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onshöhe in der Unterkategorie der Freien Berufe bei rund 40 Prozent aller Freiberufler in der jeweiligen Welle (Eigene Berechnungen, Datenbasis Merz und
Paic 2003, SOEP 1991-2001).
Die sehr hohe Gründungsrate aus einer vorhergehenden unternehmerischen
Tätigkeit, speziell bei den freiberuflichen Gründern, aber auch bei den Unternehmensgründern, die im Jahr vor der Gründung freiberuflich tätig waren, legen
neben einer möglichen Fehlkodierung, ein fehlerhaftes Antwortverhalten oder
auch Interpretationsprobleme der befragten Personen in den Unterkategorien der
Selbständigen im SOEP nahe. Die Ergebnisse lassen ein wechselndes Antwortverhalten der befragten Personen in der Selbständigen Kategorie, speziell zwischen den Unterkategorien der Freien Berufe und der Unternehmer vermuten.
Zur Klärung diesen Sachverhaltes, der für die Untersuchung eine elementare
Bedeutung hat, soll der im Rahmen dieser Arbeit neu generierte Datensatz auf
mögliche fehlerhafte Wechsel innerhalb der Selbständigengruppe überprüft und
bei nicht tatsächlich vorgenommenen beruflichen Wechseln, z.B. durch Fehleingaben oder Fehlkodierungen, korrigiert werden. Grundsätzlich ist es immer
schwierig und von einer gewissen Art der Willkür begleitet einen Datensatz
retrospektiv zu ändern. Auf der anderen Seite rechtfertigt der zu erwartete
Informationszugewinn eine Berichtigung der offensichtlichen Fehlangaben. Um
dem Argument der Willkür entgegenzutreten sollen folgend die Vorgehensweise
sowie die verwendeten Kriterien zur Umkodierung eingehend behandelt und
transparent dargestellt werden9.
4.2.2 Überprüfung der Wechsel
Die Überprüfung der beruflichen Wechsel innerhalb der Selbständigengruppe
erfolgt in zwei Schritten. Zunächst wird der zu überprüfende Personenkreis definitorisch abgesteckt. In einem zweiten Schritt werden die Wechsel auf ihre
Plausibilität im SOEP-Datensatz mittels Kontrollvariablen überprüft. Die Prozedur soll dazu dienen in weiteren Schritten aus den gewonnenen Erkenntnissen
und Mustern geeignete Regeln und Instrumente für eine Berichtigung des Datensatzes zu entwickeln.
Zunächst wird der zu überprüfende Personenkreis ausschließlich auf Personen
begrenzt, die innerhalb des Untersuchungszeitraumes von 1992 bis 2002 über
mindestens ein Jahr Angaben zu einer freiberuflichen Tätigkeit gemacht haben.
Gefiltert wurde dieser Personenkreis mittels der Unterkategorie „Freie Berufe“
aus der Variablen zur „Beruflichen Stellung Selbständiger“ über den gesamten
9
Leider dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine personenbezogenen Einzeldatensätze des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) abgebildet werden. Um Einsicht auf die jeweiligen Personnummern oder die komplette Berichtigung der „Selbständigen-Variable“ im
SOEP zu erhalten, ist die Zustimmung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
(DIW) erforderlich. Nähere Informationen erhalten Sie hierzu am Forschungsinstitut Freie
Berufe (FFB) der Leuphana Universität Lüneburg.
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Beobachtungszeitraum. Insgesamt konnten auf diese Weise 969 Personen aus
dem SOEP-Datensatz herausgefiltert werden.
Ausgeschlossen von der Überprüfung sind daher alle Personen, die als Landwirte, Unternehmer und mithelfende Familienangehörige im Untersuchungszeitraum keine Angaben über eine freiberufliche Tätigkeit gemacht haben. Zwar
bleiben damit mögliche Fehlangaben aus diesem Personenkreis verdeckt, doch
erscheint die Wahrscheinlichkeit von Fehleingaben über mehrere Wellen hinweg
relativ gering. Da eine solche komplexe und zeitaufwendige Überprüfung aller
Selbständigen in einer ungünstigen Relation zum erwarteten Informationszugewinn steht, wurde davon im Rahmen dieser Arbeit Abstand genommen.
Für die weitere Überprüfung der Daten werden die Wechsel innerhalb der Selbständigengruppe auf Ihre Plausibilität im SOEP-Datensatz überprüft. Um einzelne Wechselfälle, von der Freiberuflichkeit in die Selbständigkeit und umgekehrt, als korrekte Angabe oder falsche Angabe zu identifizieren und später gegebenenfalls zu korrigieren, können die Daten mit anderen im SOEP erhobenen
Angaben auf ihre Plausibilität überprüft werden. Zur Durchführung einer solchen Plausibilitätsprüfung bieten sich im SOEP-Datensatz durch separate Fragestellungen erhobene Angaben der Personen an. So werden die Personen im
SOEP jedes Jahr in der Frage nach der Art ihrer beruflichen Veränderung u.a.
gezielt nach der Aufnahme einer neuen Tätigkeit als Selbständiger befragt.
Ebenfalls unabhängig von der Frage zur „Derzeitigen Selbständigen Stellung“
werden im Frageblock zur Erwerbstätigkeit auch jährlich die genaue Berufsbezeichnung sowie die Branche abgefragt (SOEP-Gruppe 2002a).
Die ausgewählten Personen wurden nun einzeln über jede Welle auf die Plausibilität ihrer Angaben in der Variable „Derzeitige Stellung Selbständige“ mit ihren Angaben in den Kontrollvariablen zur neuen Tätigkeit als Selbständiger (Art
der beruflichen Veränderung), der Berufsklassifikation ISCO-88 (International
Standard Classification of Occupations von 1988), der Branche nach NACE
(Nomenclature des statistiques des activites economiques de la Communaute
Europeenne) und mit der Klassifizierung der Berufe nach dem Statistischen
Bundesamt (KldB) verglichen. Zusätzlich zum Vergleich hinzugezogen wurden
gegebenenfalls die Angaben zur Erwerbstätigkeit aus der Variable des Labour
Force Status sowie die Angaben zur Hochschulausbildung (SOEP-Gruppe 2003a
und 2002a).
Entscheidend für die richtige Einschätzung und Interpretation der Angaben aus
den Kontrollvariablen ist es, sie in einen Gesamtzusammenhang zu setzen. Dies
betrifft sowohl die einzelnen Angaben aus den Kontrollvariablen als auch die
zeitliche Komponente über die einzelnen Wellen hinweg. Dies ist insofern von
entscheidender Bedeutung, da eine Überprüfung der Angaben auf ihre Plausibilität mit den aufgezählten Variablen einzeln nicht immer abschließend möglich
ist. So enthält keine alleinstehende Kontrollvariable für sich sicherstellende Angaben zur Identifizierung einer freiberuflichen Tätigkeit. So gibt beispielsweise
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die Branchenvariable naturgemäß zu allgemeine Angaben, um allein daraus auf
eine selbständige Tätigkeit oder die Art der selbständigen Tätigkeit zu schließen.
Die Branchenvariable kann daher nur als ergänzende Kontrollvariable, ebenso
wie der Erwerbsstatus und die Angaben zum Hochschulabschluss gesehen werden, um im Zweifellsfall auf die Plausibilität der Angaben zu schließen. Problematisch ist auch die direkte Zuordnung einer selbständigen Tätigkeit in eine
freiberufliche oder unternehmerische mittels der Angaben zur Berufsbezeichnung. Grundsätzlich wird keine Unterscheidung zwischen den berufstätigen Personen in einer abhängigen oder unabhängigen Beschäftigung in den Variablen
der internationalen Berufsklassifikation (ISCO-88) und die Klassifizierung des
Statistischen Bundesamtes (KldB) vorgenommen (vgl. SOEP-Gruppe 2002a).
Da unser zu überprüfender Personenkreis ausschließlich aus Selbständigen ausgewählt wurde, steht vielmehr die Unterscheidung zwischen freiberuflicher und
unternehmerischer Tätigkeit im Vordergrund. Hier bietet die KldB Vorteile bei
der Unterscheidung beider Gruppen, da es die speziellen Besonderheiten in der
Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Struktur und Verteilung beruflicher Tätigkeiten berücksichtigt und sich die Einordnung der beruflichen Tätigkeit bei der KldB nach der Art der beruflichen Tätigkeit richtet (vgl. SOEP-
Gruppe 2002a; Statistisches Bundesamt 1992).
Die Struktur und besonderen nationalen Merkmale der KldB ermöglicht es, im
Vergleich zu den anderen Berufsbezeichnungen, am weitestgehenden eine Unterscheidung zwischen der freiberuflichen- und der unternehmerischen Tätigkeit
vorzunehmen.
Aus diesem Umstand werden die Wechselangaben der ausgewählten Personen
zunächst nach einer Bestätigung des Wechsels innerhalb der Selbständigen aus
den Angaben in der Variablen zur beruflichen Veränderung überprüft. Wird der
jeweilige Wechsel nicht durch diese Kontrollvariable bestätigt, werden die Angaben mit der KldB verglichen. Ist auch hier kein paralleler Wechsel von beruflicher Tätigkeit mit der Berufbezeichnung aufzufinden liegt ein nicht plausibler
Wechsel vor.
Erst in der Gesamtbetrachtung jeder dezidierten Einzelüberprüfung über die Zeit
und den weiteren Kontrollvariablen lassen sich die Wechsel der Erwerbsform
innerhalb der Selbständigengruppe plausibel nachvollziehen. Das folgende Kapitel geht auf die Muster falschen Antwortverhaltens ein.
4.2.3 Muster falscher Wechselangaben
Nach der im Kapitel 4.4.2 beschriebenen Vorgehensweise zur Überprüfung der
Plausibilität wurden alle 969 ausgewählten Personen über den Beobachtungshorizont von elf Jahren untersucht. Dabei konnten insgesamt fünf spezifische Muster, wahrscheinlich aus einem falschen Antwortverhalten heraus, festgestellt
werden. Die Muster setzen sich hauptsächlich aus „Kritischen Wechsel“, d.h.
nicht durch Kontrollvariablen bestätigte Wechsel zwischen einer freiberuflichen
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit verfolgt die theoretische, methodische und empirisch fundierte Analyse des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Um die Fragestellung “Welche Determinanten beeinflussen die Gründungsaktivität und den Gründungserfolg von Freiberuflern?“ wird das Spektrum über die Phasen vor der Gründung bis zur Etablierung der freiberuflichen Tätigkeit am Markt erfasst.
Auf Grundlage des SOEP-Panels und einer Onlineerhebung tragen die Ergebnisse zu einem Erkenntnisgewinn des freiberuflichen Gründungsgeschehens bei. Gewürdigt wird dabei insbesondere die Praxis mit vielen neuen Ergebnissen aus den empirisch neu gewonnenen Daten zum Gründungsgeschehen der Freien Berufe.
Dr. Peter Paic studierte BWL und Ökonomie in Hamburg. 2008 Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Zurzeit ist er Referent im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) in Düsseldorf.