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Aktionäre zum Verkauf zu bewegen. Geht es dem Management tatsächlich ausschließlich darum, überschüssige Mittel abzubauen, so ist es auf das Anbieten einer
Prämie nicht angewiesen und wird hierauf aus Gründen der Marktwertmaximierung
- im Falle eigener Beteiligungen gilt dies im Besonderen - auch gern verzichten
wollen164. Zweitens kann sich das Management die mit einem börslichen Rückerwerb verbundene Flexibilität zu Nutze machen, denn über die Börse kann praktisch
zu beliebigen Zeitpunkten und über einen längeren Zeitraum zurückgekauft werden.
Überschüssige Mittel können somit nach und nach, so wie sie sich ansammeln, ausgeschüttet werden165.
Jedoch können auf der anderen Seite bei einer geplanten Ausschüttung liquider
Mittel eben auch gewichtige Vorteile für die Durchführung eines öffentlichen Rückerwerbsverfahrens sprechen. Dies ist (wiederum) darauf zurückzuführen, dass sich
auf diesem Wege kurzfristig, und zudem in einer an die Marktöffentlichkeit deutlich
effektiver zu kommunizierenden Art und Weise, ein bedeutend größeres Volumen
an Aktien zurückerwerben lässt. Folglich bietet sich ein öffentliches Rückerwerbsangebot insbesondere dann an, wenn die Gesellschaft - etwa als Folge eines umfangreichen Veräußerungsgeschäfts - einen großen Überschussbetrag auf einmal ausschütten will, denn insofern ist ein unter Umständen langwieriger und „portionierter“ börslicher Rückerwerb ungeeignet166.
IV.) Abwehr feindlicher Übernahmen
1.) Einführung
Der Erwerb eigener Aktien kann darüber hinaus als Instrument zur Abwehr feindlicher Übernahmen eingesetzt werden. In den USA spielt das Motiv eine bedeutend
größere Rolle als in Deutschland. In den USA weisen etwa 15-20 % aller öffentlichen Rückerwerbsverfahren einen konkreten Übernahmebezug auf167. Insbesondere
im Rahmen der Übernahmeschlachten in den 80er Jahren wurde der Erwerb eigener
Aktien vielfach als Abwehrinstrument eingesetzt. In Deutschland dagegen beurteilen
die Unternehmensführungen die Eignung von Aktienrückkäufen zur Übernahmeabwehr als äußerst gering168. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich diese Tendenz
164 Buckley, 65 Ind L J, 493, 520 (1990); Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 439 (2000).
165 Vafeas, 12 J Acct, Auditing & Fin, 101, 105 (1995); Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 438 (2000).
166 Vgl. Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 439, Fn. 80 (2000); Vafeas, 12 J Acct, Auditing & Fin, 101,
105 (1995).
167 Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 437 (2000) m.w.N., der zudem darauf verweist, dass oftmals ein
Übernahmebezug wegen Erfolglosigkeit der Übernahme gar nicht bekannt werde (siehe dort
Fn. 73).
168 Vgl. Schremper, S. 107, nach dessen Untersuchung 73 % der Befragten dem Einsatz von
Aktienrückkäufen zur Übernahmeabwehr überhaupt keine oder nur schwache Relevanz beimessen; Kellerhals/Rausch, AG 2000, 222, 224, die die Übernahmeabwehr in ihrer Eignungs-
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nicht angesichts der nun auch in Deutschland bzw. Europa zunehmenden Anzahl
feindlicher Übernahmen169 bald ändert.
Mehrere Mechanismen können, jeweils für sich genommen oder kumulativ, für
die Eignung eines Aktienrückerwerbs zur Übernahmeabwehr verantwortlich sein.
Ihnen kann jeweils unterschiedliches Abwehrpotential zukommen, je nachdem ob es
um einen Präventivschutz oder aber um die Abwehr einer konkreten Übernahme
geht170. Diese unterschiedlichen Abwehrmechanismen werden im Folgenden dargestellt.
2.) Erschwerung der Erlangung einer Kontrollmehrheit
Erwirbt die Gesellschaft eigene Aktien zurück und geschieht dies nicht vollständig
pro rata171, so verschieben sich zwingend die bestehenden Beteiligungsquoten, da
sich aus eigenen grundsätzlich Aktien keine Stimmrechte herleiten lassen172. Im
Schrifttum wird in diesem Zusammenhang vielfach vorbehaltlos auf das Abwehrpotential eines Rückererwerbs verwiesen; der Rückkauf erhöhe die relative Stimmrechtsmacht der verkaufsunwilligen Aktionäre und erschwere so die Übernahme173.
Jedoch ist zu bedenken, dass sich automatisch auch die Stimmrechtsmacht eines
bereits über Aktien der Gesellschaft verfügenden Übernahmeinteressenten verändert. Eine bestehende Beteiligung von 22,5 % (27 %) etwa würde durch einen Rückerwerb von 10 % der Aktien ohne Zutun des Aktionärs auf 25 % (30 %) aufgestockt174. Dies bedeutet, dass der Übernahmeinteressent nunmehr zur Erreichung der
von ihm anvisierten Beteiligungsquote - soweit er sie nicht im Extremfall schon
allein aufgrund des Rückkaufs erreicht hat - eine geringere Anzahl an Aktien erwerben muss175. Gleichwohl kann der Aktienrückkauf in entsprechender Weise dazu
führen, dass die managementloyalen Aktionäre einen Anteil erreichen, der die Erreichung der Zielbeteiligung durch den Übernahmeinteressenten verhindert oder zutabelle als das sechste von sieben Motiven darstellen; DAI, Der Erwerb eigener Aktien in
Deutschland, S. 5, demnach die Abwehr feindlicher Übernahmen ebenfalls als weitgehend
unwichtig präsentiert wird.
169 Vgl. Artikel „Keine Angst vor Heuschrecken - Wie Vorstände feindliche Übernahmen abwehren können“, FAZ vom 6. Oktober 2006.
170 Vgl. Kopp, S. 41; Benckendorff, S. 60 f. Wenn dagegen die präventive Abwehreignung eines
Rückerwerbs generell verneint wird (so Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 33 Rn. 61),
so wird dies durch die folgenden Ausführungen zu widerlegen sein.
171 Vgl. hierzu Kale/Noe/Gay, 25 J Fin Econ, 141, 142 (1989).
172 Vgl. hierzu noch S. 56 f. (betreffend Deutschland) sowie S. 204 f. (betreffend die USA).
173 So etwa Kopp, S. 42; Kellerhals/Rausch, AG 2000, 222, 224; Schander, ZIP 1998, 2087,
2089.
174 22,5/90 = 25 % (27/90 = 30 %); vgl. Werner, AG 1990, 1, 14.
175 Friedman, 38 Stan L Rev, 535, 561 f. (1986); Bayer, ZGR 2002, 588, 593; Klug, S. 111, 235;
Hirsch, S. 58.
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mindest wesentlich erschwert176. Hierzu ist allerdings zu bemerken, dass die Loyalität institutioneller Investoren im Falle eines im Raume stehenden Übernahmeangebots vielfach bezweifelt wird177. Diese Ausführungen verdeutlichen, dass der Erwerb
eigener Aktien (isoliert) in Bezug auf die Beeinflussung der Stimmrechtsverhältnisse sowohl abwehrgeeignete, als auch sogar übernahmefördernde Wirkung haben
kann. Hierfür kommt es entscheidend auf die konkreten Umstände178 und dabei
insbesondere darauf an, über welche Beteiligung der Übernahmeinteressent und die
managementloyalen Aktionäre bereits verfügen. Will das Management den Aktienrückerwerb abwehrgerichtet einsetzen, ist mithin eine genaue Kenntnis der Beteiligungsstruktur erforderlich.
3.) Verteuerung der Übernahme
Ein anderer Aspekt der Übernahmeerschwerung durch den Erwerb eigener Aktien
besteht in der Verteuerung der Übernahme179. Kauft eine Gesellschaft eigene Aktien
zurück, so hat dies, wie dargestellt, regelmäßig einen beachtlichen abnormalen Anstieg des Börsenkurses zur Folge, dessen Ausmaß je nach Rückkaufvolumen und
angewandter Rückerwerbsmethode größer oder kleiner ist. Dadurch, dass nach einem Rückerwerb diejenigen Aktionäre in der Gesellschaft verbleiben, die ihren
Anteilen einen vergleichsweise höheren Wert beimessen, wird die Aktie nunmehr zu
einem entsprechend höheren Börsenpreis gehandelt, so dass der Übernahmeinteressent auch einen höheren Erwerbspreis pro Aktie entrichten muss. Jedoch ist Vorsicht
geboten, soweit aus einer Erhöhung des Börsenkurses zwingend auf eine Erschwerung der Übernahme geschlossen werden soll. Zwar wird die Übernahme zunächst
in dem Maße verteuert, als der Übernahmeinteressent die benötigten Anteile zu
einem höheren Börsenpreis erwerben muss. Es ist jedoch - im Schrifttum oft übersehen - Zweierlei zu bedenken. Zum einen führt der Rückerwerb wie gezeigt dazu,
dass die bestehende Beteiligung des Übernahmeinteressenten relativ erhöht wird, so
dass dieser nunmehr für die Erreichung seiner Zielbeteiligung nur noch eine verringerte Anzahl an Aktien erwerben muss. Der durch den Übernahmeinteressenten für
die benötigten Aktien zu entrichtende Gesamtkaufpreis (Übernahmepreis) wird
somit durch den Aktienrückerwerb nur dann erhöht, wenn der Kursanstieg so hoch
ist, dass er den relativen Beteiligungsausbau des Übernahmeinteressenten überkompensiert180. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die bloße Betrachtung der
176 Friedman, 38 Stan L Rev, 535, 561 (1986); Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 437 Fn. 72 (2000);
Keliher, 25 Hous L Rev, 419, 420 Fn. 16 (1988); Kurp, 26 Loy U Chi L J, 29, 55 Fn. 205
(1994); Kopp, S. 42; Klug, S. 109 ff., 128; Benckendorff, S. 62 f.
177 Vgl. Kopp, S. 44 (Fn. 205) m.w.N.
178 Werner, AG 1990, 1, 14.
179 Vgl. hierzu etwa Stulz, 20 J Fin Econ, 25, 49 (1988); Kurp, 26 Loy U Chi L J, 29, 55 f.
(1994); Buckley, 65 Ind L J, 493, 522 f. (1990); Schander, ZIP 1998, 2087, 2089; Michalski,
AG 1997, 152, 154; Johannsen-Roth, S. 48 f.; Kopp, S. 43; Zech, S. 222.
180 Klug, S. 172.
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Auswirkungen eines Rückerwerbs auf den Übernahmepreis ein nur unzureichendes
Bild vermittelt, wenn es darum geht, die Abwehreignung eines Rückerwerbs in einer
auf das (Rein-) Vermögen des Übernahmeinteressenten bezogenen Hinsicht zu bemessen. So belegen wirtschaftwissenschaftliche Studien, dass die durch einen Erwerb eigener Aktien hervorgerufene Erhöhung des Übernahmepreises dazu führen
kann, dass sich gleichzeitig auch der für den Übernahmeinteressenten zu erreichende
Übernahmegewinn181 erhöht, was im Einzelfall insbesondere auf eine positive Wertveränderung der vom Übernahmeinteressenten noch vor dem Aktienrückerwerb
gehaltenen Beteiligung zurückzuführen sein kann182. Auch vor diesen Hintergründen
wird wiederum deutlich, dass die Auswirkungen eines Rückerwerbs auf eine potentielle oder konkret drohende Übernahme im Einzelfall genau kalkuliert werden müssen.
4.) Verringerung der Attraktivität der Übernahme
Erwirbt die Gesellschaft eigene Aktien zurück, so verringert sie durch die Kaufpreiszahlung ihren Bestand an liquiden Mitteln und/oder finanziert den Rückerwerb
fremd. Dies kann eine Übernahme insoweit erschweren, als ein Übernahmeinteressent die Übernahme aus den freien Mitteln der Zielgesellschaft selbst bzw. aus einer
Beleihung ihrer Aktiva (mit-) finanzieren will (sog. bootstrap acquisition), denn der
Abbau von Liquidität und Verschuldungspotential auf Seiten der Gesellschaft verringert die dementsprechenden Finanzierungsmöglichkeiten des Übernahmeinteressenten183. Ein weiterer Aspekt der Verringerung der Übernahmeattraktivität durch
Aktienrückerwerb ist die Kapitalstrukturgestaltung184. Geht der Erwerb eigener
Aktien mit einer Reduktion des Eigenkapitals einher185, so wird hierdurch dem
Übernahmeinteressenten Spielraum für eine wertfördernde Kapitalstrukturgestaltung
nach erfolgreicher Übernahme genommen, was die Übernahme für ihn weniger
reizvoll machen kann186.
181 I.d.S. verstanden als Differenz des Gesamtvermögens im Falle der Handlungsalternativen
Übernahme und Nichtübernahme.
182 Klug, S. 185 ff. (insbes. 188), 196 f., 230.
183 Nathan/Sobel, 35 Bus Lawyer, 1545, 1546 (1980); Kübler, S. 43 (Fn. 200); Johannsen-Roth,
S. 48; Koch, S. 270; Hirsch, S. 57. Speziell zur Fremdfinanzierung als Aspekt der Übernahmeabwehr vgl. etwa Friedman, 38 Stan L Rev, 535, 562 (1986); Kurp, 26 Loy U Chi L J, 29,
55 Fn. 208 (1994).
184 Vgl. zur Kapitalstrukturierung als eigenständigem Motiv für den Erwerb eigener Aktien noch
S. 48 ff.
185 Vgl. hierzu ebenfalls noch S. 48 ff.
186 Nathan/Sobel, 35 Bus Lawyer, 1545, 1546 (1980); Kopp, S. 42.
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5.) Selektives Vorgehen bei Erwerb oder Wiederverkauf eigener Aktien
Schließlich lässt sich eine weitere Gruppe besonders ausgestalteter Rückkauf-
Abwehrstrategien ausmachen, deren gemeinsames Merkmal darin liegt, dass sie ein
selektives Vorgehen entweder beim Erwerb oder beim eingeplanten Wiederverkauf
der eigenen Aktien beinhalten. Es sei allerdings vorweggenommen, dass alle diese
Abwehrstrategien erhebliche Zweifel im Hinblick auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgebots gem. §§ 53 a, 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG aufwerfen und mithin zumindest in Deutschland wenig bedeutsam sein dürften. Zunächst ist in diesem Zusammenhang das bereits an anderer Stelle dargestellte greenmail zu nennen, das in den
USA eine bedeutsame Abwehrstrategie darstellt. Hierbei kauft die Gesellschaft
eigene Aktien von einem unloyalen und „gefährlichen“ Aktionär unter Zahlung
einer erheblichen Prämie zurück187. Dieses Verfahren wird jedoch regelmäßig auf
private Aushandlungen gestützt und ist daher für die hier untersuchten öffentlichen
Rückerwerbsverfahren nicht interessant. Darüber hinaus könnte die Gesellschaft
eigene Aktien in der Absicht erwerben, diese sodann gezielt an managementloyale
Aktionäre oder Dritte (white knights188) zu verkaufen. Ziel ist die Bildung stabiler
Aktionärsgruppen, die ihre Stimmmacht im Sinne des aktuellen Managements einsetzen189. Es sei jedoch bereits darauf hingewiesen, dass eine solche Vorgehensweise in Deutschland angesichts der geltenden Vorgaben des AktG nur in engen Bahnen
praktikabel ist190. Zuletzt wird im Schrifttum auf die Möglichkeit verwiesen, dass
das Management in der konkreten Übernahmesituation ein öffentliches Rückerwerbsverfahren mit (hoher) Rückkaufprämie initiieren könne und dabei dafür Sorge
trägt, dass der Übernahmeinteressent nicht an dem Rückkauf teilnimmt. Hierdurch
werde zwar der relative Anteil des Übernahmeinteressenten erhöht; durch den stattfindenden Wohlstandstransfer auf die Vertragspartner der Gesellschaft werde die
Übernahme jedoch unattraktiv191. Auch hierzu sei jedoch bereits vorweggenommen,
187 Vgl. bereits S. 28 f.
188 Vgl. zu diesem Begriff etwa Kurp, 26 Loy U Chi L J, 29, 54 (1994); Keliher, 25 Hous L Rev
419, 420 Fn. 18 (1988).
189 Klug, S. 34 f., 124 ff., 128; Kopp, S. 44; Johannsen-Roth, S. 49.
190 Sinn macht der Wiederverkauf zu Abwehrzwecken tatsächlich nur dann, wenn er zumindest
überproportional an managementloyale Aktionäre erfolgt (vgl. Klug, S. 128). Nach vorzugswürdiger herrschender Auffassung besteht jedoch beim Wiederverkauf eigener Aktien ein beteiligungsentsprechendes Bezugsrecht der Aktionäre (vgl. dazu noch Fn. 362 sowie insbesondere Fn. 398). Eine abwehrgeeignete Wiederverkaufsgestaltung ist daher letztendlich nur in
Verbindung mit einem Bezugsrechtsausschluss möglich, der entsprechend § 186 III AktG einer ¾-Kapitalmehrheit bedarf, zusammen mit dem Rückerwerbsermächtigungsbeschluss gefasst sowie überdies sachlich gerechtfertigt sein muss, vgl. Bayer, ZGR 2002, 588, 593 f.;
Oechsler, in: Münchener Kommentar zum AktG, § 71 Rn. 217 ff.
191 Friedman, 38 Stan L Rev 535, 562 (1986); Kopp, S. 45 f.
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dass ein solches selektives Vorgehen bei der Verteilung der Rückkaufprämie nach
dem AktG unzulässig ist192.
6.) Besondere Abwehreignung öffentlicher Rückerwerbsverfahren
Vorausgesetzt dem Erwerb eigener Aktien kommt nun im Einzelfall Abwehreignung
zu und die Unternehmensleitung will ihn zur Übernahmeabwehr einsetzen, so wird
sich die Durchführung eines öffentlichen Rückerwerbsverfahrens oftmals besonders
anbieten193. In der konkreten Übernahmesituation kann die Gesellschaft mit ihrem
öffentlichen Rückerwerbsangebot in unmittelbare Konkurrenz mit dem Übernahmeangebot treten, um so dem Übernahmeinteressenten möglicherweise Aktien verkaufsbereiter Aktionäre „abzujagen“194. Wenn es um eine Präventivabwehr geht,
besteht der Vorteil, dass die relevanten Abwehrmechanismen durch ein öffentliches
Rückerwerbsverfahren regelmäßig in stärkerem Maße ausgenutzt werden können als
durch einen börslichen Rückkauf. Dies gilt zunächst mit Hinblick auf den oben
dargestellte Preisdruckeffekt und die damit verbundenen Kurserhöhungen. Zwar
werden zwangsläufig auch im Falle eines börslichen Aktienrückerwerbs Aktien von
den Aktionären mit den vergleichsweise niedrigsten reservation values zurückgekauft; da die Gesellschaft hier jedoch kleinere Aktienmengen erwirbt und zudem
auch keine Prämie anbietet, ist der ausgeübte Preisdruck nicht so hoch wie im Falle
öffentlicher Rückerwerbsverfahren. Der Preisdruck kann besonders durch eine dutch
auction in verstärktem Maße hervorgerufen werden195, da hier praktisch eine (gezielte) Selektion der Aktionäre mit den niedrigsten reservation values stattfindet. Entsprechendes gilt für die Ausgabe übertragbarer Verkaufsoptionen über den Handel
der ausgegebenen Optionen auf dem Sekundärmarkt196. Auch soweit es darum geht,
durch Abbau von Liquidität oder die Verringerung von Eigenkapital die Attraktivität
der Übernahme zu verringern, können sich öffentliche Rückerwerbsverfahren wegen
ihres größeren Umfangs anbieten. Dies gilt zuletzt auch dann, wenn das Manage-
192 Ein Ausschluss des Übernahmeinteressenten aus dem Rückkaufverfahren verstößt gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz (§§ 53 a, 71 I Nr. 8 Satz 3 AktG), vgl. hierzu auch noch S. 70
und insbesondere S. 83.
193 Vgl. auch die Tabelle bei Schremper, S. 121, die öffentliche Rückerwerbsverfahren als die
gegenüber börslichen Rückerwerben abwehrgeeignetere Erwerbsform darstellt.
194 Andere Abwehrmechanismen öffentlicher Rückerwerbsverfahren helfen bei bestehendem
Übernahmeangebot kaum weiter. Erst die Durchführung, nicht aber schon das Rückerwerbsangebot kann einen Preisdruck oder eine verringerte Attraktivität der Übernahme infolge Abbau von Liquidität bzw. Eigenkapital herbeiführen.
195 So auch Schremper, S. 104.
196 Für die Abwehreignung der Ausgabe von handelbaren Verkaufsoptionen auch Posner, AG
1994, 312, 317; Johannsen-Roth, S. 21.
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ment durch den Rückkauf die Beteiligungsquote seiner eigenen Aktien schnell und
merklich erhöhen will197.
Allerdings kann es auch Situationen geben, in denen ein Rückerwerb über die
Börse das abwehrgeeignetere Mittel ist198. Dies kann insbesondere dann der Fall
sein, wenn ein Übernahmeangebot ohne Vorwarnung abgegeben wird und das Management es somit angesichts des Zeitdrucks vorzieht, sofort und ohne weiteren
Zeitverlust mit dem Rückerwerb über die Börse zu beginnen199. Zu denken ist auch
an die Auswirkungen eines voluminösen Rückkaufs auf die bestehende Beteiligungsquote des Übernahmeinteressenten; hier kann der börsliche Rückkauf im Einzelfall eine flexiblere Steuerungsmöglichkeit versprechen. Möglicherweise lässt
schließlich die im Einzelfall verfolgte Abwehrstrategie die Durchführung eines
aufwendigen und teuren öffentlichen Rückerwerbsverfahrens auch gar nicht nötig
erscheinen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn zur Verhinderung einer
künftigen Übernahme fortlaufend in kleineren Mengen überschüssige Liquidität
abgebaut werden soll. Letztlich kommt es für die Abwehreignung der verschiedenen
Rückerwerbsmethoden somit (wiederum) in besonderem Maße auf die Umstände
des Einzelfalls an, wobei Aspekte wie die aktuelle Kapitalstruktur, die bestehenden
Beteiligungsquoten, der Zeitpunkt der Abwehrmaßnahme und die Konditionen eines
eventuellen Übernahmeangebots eine wichtige Rolle spielen200.
V.) Gestaltung der Kapitalstruktur
Die Gesellschaft kann den Erwerb eigener Aktien zudem als Mittel zur Gestaltung
ihrer Kapitalstruktur201 einsetzen. Die Grundidee besteht in der unter verschiedenen
197 Vafeas, 12 J Acct, Auditing & Fin, 101, 107 f. (1997). Dass mit steigendem Managementanteil die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Übernahme wächst, belegt Stulz, 20 J Fin
Econ, 25, 25 ff. (1988).
198 Vgl. für die Abwehreignung eines börslichen Rückkaufs etwa Gordon/Kornhauser, 96 Yale L
J, 295, 306 (1986); Friedman, 38 Stan L Rev 535, 561 f. (1986); Fried, 67 U Chi L Rev, 421,
437 Fn. 72 (2000); Bradley/Rosenzweig, 99 Harv L Rev, 1377, 1396 f. (1986), s. jedoch auch
1398 f.; Bradley/Rosenzweig, 96 Yale L J, 322, 324 (1986).
199 Vgl. Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 437 Fn. 72 (2000).
200 Diese Überlegung zeigt im Übrigen auch, dass der Aktienrückerwerb durchaus auch für
deutsche Gesellschaften ein Instrument zur Übernahmeabwehr darstellen kann. Zutreffend ist
zwar, dass die Abwehreignung eines Rückerwerbs in Deutschland angesichts der 10 %-
Bestandsgrenze in § 71 II 1 AktG in manchen Fällen durchaus eingeschränkt sein kann (in
diesem Sinne Schneider, AG 2002, 125, 130; Schander, ZIP 1998, 2087, 2089; Krause, 4 Int
Comp Corp Law J, 345, 361 (2002); Kort, FS Lutter, 1421, 1429). Dennoch können im Einzelfall bspw. auch Veränderungen der Beteiligungsquote von nur wenigen Prozent ausschlaggebend sein, oder der durch einen 10 %-igen Rückerwerb hervorgerufene Kursanstieg kann
den Übernahmeinteressenten bereits abschrecken.
201 Die Kapitalstruktur wird durch das relative Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital zum
Gesamtkapital abgebildet, Kopp, S. 49.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien erfreuen sich – dem US-amerikanischen Vorbild folgend – auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Basierend auf der fortschreitenden Modernisierung des europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland in dieser Hinsicht in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt.
Mit einem vergleichenden Blick in die USA, und angelehnt an die Erscheinungsformen und Hintergründe öffentlicher Rückkaufverfahren in der Wirtschaftspraxis, analysiert und hinterfragt die vorliegende Arbeit den geltenden Rechtsrahmen sowie die einschlägige Verwaltungspraxis. Einen Schwerpunkt stellt die vom Autor geforderte Anwendung des WpÜG auf öffentliche Rückerwerbsangebote dar. Zudem spricht sich der Autor unter Verweis auf Missbrauchspotentiale im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien gegen eine Liberalisierung nach US-amerikanischem Vorbild, und dabei insbesondere gegen die An- bzw. Aufhebung der derzeit geltenden 10%-Bestandgrenze für eigene Aktien, aus.
Der Autor ist als Rechtsanwalt im Bereich M&A und Gesellschaftsrecht in einer international ausgerichteten Wirtschaftskanzlei in Stockholm tätig.