Onlineerhebung zu den Freien Berufen 323
überproportional häufig in der mittleren und höheren Einkommensklasse vertreten während Freiberufler ohne Mitarbeiter bei Gründung häufiger in der untersten Klasse der Einkommen anzufinden sind. Hinsichtlich der institutionellen
Begebenheiten sind fast drei Viertel aller Freiberufler in keinem Kammerberuf
tätig. Allerdings steigt die Wahrscheinlichkeit zur mittleren oder höheren Einkommensklasse zu gehören mit der Ausübung eines Kammerberufes an. Die
niedrigere Einkommensklasse ist von den kammerlosen Freiberuflern geprägt.
5.4.2 Multivariate Ergebnisse zum Einkommenserfolg
Die multivariaten Ergebnisse und Hypothesentests zum freiberuflichen Einkommenserfolg aus der FFB-Onlineumfrage 2003 stehen im Mittelpunkt des
folgenden Abschnitts. Zunächst wird das Untersuchungsmodell zum freiberuflichen Einkommenserfolg vorgestellt. Dies umfasst die endogenen Messgrößen
sowie die Modellierung der exogenen Einflussgrößen auf den freiberuflichen
Einkommenserfolg (Kap. 5.4.4).
Dem Untersuchungsmodell schließt sich die Auswahl und Vorstellung der statistischen Auswertungsverfahren an. Dabei wird in erster Linie auf das Ordered
Probit Modell als maßgebendes Untersuchungsmodell eingegangen. Zur Anwendung kommen aber auch ein multinomiales Logit Modell und ein OLS-
Schätzer (Kap. 5.4.5). Grundlage der multivariaten Auswertungen sind die nicht
hochgerechneten Daten der FFB-Onlineerhebung 2003. In den folgenden Abschnitten werden die Determinanten auf ihren Einfluss auf die Zugehörigkeit
einer der drei Einkommensklassen getestet. Die empirische Relevanz der aufgestellten Hypothesen freiberuflicher Gründungsaktivitäten (Kap. 5.4.6) wird mit
den multivariaten Analysemethoden zum Abschluss der jeweiligen Unterkapitel
überprüft. Das Zwischenfazit schließt den Abschnitt des freiberuflichen Einkommenserfolges mit den Hypothesentests ab (Kap. 5.4.7).
5.4.3 Untersuchungsmodell
Grundlage für die Entwicklung des Untersuchungsmodells zum freiberuflichen
Einkommenserfolg sind die theoretischen Annahmen und empirisch nachgewiesenen Regelhaftigkeiten aus dem dritten Kapitel (vgl. Kap. 3.4 und 3.5). Eingebettet ist das Untersuchungsmodell sowohl der Struktur als auch im Aufbau in
den Bezugsrahmen zur Gründungsforschung (vgl. Kap. 3.2), d.h. die Gründerperson mit ihrem freiberuflichen Einkommen als Forschungsobjekt steht perspektivisch im Mittelpunkt. Der Forschungsperspektive folgend richtet sich die
Vorgehensweise an den personen-, betriebs-, und umfeldbezogenen Theorieansätzen aus. Die systematisierte Hypothesenstruktur (vgl. Kap. 3.6) spiegelt sich
letztlich auch im Modellaufbau zum freiberuflichen Einkommenserfolg wieder.
Die Tabelle 65 gibt auf den folgenden Seiten einen Überblick zum Hintergrund
der theoretischen Annahmen sowie den einzelnen Determinanten mit ihren
Merkmalsausprägungen und den Referenzkategorien.
324 Onlineerhebung zu den Freien Berufen
Tabelle 65: Untersuchungsmodell zum freiberuflichen Einkommenserfolg
Freiberufliche Einkommensklassen
Niedrige Einkommen bis 37.499 Euro
Mittlere Einkommen ab 37.500 - 74.999 Euro
Höhere Einkommen ab 75.000 Euro
Allgemeines Humankapital Schuljahre (in Jahren)
Hochschulabschluss
Referenz kein Hochschulabschluss (0)
Hochschulabschluss (1)
Spezifisches Humankapital Berufserfahrung (derzeitiger Beruf in Jahren)
Berufserfahrung (derzeitiger Beruf in Jahren
quadriert)
vorherige Branchenerfahrung (in Jahren)
vorherige Selbständigkeitserfahrung
Referenz: keine Selbständigkeitserfahrung (0)
Selbständigkeitserfahrung (1)
Geschlecht Geschlecht
Referenz: mänlich (0)
weiblich (1)
Berufsgruppe Berufsgruppen
Referenz Freie Technisch. und
Naturwissenschftl.(0)
Freie Heilberufe (1)
Freie Rechts- und Wirt. (1)
Freie Künstler, Pädagogen und Publizisten (1)
Gründungsform Gründungsform
Referenz: originäre Gründungsform (0)
derivative Gründungsform (1)
Sozialversicherte Mitarbeiter Anzahl der Mitarbeiter aktuell
Anzahl der Mitarbeiter zur Gründung
Kammerberufe Kammerberufe
Referenz nicht kammerfähige Freie Berufe (0)
Kammerberufe (1)
Region Region
Referenz Westdeutschland (0)
Ostdeutschland (1)
Quelle: Eigene Tabelle.
Onlineerhebung zu den Freien Berufen 325
Grundlage für die multivariaten Tests sind die ungewichteten Daten aus der
FFB-Onlineumfrage 2003. Dem berichtigten Datensatz liegen die Antworten
von 123 Teilnehmern vor. Abhängige Variable im Untersuchungsmodell der
Gründungsaktivität ist das Einkommen aus freiberuflicher Tätigkeit. Das Einkommen wird für die Tests in drei ordinalskalierte Klassen unterteilt. Die unabhängigen Determinanten werden auf ihren Einfluss zur Wahrscheinlichkeit einer
der drei Einkommensklassen anzugehören getestet.
Untersucht werden die aus den Hypothesen abgeleiteten und dementsprechend
operrationalisierten Determinanten. Dazu gehören das Allgemeine Humankapital aus den personenbezogenen Ansätzen mit der Anzahl der Schuljahre sowie
der Hochschulabschluss. Die Anzahl der von den Freiberuflern absolvierten
Schuljahre fließt metrisch skaliert in das Untersuchungsmodell ein. Die Tabelle
65 gibt eine Übersicht zum Untersuchungsmodell des freiberuflichen Einkommenserfolges. Der Tabelle ist die theoriegeleitete Zuordnung der einzelnen
Variablen sowie ihre Kodierung und die Referenzgrößen zu entnehmen. Das
Untersuchungsmodell bildet die Grundlage für die folgenden multivariaten
Tests.
Die Variable des Hochschulabschlusses ist dichotom konstruiert. Als Referenzkategorie dient hier „kein Hochschulabschluss“ gegenüber den Freiberuflern mit
einem Hochschulabschluss. Dem folgen die exogenen Einflussgrößen des spezifischen Humankapitals. Dies ist die metrisch erfasste Dauer der Berufserfahrung
in der derzeitigen freiberuflichen Tätigkeit (in Jahren), die vor der freiberuflichen Gründung gesammelte Branchenerfahrung (metrisch, in Jahren) sowie eine
vor der freiberuflichen Gründung ausgeübte selbständige Tätigkeit. Die Variable
„vorherige Selbständigkeitserfahrung“ ist dichotom konstruiert. Als Referenz
dient „keine gesammelte Selbständigkeitserfahrung“ gegenüber einer „gesammelten Selbständigkeitserfahrung“. Darüber hinaus findet aus den personenbezogenen Ansätzen das Geschlecht berücksichtigung. Hier bilden in der dichotomen Variablen die freiberuflichen Männer die Referenzkategorie gegenüber den
Frauen.
Aus den betriebsbezogenen Ansätzen werden die Berufsgruppe, die Gründungsform, die Anzahl der Mitarbeiter heute und zum Gründungszeitpunkt sowie die
Kammerberufe getestet. Die Freien technischen und naturwissenschaftlichen
Berufe dienen als Referenzgruppe bei den Berufsgruppen. Dagegen getestet
werden die Freien Heilberufe, die Freien rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe sowie die Freien künstlerische, pädagogische und publizistische Berufe.
Hinsichtlich der Gründungsformen wird zwischen derivativen und originären
Gründungen unterschieden. Die originäre Gründungsform ist hierbei die Referenzkategorie und wird gegen die derivative Form der Gründung getestet. Als
metrische Größen wird die Anzahl der sozialversicherten Mitarbeiter sowohl
zum aktuellen Befragungszeitpunkt als auch zum Gründungszeitpunkt pro Mitarbeiter miteinbezogen. Letztlich fließt aus den betriebsbezogenen Ansätzen die
institutionelle Größe der Kammerberufe mit ein. Die exogene Variable im
326 Onlineerhebung zu den Freien Berufen
Untersuchungsmodell ist dichotom konstruiert. Referenzgröße sind die nicht
kammerfähigen Berufe. Diese werden gegenüber den Kammerberufen getestet.
Abschließend zu den multivariaten Tests wird aus den umfeldbezogenen Größen
der regionale Einfluss dichotom getestet. Referenzkategorie bilden hier die
westdeutschen Freiberufler (0) gegenüber den ostdeutschen Freiberuflern.
5.4.4 Statistische Auswertungsverfahren
Die Signifikanz der miteinander konkurrierenden Erklärungsfaktoren aus den
einzelnen Hypothesen wird mittels der multivariaten Analyse getestet.
Um bei den befragten Freiberuflern eine höhere Antwortbereitschaft zu erzielen,
wurde die Höhe des freiberuflichen Einkommens im FFB-Onlinefragebogen in
insgesamt zehn Klassen abgefragt. Diese zehn Klassen wurden schließlich in
drei Einkommensklassen zusammengefasst (vgl. Kap. 5.4).
Die erste Klasse (niedrige Einkommen) setzt sich aus dem jährlichen Bruttoeinkommen aus freiberuflicher Tätigkeit bis 37.499 € zusammen. Die zweite Klasse
(mittlere Einkommen) reicht von 37.500 € bis 74.999 €. Die dritte Klasse (hohe
Einkommen) ab 75.000 € ist nach oben offen.
Damit ist eine ordinale Skala vorgegeben, für die sich als Schätzmodell ein Ordered Probit Ansatz empfiehlt (vgl. Greene 1997, S. 875 ff.; Moosmüller 2004,
203 ff.).
Gegenüber einem Schätzansatz mit Klassenmittelwerten bietet der Ordered Probit Ansatz den Vorteil, dass die Klassenmitte der nach oben offenen höchsten
Einkommensklasse – da arbiträr – nicht zu spezifizieren ist. Das Ordered Probit
Modell geht von einem latenten Modell aus mit:
*
' (0,1)i i i iy x verteilt m it Nd g g? - (21)
Der Vektor ix enthält die Merkmalsausprägungen der erklärenden Variablen, id
ist ein Vektor mit den unbekannten Parametern des Modells und ig ist ein standardnormalverteilter Störterm. Die latente (Einkommens-) Variable wird durch
die Klassengrenzen eingegrenzt mit
*
i 0
*
0 i 1
*
J-1 i
0 , fa lls - < y <
1 , fa lls < y <
J , fa lls < y <
iy
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6 (22)
Prinzipiell werden im Ordered Probit Modell die Klassengrenzen mit den nur
bekannten diskreten Klassennummern geschätzt. Diese sind mit den Antwortklassen aber bereits gegeben. Mit bekannten Klassengrenzen ist es möglich, die
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit verfolgt die theoretische, methodische und empirisch fundierte Analyse des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Um die Fragestellung “Welche Determinanten beeinflussen die Gründungsaktivität und den Gründungserfolg von Freiberuflern?“ wird das Spektrum über die Phasen vor der Gründung bis zur Etablierung der freiberuflichen Tätigkeit am Markt erfasst.
Auf Grundlage des SOEP-Panels und einer Onlineerhebung tragen die Ergebnisse zu einem Erkenntnisgewinn des freiberuflichen Gründungsgeschehens bei. Gewürdigt wird dabei insbesondere die Praxis mit vielen neuen Ergebnissen aus den empirisch neu gewonnenen Daten zum Gründungsgeschehen der Freien Berufe.
Dr. Peter Paic studierte BWL und Ökonomie in Hamburg. 2008 Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Zurzeit ist er Referent im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) in Düsseldorf.