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Aktionäre mit den niedrigeren reservation values regelmäßig niedriger aus. Zudem
wird die angenommene Unterbewertung beim Festpreisverfahren auch deshalb vorbehaltloser kommuniziert, weil der Rückerwerbspreis nicht erst von den Angeboten
der Aktionäre abhängig gemacht und auf diese Weise tendenziell gedrückt wird.
Zuletzt kann das Festpreisverfahren gegenüber der dutch auction auch insofern Vorteile bieten, als das Instrument der Prämienzahlung auch dazu genutzt werden kann,
um dem Markt zu signalisieren, in welchem Maße eine Unterbewertung vermutet
wird; hierzu kann das Management den (festen) Rückkaufpreis flexibel an den vermuteten Wert der Aktien anpassen132. Vor diesen Hintergründen erklärt sich, dass
das signaling in den USA den am weitesten anerkannten Beweggrund für die Durchführung von Festpreisangeboten darstellt133, und dass auch in Deutschland die Vorstände das Festpreisverfahren als diejenige Rückerwerbsform anerkennen, die am
besten zur Signalisierung einer Unterbewertung geeignet ist134.
III.) Ausschüttung liquider Mittel
1.) Beweggründe für eine Ausschüttung im Allgemeinen
Ein weiterer anerkannter wichtiger Beweggrund für den Erwerb eigener Aktien ist
die Ausschüttung liquider Mittel an die Gesellschafter. In diesem Zusammenhang
stellt sich zunächst die Frage, aus welchem Grund die Unternehmensleitung überhaupt liquide Mittel an die Aktionäre verteilen möchte.
So sind zunächst verschiedene Beweggründe dafür denkbar, überschüssige Liquidität gar nicht an die Aktionäre auszuschütten, sondern vielmehr im Firmenvermögen zu belassen. Ein solcher Grund kann sein, dass die Ausschüttung von Überschussliquidität tendenziell als ein der Vergrößerung des Unternehmens gegenläufiger Vorgang zu betrachten ist. Oftmals tendiert aber das Management gerade dazu,
Größen wie dem Marktanteil oder den Beschäftigungszahlen eine hohe Bedeutung
beizumessen. Hintergrund hierfür kann die Erwartung sein, dass Außenstehende die
Größe des Unternehmens mit einer guten Arbeit des Managements in Verbindung
bringen und damit das Prestige des Managements wächst135. Ein weiterer Beweggrund, überschüssige Mittel nicht an die Aktionäre auszuschütten, kann darin liegen,
dass das Management die Kontrolle über die finanziellen Mittel lieber selbst behalten möchte. Über den Aufbau solcher finanziellen Ressourcen kann etwa die Finanzierung zukünftiger Projekte oder anderer Investitionen gesichert werden, ohne
insoweit auf eine zusätzliche Kapitalbeschaffung in Form von Krediten oder Kapi-
132 Vgl. Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 443 (2000).
133 Vgl. Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 422 (2000).
134 Vgl. Schremper, S. 121.
135 Vgl. Vafeas, 12 J Acct, Auditing & Fin, 101, 104 (1997); Song, 27 J Corp L, 425, 433 (2002).
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talerhöhungen angewiesen zu sein136. Zuletzt kann ein Grund für die Einbehaltung
von Überschussliquidität in einer vergleichsweise hohen Risikoscheue des Managements und dem damit verbundenen Wunsch bestehen, der Gesellschaft ein Sicherheits-Liquiditätspolster zu erhalten137.
Auf der anderen Seite sorgen jedoch bestimmte (Markt-) Mechanismen dafür,
dass Manager dennoch zu einer Ausschüttung überschüssiger Liquidität bewegt
werden. Eine besondere Bedeutung nimmt in diesem Zusammenhang die in den
vergangenen Jahren auch in Deutschland intensivierte Diskussion um den shareholder value-Ansatz ein, demzufolge die Maximierung des Marktwertes des Unternehmens als oberstes Gebot für die Unternehmensleitung erachtet wird138. So bewerten
die Anleger die Ausschüttung liquider Mittel für gewöhnlich positiv, was sich darin
manifestiert, dass der Aktienkurs regelmäßig ansteigt, wenn die geplante Ausschüttung bekannt gegeben wird139. Und nicht nur das - obwohl durch die Zahlung der
Dividende das Gesellschaftsvermögen unmittelbar gemindert wird, lassen sich auch
auf längere Sicht Kurszuwächse feststellen140. Dieser Effekt per se kann aus Sicht
der Geschäftsführung aus mehreren (persönlichen) Gründen zu begrüßen sein. Dies
gilt es zunächst in finanzieller Hinsicht festzustellen, soweit die Vergütung des Managements - sei es unmittelbar oder auch mittelbar über stock options - an den Unternehmenswert gekoppelt ist141. Darüber hinaus verfestigt sich mit steigenden Kursen tendenziell auch die Position des Managements, denn erstens sinkt die Anfälligkeit gegenüber feindlichen Übernahmen (market for corporate control)142 und zweitens die Wahrscheinlichkeit, dass das Management innergesellschaftlich dem Vorwurf einer nicht optimalen Geschäftsführung ausgesetzt wird und ggf. um seine
Position fürchten muss (market for office)143. Aus den dargelegten Gründen kann es
für das Management überaus wünschenswert sein, liquide Mittel an die Aktionäre
auszuschütten und die Ausschüttungspolitik dabei flexibel gestalten zu können. Dass
hierzu der Erwerb eigener Aktien neben der Zahlung einer Dividende ein ausgezeichnetes Mittel ist, wird im Folgenden aufzuzeigen sein.
136 Vgl. Hampel, S. 39; Schremper, S. 74.
137 Im Gegensatz zu den Anlegern, die ihr Kapital zur Risikodiversifikation einfach auf mehrere
Unternehmen verteilen, ist das Management regelmäßig auf eine enge und persönliche Weise
mit der Gesellschaft verbunden und möglicherweise zudem in seinen Fachkenntnissen auch
auf diese beschränkt, vgl. Song, 27 J Corp L, 425, 433 (2002).
138 Mülbert, ZGR 1997, 129, 131 f.; Escher-Weinart, S. 197, zudem jeweils mit einer eingehenden Untersuchung der Bedeutung des shareholder value und m.w.N.
139 Michaely/Thaler/Womack, 50 J Fin, 573, 584 (1995), beziffern den Kursanstieg nach Ankündigung einer Dividende mit 3,4 %. Vgl. zu den Gründen für eine solch positive Bewertung
noch eingehender S. 235 f.
140 Lawless/Ferris/Bacon, 23 J Corp L, 209, 217 (1998).
141 Song, 27 J Corp L, 425, 436 (2002); vgl. auch Schremper, S. 74 (Fn. 373).
142 Dass der market for corporate control in Zukunft auch in Deutschland eine immer wichtigere
Rolle spielt, meint Bezzenberger, Rn. 85.
143 Song, 27 J Corp L, 425, 436 (2002).
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2.) Erwerb eigener Aktien als Ausschüttungsalternative zur Dividende
Die Ausschüttung liquider Mittel wird in den USA - neben der Signalisierung einer
Unterbewertung - als Hauptmotiv für den Aktienrückerwerb betrachtet144. Deutsche
Unternehmensleitungen dagegen scheinen dem Aspekt der Ausschüttung nur eine
vergleichsweise geringe Bedeutung beizumessen145.
Da die Dividende die klassische und grundkonzeptionell vorgesehene Methode
zur Ausschüttung liquider Mittel an Gesellschafter darstellt, muss sich der Erwerb
eigener Aktien, sofern er zu diesem Zweck erfolgt, hieran messen lassen. Zwischen
beiden Ausschüttungsvarianten bestehen dabei zunächst gewisse Gemeinsamkeiten.
Genau wie die Dividende führt der Aktienrückerwerb in finanzieller Hinsicht über
die Entrichtung des Rückerwerbspreises zu einem Abfluss liquider Mittel bei der
Gesellschaft und einem Zufluss dieser Mittel auf Seiten der Aktionäre. Erwirbt die
Gesellschaft die eigenen Aktien pro rata, d.h. von jedem Aktionär entsprechend
seiner Beteiligungsquote, so wird hierdurch wirtschaftlich der gleiche Effekt erreicht
wie bei der Zahlung einer Dividende146.
Der Erwerb eigener Aktien verfügt jedoch gegenüber der Dividendenzahlung
über Vorteile, was die Flexibilität der Ausschüttung betrifft. Insofern spielt der Aspekt der Kontinuität der Dividende eine bedeutende Rolle: Manager mögen allein
deshalb vor der Ausschüttung von Überschussliquidität im Wege der Dividende
zurückschrecken, weil sie befürchten müssen, den hohen Ausschüttungslevel in der
Zukunft nicht beibehalten zu können147. Empirischen Untersuchungen zufolge reagiert der Markt negativ auf die Tatsache, dass ein Unternehmen den Umfang der in
der Vergangenheit gezahlten Dividenden nicht beibehält; der Börsenkurs fällt in
erheblichem Maße148. Während ein Rückgang des Dividendenumfangs unter dem
Gesichtspunkt einer Rufschädigung mithin beachtlich ist, ist ein vergleichbares
Phänomen im Zusammenhang mit der (teilweisen) Nichterfüllung eines angekündigten Rückkaufprogramms nicht empirisch belegt149.
144 Vgl. etwa Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 438 (2000); Vafeas, J Acct, Auditing & Fin, 101, 101,
104 (1997); Perfect/Petersen/Petersen, 19 J Banking & Finance, 1005, 1022 (1995); Nohel/Tarhan, 49 J Fin Econ, 187, 187 ff. (1998).
145 Vgl. die Ergebnisse von Schremper, S. 76 ff.; bei Kellerhals/Rausch, AG 2000, 222, 224,
225, rangiert die Ausschüttung liquider Mittel auf Platz 5 von 7 untersuchten Rückerwerbsmotiven. In der Untersuchung des DAI, Der Erwerb eigener Aktien in Deutschland, S. 5, wird
das Motiv dagegen als das drittwichtigste dargestellt.
146 Skog, ZGR 1997, 306, 306; Johannsen-Roth, S. 34. Wird nicht pro rata zugeteilt, so liegt
hierin praktisch wirtschaftlich eine Dividendenzahlung plus eine Anteilsübertragung von den
verkaufenden an die verbleibenden Aktionäre, vgl. Song, 27 J Corp L, 425, 440 (2002).
147 Vgl. Asquith/Mullins, 15 Fin Management, 27, 33 (1986); Hirte, 5.100.
148 Vgl. Michaely/Thaler/Womack, 50 J Fin, 573, 584 (1995), die den Kursrückgang im Falle der
Auslassung einer Dividende mit 7 % beziffern; Healy/Palepu, 21 J Fin Econ, 149, 157 (1988)
geben 9,5 % an.
149 Stephens/Weisbach, 53 J Fin Econ, 313, 316 (1998).
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Ein weiterer Differenzierungsaspekt ist in den unterschiedlichen steuerlichen
Auswirkungen zu sehen, die einerseits der Erwerb eigener Aktien und andererseits
die Dividendenzahlung nach sich ziehen150. In den hier betrachteten Rechtsordnungen - namentlich der US-amerikanischen und der deutschen - kann für den Aktionär
die Veräußerung von Aktien an die Gesellschaft steuerlich günstiger sein als der
Erhalt einer Dividende. Kauft die Gesellschaft eigene Aktien zurück, so stellt dies
i.S.d. deutschen Einkommensteuerrechts für den Aktionär ein Veräußerungsgeschäft
dar, das nach allgemeinen Grundsätzen (insbes. §§ 13-18, 23 EStG) zu behandeln
ist151. Im Falle einer Veräußerung außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist des §
23 I 1 Nr. 2 EStG und unterhalb der Wesentlichkeitsgrenze ist der Gewinn aus der
Veräußerung von Anteilen an die Gesellschaft daher nicht steuerbar152. Ausgeschüttete Dividenden sind dagegen für die Aktionäre im sog. Halbeinkünfteverfahren nur
zur Hälfte freigestellt, §§ 2 I 1 Nr. 5, 20 I Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 40 1 d) EStG153. Jedoch ist zu beachten, dass die Verteilung von Gesellschaftsvermögen in Form des
Rückkaufpreises in Einzelfällen auch als (teilweise) verdeckte Gewinnausschüttung
angesehen werden kann154. Auch im US-amerikanischen Recht sind Aktienverkäufe
an die Gesellschaft normale Veräußerungsvorgänge, die im Gegensatz zu den regelmäßig vollumfänglich steuerbaren Dividenden nicht zu versteuern sind, soweit
der Rückkaufpreis die ursprünglichen Anschaffungskosten nicht übersteigt155. Soweit allerdings in den USA traditionell für Aktienrückkäufe der zusätzliche Vorteil
bestand, dass selbst der über die Anschaffungskosten hinausgehende Betrag günstigeren Steuersätzen unterlag als eine Dividende, ist dies nun seit der diesbezüglichen
Gleichsetzung der Steuersätze im Jahre 2003 nicht mehr der Fall156. Zudem sind
auch in den USA Abgrenzungsgrundsätze entwickelt worden, die an das Interesse
des Anteilseigners an dem Unternehmen anknüpfen und dementsprechend darüber
entscheiden, ob Aktienrückkäufe tatsächlich als sog. true sale transaction oder
vielmehr als sog. diguised dividend transaction einzuordnen sind; im letztgenannten
Fall wird der Aktienrückkauf steuerlich wie eine Dividendenzahlung betrachtet157.
Jedoch birgt auch die Dividendenzahlung Vorteile gegenüber einem Aktienrückkauf. Sie mag aus Aktionärssicht im Hinblick auf die Realisierung der ausgeschütteten Mittel eine gewisse Sicherheit bieten, die im Falle eines Aktienrückerwerbs nicht
150 Für eine umfassende Analyse der Frage, unter welchen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen ein Aktienrückerwerb die gegenüber einer Dividende günstigere Ausschüttungsalternative darstellt, vgl. Pochop, Erwerb eigener Aktien als Alternative zur Dividendenzahlung - Der
Einfluss der Besteuerung auf die Vermögensposition der Aktionäre, Wiesbaden 2004.
151 BMF, DStR 1998, 2011, 2012 (Tz. 19).
152 Vgl. etwa Kraft/Altvater, NZG 1998, 448, 452; Ritz-Angerer, IStR 2005, 318, 320 f.;
Schremper, S. 34.
153 Vgl. etwa Schremper, S. 34 f.
154 Zu den Kriterien vgl. Ritz-Angerer, IStR 2005, 318, 321 f.
155 Song, 27 J Corp L, 425, 443 (2002); Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 427 Fn. 26 (2000); Dittmar,
73 J Bus, 331, 335 (2000).
156 Vgl. Ritzer-Angerer, IStR 2005, 318, 319.
157 Vgl. zum Ganzen eingehend Ritzer-Angerer, IStR 2005, 318, 319 f. m.w.N.
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in gleicher Weise besteht158. Selbst wenn beim Erwerb eigener Aktien allen Aktionären die gleiche Verkaufschance eingeräumt wird, verbleiben dennoch Unsicherheiten, ob bzw. in welchem Umfang und aus welchen Gründen die anderen Aktionäre ihre Aktien andienen. So besteht beim Aktienrückerwerb grundsätzlich nicht nur
die Gefahr von Wertverschiebungen zwischen veräußernden und nichtveräußernden
Aktionären, sondern es kommt auch zu Verschiebungen in der Aktionärsstruktur,
wenn der Rückkauf nicht vollständig pro rata erfolgt, mithin also schon dann, wenn
etwa ein einzelner (Groß-) Aktionär seine Aktien nicht andient159. Diese Unwägbarkeiten entstehen bei einer Dividendenzahlung nicht. Ein weiterer Vorteil von Dividenden besteht aus der Sicht der Gesellschaft darin, dass Dividenden einen kostengünstigeren Abbau von Liquidität erlauben, wenn die Aktie überbewertet ist160.
Letztendlich wird man somit Dividendenzahlungen und Aktienrückerwerbe idealiter - als komplementäre Komponenten der unternehmerischen Ausschüttungspolitik ansehen können161. Eine solche Sichtweise wird auch dem Umstand gerecht,
dass in den USA ein im Zeitverlauf steigender und mittlerweile ganz erheblicher
Anteil der ausgeschütteten Mittel auf Aktienrückkäufe zurückzuführen ist162. Auf
der anderen Seite verbleibt die Dividende als klassische Methode der Ausschüttung,
die ihrerseits über Vorteile verfügt.
3.) Besondere Eignung öffentlicher Rückerwerbsverfahren
Die Ausschüttung liquider Mittel ist, wie dies empirische Untersuchungen in den
USA bestätigen, ein Hauptmotiv speziell auch für die Durchführung öffentlicher
Rückerwerbsverfahren163.
Trotzdem stellt sich auf den ersten Blick die Frage, warum Manager zu diesem
Zweck nicht den Rückerwerb über die Börse vorziehen. Hierfür sprechen tatsächlich
zwei gute Gründe. Erstens entfällt bei einem börslichen Rückerwerb die Prämie, die
die Gesellschaft im Falle öffentlicher Rückerwerbsverfahren zahlen muss, um die
158 Vgl. hierzu Buckley, 65 Ind L J, 493, 504 Fn. 38 (1990).
159 Zu den genannten Gefahren siehe auch noch S. 69 f.
160 Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 427 Fn. 28 (2000).
161 Zutreffend Song, 27 J Corp L, 425, 440 (2000). Es gibt jedoch auch Stimmen, denenzufolge
das Instrument der Dividende den Einsatz von Aktienrückerwerben zum Zwecke der Ausschüttung erübrigt, vgl. etwa Buckley, 65 Ind L J, 493, 521 (1990). Angesichts der dargestellten möglichen Vorteile einer Ausschüttung durch einen Rückerwerb kann diese Ansicht jedoch nicht ganz überzeugen.
162 Vgl. Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 427 (2000) m.w.N.
163 Vgl. Nohel/Tarhan, 49 J Fin Econ, 187, 220 (1998); Perfect/Peterson/Peterson, 19 J Banking
& Fin, 1005, 1007, 1022 (1995), die die gegenteiligen Ergebnisse von Howe/He/Kao, 92 J
Fin, 1963, 1973 (1992), kritisieren und widerlegen, indem sie die von diesen zugrunde gelegte Analysemethode modifizieren. Vgl. auch Schremper, S. 121.
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Aktionäre zum Verkauf zu bewegen. Geht es dem Management tatsächlich ausschließlich darum, überschüssige Mittel abzubauen, so ist es auf das Anbieten einer
Prämie nicht angewiesen und wird hierauf aus Gründen der Marktwertmaximierung
- im Falle eigener Beteiligungen gilt dies im Besonderen - auch gern verzichten
wollen164. Zweitens kann sich das Management die mit einem börslichen Rückerwerb verbundene Flexibilität zu Nutze machen, denn über die Börse kann praktisch
zu beliebigen Zeitpunkten und über einen längeren Zeitraum zurückgekauft werden.
Überschüssige Mittel können somit nach und nach, so wie sie sich ansammeln, ausgeschüttet werden165.
Jedoch können auf der anderen Seite bei einer geplanten Ausschüttung liquider
Mittel eben auch gewichtige Vorteile für die Durchführung eines öffentlichen Rückerwerbsverfahrens sprechen. Dies ist (wiederum) darauf zurückzuführen, dass sich
auf diesem Wege kurzfristig, und zudem in einer an die Marktöffentlichkeit deutlich
effektiver zu kommunizierenden Art und Weise, ein bedeutend größeres Volumen
an Aktien zurückerwerben lässt. Folglich bietet sich ein öffentliches Rückerwerbsangebot insbesondere dann an, wenn die Gesellschaft - etwa als Folge eines umfangreichen Veräußerungsgeschäfts - einen großen Überschussbetrag auf einmal ausschütten will, denn insofern ist ein unter Umständen langwieriger und „portionierter“ börslicher Rückerwerb ungeeignet166.
IV.) Abwehr feindlicher Übernahmen
1.) Einführung
Der Erwerb eigener Aktien kann darüber hinaus als Instrument zur Abwehr feindlicher Übernahmen eingesetzt werden. In den USA spielt das Motiv eine bedeutend
größere Rolle als in Deutschland. In den USA weisen etwa 15-20 % aller öffentlichen Rückerwerbsverfahren einen konkreten Übernahmebezug auf167. Insbesondere
im Rahmen der Übernahmeschlachten in den 80er Jahren wurde der Erwerb eigener
Aktien vielfach als Abwehrinstrument eingesetzt. In Deutschland dagegen beurteilen
die Unternehmensführungen die Eignung von Aktienrückkäufen zur Übernahmeabwehr als äußerst gering168. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich diese Tendenz
164 Buckley, 65 Ind L J, 493, 520 (1990); Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 439 (2000).
165 Vafeas, 12 J Acct, Auditing & Fin, 101, 105 (1995); Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 438 (2000).
166 Vgl. Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 439, Fn. 80 (2000); Vafeas, 12 J Acct, Auditing & Fin, 101,
105 (1995).
167 Fried, 67 U Chi L Rev, 421, 437 (2000) m.w.N., der zudem darauf verweist, dass oftmals ein
Übernahmebezug wegen Erfolglosigkeit der Übernahme gar nicht bekannt werde (siehe dort
Fn. 73).
168 Vgl. Schremper, S. 107, nach dessen Untersuchung 73 % der Befragten dem Einsatz von
Aktienrückkäufen zur Übernahmeabwehr überhaupt keine oder nur schwache Relevanz beimessen; Kellerhals/Rausch, AG 2000, 222, 224, die die Übernahmeabwehr in ihrer Eignungs-
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien erfreuen sich – dem US-amerikanischen Vorbild folgend – auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Basierend auf der fortschreitenden Modernisierung des europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland in dieser Hinsicht in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt.
Mit einem vergleichenden Blick in die USA, und angelehnt an die Erscheinungsformen und Hintergründe öffentlicher Rückkaufverfahren in der Wirtschaftspraxis, analysiert und hinterfragt die vorliegende Arbeit den geltenden Rechtsrahmen sowie die einschlägige Verwaltungspraxis. Einen Schwerpunkt stellt die vom Autor geforderte Anwendung des WpÜG auf öffentliche Rückerwerbsangebote dar. Zudem spricht sich der Autor unter Verweis auf Missbrauchspotentiale im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien gegen eine Liberalisierung nach US-amerikanischem Vorbild, und dabei insbesondere gegen die An- bzw. Aufhebung der derzeit geltenden 10%-Bestandgrenze für eigene Aktien, aus.
Der Autor ist als Rechtsanwalt im Bereich M&A und Gesellschaftsrecht in einer international ausgerichteten Wirtschaftskanzlei in Stockholm tätig.