Onlineerhebung zu den Freien Berufen 333
5.4.6 Zwischenfazit
Für die Untersuchung der Einkommen aus freiberuflicher Tätigkeit stand mit der
FFB-Onlineumfrage 2003 eine primär auf die Situation der Freien Berufe ausgerichtete Datenbasis zur Verfügung. Neben neuen deskriptiven Ergebnissen aus
den offenen und geschlossen Fragestellungen wurde mit einem Ordered-Probit
Ansatz- und vergleichend mit einem OLS-Schätzer und einem MNL-Ansatz die Wahrscheinlichkeit von Determinanten eines höheren Einkommens aus freiberuflicher Tätigkeit quantifiziert. Mit diesen Ergebnissen konnten letztlich die
aus den theoretischen Ansätzen entwickelten Hypothesen über die Determinanten höherer freiberuflicher Einkommen überprüft werden.
Die Ergebnisse der mikroökonometrischen multivariaten Analysen zeigen die
Signifikanz der konkurrierenden Einflussgrößen und Hypothesen auf. Zu den
signifikant positiven Einflussgrößen konnten die hypothetisch abgeleiteten Annahmen zum Geschlecht, zu den spezifischen beruflichen Erfahrungen sowie zu
den freiberuflich-institutionelle Gegebenheiten bestätigt werden. Ohne Bestätigung, teils mit gegensätzlichen Ergebnissen, blieben die hypothetischen Annahmen zur Schulausbildung, der Berufsgruppen, der vorhergehenden Branchen
und Selbständigkeitserfahrung und der Mitarbeiter zum Gründungszeitpunkt.
Keine Bestätigung durch das Ordered Probit Modell, aber tendenzielle Hinweise
zu den hypothetischen Annahmen, gab das MNL-Modell zum Hochschulabschluss, der Gründungsform und der Mitarbeiterzahl.
Aus den Ergebnissen des von seiner Ordnungsstruktur maßgebenden Ordered
Probit Modells stechen insbesondere vier Einflussgrößen hervor, welche die
Wahrscheinlichkeit eines höheren Einkommens aus freiberuflicher Tätigkeit
signifikant oder hoch signifikant beeinflussen. Dies sind im Einzelnen die
Berufserfahrung, das Geschlecht, die Berufsgruppe und die Kammerberufe.
Bei der geschlechtsspezifischen Betrachtung konnte insbesondere bei den Frauen ein hoch signifikant negativer Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines höheren Einkommens festgestellt werden. Dies bestätigt die Annahmen aus der
ersten Hypothese. So hatte Heil (1999) in seiner Studie ein geringeres Wachstum bei Gründungen von Frauen festgestellt, welches auch zu einem geringeren
Einkommen führte. Insofern sagt es nicht zwangsweise etwas über eine Diskriminierung aus, wenn Frauen signifikant weniger verdienen. Vor dem Hintergrund der freiberuflichen Situation muss auch die Berufsgruppenzugehörigkeit
beachtet werden. So gibt es verschiedene unterschiedlich entlohnte Berufe (z.B.
Heilberufe: Ärzte und Physiotherapeuten). So sind für das Ergebnis zwei Ursachen möglich. Im Gegensatz zu den Männern legen Frauen nach der Gründung
weniger Wert auf ein stärkeres Wachstum. Hinzu kommt offensichtlich die bevorzugte Berufswahl von Frauen in weniger gut dotierten freiberuflichen Tätigkeiten (z.B.: Hebammen).
Wie sich schon in den deskriptiven Ergebnissen deutlich abzeichnete, hat eine
langanhaltende Berufserfahrung einen deutlichen positiven Effekt auf die freibe-
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rufliche Einkommenshöhe. Offensichtlich sind Kenntnisse und Erfahrungen im
ausgeübten Beruf von besonderer Bedeutung für die Einkommenshöhe. Dies
scheint auch Plausibel vor dem Hintergrund der Marktdurchdringung wie zum
Beispiel eines festen Kundenstammes. Das Sammeln spezifischen Humankapitals im ausgeübten Beruf dürfte helfen den Markt besser einzuschätzen und somit vor wirtschaftlichen Fehlentscheidungen schützen.
Als dritte zentrale Einflussgröße auf die freiberufliche Einkommenshöhe erwies
sich die Berufsgruppenzugehörigkeit. Dabei musste die hypothetische Annahme
die Freien künstlerischen, pädagogischen und publizistischen Berufe hätten einen negativen Einfluss auf die Höhe der Einkommen verworfen werden. Zwar
wies die Berufsgruppe ein negatives Vorzeichen in allen Schätzmodellen auf,
doch sind die Werte weit entfernt jeglicher Signifikanz. Dagegen zeigt sich bei
den Freien Heilberufen ein positiver Einfluss auf ein höheres Einkommen. Der
signifikante Einfluss wird im Ordered Probit Modell und dem OLS-Schätzer auf
einem fünf Prozentniveau angegeben. Die Ergebnisse überraschen auf den ersten
Blick, da sich innerhalb der deskriptiven Ergebnisse die Freien rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe sowie die Freien technischen und naturwissenschaftlichen Berufe als proportional stärkste Gruppen in den höheren Einkommensklassen zu finden waren. Allerdings zeigten sich schon die Freien Heilberufe in
der Deskription als dominierende Gruppe in der mittleren Einkommensklasse
mit einem nicht unerheblichen Anteil in der höheren Einkommensklasse. Interessant sind dazu die Ergebnisse des MNL-Schätzers. Hier zeigt sich ein positiver Einfluss auf die Zugehörigkeit der mittleren Einkommensklasse. Der signifikante Einfluss zeigt im Test gegenüber der unteren Einkommensklasse nicht die
Zugehörigkeit in die höhere Klasse der Einkommen. Insgesamt bleiben die gro-
ßen Einkommensunterschiede innerhalb der einzelnen Berufsgruppen festzuhalten, welche eine Analyse aus Perspektive der Berufsgruppen zu den Einkommen
sehr stark einschränken. Hier wären weitere Analysen zum Einkommen mit
einer größeren Grundgesamtheit wünschenswert.
Als vierte und letzte zentrale Einflussgröße im Orderd Probit Modell erwies sich
die Zugehörigkeit zu den Kammerberufen. Bestätigt wurde der positive Einfluss
der Kammerberufe auf die Wahrscheinlichkeit eines höheren freiberuflichen
Einkommens. Die Ergebnisse sind signifikant auf einem fünf Prozentniveau und
stützen die zehnte Hypothese. Als fruchtbar erwiesen sich die theoretischen
Annahmen aus dem Modell des unvollständigen Wettbewerbs. Obwohl in den
einzelnen Berufsbildern der Markteingriff in einer unterschiedlichen Intensität
anzutreffen ist, zeigt sich dessen signifikanter Einfluss auf die freiberufliche
Einkommenshöhe.
Neben den Einflussgrößen aus dem Ordered Probit Modell konnten die Ergebnisse der beiden anderen Schätzverfahren weitere Anhaltspunkte auf die Einflussgrößen freiberuflicher Einkommen geben. So weist der MNL-Ansatz dem
Hochschulabschluss für die höhere Einkommensklasse einen signifikanten Einfluss zu. In diese Richtung wiesen bereits die deskriptiven Ergebnisse. Hier
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zeichnete sich eine positive Tendenz mit einen Hochschulabschluss für die
höhere Klasse der Einkommen ab. Dabei bleibt auch zu beachten, dass eine
Vielzahl der freiberuflichen Tätigkeiten einen Hochschulabschluss voraussetzt.
Dieses hat natürlich auch unmittelbare Folgen auf die Anzahl der Schuljahre und
andere humankapitalbezogene Faktoren der Freiberufler.
Zwei weitere signifikante Einflussgrößen im MNL-Modell sind die Gründungsform und die Anzahl der aktuell beschäftigten Mitarbeiter. Konnten die Hypothesen zu diesen zwei Determinanten im Ordered Probit Modell nicht bestätigt
werden, so zeigt sich hier ein positiver Einfluss für die mittlere Einkommensklasse. Beide Werte sind auf einem fünf Prozentniveau signifikant. Letztlich
zeigt sich aus den umfeldbezogenen Ansätzen ein signifikanter Einfluss der
regionalen Herkunft. So haben im MNL-Modell ostdeutsche Freiberufler eine
geringere Wahrscheinlichkeit zur Gruppe der höheren Einkommensklasse zu
gehören. Dieses Ergebnis entspricht zwar den Erwartungen aus der zwölften
Hypothese, doch zeigt sich in den beiden anderen Modellen keine signifikante
Bestätigung. Eine mögliche Ursache dafür kann generell in der Anpassung der
Lebensverhältnisse zwischen West- und Ostdeutschland liegen. Darüber hinaus
ist von einer gewissen Reife des Marktes nach den Jahren der Vereinigung auszugehen. So weisen die Ergebnisse, mit Ausnahme des MNL-Schätzers, keine
signifikant negativen Einflüsse mehr aus.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Schätzer und die Hypothesentests zu den
freiberuflichen Einkommen den besonderen Einfluss der struktursetzenden
Maßnahmen zum Gründungszeitpunkt. Wichtige Entscheidungen der Gründer,
welche einen zentralen Einfluss auf den späteren Erfolg der Unternehmung haben (hier der Einkommenserfolg), werden so bereits in der Gründungsphase gelegt. Dazu gehört die Gründungsform, Anzahl der Mitarbeiter sowie die Berufsgruppe. Dies spricht klar dafür bei Einkommens- und Erfolgsanalysen generell
Daten aus der Gründungsphase mit einzubeziehen und stärker zu analysieren.
Obwohl die Struktur der FFB-Onlineumfrage 2003 der des Mikrozensus recht
ähnlich ist, bleibt zur Repräsentativität dieser Analyse festzuhalten, dass bei der
relativ geringen Fallzahl eher Hinweise als harte Fakten gewonnen werden
konnten. Dennoch konnte mit dieser primär auf die Freien Berufe gezielten
Umfrage ein (weiterer) Schritt getan, die Situation der Freien Berufe speziell zu
analysieren. Mit den Ergebnissen aus anderen Studien (z.B. Merz und Böhm
2005) hat es sich gezeigt, dass auch die Einkommenssituation der Freien Berufe
sich signifikant von der Situation anderer Akteure auf dem Arbeitsmarkt
unterscheidet.
Insgesamt konnten mit den neuen Daten aus der FFB-Onlineumfrage neue Erkenntnisse für die Bedeutung eines erweiterten Humankapitalansatzes mit signifikanten geschlechtsspezifischen, berufsbezogenen, freiberuflich institutionellen
Effekten sowie Effekten aus der Gründungsphase gewonnen werden.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit verfolgt die theoretische, methodische und empirisch fundierte Analyse des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Um die Fragestellung “Welche Determinanten beeinflussen die Gründungsaktivität und den Gründungserfolg von Freiberuflern?“ wird das Spektrum über die Phasen vor der Gründung bis zur Etablierung der freiberuflichen Tätigkeit am Markt erfasst.
Auf Grundlage des SOEP-Panels und einer Onlineerhebung tragen die Ergebnisse zu einem Erkenntnisgewinn des freiberuflichen Gründungsgeschehens bei. Gewürdigt wird dabei insbesondere die Praxis mit vielen neuen Ergebnissen aus den empirisch neu gewonnenen Daten zum Gründungsgeschehen der Freien Berufe.
Dr. Peter Paic studierte BWL und Ökonomie in Hamburg. 2008 Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Zurzeit ist er Referent im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) in Düsseldorf.