befürwortern einer Anwendung des WpÜG auf den
Rückerwerb überwiegend - zum Großteil jedoch ohne eingehende Begründung bejaht814. Zutreffender Weise sind für die Frage der Anwendbarkeit zwei Konstellationen ins Auge zu fassen. Einerseits stellt sich die Frage, ob die rückerwerbende
Gesellschaft selbst ein konkurrierendes Angebot i.S.d. § 22 I WpÜG abgeben kann.
Andererseits ist zu klären, ob das Rückerwerbsangebot geeignet ist, daran ein konkurrierendes, d.h. die Rechtsfolgen von § 22 II und III WpÜG auslösendes Angebot
zu knüpfen. Angesichts der unterschiedlichen Interessenlagen sind beide Fälle getrennt zu untersuchen.
811 Das Schrifttum geht dabei zu Recht davon aus, dass der Wortlaut des § 22 I WpÜG zu weit
ist und mit konkurrierenden Angebote ausschließlich solche meinen kann, die auf den Erwerb
derselben Wertpapiergattung gerichtet sind, vgl. Thun, in: Geibel/Süßmann, § 22 Rn. 15 f.;
Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 22 WpÜG Rn. 5; Steinmeyer/Häger, §
22 Rn. 7.
812 Vgl. Fleischer, ZIP 2002, 651, 653; Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1518; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 22 Rn. 1.
813 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 50.
814 Für eine Anwendung Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2592; Paefgen, ZIP 2002, 1509, 1518
f.; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 740 ff. (analoge Anwendung); Baums/Hecker, in:
Baums/Thoma, § 1 Rn. 150 f. (analoge Anwendung); Oechsler, NZG 2001, 817, 819;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 2 Rn. 66, § 22 Rn. 23. Gegen eine
Anwendung Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 40 (mit Fn.
81), § 22 Rn. 6.
159
bb) Rückerwerbsangebote als konkurrierende Angebote
(1) Wortlaut des § 22 I WpÜG
§ 22 I WpÜG definiert konkurrierende Angebote als solche, die „während der Annahmefrist eines Angebots von einem Dritten abgegeben werden“. Ausgangspunkt
für eine Nichterfassung des Rückerwerbsangebots nach dem Wortlaut der Vorschrift
mag allein das gesetzlich nicht näher definierte Tatbestandsmerkmal des „Dritten“
sein815. Der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung, nach der eben diese
Terminologie eine Einbeziehung der Zielgesellschaft verbiete816, kann allerdings im
Ergebnis nicht gefolgt werden. Insbesondere spricht die gesetzliche Konzeption des
§ 22 WpÜG nicht dafür, die Zielgesellschaft (bereits) als „Zweite“ i.S.d. Vorschrift
zu verstehen817. Hierfür besteht kein Raum, denn die personelle Grundkonstellation
der Vorschrift knüpft ersichtlich an das Verhältnis zwischen Angebotsadressat, Erstbieter und Zweitbieter an. Es ist mithin davon auszugehen, dass der Gesetzgeber
durch die Verwendung des Begriffs des „Dritten“ lediglich verdeutlichen wollte,
dass für die Annahme einer Angebotskonkurrenz eine gewisse Unabhängigkeit zwischen den Bietern bestehen muss818. Für eine entsprechende Regelungsintention
spricht auch, dass es dem Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung besonders darauf ankam, den Wertpapierinhabern eine weitere Entscheidungsmöglichkeit
zu eröffnen819; ob eine echte wettbewerbsfördernde Alternative besteht, ist aber nun
einmal (u.a.) entscheidend von möglichen Abstimmungen zwischen dem Erst- und
dem Zweitbieter abhängig820. Vom Wortlaut des § 22 WpÜG her ist demnach auch
von einer Erfassung konkurrierender Rückerwerbsangebote auszugehen.
(2) Teleologische Reduktion?
Jedoch ist zu prüfen, ob nicht möglicherweise ein Bedürfnis für eine teleologische
Reduktion im Falle des Rückerwerbs besteht. So gilt es insbesondere zu bedenken,
dass die Subsumtion von Rückerwerbsangeboten unter „konkurrierende“ Angebote
815 Da § 22 I WpÜG auch einfache Erwerbsangebote erfasst (Schröder, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 22 Rn. 11), steht der Umstand, dass das zulässige Erwerbsvolumen beim Rückkauf auf 10 % der Aktien begrenzt ist, einer Subsumtion unter § 22 I WpÜG
jedenfalls nicht entgegen, so tendenziell auch Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 110.
816 Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 22 WpÜG Rn. 6 und § 2 WpÜG Rn.
40 (Fn. 81); wohl auch Schröder, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 22 Rn. 13.
817 So aber Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 22 WpÜG Rn. 6.
818 Gleichwohl ist die gesetzliche Regelung in dieser Hinsicht nicht hinreichend konkret erfolgt.
So wird in der Literatur heftig darüber gestritten, nach welchen Kriterien diese Unabhängigkeit der Bieter zueinander zu bestimmen ist, vgl. zum Streitstand Wackerbarth, in: Münchener
Kommentar zum AktG, § 22 WpÜG Rn. 6 ff.
819 Begr RegE zu § 22 II WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 50.
820 Zutreffend Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 22 WpÜG Rn. 8.
160
i.S.d. § 22 WpÜG zur Folge hätte, dass ein bereits im Raume stehendes (Fremd-)
Erwerbsangebot erheblich hinausgezögert werden könnte. Auf den ersten Blick
ergibt sich damit zwar kein Unterschied gegenüber dem Fall eines konkurrierenden
Fremdangebots. Bedeutung erlangt dieser Umstand aber bei genauerer Betrachtung
insofern, als der Mechanismus von § 22 II WpÜG der Zielgesellschaft - anders als
einem fremden Konkurrenzbieter - vor dem Hintergrund einer Übernahmeabwehr
von großem Nutzen sein könnte821. Da § 22 WpÜG auch Anwendung findet, wenn
es sich bei dem ersten Angebot um ein Übernahmeangebot handelt822, mag es dem
Vorstand der Zielgesellschaft in einem solchen Fall möglicherweise (zunächst einmal) gezielt darum gehen, den Erfolg des Erstangebots hinauszuzögern, etwa um
sich für die Suche eines white knights kostbare Zeit zu verschaffen823. Ob dieses
besondere Abwehrpotential (von dem nicht anzunehmen ist, das es Gesetzgeber
reflektiert hat) eine Ausklammerung konkurrierender Rückerwerbsangebote aus dem
Anwendungsbereich von § 22 WpÜG erforderlich macht, muss aus dem Regelungszweck der Vorschrift heraus beantwortet werden.
Wie dargelegt hat es § 22 WpÜG im Sinn, den Wettbewerb zugunsten der Wertpapierinhaber dergestalt zu fördern, dass eine versteigerungsähnliche Situation geschaffen wird, in der sich die Aktionäre für das in ihren Augen beste Angebot entscheiden können. Hierfür nimmt der Gesetzgeber die sich ergebende Hinauszögerung des Erstangebots und den damit verbundenen Eingriff in die Privatautonomie
des Erstbieters824 bewusst in Kauf. Wenn es demnach gar nicht um das mit dem
konkurrierenden Angebot verfolgte Motiv, sondern vielmehr maßgeblich darum
geht, den Aktionären eine attraktive Entscheidungsalternative zu bieten, so spricht
dies prinzipiell auch für die Einbeziehung von Rückerwerbsangeboten, denn auch
diese können durchaus eine attraktive Alternative darstellen825. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Rückerwerbsangebot abwehrmotiviert ist.
Auf der anderen Seite ist gilt es jedoch auch eine weitere Besonderheit im Zusammenhang mit dem konkurrierenden Rückerwerbsangebot zu bedenken. So setzt
§ 22 I WpÜG lediglich eine formale, nicht aber eine wirtschaftlich fundierte Konkurrenzsituation voraus826. Geht es somit der Zielgesellschaft darum, den frühen
821 Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 107 ff.; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum
AktG, § 2 WpÜG Rn. 40 (Fn. 81); Steinmeyer/Häger, § 33 Rn. 76; Zech, S. 229.
822 Schröder, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 22 Rn. 1; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 22 WpÜG Rn. 2.
823 Vgl. Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 109; Zech, S. 229. Gleichwohl müsste das Vorgehen
des Vorstandes in diesem Fall mit § 33 WpÜG vereinbar sein (insoweit zutreffend Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 40 (Fn. 81 a.E.)).
824 Vgl. hierzu Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 22 WpÜG Rn. 1.
825 So auch Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 740 f.; Oechsler, NZG 2001, 817, 819; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 47; Zech, S. 229.
826 Vgl. hierzu Hasselbach, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 22 Rn. 15; Thun, in: Geibel/Süßmann, § 22 Rn. 4.
161
Erfolg eines Übernahmeangebots zu Abwehrzwecken hinauszuzögern, so wäre zu
diesem Zweck auch ein Angebot ausreichend, das zu gegenüber dem Übernahmeangebot deutlich schlechteren Konditionen ausgegeben wird827. Auch in diesem Fall
würde die verlängerte Angebotsfrist nach § 22 II WpÜG eintreten, ohne dass jedoch
den Aktionären de facto eine annähernd gleichwertige Entscheidungsalternative
geboten werden würde. Dagegen ließe sich zwar einwenden, dass auch ein schlechtes konkurrierendes Fremdangebot eine solche „unfundierte“ Verzögerung des Erstangebots herbeiführen könnte. So hat der Gesetzgeber tatsächlich bewusst auf das
Erfordernis einer objektiven Konkurrenzsituation o.ä. verzichtet, um auf diese Weise
den Angebotsadressaten die Bewertung des Angebots zu überlassen828. Dem liegt
jedoch - für den Fall konkurrierender Fremdangebote durchaus berechtigt - die Vorstellung einer leistungsorientierten Entwicklung des Wettbewerbs zugrunde. Ein
konkurrierender Fremdbieter wird in aller Regel ein höheres Angebot als der Erstbieter abgeben, da er die Wertpapierinhaber gezielt dazu bewegen möchte, auf sein
Angebot, nicht aber auf das des Erstbieters einzugehen. Dies muss für das konkurrierende Rückerwerbsangebot angesichts der dargestellten Verzögerungsstrategie
aber eben nicht gelten. Würde ein Rückerwerbsangebot tatsächlich zu offensichtlich
schlechteren Konditionen abgegeben, nur um die Rechtsfolge des § 22 II WpÜG
auszulösen, so erschienen die für die Privatautonomie des Erstbieters entstehenden
Einschränkungen nicht mehr billigenswert, und die Verzögerung des Erstangebots
wäre sogar als den Interessen des Wettbewerbs gegenläufig zu betrachten.
Vor den geschilderten Hintergründen würde eine interessengerechte Lösung darin
bestehen, ein konkurrierendes Rückerwerbsangebot § 22 WpÜG nur dann zu unterstellen, wenn es geeignet ist, den Wertpapierinhabern eine attraktive Alternative
zum Erstangebot zu bieten, andernfalls dagegen die Vorschrift teleologisch zu reduzieren829. Ein solches Vorgehen dürfte jedoch eine Überspannung von § 22 WpÜG
bedeuten, da der Gesetzgeber keinen Raum für derartige qualitative Differenzierungen gegeben hat. Es verbleibt damit nur, nach dem „Alles oder Nichts“-Prinzip zu
verfahren. Dabei dürften die besseren Gründe für eine Anwendung des § 22 WpÜG
auf konkurrierende Rückerwerbsangebote sprechen830. Auf diese Weise ist im Hin-
827 Vgl. Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 40 (Fn. 81), für den
(umgekehrten) Fall des schlechten Angebots eines Fremdbieters.
828 Riehmer/Schröder, BB 2001, Beilage 5, 1, 13; Thun, in: Geibel/Süßmann, § 22 Rn. 4.
829 Denkbar wäre es zum Beispiel, § 22 WpÜG nur dann anzuwenden, wenn die Gesellschaft ein
zumindest nicht unterhalb der Preisschwelle des Erstangebots liegendes Angebot abgibt (vgl.
dazu Schröder, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 22 Rn. 4, mit Verweis auf das österreichische Recht). Man könnte etwa auch die Anwendung des § 22 WpÜG auf solche Fälle beschränken, in denen das fremde Erstangebot ein einfaches Angebot und kein Übernahmeangebot darstellt.
830 Von den Autoren, die sich explizit mit der Möglichkeit einer abwehrorientierten Verzögerung
durch die Zielgesellschaft auseinandersetzen, wie hier Steinmeyer/Häger, § 33 Rn. 76; Zech,
S. 229. Gegen eine Anwendung Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2
WpÜG Rn. 40 (Fn. 81); Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 108 ff. (wenn auch ohnehin gegen
162
blick auf die Abgabe tatsächlich attraktiver Rückerwerbsangebote dem Grundgedanken der Vorschrift, zugunsten einer Entscheidungsvielfalt der Wertpapierinhaber
die Durchführung von Bieterauktionen zu fördern, Rechnung zu tragen. Sofern die
Zielgesellschaft im Einzelfall ein unattraktives und nur der Verzögerung dienendes
konkurrierendes Rückerwerbsangebot abgibt, besteht immerhin die Möglichkeit,
gegen dieses im Wege der allgemeinen Missstandsaufsicht vorzugehen831. In dieser
Hinsicht dürfte ein Paradefall für ein offensichtlich missbräuchliches Angebots
vorliegen, gegen welches die BaFin nach unbestrittener Auffassung im Schrifttum
gem. § 4 I 3 WpÜG Anordnungen treffen kann832. Auf diese Weise könnte vermieden werden, dass die Zielgesellschaft in Form von § 22 II WpÜG auf ein gesetzgeberisch zweifellos in diesem Zusammenhang nicht gewolltes Abwehrinstrument
zugreifen kann833.
cc) Mit Rückerwerbsangeboten konkurrierende Fremdangebote
Es verbleibt damit zu klären, ob das Rückerwerbsangebot geeignet ist, daran ein
i.S.d. § 22 I WpÜG „konkurrierendes“ Fremdangebot zu knüpfen. Aus dem Wortlaut des § 22 I WpÜG ergibt sich wiederum nichts, was dem entgegenstehen könnte.
Aber auch in diesem Fall ist die zugrunde liegende Interessenlage zu betrachten. Für
eine teleologische Reduktion könnte § 33 I 2 1. Alt. WpÜG herangezogen werden,
der verdeutlicht, dass der Gesetzgeber die Interessen der Zielgesellschaft an der
Fortführung ihres Tagesgeschäfts bzw. bereits eingeschlagener Strategien nicht
durch ein im Raum stehendes Übernahmeangebot beeinträchtigt wissen will834. Im
Falle des § 22 WpÜG muss es sich bei dem konkurrierenden Fremdangebot jedoch
nicht unbedingt um ein Übernahmeangebot handeln, und auch ansonsten sprechen
die besseren Gründe für eine Anwendung der Vorschrift auf den Aktienrückerwerb.
Hierfür streiten die Interessen der Wertpapierinhaber, aus deren Sicht der durch das
konkurrierende Fremdangebot entstehende Wettbewerb nur positiv zu bewerten
ist835. Genau dies hat § 22 WpÜG schließlich auch im Sinn. Dieses besondere kapitalmarktrechtliche Anliegen gilt es konsequenterweise gleichermaßen zu erfüllen,
eine Anwendung des WpÜG auf den Rückerwerb); Schröder, in: Haarmann/ Riehmer/Schüppen, § 22 Rn. 13.
831 Steinmeyer/Häger, § 33 Rn. 76; Zech, S. 229.
832 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, § 4 Rn. 5; Bauer, in: Münchener Kommentar zum AktG,
§ 4 WpÜG Rn. 15; Giesberts, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 4 Rn. 17.
833 Vgl. die entsprechenden Bedenken von Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG,
§ 2 WpÜG Rn. 40 (Fn. 81).
834 In diesem Sinne Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 40 (Fn.
81).
835 Die Gefahr, dass ein fremder Bieter ein schlechtes Konkurrenzangebot abgibt (vgl. Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 40 (Fn. 81)), dürfte mangels
denkbarer Motivlage kaum bestehen, denn der Aspekt der Übernahmeabwehr fällt in dieser
Konstellation weg.
163
wenn das Erstangebot von der Zielgesellschaft selbst stammt. Wenn eine Gesellschaft eigene Aktien infolge der damit verbundenen Vorteile auf Basis eines öffentlichen Rückerwerbsangebots zurückkaufen will, so muss sie dabei grundsätzlich
auch den Regeln unterworfen sein, die das WpÜG für solche öffentlichen Erwerbsverfahren statuiert, seien diese im Einzelfall auch für sie nachteilig. Genauso wie ein
konkurrierendes Rückerwerbsangebot - vorbehaltlich eines Einschreitens der BaFin
wegen Missbrauchs - zur praktischen Folge hat, dass zugunsten des Wettbewerbs ein
fremdes Erstangebot hinausgezögert und erschwert wird (§ 22 II und III WpÜG),
muss die rückerwerbende Gesellschaft auch hinnehmen, dass ihr Geschäftsbetrieb
möglicherweise durch ein konkurrierendes Fremdangebot behindert wird. Will die
Gesellschaft dieses Risiko nicht in Kauf nehmen, so darf sie nicht innerhalb des
Anwendungsbereichs des WpÜG zurückerwerben, sondern muss über die Börse
vorgehen. § 22 WpÜG ist somit im Ergebnis umfassend auf Rückerwerbsangebote
der Zielgesellschaft anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um
ein Erst- oder ein konkurrierendes Zweitangebot handelt.
l) Nachträgliche Veröffentlichungspflichten (§ 23 WpÜG)
aa) Wasserstandsmeldungen gem. § 23 I 1 Nr. 1 WpÜG
§ 23 I 1 Nr. 1 WpÜG verpflichtet zur regelmäßigen Abgabe sog. „Wasserstandsmeldungen“. Der Bieter muss nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage wöchentlich, und in der letzten Woche vor Fristablauf täglich, in genauer bezeichnetem Umfang Informationen über seinen Anteilsbestand und die eingegangenen Annahmeerklärungen veröffentlichen und mitteilen. Diese Verpflichtungen sind für den Bieter
mit nicht unerheblichen Belastungen verbunden836. Ob es nötig ist, auch der rückerwerbenden Gesellschaft diese zeit- und kostenaufwendigen Verpflichtungen aufzuerlegen, muss im Lichte des Schutz- und Regelungszwecks von § 23 I 1 Nr. 1
WpÜG geklärt werden. Im Kern geht es in diesem Zusammenhang um den Schutz
der Interessen der Angebotsadressaten837.
836 Vgl. eingehend Schröder, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 23 Rn. 2, 27 ff.
837 Die Wasserstandsmeldungen entfalten zwar im Allgemeinen auch eine Schutzwirkung zugunsten der Zielgesellschaft, ihrer Gläubiger und des Kapitalmarktes, vgl. dazu Möllers, in:
Kölner Kommentar zum AktG, § 23 Rn. 17 ff; Diekmann, in: Baums/Thoma, § 23 Rn. 3 ff.
Der Schutz der Zielgesellschaft steht jedoch beim Rückerwerb nicht in Frage. Da darüber hinaus das Rückerwerbsangebot nicht mit einem potentiellen Kontrollwechsel einher geht, erscheint auch die laufende Information der Gesellschaftsgläubiger sowie des Kapitalmarkt abdinglich.
164
Zentraler Regelungsaspekt des § 23 I 1 Nr. 1 WpÜG ist das sog. prisoners´ dilemma838. Unter dem Druck der Angebotsbefristung ist eine Kommunikation bzw.
Koordination unter den Wertpapierinhabern, die jedem einzelnen einen Überblick
über die Erfolgsaussichten des Übernahmeangebots vermitteln und ihn so zu einer
„optimalen“ Entscheidung betreffend den Verkauf oder Nichtverkauf seiner Anteile
leiten könnte, nicht möglich. Aus diesem Grund besteht prinzipiell die Gefahr, dass
die Wertpapierinhaber ihre Aktien nur angesichts der für sie nicht überprüfbaren
Möglichkeit verkaufen, dass das Übernahmeangebot erfolgreich ist und sie somit in
der unerwünschten Position eines Minderheitsaktionärs verbleiben würden839. Dies
will die in § 23 I 1 Nr. 1 WpÜG vorgeschriebene laufende Information durch den
Bieter vermeiden.
Dieses konkrete Entscheidungsdilemma ist nun auf den Fall eines Rückerwerbsangebots nicht ohne Weiteres übertragbar, weil das Rückerwerbsangebot kein Übernahmeangebot sein kann840. Der Aspekt, dass die Wertpapierinhaber ihre Verkaufs-
(bzw. Nichtverkaufs-) Entscheidung speziell von den Erfolgsaussichten einer Übernahme abhängig machen, spielt beim Rückerwerbsangebot keine Rolle. Gerade
diesen konkreten Entscheidungsdruck haben aber die regelmäßigen Wasserstandsmeldungen gem. § 23 I 1 Nr. 1 WpÜG ursprünglich im Sinn841. Nur beim Fremdangebot muss der Aktionär etwa für den Fall des Nichtverkaufs seiner Anteile das
Risiko einkalkulieren, dass zukünftig die Interessen der Zielgesellschaft einem
fremden Unternehmen untergeordnet sind842 oder dass der Wechsel der Unternehmensleitung mit einer wirtschaftlichen Ausbeutung der Zielgesellschaft und einem
daraus resultierenden Wertverlust der Anteile einhergeht843. Auch der Umstand, dass
die Pflichten nach § 23 I 1 Nr. 1 WpÜG generell auch bei einfachen Erwerbsangeboten eingreifen844, spricht per se nicht für eine Anwendung der Vorschrift auf den
Rückerwerb. Die Erstreckung von § 23 I 1 Nr. 1 WpÜG auf einfache Erwerbsangebote rechtfertigt sich generell vor dem Hintergrund, dass diese für die Vorbereitung
838 Schröder, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 23 Rn. 3; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 23 Rn. 2; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 23 Rn. 1; vgl. auch
Witt, NZG 2000, 809, 813.
839 Vgl. ausführlich zum prisoners´ dilemma und der bestehenden Entscheidungssituation Witt,
NZG 2000, 809, 811 ff; Möllers, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 22 Rn. 2 ff.
840 Insoweit auch Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 743.
841 Anders ist dies im Grundsatz bei § 17 WpÜG, der auch verhindern will, dass die Wertpapierinhaber ihre Aktien infolge des Entscheidungsdrucks zu einem möglicherweise zu niedrigen
Preis anbieten, vgl. hierzu bereits ausführlich S. 146 ff.
842 Vgl. allgemein zu diesem Risiko Witt, NZG 2000, 809, 812; Schröder, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 23 Rn. 4.
843 Vgl. allgemein hierzu Möllers, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 23 Rn. 4, mit dem zutreffenden Hinweis, dass auch das squeeze out-Verfahren gem. §§ 327 a ff. AktG in diesem Fall
keinen ausreichenden Schutz bietet.
844 Möllers, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 23 Rn. 46; Thun, in: Geibel/Süßmann, § 23
Rn. 7; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 23 WpÜG Rn. 5; trotz inhaltlicher Bedenken auch Schröder, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 23 Rn. 5 f.
165
einer Übernahme eine bedeutende Rolle spielen können. Auch im Falle eines einfachen Erwerbsangebots hat der Wertpapierinhaber mithin ein Interesse daran, regelmäßig über die Beteiligungsverhältnisse und das laufende Angebotsverfahren informiert zu werden845. Die Interessenlage im Falle eines Rückerwerbsangebots ist
hiermit wiederum nicht vergleichbar, da ein solches auch keine Vorstufe eines potentiellen Kontrollwechsels sein kann.
Und dennoch können die Wertpapierinhaber auch im Falle eines Rückerwerbsangebots ein Interesse daran haben, laufend über die von der (Ziel-) Gesellschaft zurückerworbenen Aktien und damit über die Akzeptanz des Angebots informiert zu
werden. Dies gilt beispielsweise dann, wenn die eigenen Aktien zum Zwecke einer
Übernahmeabwehr oder eines Rückzugs von der Börse erworben werden. In diesem
Fall kann der Aktionär durchaus an dem Verlauf des Angebots interessiert sein, um
so die Erreichbarkeit des mit dem Rückerwerb verfolgten Ziels beurteilen zu können846. Darüber hinaus können regelmäßige Wasserstandsmeldungen Rückschlüsse
darauf zulassen, ob und in welchem Umfang eine Überzeichnung des Angebots zu
erwarten ist. Auf diese Weise kann der Aktionär einschätzen, in welchem Maße ein
von ihm abgegebenes Angebot berücksichtigt werden wird847. Vor diesem Hintergrund ist die Anwendung des § 23 I 1 Nr. 1 WpÜG damit auch im Falle des Erwerbs
eigener Aktien angesagt848. Eine Differenzierung danach, ob die Wertpapierinhaber
im Einzelfall ein berechtigtes Interesse an den Wasserstandsmeldungen haben können849, ist unpraktikabel; für sie bietet das Gesetz auch keinen Raum. Für dieses
Ergebnis streitet letztlich auch die Einheitlichkeit des Verfahrens nach dem WpÜG.
Diese Einheitlichkeit ist zugunsten eines funktionierenden Kapitalmarkts aufrecht zu
erhalten, soweit nicht zwingende Gründe dagegen stehen.
bb) Übrige Veröffentlichungspflichten nach § 23 WpÜG
Nichts spricht ferner gegen die Anwendung des § 23 I 1 Nr. 2 WpÜG850. Die Vorschrift bezweckt insbesondere, den Markt unverzüglich über den Ausgang des An-
845 Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 23 WpÜG Rn. 5.
846 Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 745 f.
847 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 67; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 97.
848 So im Ergebnis auch Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 97;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 67; ursprünglich auch BaFin,
Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 6. Allgemein für eine Anwendung des § 23 WpÜG auch
Oechsler, in: NZG 2001, 817, 819; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 2 Rn. 8.
849 Vgl. Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 743 ff., sowie Baums/Hecker, in: Baums/Thoma,
§ 1 Rn. 153 ff., die - ausgehend von einer analogen Anwendung des WpÜG auf den Aktienrückerwerb - eine analoge Anwendung des § 23 I 1 Nr. 1 WpÜG befürworten, soweit sich ein
der Übernahmesituation „ähnlicher Entscheidungskonflikt“ ergebe.
850 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 67; ursprünglich auch BaFin,
Merkblatt 7/2005, Abschnitt C Nr. 6; im Ergebnis ebenso, ohne dabei jedoch speziell in Be-
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gebots zu informieren851. Dies ist auch im Falle des Aktienrückerwerbs ein kapitalmarktpolitisch indiziertes Anliegen. Nicht nur die Tatsache, dass die Gesellschaft
eigene Aktien zurückerwerben will, sondern auch die Resonanz der Wertpapierinhaber auf das Angebot sowie der hierdurch bestimmte Rückerwerbsumfang und die
Zuteilungsbedingungen können für die Bewertung der Aktie von erheblicher Bedeutung sein852. Vor diesem Hintergrund ist eine Offenlegung des Ausgangs des Rückerwerbsangebots durchaus sinnvoll. Keine Relevanz kommt dagegen § 23 I 1 Nr. 3
und § 23 II WpÜG zu853. Beide Vorschriften regeln ausschließlich Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten im Falle von Übernahme- bzw. Pflichtangeboten854; dies betrifft Rückerwerbsangebote wegen §§ 71 II 1, 71 b AktG aber nicht.
Entsprechend ist auch § 23 I 1 Nr. 4 WpÜG beim Rückerwerb nicht einschlägig, da
der Bieter hier nicht die Voraussetzung erfüllen kann, einen squeeze out gem. § 39 a
WpÜG durchzuführen.
m) Grenzüberschreitende Angebote (§ 24 WpÜG)
Unterfällt ein Erwerbsangebot nach dem WpÜG auch dem Übernahmerecht anderer
Rechtsordnungen, so kann der Bieter möglicherweise in Konfliktsituationen geraten,
wenn er sich (teilweise) widersprüchlichen Anordnungen ausgesetzt sieht855. § 24
WpÜG ermöglicht es deshalb der BaFin, dem Bieter auf Antrag zu gestatten, bestimmte außerhalb des Inlands und des EWR ansässige Wertpapierinhaber aus dem
Adressatenkreis auszuklammern. Voraussetzung der Befreiung ist eine aus Rechtsgründen unzumutbare Adressierung aller Wertpapierinhaber856. Eine Befreiung ist
insofern von Nöten, als der Bieter gem. §§ 3 I, 19 WpÜG grundsätzlich verpflichtet
zug auf § 23 I 1 Nr. 2 WpÜG zu differenzieren, Oechsler, in: NZG 2001, 817, 819; Oechsler,
in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 2 Rn. 8. A.A. Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 746.
851 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 50.
852 Dies wird bspw. besonders augenscheinlich, wenn die Gesellschaft das Rückerwerbsangebot
unter die Bedingung einer Mindestannahmequote gestellt hat (§ 18 WpÜG verbietet ein solches Vorgehen grundsätzlich nicht, vgl. hierzu etwa Hasselbach, in: Kölner Kommentar zum
WpÜG, § 18 Rn. 23; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 18 WpÜG Rn.
40 f.) und diese Quote nicht erreicht wird.
853 Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 742; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 152;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 67.
854 Für § 23 I 1 Nr. 3 WpÜG ergibt sich dies daraus, dass allein bei Übernahmeangeboten eine
„weitere Annahmefrist“ vorgesehen ist (vgl. § 16 II 1 WpÜG).
855 Ein solches Kollisionspotential hat der deutsche Gesetzgeber insbesondere im Hinblick auf
das US-amerikanische Übernahmerecht gesehen, vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 51.
Eingehend hierzu Holzborn, BKR 2002, 67, 72 ff.
856 Holzborn, BKR 2002, 67, 68 f.; Steinmeyer/Häger, § 24 Rn. 4 f.; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 24 Rn. 4; vgl. auch Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 51.
167
ist, sein Angebot innerhalb einer bestimmten Wertpapiergattung an alle Wertpapierinhaber zu richten857.
§ 24 WpÜG findet grundsätzlich auch im Falle des Erwerbs eigener Aktien Anwendung858. Das angesprochene rechtliche Kollisionspotential, an das § 24 WpÜG
anknüpft, besteht hier in gleicher Weise. Betreffend die Voraussetzungen, die an ein
„grenzüberschreitendes“ Angebots zu knüpfen sind859, ergeben sich im Hinblick auf
Rück- und Fremderwerb keine Unterschiede. Nicht außer Acht gelassen darf allerdings in diesem Zusammenhang, dass die rückerwerbende Gesellschaft nicht nur
nach § 3 I WpÜG, sondern auch nach §§ 53 a, 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG grundsätzlich
zu einer Einbindung aller Aktionäre in das Rückerwerbsangebot verpflichtet ist860.
Hieraus kann sich jedoch in systematischer Hinsicht für die Frage der Anwendbarkeit des § 24 WpÜG nichts Abweichendes ergeben. Zwar ist die BaFin nicht befugt,
die rückerwerbende Gesellschaft auch von der Einhaltung verbandsrechtlicher Vorgaben freizusprechen (vgl. § 4 I, II WpÜG). § 53 a AktG lässt jedoch Raum für
sachlich gerechtfertigte Differenzierungen im Interesse der Zielgesellschaft, so dass
hiernach unter Umständen auch aktienrechtlich zulässig sein kann, was auf Basis
einer Befreiung nach § 24 WpÜG erlaubt wird861. Vor diesem Hintergrund ist die in
§ 24 WpÜG vorgesehene Befreiung durch die BaFin für die rückerwerbende Gesellschaft keinesfalls bedeutungslos.
n) Bedingender Gesellschafterversammlungsbeschluss (§ 25 WpÜG)
§ 25 WpÜG verpflichtet den Bieter für den Fall, dass sein Angebot noch von der
Zustimmung der Gesellschafterversammlung abhängig ist, diesen Beschluss unver-
857 Dies ist unstreitig, allein für die genaue Herleitung dieser Pflicht gibt es unterschiedliche
Ansätze. Primär an § 3 I WpÜG knüpfen z.B. an Versteegen, in: Kölner Kommentar zum
AktG, § 3 Rn. 22; Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 728. Für eine Herleitung speziell
aus § 19 WpÜG Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 19 Rn. 2, 16 ff.
858 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 68; Oechsler, in: NZG 2001, 817,
819; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 2 Rn. 8. A.A Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 747; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 159, jeweils jedoch unter der unzutreffenden Prämisse, dass § 3 I WpÜG beim Rückerwerb keine Anwendung findet (vgl.
hierzu bereits S. 114 f.).
859 Vgl. ausführlich zu dem hierüber im Schrifttum geführten Streit Wackerbarth, in: Münchener
Kommentar zum AktG, § 24 WpÜG Rn. 6 ff. m.w.N., der zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass maßgebend sein muss, ob die Wertpapiere der Zielgesellschaft auch im Ausland
gehandelt werden.
860 Vgl. bereits S. 83. Soweit sich die Gebote beider Rechtsgebiete überschneiden (§ 53 a AktG
gilt allerdings sogar gattungsübergreifend), ist dies wiederum als Ausdruck des grundsätzlichen Nebeneinanders von Aktien- und Übernahmerecht zu verstehen, vgl. dazu bereits S. 111
ff. sowie auch noch S. 225 ff.
861 Vgl. Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 68; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 748; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 159.
168
züglich bzw. spätestens bis zum fünften Werktag vor Ablauf der Angebotsfrist herbeizuführen. Auf diese Weise sollen Unsicherheiten für Wertpapierinhaber und
Zielgesellschaft eingeschränkt werden862. § 25 WpÜG kommt beim Aktienrückerwerb keine Bedeutung zu863, denn die Entscheidung des Vorstandes zur Abgabe
eines Rückerwerbsangebots ist, zumal nach bereits erfolgter Ermächtigung durch die
Hauptversammlung gem. § 71 I Nr. 8 AktG, allein Maßnahme der Geschäftsführung, ohne dass es einer weiteren, die Wirksamkeit des Angebots bedingenden Zustimmung bedarf864.
o) Sperrfrist nach untersagtem Angebot (§ 26 WpÜG)
§ 26 WpÜG statuiert eine Angebotssperre von einem Jahr, falls das Angebot eines
Bieters gem. § 15 I oder II WpÜG untersagt wurde oder mangels Akzeptanz gescheitert ist. Der Gesetzgeber sieht in diesen Fällen das Interesse der Zielgesellschaft
an einer ungestörten Fortführung ihrer Geschäftstätigkeit als schutzwürdig an und
ordnet diesem das Bieterinteresse an einem erneuten (frühen) Angebot unter865.
§ 26 WpÜG ist für den Fall eines untersagten Rückerwerbsangebots teleologisch
zu reduzieren, da der Zweck der Vorschrift, eine Störung der Geschäftstätigkeit der
Zielgesellschaft zu vermeiden, hinfällig ist, wenn diese selbst das Angebot abgegeben hat866. Soweit die Anwendung des § 26 WpÜG als notwendig erachtet wird,
weil der Vorschrift eine auch beim Rückerwerb relevante Sanktionsfunktion zukomme867, ist dem nicht zuzustimmen. Die durch § 26 WpÜG erfolgende Sanktionierung ist als bloßer Rechtsreflex, nicht aber als selbständiger Regelungszweck zu
betrachten868, so dass der Strafaspekt nicht als Begründung für eine Anwendung des
§ 26 WpÜG auf den Aktienrückerwerb herangezogen werden kann. Hierfür spricht
sowohl die Gesetzesbegründung zu § 26 WpÜG, die sich in keiner Hinsicht auf eine
Sanktionierung, sondern eben nur auf den Schutz der Zielgesellschaft beruft869, wie
862 Steinmeyer/Häger, § 25 Rn. 1.
863 Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 81; Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 97; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 37;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 69; vgl. auch Baums/Stöcker, FS
Wiedemann, 703, 712, 748; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 160.
864 Vgl. bereits S. 64 f.
865 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 51.
866 Aus diesem Grund auch für eine Nichtanwendung Lenz/Linke, AG 2002, 420, 423;
Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 748 f.; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 161;
Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 97; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 70; ursprünglich auch BaFin, Merkblatt 7/2005,
Abschnitt D.
867 So Wackerbarth, in Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 30 (Fn. 59) i.V.m. §
22 WpÜG Rn. 2.
868 Zutreffend Seydel, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 26 Rn. 6.
869 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 51 f.
169
auch die systematische Stellung der Vorschrift weitab von der in § 15 WpÜG geregelten Angebotsuntersagung. Für dieses Verständnis streitet schließlich auch die
zentrale Einbindung der Zielgesellschaft in das Befreiungsverfahren nach § 26 II
WpÜG. Nach zutreffender allgemeiner Auffassung ist das Befreiungsermessen der
BaFin in aller Regel reduziert, wenn die Zielgesellschaft ihre (ohnehin erforderliche)
Zustimmung zur Befreiung erteilt hat870; dies verdeutlicht aber auch, dass § 26 I
WpÜG auf den Schutz der Zielgesellschaft, nicht aber auf den des Kapitalmarktes
ausgerichtet ist.
p) Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 27 WpÜG)
Abs. I der Norm verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, eine
begründete Stellungnahme zu dem Erwerbsangebot nach Verfahrensmaßgabe des
Abs. III abzugeben. Gemäß Abs. II ist zudem, sofern übermittelt, eine Stellungnahme der Arbeitnehmer bzw. ihrer Vertretung beizufügen. § 27 WpÜG will so dazu
beitragen, den Wertpapierinhabern eine informierte Entscheidung über das Angebot
zu ermöglichen und ist damit Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes aus § 3 II
WpÜG871.
Das Erfordernis der Übermittlung einer Stellungnahme gem. § 27 WpÜG macht
im Fall des Aktienrückerwerbs keinen Sinn872; die Vorschrift ist insoweit teleologisch zu reduzieren. Die zutreffende Begründung hierfür ist darin zu sehen, dass der
Normzweck im Falle des Rückerwerbs nicht erfüllbar ist, da die Stellungnahme nach
Maßgabe des § 27 WpÜG den Angebotsadressaten keine relevanten Informationen
bieten könnte, die nicht bereits aus der Angebotsunterlage hervorgehen873. Die in §
870 Steinmeyer/Häger, § 26 Rn. 9; Angerer, in: Geibel/Süßmann, § 26 Rn. 16; Seydel, in: Kölner
Kommentar zum WpÜG, § 26 Rn. 53 f.; auch Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum
AktG, § 26 WpÜG Rn. 21.
871 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, § 27 Rn. 1; Steinmeyer/Häger, § 27 Rn. 1; Hirte, in:
Kölner Kommentar zum WpÜG, § 27 Rn. 2.
872 So im Ergebnis auch Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 837 f.; Lenz/Linke, AG 2002, 420,
423; Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2593; Baums/Stöcker, FS Wiedemann, 703, 713, 749;
Oechsler, NZG 2001, 817, 819; Thaeter, in: Thaeter/Brandi, Teil 2 Rn. 30; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 47; Baums/Hecker, in: Baums/Thoma, § 1 Rn. 162;
Strunk/Behnke, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2003, 81, 96; Noack, in: Kapitalmarktrechtskommentar, § 27 WpÜG Rn. 3; Hirte, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 27
Rn. 14; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 2 WpÜG Rn. 40; Pötzsch, in:
Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 71; Zech, S. 228; ursprünglich auch BaFin,
Merkblatt 7/2005, Abschnitt D.
873 Die im Schrifttum angeführten Begründungen für die Nichtanwendbarkeit der Vorschrift
erscheinen vielfach unzureichend. Dies gilt zunächst für den pauschalen Verweis auf die der
Norm (angeblich) zugrunde liegende Dualität von Bieter und Zielgesellschaft (so etwa
Lenz/Linke, AG 2002, 420, 423; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn.
71), denn der Zweck des § 27 WpÜG, zu einer informierten Entscheidung des Angebotsadressaten auch durch Übermittlung einer Stellungnahme der Zielgesellschaft beizutragen, kann
170
27 I 2 Nr. 1 WpÜG geforderte Stellungnahme zu Art und Höhe der gebotenen Gegenleistung geht bereits vollständig in den Angaben nach § 11 II 2 Nr. 4 i.V.m. § 2
Nr. 3 WpÜG-AngebotsVO auf. Auf Basis des § 27 I 2 Nr. 2 WpÜG kann den Wertpapierinhabern durch die Stellungnahme des Vorstandes nichts Wissenswertes vermittelt werden, da die Vorschrift eine durch den Aktienerwerb gesteigerte unternehmerische Einflussnahmemöglichkeit im Blick hat874, die beim Rückerwerb aber
wegen § 71 b AktG ohnehin nicht in Frage steht. Entsprechendes gilt für § 27 I 2 Nr.
3 WpÜG875. Da die rückerwerbende Gesellschaft das Angebot selbst abgegeben hat,
ist auch die Stellungnahme zur Absicht über die Annahme des Angebots nach § 27 I
2 Nr. 4 sinnlos. Zuletzt könnte auch die Stellungnahme der Arbeitnehmer bzw. deren Vertretung nach § 27 II WpÜG den Angebotsadressaten keine über die Angebotsunterlage hinausgehenden Informationen vermitteln, da dieser Stellungnahme
beim Rückerwerb mangels zu befürchtender Veränderungen in der Politik der Unternehmensleitung ohnehin keine Bedeutung zukommt876.
q) Werbung (§ 28 WpÜG)
§ 28 WpÜG ermächtigt die BaFin, Werbemaßnahmen im Rahmen eines Angebotsverfahrens zu untersagen, wenn Missstände bestehen oder zu befürchten sind. Die
Vorschrift ist damit letztlich Ausfluss des Informationsgrundsatzes in § 3 II WpÜG,
da hiermit Beeinflussungsversuche, die die Markttransparenz beeinträchtigen, unterbunden werden sollen877. Hintergrund von § 28 WpÜG ist die Erfahrung, dass Angebote häufig von intensiven Werbemaßnahmen begleitet werden878.
beim Rückerwerb jedenfalls nicht per se als hinfällig betrachtet werden. Darüber hinaus erscheint auch der Verweis auf die mit dem Ermächtigungsbeschluss nach § 71 I Nr. 8 AktG
einhergehenden Rahmeninformationen (so insbesondere Oechsler, NZG 2001, 817, 819;
Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 47) unzureichend, da der gesetzlich vorgeschriebene Mindestinhalt des Ermächtigungsbeschlusses in keiner Weise die von § 27 I 2
WpÜG geforderten Informationen vermittelt.
874 Vgl. Steinmeyer/Häger, § 27 Rn. 9; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, §
27 WpÜG Rn. 22 f.
875 Wie auch § 11 II 3 Nr. 2 WpÜG darf § 27 I 2 Nr. 3 WpÜG nicht dadurch überspannt werden,
dass man den Vorstand in diesem Zusammenhang zur Erläuterung der mit dem Rückerwerb
verfolgten Zwecke zwingt, vgl. dazu bereits die ausführlichere Argumentation auf S. 138, die
insofern uneingeschränkt übertragbar ist.
876 Diekmann/Merkner, ZIP 2004, 836, 838; Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, §
2 Rn. 71. Vgl. hierzu auch bereits die Ausführungen zu §§ 10 V 2, 14 IV 2 WpÜG (S. 132 f.,
142).
877 Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 28 Rn. 1; Hirte, in: Kölner Kommentar zum
WpÜG, § 28 Rn. 2; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, § 28 Rn. 2.
878 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 52.
171
Der Zweck von § 28 WpÜG gebietet eine Anwendung der Vorschrift auch im
Falle des Erwerbs eigener Aktien879. Zwar sind in der Praxis umfangreiche Werbemaßnahmen in erster Linie bei Übernahmeangeboten zu erwarten880; da ein „Missbrauch“ jedoch generell (schon) dann anzunehmen ist, wenn die Gefahr der Beeinträchtigung einer der in § 3 WpÜG statuierten Grundsätze881 oder allgemein der
ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens882 besteht, ist eine Missstandsaufsicht durch die BaFin auch bei einfachen Erwerbs-, einschließlich Rückerwerbsangeboten geboten. Insbesondere muss auch in diesem Fall gewährleistet werden können, dass die freie Entscheidung der Wertpapierinhaber nicht durch eine Verschleierung der Vor- und Nachteile des Angebots vereitelt wird883.
II.) Erwerb eigener Aktien und §§ 33, 33 a WpÜG
1.) Gesetzliche Systematik des Verhinderungsverbots
Die §§ 33, 33 a WpÜG regeln Verhaltensvorgaben für die Unternehmensführung
von Zielgesellschaften in Bezug auf Übernahmesituationen. Im Zentrum steht das
Verbot, Handlungen vorzunehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert
werden könnte. Vorliegend gilt es zu untersuchen, welche Verhaltensvorgaben sich
hieraus für die Unternehmensführung im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener
Aktien und im Besonderen mit der Durchführung öffentlicher Rückerwerbsverfahren ergeben.
Durch das am 14. Juli 2006 in Kraft getretene Übernahmerichtlinie-
Umsetzungsgesetz ist die gesetzliche Systematik des Verhinderungsverbots verändert worden. Hierdurch hat der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der Übernahmerichtlinie vom 21. April 2004 umgesetzt884. Die Übernahmerichtlinie sieht ein Opti-
879 Oechsler, NZG 2001, 817, 819; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 11 Rn. 47;
Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rn. 72; unter der Voraussetzung einer
Anwendbarkeit des WpÜG auf den Erwerb eigener Aktien auch Hirte, in: Kölner Kommentar
zum WpÜG, § 28 Rn. 11.
880 Konkreter Anlass für § 28 WpÜG war die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone,
vgl. Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, § 28 Rn. 1.
881 Vgl. Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, § 28 Rn. 11; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 28 WpÜG Rn. 12.
882 Vgl. Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 28 Rn. 2, 10; Hirte, in: Kölner Kommentar
zum WpÜG, § 28 Rn. 22; Wackerbarth, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 28 WpÜG
Rn. 12.
883 Vgl. Schwennicke, in: Geibel/Süßmann, § 28 Rn. 11; Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 28 Rn. 10; Hirte, in: Kölner Kommentar zum WpÜG, § 28 Rn. 22.
884 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004
betreffend Übernahmeangebote. Die Regelungen in Bezug auf die Abwehr von Übernahmen
stellen einen zentralen Regelungsaspekt der Richtlinie dar, der im Rahmen des europäischen
Gesetzgebungsprozesses politisch sehr umstritten war. Im Juli 2001 z.B. scheiterte der Vor-
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien erfreuen sich – dem US-amerikanischen Vorbild folgend – auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Basierend auf der fortschreitenden Modernisierung des europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland in dieser Hinsicht in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt.
Mit einem vergleichenden Blick in die USA, und angelehnt an die Erscheinungsformen und Hintergründe öffentlicher Rückkaufverfahren in der Wirtschaftspraxis, analysiert und hinterfragt die vorliegende Arbeit den geltenden Rechtsrahmen sowie die einschlägige Verwaltungspraxis. Einen Schwerpunkt stellt die vom Autor geforderte Anwendung des WpÜG auf öffentliche Rückerwerbsangebote dar. Zudem spricht sich der Autor unter Verweis auf Missbrauchspotentiale im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien gegen eine Liberalisierung nach US-amerikanischem Vorbild, und dabei insbesondere gegen die An- bzw. Aufhebung der derzeit geltenden 10%-Bestandgrenze für eigene Aktien, aus.
Der Autor ist als Rechtsanwalt im Bereich M&A und Gesellschaftsrecht in einer international ausgerichteten Wirtschaftskanzlei in Stockholm tätig.