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lichkeit einer freiberuflichen Gründung sollte sich verstärken, sofern die Berufserfahrung in einem Umfeld gesammelt wird, das dem der freiberuflichen Charakteristika sehr nahe kommt. So dürfte die Wahrscheinlichkeit bei einer vorhergehenden Angestelltentätigkeit für eine freiberufliche Gründung größer sein
als bei einer vorhergehenden Tätigkeit als Arbeiter. Ebenso ist bei einer vorhergehenden Selbständigkeit von einem positiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung anzunehmen, da die Person bereits über unternehmensspezifisches Humankapital verfügt (vgl. Kap. 3.3.3).
Empirisch gestützt werden diese Annahmen aus den Ergebnissen von Merz und
Paic (2003) sowie Fritsch (1994). Fritsch konnte in der für die Freien Berufe
relevanten Gruppe der Dienstleistungen einen positiven Einfluss auf die Gründungsaktivität durch höher qualifizierte Angestellte feststellen (vgl. Fritsch
1994). Merz und Paic (2003) kommen in ihrer Studie zu einem signifikanten
Wirkungszusammenhang einer freiberuflichen Gründung und einer vorhergehenden selbständigen Tätigkeit. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung durch eine vorhergehende Selbständigkeit begünstigt (vgl.
Merz und Paic 2003).
Vor dem Hintergrund der Qualifizierung und dem Sammeln erster Berufserfahrungen ist für die freiberuflichen Gründungen ein positiver Einfluss von einer
vorhergehenden Tätigkeit als Angestellter oder Selbständiger bei den freiberuflichen Gründungen anzunehmen. Gegenteilig zeigen sich die Annahmen einer
vorhergehenden Tätigkeit als Arbeiter. Letztlich lassen sich drei spezifisch auf
das freiberufliche Gründungsumfeld bezogene Hypothesen ableiten.
H14 Aktivität: Eine vorhergehende nicht Erwerbstätigkeit hat einen negativen Einfluss auf die freiberufliche Gründungswahrscheinlichkeit.
H15 Aktivität: Eine vorherige berufliche Tätigkeit als Arbeiter hat einen
negativen Einfluss auf die freiberufliche Gründungswahrscheinlichkeit.
H16 Aktivität: Eine vorhergehende selbständige Tätigkeit hat einen positiven Einfluss auf die freiberufliche Gründungswahrscheinlichkeit.
Insgesamt ergeben sich für das Untersuchungsmodell der Gründungsaktivität 16
Hypothesen. Eine Übersicht der Hypothesen zum Untersuchungsmodell der
Gründungsaktivität und der vermuteten Einflussrichtungen findet sich zum
Schluss des Kapitels. Es folgt die Hypothesenbildung zum Überlebensmodell
des Gründungserfolgs der Freien Berufe.
3.6.2 Hypothesen zum Gründungserfolg des Überlebens
Das Überleben einer freiberuflichen Gründung über eine Periode von drei Jahren
gilt als Kriterium für den Erfolg (vgl. Kap. 3.5). Im Folgenden werden Hypothesen über den Einfluss der Determinanten auf die Wahrscheinlichkeit des Überle-
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bens einer freiberuflichen Gründung gebildet. Zuerst werden die Determinanten
demografischer Merkmale auf den Gründungserfolg behandelt.
Wie im vorangegangenen Abschnitt zur Gründungsaktivität, liefert die isolierte
Betrachtung des Alters der Gründerperson und dem Überleben der freiberuflichen Wirkungsstätte keinen klaren Wirkungszusammenhang (vgl. Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996). Vor diesem Hintergrund wird das Alter der Gründer durch die humankapitaltheoretischen Annahmen und die freiberuflichen Besonderheiten verknüpft, um zu konzeptionell geführten und damit auch inhaltlich gehaltvolleren Aussagen zu gelangen (vgl. Kap. 3.3.3).
Freiberufliche Gründungen finden eher selten zu Beginn des Berufslebens statt
(vgl. Kap. 3.5). Älteren freiberuflichen Gründern werden eine größere Berufserfahrung, ein gutes Netzwerk an betrieblichen sozialen Kontakten und spezifische
Branchenkenntnisse unterstellt, welche die Wahrscheinlichkeit des Überlebens
der Startphase einer freiberuflichen Gründung entscheidend erhöhen kann. Dar-
über hinaus können sie aus den humankapiteltheoretischen Annahmen heraus ihr
Gründungsvorhaben besser finanziell ausstatten.
Letztlich sollten ältere Gründer besser dazu in der Lage sein ihr Gründungsvorhaben angemessen, sowohl mit Eigen- als auch mit Fremdkapital, auszustatten.
Dies dürfte die Chancen zum Erreichen des Break-Even-Point erheblich steigern
und auch die Wahrscheinlichkeit des Überlebens über eine bestimmte Periode
deutlich erhöhen.
Empirisch gestützt werden diese Annahmen aus den Ergebnissen der Studien
von Preisendörfer und Voss (1990) und Bates (1990). Sie stellen bei jüngeren
Gründern kürzere Überlebenszeiten fest, die mit einen zunehmenden Alter der
Gründerperson wieder zunahmen. Im hohen Alter der Gründerperson ergeben
sich wiederum kürzere Überlebenszeiten. Die Entwicklung des Lebensalters
nimmt dabei einen nichtlinearen Verlauf zur Überlebenschance ein (vgl. Preisendörfer und Voss 1990).
Auf Grundlage der humankapitaltheoretischen Annahmen und ihrer Selektionseffekte ist ein positiver Einfluss auf die Überlebenschancen einer freiberuflichen
Gründung von einem höheren Alter zu erwarten.
Dagegen wird für die jüngeren und älteren freiberuflichen Gründer eine geringere freiberufliche Überlebenschance angenommen. Diese Annahme sollte sich in
einer nichtlinearen Entwicklung des Alters der Gründer widerspiegeln.
H1 Erfolg: Das Alter der Person hat einen nichtlinearen Einfluss auf die
Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung. Demnach weißt ein mittleres Alter einen positiven, ein junges und ein hohes
Alter einen negativen Einfluss auf.
In den empirischen Studien von Wanzenböck (1998) und Heil (1997) konnte bei
den Männern eine größere Erfolgschance ihrer Gründung gegenüber den Frauen
nachgewiesen werden. Auch wenn der Anteil der Frauen bei den freiberuflichen
Theorien der Gründungsforschung 129
Gründungen höher als bei den selbständigen Gründungen insgesamt ausfällt
(vgl. Merz und Paic 2003), gibt es im freiberuflichen Umfeld keine Hinweise
auf eine gegenteilige These zum Einfluss des Geschlechts auf den Gründungserfolg. Vor diesem Hintergrund wird auch den freiberuflichen Gründungen durch
Frauen eine schlechtere Überlebenswahrscheinlichkeit gegenüber den männlichen Gründungen unterstellt.
H2 Erfolg: Freiberufliche Gründungen durch Frauen haben gegenüber
den männlichen Gründungen eine schlechtere Überlebenswahrscheinlichkeit.
Im folgenden Abschnitt werden die Hypothesen zum freiberuflichen Überleben
der Gründung anhand der Determinanten des mikro-sozialen Umfelds gebildet.
Dem voran steht die personenbezogene Hypothesenbildung über den Familienstand, der Anzahl der Kinder im Gründerhaushalt sowie die regionale Herkunft.
Aus den vorgestellten empirisch gestützten Untersuchungen ergeben sich keine
eindeutigen Einflüsse des Familienstandes oder der Anzahl von Kindern im
Haushalt auf die Wahrscheinlichkeit des Überlebens einer Gründung. Grundsätzlich ist daher auch von einem fehlenden Einfluss dieser Größen auf die freiberufliche Überlebenschance auszugehen. Erwartet wird für beide mikrosozialen Determinanten kein Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Überlebenschance.
H3 Erfolg: Der Familienstand hat keinen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
H4 Erfolg: Kinder im Haushalt haben keinen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
Aus den bisherigen Studien zum Zusammenhang des geografischen Umfeldes
und dem Gründungserfolg kann auf die Ergebnisse von Simon (2002) und Heil
(1997) zurückgegriffen werden. Demnach hat die geografische Herkunft aus den
ostdeutschen Bundesländern einen negativen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Gründung. Die These erscheint auch plausibel vor dem Hintergrund der schwächeren ostdeutschen Wirtschaftskraft und der damit verbundenen geringeren Nachfrage von Dienstleistungen der Freien Berufe.
H5 Erfolg: Eine geografische Herkunft aus den ostdeutschen Bundesländern hat einen negativen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
Als spezifischeren Ansatz der personenbezogenen Ansätze werden die Hypothesen zu Gründungserfolg auf Grundlage der allgemeinen, branchenspezifischen
und unternehmensspezifischen Ansätze der Humankapitaltheorie gebildet. Dazu
gehören der Schul-, Berufs-, und Hochschulabschluss sowie die Länge der Ausbildung zu den allgemeinen humankapitaltheoretischen Ansätzen und die vorhergehende Berufstätigkeit bzw. Selbständigkeit zu den branchenspezifischen
und unternehmensspezifischen Ansätzen.
130 Theorien der Gründungsforschung
Die allgemeine Humankapitaltheorie räumt Gründern mit einer höheren beruflichen Bildung eine tendenziell höhere Erfolgschance ein (vgl. Kap. 3.3.3). Ausgehend von den Produktivitätseffekten der Humankapitaltheorie wird angenommen, dass sich zunehmende schulische und berufliche Bildung, sowie über
die Jahre gesammelte Berufserfahrung, positiv auf die freiberuflichen Überlebenschancen auswirken. Ein solch positiver Einfluss auf die Überlebenschancen
einer Gründung ist grundsätzlich auch von einem Hochschulstudium zu erwarten. Allerdings wird dieser Einfluss von einigen Studien zum Gründungserfolg
der Selbständigen eher bezweifelt (vgl. für eine Übersicht: Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996, 46). Im Umfeld der Freien Berufe, welche insbesondere
durch ihre hochqualifizierten und geistigen Charakteristika geprägt sind, ist dagegen von einem positiven Einfluss eines Hochschulstudiums auf die Überlebenschancen einer Gründung auszugehen. Diese aus dem Humankapital abgeleiteten Erfolgsannahmen erwiesen sich in vergangenen Studien als sehr fruchtbar
(vgl. Simon 2002; Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996).
H6 Erfolg: Eine höhere Schulausbildung hat einen positiven Einfluss auf
die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
H7 Erfolg: Ein Hochschulabschluss hat einen positiven Einfluss auf die
Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
Auf den freiberuflichen Gründungserfolg in Form einer höheren Überlebenschance lassen sich auch die Annahmen der spezifischen Humankapitaltheorie
übertragen. Demnach sollten freiberufliche Gründer mit vorangegangenen
Kenntnissen als Selbständiger, als Vorgesetzter und mit speziellen Kenntnissen
der Gründungsbranche eine höhere Überlebenschance haben (vgl. Kap. 3.3.3).
Diese Annahmen werden auch in den vorhergegangenen empirischen Studien
gestützt (vgl. Brüderl, Preisendörfer, Ziegler 1996; Wanzenböck 1998).
Die spezifischen humankapitaltheoretischen Annahmen lassen sich noch gezielter auf den freiberuflichen Gründungserfolg beziehen. Eine vorhergehende
Berufserfahrung in einem, der den Freien Berufen nahekommenden, charakteristischen Umfeld sollte die Überlebenschancen der freiberuflichen Gründer erhöhen. Auf das freiberufliche Umfeld konkretisiert, sind positive Effekte auf die
Überlebenswahrscheinlichkeit der Gründung von vorhergehenden Tätigkeiten
als Angestellter oder als Selbständiger zu erwarten. Ein negativer Einfluss dürfte
von zu den Freien Berufen untypischen Tätigkeiten, wie eine vorhergehende Beschäftigung als Arbeiter, ausgehen. Diese, auf den freiberuflichen Gründungserfolg bezogenen, theoriegeleiteten Annahmen der Produktivitäts- und Selektionseffekte der Humankapitaltheorie, sowie die Annahmen zu den freiberuflichen
Besonderheiten, lassen sich mit dem Theorieansatz der Push- und Pull-Faktoren
durch ein psychologisches Moment erweitern. Das Theoriemodell der Push- und
Pull-Faktoren unterstellt den Gründern aus der Arbeitslosigkeit eine geringere
Überlebenschance. Die „Flucht“ in die Selbständigkeit sei der Ausdruck einer
ungewollten Existenzgründung. Ihnen werden ein fehlender unternehmerischer
Theorien der Gründungsforschung 131
Geist sowie kurzfristige Beweggründe zur Einkommenssicherung nachgesagt,
welche einem dauerhaften betrieblichen Erfolg im Wege stehen (vgl. Kap.
3.3.2). Übertragen auf den freiberuflichen Gründungserfolg ist demnach von
einer geringeren Überlebenswahrscheinlichkeit bei freiberuflichen Gründungen
aus der Arbeitslosigkeit oder einer vorhergehenden nicht Erwerbstätigkeit
auszugehen. Gestützt werden diese Annahmen wiederum durch die Humankapitaltheorie, die einen abnehmenden Produktivitätseffekt postuliert, je länger die
Kenntnisse und Erfahrungen zurückliegen, „Abschreibungseffekt auf Humankapital“ (vgl. Kap. 3.3.3).
Aus der Verbindung humankapitaltheoretischer Überlegungen, den Push- und
Pull-Faktoren sowie den freiberuflichen Charakteristika, lassen sich mehrere
Hypothesen zu den Überlebenschancen freiberuflicher Gründungen bilden. Diese lassen sich nun über die allgemeine Wirkung einer vorhergehenden Berufserfahrung hinaus weitergehender spezifizieren. Demnach sollte sich der positive
Einfluss vorhergehender Berufserfahrungen auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung verstärken, wenn diese in einem charakteristischen freiberuflichen Umfeld gesammelt wurden. Positive Einflüsse sind demnach in einer vorhergehenden Tätigkeit als Angestellter oder Selbständiger zu
vermuten.
H8 Erfolg: Eine vorhergehende selbständige Tätigkeit hat einen positiven
Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen
Gründung.
Negative Einflüsse werden bei vorhergehenden Tätigkeiten vermutet, die nicht
den freiberuflichen Charakteristika entsprechen, wie beispielsweise vorhergehende Tätigkeiten als Arbeiter, aber auch eine vorhergehende Arbeitslosigkeit
oder auch nicht Erwerbstätigkeit. Hier ergänzen und erweitern die Annahmen
der Humankapitaltheorie und die erweiterten psychologischen Ansätze der Pushund Pull-Faktoren die theoriegeleitete Gründungsperspektive.
H9 Erfolg: Eine vorhergehende Arbeitslosigkeit hat einen negativen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen
Gründung.
H10 Erfolg: Eine vorhergehende nicht Erwerbstätigkeit hat einen negativen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
H11 Erfolg: Eine vorhergehende Tätigkeit als Beamter hat einen negativen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
Nach den personenbezogenen werden nun die betriebsbezogenen Faktoren auf
ihren Einfluss zur Wahrscheinlichkeit des Überlebens einer freiberuflichen
Gründung behandelt. Dazu gehören die Arbeitszufriedenheit, die Kammerberufe, und die Berufsgruppe.
132 Theorien der Gründungsforschung
Ein subjektiver Indikator des Gründungserfolges ist die Zufriedenheit mit der
Arbeit. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Annahmen bei der Gründungsaktivität steht nun nicht mehr die Arbeitszufriedenheit aus der vorhergehenden
beruflichen Tätigkeit, sondern die subjektive Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen der Gründung selbst im Fokus. Dabei kann die Zufriedenheit mit der
Arbeit als ein Sammelbecken aller innerlichen und äußerlichen betrieblichen
Bedingungen während der Gründungsphase interpretiert werden. Zwar ist auch
eine hohe Zufriedenheit mit der Arbeit bei anhaltenden monetären Verlusten
denkbar, doch erscheint dies vor dem Hintergrund der generell unterstellten
Erfolgsabsicht eines freiberuflichen Gründers eher unwahrscheinlich. Vielmehr
werden sich auch finanzieller Erfolg oder Misserfolg in der Zufriedenheit mit
der beruflichen Aufgabe offenbaren (vgl. Brüderl, Preisendörfer und Ziegler
1996). Daher wird einer höheren Zufriedenheit mit der Arbeit ein positiver Einfluss auf die Überlebenschance unterstellt.
H12 Erfolg: Eine subjektiv negative Einschätzung der Arbeitszufriedenheit hat einen negativen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit
einer freiberuflichen Gründung.
Ein zuverlässiger Indikator für den Gründungserfolg sollte das Einkommen aus
freiberuflicher Tätigkeit darstellen. Erzielen die freiberuflichen Gründer bereits
im ersten Jahr nach der Gründung ein höheres Einkommen aus freiberuflicher
Tätigkeit, so sollte dies die Erfolgsaussichten für ein dreijähriges Überleben der
Gründung verbessern. Die Gründer mit einem höheren Einkommen sollten
gegenüber den Gründer mit einem niedrigeren Einkommen die Gründungsphase
wesentlich besser überstehen, da ihnen ein erster Erfolg unterstellt werden kann
und sie über einen größeren finanziellen Spielraum und damit auch eine bessere
Zukunftsperspektive verfügen.
H13 Erfolg: Eine höheres Einkommen aus freiberuflicher Tätigkeit im
ersten Jahr nach der Gründung hat einen positiven Einfluss auf die
Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
Folgend werden betriebsbezogene Hypothesen auf der theoretischen Grundlage
des unvollkommenden Wettbewerbs aus der Industrieökonomie gebildet. Die
Annahmen des unvollständigen Wettbewerbs eignen sich insbesondere zur Abbildung der freiberuflichen Besonderheit des Kammerwesens (vgl. Kap. 3.3.6).
Wenn auch in den einzelnen freien Kammerberufen mit einer unterschiedlichen
Intensität in den freiberuflichen Wettbewerb eingegriffen wird, so kann dennoch
von einer generellen Wirkung der Marktzutrittsbarrieren auf die Wahrscheinlichkeit des Überlebens einer freiberuflichen Gründung ausgegangen werden.
Vermutet wird bei den Gründungen in den kammerfähigen Freien Berufsbildern
eine höhere Überlebenschance als bei den kammerlosen freiberuflichen Gründungen. Während die kammerlosen freiberuflichen Gründungen dem Markt frei
ausgesetzt sind, unterliegen die Gründer der kammerfähigen Freien Berufe
Theorien der Gründungsforschung 133
gewissen Schutzmechanismen der Kammern, welche sie vor einer freien Konkurrenz beschützt.
H14 Erfolg: Gründungen innerhalb der kammerfähigen Freien Berufe
haben einen positiven Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit
einer freiberuflichen Gründung.
Ceteris paribus wird den kammerlosen Gründungen eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit eingeräumt, da sie dem Wettbewerb der freien Marktkräfte
ausgesetzt sind.
Die Freien Berufe lassen sich in vier, durch ihre Tätigkeiten geprägt, Berufsbilder unterteilen. Dies sind die Freien Heilberufe, die Freien rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe, die Freien technischen und naturwissenschaftlichen
Berufe sowie die Freien künstlerischen, publizistischen und pädagogischen
Berufe (vgl. Kap. 2.1). Direkte Annahmen über den Einfluss einzelner Berufsgruppen auf die Überlebenswahrscheinlichkeit liegen in der Literatur bisher
nicht vor. Annahmen über deren Einfluss lassen sich nur indirekt ableiten. So
wird für die Gruppe der Künstler eher eine geringere Überlebenschance angenommen, da in ihr die geringste Dichte an kammerfähigen Freien Berufe vorzufinden ist. Dadurch sind sie dem freien Wettbewerb am stärksten ausgesetzt und
es wird eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit vermutet. Andererseits
sind aus den Angaben der Kammern die Spitzenverdiener zumeist in den Freien
Heilberufen und den Freien rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen zu finden
(vgl. Pannenberg 1998). Zwar ist auch in den einzelnen Berufsgruppen eine relativ große Spannweite der Einkommen bekannt, doch lassen sich indirekt Annahmen für eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit ableiten.
Daraus ergeben sich folgende Hypothesen zur Überlebenswahrscheinlichkeit
freiberuflicher Gründungen.
H15 Erfolg: Gründungen in der Gruppe der Freien technischen und naturwissenschaftlichen Berufe haben einen positiven Einfluss auf die
Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
H16 Erfolg: Gründungen in der Berufsgruppe der Freien Heilberufe haben einen positiven Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung
H17 Erfolg: Gründungen in der Berufsgruppe der Freien rechts- und
wirtschaftsberatenden Berufe haben einen positiven Einfluss auf die
Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung.
Insgesamt wurden 17 Hypothesen zur Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung gebildet. Eine Übersicht zu den vermuteten Einflussrichtungen der Determinanten folgt nach dem Abschnitt der Hypothesen zum Gründungserfolg des Einkommens.
134 Theorien der Gründungsforschung
3.6.3 Hypothesen zum Gründungserfolg des Einkommens
Indikator für den Erfolg ist im Einkommensmodell ein höheres Einkommen aus
freiberuflicher Tätigkeit. Das Einkommen der Freien Berufe wird in drei Gruppen unterteilt: einem „niedrigeren Einkommen“, einem „mittleren Einkommen“
und einem „höheren Einkommen“. Die Bildung der Hypothesen zum Einkommen beruht auf die Einflussrichtung der Determinanten zur Wahrscheinlichkeit
einer höheren Einkommensgruppe anzugehören. Die Hypothesen werden zunächst für die demografischen Merkmale im personenbezogenen Umfeld gebildet.
Zuerst wird aus dem personenbezogenen Umfeld der demografischen Merkmale
der Einfluss des Geschlechts auf ein hohes freiberufliches Einkommen behandelt. Aus den vorliegenden empirischen Untersuchungen zum Einfluss des Geschlechts auf den Gründungserfolg stellte Wanzenböck (1998) eine geringere
Überlebenswahrscheinlichkeit bei Gründungen von Frauen fest. Darüber hinaus
kommt Heil (1999) in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass Frauen gegenüber
den Männern ein geringeres Wachstum unmittelbar nach der Gründung aufweisen. Überträgt man die Ergebnisse auf das freiberufliche Umfeld, so sollte auch
das freiberufliche Einkommen der Frauen gegenüber den Männern geringer ausfallen.
H1 Einkommen: Frauen haben gegenüber den Männern eine geringere
Wahrscheinlichkeit auf ein höheres freiberufliches Einkommen.
Aus den humankapitaltheoretischen Überlegungen heraus werden den freiberuflichen Gründern, wie zu den Überlebenschancen, mit einem höheren allgemeinen Humankapital bessere Chancen auf ein höheres freiberufliches Einkommen
unterstellt. Die Theorie begründet diesen Einfluss des Humankapitals mit seinen
Produktivitäts- und Selektionseffekten (vgl. Kap. 3.3.3).
Die Produktivitätseffekte sprechen den Freiberuflern mit einer längeren Ausbildungszeit oder einem Hochschulabschluss eine bessere Umsetzung des Gründungsvorhabens zu. Indirekt lassen sich aus den Selektionseffekten bessere
Startbedingungen zum Gründungszeitpunkt und damit auch bessere Erfolgsaussichten auf ein höheres Einkommen einräumen.
Demnach sollten Freiberufler mit einem Hochschulabschluss oder einer längeren
Ausbildungsdauer eine bessere Chance auf ein höheres freiberufliches Einkommen haben.
H2 Einkommen: Eine längere Ausbildungsdauer hat einen positiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines höheren freiberuflichen Einkommens.
H3 Einkommen: Ein Hochschulabschluss hat einen positiven Einfluss auf
die Wahrscheinlichkeit eines höheren freiberuflichen Einkommens.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit verfolgt die theoretische, methodische und empirisch fundierte Analyse des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Um die Fragestellung “Welche Determinanten beeinflussen die Gründungsaktivität und den Gründungserfolg von Freiberuflern?“ wird das Spektrum über die Phasen vor der Gründung bis zur Etablierung der freiberuflichen Tätigkeit am Markt erfasst.
Auf Grundlage des SOEP-Panels und einer Onlineerhebung tragen die Ergebnisse zu einem Erkenntnisgewinn des freiberuflichen Gründungsgeschehens bei. Gewürdigt wird dabei insbesondere die Praxis mit vielen neuen Ergebnissen aus den empirisch neu gewonnenen Daten zum Gründungsgeschehen der Freien Berufe.
Dr. Peter Paic studierte BWL und Ökonomie in Hamburg. 2008 Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Zurzeit ist er Referent im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) in Düsseldorf.