Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) 165
Nach der Berichtigung verringerte sich die Anzahl freiberuflich Tätiger, welche
im Untersuchungszeitraum über mindestens ein Jahr eine freiberufliche Tätigkeit ausübten, von 969 Personen um knapp ein Drittel auf nunmehr insgesamt
688 Personen. Innerhalb der 811 Änderungen wurden 353 Kodierungen in die
Freiberuflichkeit und 389 Kodierungen in die Selbständigkeit vorgenommen.
Weitere 69 Kodierungen bezogen sich auf fehlerhafte Angaben, definitorische
Ausschlüsse und sonstige Begebenheiten (eine ausführliche Übersicht zu den
einzelnen Änderungen im SOEP-Datensatz findet sich im Anhang 2).
Über die einzelnen Wellen hat sich die Fallzahl der freiberuflich Tätigen durch
die Berichtigung im Vergleich mit dem original SOEP-Datensatz leicht um
durchschnittlich 9 Freiberufler verringert. Ebenso ist der Anteil der Freien Berufe an der gesamten Stichprobe leicht zurückgegangen. Wie in der Tabelle 17 zu
erkennen ist, kommt es durch Berichtigung des Datensatzes zu verzerrten Ergebnissen bei der Hochrechnung, da die Gewichtung des originalen Datensatzes
nicht darauf abgestimmt ist. Um zu repräsentativen hochgerechneten Ergebnissen zu gelangen, wäre eine neue Gewichtung der Hochrechnungsfaktoren notwendig. Dies ist beispielsweise mit dem Programmpaket Adjust möglich (vgl.
Merz, Stolze und Imme 2001).
Insgesamt hat sich durch die Berichtigung des Datensatzes die Gesamtzahl der
im Beobachtungszeitraum freiberuflich Tätigen um ein Drittel auf 668 Fälle verringert. Dagegen ist die im originalen SOEP-Datensatz exorbitant hohe Anzahl
von Gründungen aus der Selbständigkeit durch die vorgenommene Korrektur
der falschen Angaben stark reduziert worden. Der berichtigte SOEP-Datensatz
enthält nun ein wesentlich realistischeres Bild der Freien Berufe.
4.2.7 Anregung zur SOEP-Fragebogengestaltung
Neben der retrospektiven Berichtigung zur Variablen der beruflichen selbständigen Personen soll dieses Kapitel als Anregung für eine verbesserte Fragestellung
in zukünftigen Erhebungen des SOEP dienen. Für einen Lösungsansatz werden
die im Kapitel 4.2.4 behandelten Ursachen falschen Antwortverhaltens aufgegriffen. Als zentrale Fehlerquelle konnte neben möglichen Kodierungsfehlern
insbesondere das Antwortverhalten der befragten Personen als Ursache festgestellt werden. Daher nimmt dieser Lösungsansatz die Perspektive der befragten
Teilnehmer ein. Darüber hinaus soll der Lösungsansatz Ideen zur Erfassung von
Mitarbeitern selbständiger Personen geben.
Der Gestaltungsvorschlag zur Frage der beruflichen Stellung basiert auf dem
SOEP-Fragebogen 2002. Dabei verfolgt dieser Lösungsansatz zwei Ziele. Zum
einen, den Fragebogen zum besseren Verständnis der Befragten einfacher zu
strukturieren und zum anderen die Unterkategorien der beruflich Selbständigen
zu präzisieren und durch Beispiele zu ergänzen. Als problematisch zeigt sich
insbesondere das Design der Fragestellung zu den Selbständigen an. Hier erweist sich die zusätzliche Abfrage der Mitarbeiterzahlen in der Gesamtschau als
166 Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP)
sehr unübersichtlich (vgl. Abbildung 13). Zur Fragestellung der Mitarbeiterzahl
innerhalb der Selbständigen-Gruppe (mit Ausnahme der mithelfenden Familienangehörigen) stehen dem Probanden drei Antwortkategorien zur Verfügung
(keine, <9 Mitarbeiter und >9 Mitarbeiter). Hier ist eine metrische Erfassung der
Mitarbeiterzahlen zu empfehlen. Dies hätte neben einem Informationsgewinn
auch den Vorteil, der Vereinfachung des Fragestellungs-Designs. Durch den
Wegfall der übrigen Antwortkategorien gewinnt die Fragestellung an Übersichtlichkeit und ist einfacher für den Befragten zu erfassen.
Zu empfehlen ist hierbei die Loslösung der Fragestellung zu den Selbständigen
von der Erhebung der abhängig Beschäftigten, d.h. die Formulierung der Fragestellung in einem eigenen Block. Dabei ist dem Autor bewusst, dass dies im
Hinblick auf die übrigen Frageblöcke zur beruflichen Tätigkeit eine Ausweitung
des SOEP-Fragebogens zur Folge hat. Doch neben dem Effekt eines übersichtlicheren Designs hätte dies zudem den Vorteil, die Fragestellung an praktischen
Beispielen zu ergänzen und eine höhere Aufmerksamkeit der befragten Selbständigen zu erzielen. Hierin besteht der zentrale Ansatz, die befragten Selbständigen bei der oftmals fehlerhaften Zuordnung ihrer beruflichen Tätigkeit zu
unterstützen.
Als hauptsächliche Fehlerquelle hat sich die fehlerhafte Zuordnung der befragten Personen in eine „freiberufliche“ oder eine „sonstige selbständige“ Tätigkeit
erwiesen. Hierbei wechselten die Befragten oftmals ihre Angaben, ohne jedoch
ihre berufliche Tätigkeit geändert zu haben. Um dies zu vermeiden wird der
Begriff der Unterkategorie „sonstige Selbständige“ in „Unternehmer“ umgewandelt. Dies hat zweierlei Vorteile. Zum einen wird der Effekt vermeiden die
Gruppe „sonstige Selbständige“ gegenüber der Gruppe „Freie Berufe, Akademische Selbständige“ sprachlich Zurückzustellen. Zum anderen wird den Befragten die richtige Zuordnung ihrer beruflichen Tätigkeit mit der Bezeichnung „Unternehmer“ erleichtert. Förderlich für das Verständnis der Befragten ist hier eine
beispielhafte Auflistung übergeordneter Tätigkeiten wie Handwerker, Gewerbetreibende u.a. für die Unterkategorie der „Selbständigen“.
Die Begriffsdefinition und Klassifizierung dieser Arbeit (vgl. Kap. 2) mit dem
Begriff des „Unternehmers“ für die „sonstigen Selbständigen“ sollte verstärkt
die Zuordnung der beruflichen Tätigkeit erleichtern. Allerdings existieren verschiedene Definitionen zum Begriff des Unternehmers, die weit auseinander gehen und zum Teil gegensätzlicher Natur sind. Da die Abgrenzung zwischen Unternehmern und Freiberuflern nicht immer eindeutig ist, kann dies zu Problemen
führen (vgl. Schulte 2002; vgl. Deneke 1986). Bei dem Ziel präzise Informationen zur beruflichen Tätigkeit der Selbständigen zu generieren, überwiegt das
Moment des Alltagsverständnisses gegenüber dem akademischen Diskurs. Daher wurden die im zweiten Kapitel vorgenommene Definitionen und die neue
Klassifizierung der Selbständigen mit der Unterteilung in Freiberufler und Unternehmer (sonstige Selbständige) für die SOEP-Fragestellung übernommen
(vgl. Kap. 2).
Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) 167
Für die Unterkategorie der Freien Berufe wird empfohlen den Begriff „Freie Berufe, selbständige Akademiker“ in die Bezeichnung „Freie Berufe“ zu ändern,
damit die Implikation, dass Freie Berufe gleichbedeutend mit einer akademischen Ausbildung sind, vermieden werden kann. Darüber hinaus empfiehlt es
sich, die allgemeinen Bezeichnungen durch Beispiele näher zu erläutern, um
fehlerhafte Antworten zu vermeiden. Dabei sollte bei den einzelnen Berufsbezeichnungen darauf geachtet werden, dass sowohl akademische als auch nichtakademische Berufe aufgeführt werden. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll die
einzelnen freien Berufsgruppen namentlich zu benennen. Die Abfrage nach
einer Gewerbeanmeldeung eignet sich als ein weiteres Unterscheidungsmerkmal
zwischen freiberuflicher oder selbständiger Tätigkeit.
Mit diesem Vorschlag zur Erhebung der beruflich Selbständigen im SOEP-
Fragebogen kann zukünftig die Anzahl der fehlerbehafteten Antworten massiv
gesenkt und die Qualität der Datenbasis des Sozio-ökonomischen Panels für den
Bereich Freie Berufe systematisch erhöht werden. Dadurch können valide
Ergebnisse für zukünftige Untersuchungen von Freiberuflern, aber auch den
sonstigen Selbständigen (Unternehmer) erzielt werden. Dieser Aspekt ist umso
bedeutender, betrachtet man die Datenlage zu den Freien Berufen insgesamt.
Das SOEP stellt eine der wenigen Panel-Datenbasen bereit, welche die Freien
Berufe explizit berücksichtigt. Vor dem Hintergrund freiberuflicher aber auch
klein- und kleinstbetrieblicher Informationsdefizite anderer Datenbasen, wie beispielsweise dem Mikrozensus, dem ZEW-Panel oder dem IAB-Panel11, erweist
sich das SOEP als eine der geeignetesten Datenbasen für die Untersuchung der
Freien Berufe und kleiner selbständiger Unternehmen. Der Panelcharakter des
SOEP erlaubt hierbei auch Untersuchungen derselben Personen über die Zeit
und bietet sich als empirische Datenbasis für Untersuchungen im Gründungskontext an.
Da das SOEP generell nicht als Gründungspanel angelegt ist, bestehen hier noch
zentrale Informationslücken. Beispielsweise ist es mit dem SOEP nicht möglich,
zwischen originären und derivativen Gründungen zu differenzieren. Ebenso
fehlen im SOEP Informationen zum Gründungszeitpunkt wie der Kapitalausstattung der Gründung und grundlegende betriebliche Informationen.
Hier liegt auch eine strategische Chance für die Erweiterung des Nutzerkreises
und Abgrenzung zu den anderen Paneldatenbasen. Dazu schlagen wir eine Konzentration auf das selbständige Kleinstunternehmen im Gründungskontext wie
die Einpersonen-Unternehmen und die Freien Berufe vor. Diese Zielgruppe wird
bisher von den übrigen Datenbasen nur unzureichend erfasst (vgl. Kap. 2.4).
11
Beispielsweise sind Beobachtungen der gleichen Freiberufler über die Zeit aufgrund des
fehlenden Panelcharakters mit dem Mikrozensus nicht möglich. Die ZEW-Panels erfassen
die Freien Berufe nicht explizit, z.B. Anwaltskanzleien überhaupt nicht. Das IAB-Panel
erfasst ausschließlich Unternehmen mit mindestens einem sozialversicherten Mitarbeiter
(vgl. Kap. 2.4).
168 Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP)
Derzeit noch bestehende Informationslücken lassen sich mit einem relativ geringen Aufwand beseitigen. Dazu gehören aufbereitete Gründungsvariablen für die
Selbständigen-Gruppen, Informationen zur Gründung, zum Startkapital sowie
der Gründungsform (derivativ oder originär), die metrische Erfassung der (sozialversicherten) Mitarbeiter sowie eine optional weiterführende Differenzierung
nach Handwerkern.
Die Abbildung 14 fasst die Lösungsvorschläge unter Berücksichtigung der sozialversicherten Mitarbeiter für eine zukünftige Fragestellung der beruflich
Selbständigen im SOEP zusammen.
Abbildung 14: Vorschlag zur neuen Fragestellung der beruflichen Stellung im SOEP
Zu welcher Gruppe der Selbständigen gehören Sie?
Selbständige
(einschl. mithelfende Familienangehörige)
Wie viele sozialversicherte
Mitarbeiter beschäftigen Sie?
Selbständige Landwirte …………………..………………….und zwar:
Freie Berufe
Sie haben kein Gewerbe angemeldet!
(z.B. Freie Heilberufe, Freie rechts- und wirtschaftsberatende Berufe, Freie technische und naturwissenschaftliche Berufe, Freie künstlerische, päda
gogische und publizistische Berufe)…………………………..und zwar:
Unternehmer (vormals „sonstige Selbständige“)
Sie haben ein Gewerbe angemeldet!
(z.B. Handwerker, Einzelhandel, Gastronomie, Versicherungs- und Handelsvertreter, Gewerbetreibende)…………....und zwar:
Mithelfende Familienangehörige ..........................................................................und zwar:
Auch die Zahl 0 ist möglich!
Quelle: eigener Vorschlag.
Das SOEP kann mit dieser erweiterten Ausrichtung auf die Gründungsforschung
von selbständigen Klein- und Kleinstbetrieben eine zentrale Informationslücke
schließen. Letztlich öffnet sich das SOEP mit dieser Ausrichtung einem neuen
Nutzerkreis aus der mittlerweile in der deutschen Hochschullandschaft fest
etablierten Gründungsforschung.
Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) 169
4.2.8 Freiberufliche Deskription nach der Berichtigung
Da im Rahmen der Fragestellung erstmalig umfangreiche Daten zu den Freien
Berufen im SOEP aufbereitet wurden, sollen neben den detaillierteren Analysen
zur Gründungsaktivität und dem Gründungserfolg auch die Freien Berufe in der
Bundesrepublik Deutschland eingehender betrachtet werden. Diese Vorgehensweise bringt zwei zentrale Vorteile mit sich. So ist es zum einen mit dem berichtigten SOEP-Datensatz erstmals möglich aus einer repräsentativen Umfrage mit
relativ hohen Fallzahlen zum gesamten Spektrum der Freien Berufen neue Erkenntnisse zum Wesen und ihrer Struktur in Deutschland zu gewinnen. Beispielsweise liegen erstmals berichtigte und erweiterte SOEP-Daten zu den freiberuflichen Berufsgruppen, dem freiberuflichen Einkommen sowie der Unterteilung nach kammerfähigen Freien Berufen vor. Zum anderen helfen die Ergebnisse zu den Freien Berufen die Auswertungen zum freiberuflichen Gründungsgeschehen besser in Relation zu setzen und insbesondere die entwickelten
Messkriterien zur Gründungsaktivität und dem Gründungserfolg zu überprüfen.
Dargestellt werden die Ergebnisse anhand der Entwicklung über die Beobachtungszeiträume 1993, 1996, 1999 und 2002. Zusätzlich aufgeführt werden die
zusammengeführten Ergebnisse der Freiberufler aus dem Beobachtungszeitraum
zwischen 1992 bis 2002 in einem gepoolten Modell. Vorgestellt werden zunächst Ergebnisse der qualitativen Statistik, wobei auch Intervall (metrisch)
skalierte Variablen in Klassen eingeteilt wurden. Grundlage der deskriptiven
Auswertung zu den Freien Berufen sind die ungewichteten Daten des bereinigten SOEP-Datensatzes von 1992-2002, da die bereitgestellten Hochrechnungsfaktoren im SOEP durch die Änderungen im Datensatz zu falschen Ergebnissen
führen (vgl. Kap. 4.2.1). Durch die Hocheinkommensstichprobe im Jahre 2002
sind die Ergebnisse in dieser Welle zu Gunsten der hohen Einkommen verzerrt
(vgl. Kap.4.1.1). Dies wirkt sich auf die Ergebnisse zu den Freien Berufe aus
und ist bei dem Vergleich der Ergebnisse und ihrer Interpretation über die einzelnen Wellen zu berücksichtigen.
Zunächst werden die personenbezogenen Ergebnisse der Freien Berufe anhand
der Verteilung in den Altersklassen, nach dem Geschlecht, nach der Nationalität,
nach den Arbeitszeitklassen sowie der Arbeits- und Gesundheitszufriedenheit
vorgestellt. Dabei weist die SOEP-Altersvariable des Jahres 2002 einen Fehler
auf. In ihrem Ursprung fehlen die Altersangaben zu den Freiberuflern aus der
SOEP-Hocheinkommensstichprobe des Jahres 2002. Die fehlenden Angaben
von 155 Freiberuflern wurden manuell mittels des im SOEP erhobenen Geburtsjahres berichtigt.
Die Tabelle 18 zeigt die Ergebnisse der personenbezogenen Auswertungen über
die Wellen 1993, 1996, 1999 und 2002 sowie die von 1992 bis 2002 gepoolten
Ergebnisse über den Untersuchungszeitraum. Im Jahr 2002 sind 57 Prozent der
freiberuflich Tätigen in den beiden Altersklassen von 30 bis 39 Jahre und 40 bis
49 Jahre vertreten. Die jüngste Altersklasse bis 29 Jahre spielt mit 2,6 Prozent
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit verfolgt die theoretische, methodische und empirisch fundierte Analyse des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Um die Fragestellung “Welche Determinanten beeinflussen die Gründungsaktivität und den Gründungserfolg von Freiberuflern?“ wird das Spektrum über die Phasen vor der Gründung bis zur Etablierung der freiberuflichen Tätigkeit am Markt erfasst.
Auf Grundlage des SOEP-Panels und einer Onlineerhebung tragen die Ergebnisse zu einem Erkenntnisgewinn des freiberuflichen Gründungsgeschehens bei. Gewürdigt wird dabei insbesondere die Praxis mit vielen neuen Ergebnissen aus den empirisch neu gewonnenen Daten zum Gründungsgeschehen der Freien Berufe.
Dr. Peter Paic studierte BWL und Ökonomie in Hamburg. 2008 Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Zurzeit ist er Referent im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) in Düsseldorf.