Theorien der Gründungsforschung 99
dungsforschung für das freiberufliche Gründungsgeschehen überprüften und
ausgewählten Theorieansätze nicht abschließender Natur. Sie stellen vielmehr
einen ersten Schritt zur Übertragung empirisch erfolgreich getesteter Theorieansätze auf das Gründungsgeschehen der Freien Berufe dar. Vor der Ableitung
konkreter Hypothesen aus den einzelnen theoriegeleiteten Modellen werden die
Ergebnisse aktueller empirischer Untersuchungen zum Gründungsgeschehen
skizziert. Gewonnene Erkenntnisse und Regelhaftigkeiten zum Gründungsgeschehen aus den bisherigen empirischen Arbeiten sollen, sofern sie sich auf die
Freien Berufe übertragen lassen, in die vorliegende Untersuchung einfließen.
3.4 Aktuelle empirische Untersuchungen
Behandelte das vorhergehende Kapitel die Aspekte eines theoriegeleiteten Fundaments für die freiberufliche Gründungsforschung, stehen nun Erkenntnisse
aus den empirischen Untersuchungen zum Gründungserfolg und der Gründungsaktivität im Vordergrund. In diesem Kapitel wird ein Überblick zu neun
ausgewählten Studien aus den Jahren 1993 bis 2003 gegeben. Zur Auswahl gelangten Studien, welche sich gezielt mit der Thematik der Gründungsaktivität
und/oder mit dem Gründungserfolg von Selbständigen und freiberuflichen
Gründern auseinandersetzen. Ebenso mussten die Studien empirisch gestützt
sein und auf multivariate statistische Auswertungsverfahren zurückgreifen.
Die Betrachtung und Bewertung der vorgestellten Forschungsarbeiten soll dem
Ziel dienen, die beiden Untersuchungsmodelle zur freiberuflichen Gründungsaktivität und dem freiberuflichen Gründungserfolg um empirisch belegte Erkenntnisse und Regelhaftigkeiten aus der Gründungsforschung zu erweitern.
Da die Freien Berufe in ihrer Gesamtheit bisher eher selten Gegenstand der Forschung waren, werden in erster Linie Studien vorgestellt, die sich dem Gründungsverhalten der Selbständigen widmen. Die Erkenntnisse dieser Studien sollen auf ihre Plausibilität und mögliche Übertragung ins freiberufliche Gründungsumfeld diskutiert werden. Darüber hinaus werden zwei Studien vorgestellt
die sich explizit mit dem Gründungsverhalten der Freiberufler beschäftigen.
Zuerst werden die Ergebnisse aus sieben Studien zum Gründungsverhalten der
Selbständigen zusammenfassend skizziert und auf eine Übertragung ihrer Erkenntnisse auf die Freien Berufe überprüft. Dies sind die Studien und Ergebnisse
von Fritsch (1994), Pfeiffer (1994), Brüderl, Preisendörfer, Ziegler (1996), Heil
(1997, 1999), Wanzenböck (1998) und Uhly (2000). Darüber hinaus werden
zwei Studien aus dem freiberuflichen Gründungsumfeld von Simon (2002)
sowie Merz und Paic (2003) vorgestellt. Die einzelnen ausgewählten Studien
werden chronologisch nach ihrer Veröffentlichung aufgeführt. Der Abschnitt
endet mit einem Überblick zum Stand der empirisch und methodisch fundierten
Arbeiten aus der Gründungsforschung und schließt ab mit einem Fazit zur Übertragung bisheriger Erkenntnisse und Regelhaftigkeiten auf das Umfeld der freiberuflichen Gründungsaktivität und des Gründungserfolges.
100 Theorien der Gründungsforschung
3.4.1 Übersicht aktueller Studien
Fritsch 1994
Fritsch bezieht sich in seinen Untersuchungen zum Gründungsgeschehen in
Westdeutschland auf Daten der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für
Arbeit im Zeitraum von 1986 bis 1989. Dabei betrachtet er u.a. die Betriebsgrö-
ßenstruktur, d.h. die Anzahl der Beschäftigten zum Gründungszeitpunkt und das
Humankapital der Gründer (Fritsch 1994).
Als Neugründungen werden Betriebe definiert, die erstmalig in der Beschäftigtenstatistik erscheinen, auch im darauffolgenden Jahr enthalten sind und im
zweiten Jahr weniger als 50 Beschäftigte aufweisen. In den Auswertungen der
Studie erweist sich die Betriebsgrößenstruktur der gegründeten Unternehmen als
außerordentlich klein. Deutlich mehr als 80 Prozent der Gründungen haben weniger als 10 Beschäftigte und gut 90 Prozent haben weniger als 50 Beschäftigte.
Die Untersuchung der Korrelation zwischen Gründungsrate und regionaler
Betriebsgrößen bestätigt, dass vermehrt Kleinbetriebe durch Existenzgründungen entstehen. Die positive Korrelation zwischen Gründungsrate und Anteil der
Beschäftigten in Kleinbetrieben ist für die untersten Größenklassen am stärksten
ausgeprägt. Dabei nehmen die Werte der Korrelationskoeffizienten mit steigender Betriebsgröße ab. Mit Zunahme der Beschäftigtenzahl bedeutet dies, dass
die Häufigkeit der Gründungen abnimmt. Ausgenommen dem verarbeitenden
Gewerbe, hier liegt eine negative Korrelation vor. Es konnte eine sehr hohe
positive Korrelation zwischen Betrieben mit weniger als fünf Beschäftigten und
der Wahrscheinlichkeit einer Existenzgründung festgestellt werden (Fritsch
1994, 25).
Weiter untersucht Fritsch die Betriebsgrößenstruktur und die Qualifikation der
Gründer (Humankapital) anhand einer Regressionsanalyse zur Erklärung der
regionalen Gründungsrate. Angegeben sind Beta-Koeffizienten, welche sich als
Maße für die relative Bedeutung der verschiedenen Einflüsse interpretieren lassen. Da sich die Daten auf die vorher durchgeführte Korrelation stützen, ist ein
ähnlicher Trend bei der Regressionsanalyse für die Betriebsgrößenstruktur zu
erkennen. So scheint für die Gründungsaktivitäten im Dienstleistungsbereich der
Anteil der Arbeitnehmer in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten relevant
zu sein. Für Gründungen im verarbeitenden Gewerbe der Anteil der Arbeitnehmer unter 200 Beschäftigten. Für alle Sektoren ergibt sich der stärkste Zusammenhang mit der Gründungsrate für den Anteil der Arbeitnehmer in Betrieben
mit weniger als 100 Beschäftigten. Förderlich für Gründungen ist offenbar ein
hohes regionales Qualifikationsniveau. So werden die Gründungsaktivitäten im
Dienstleistungsbereich vom Anteil qualifizierter Angestellter positiv beeinflusst.
Dies ließe sich dahingehend interpretieren, dass sich die Gründer aus Dienstleistungsbetrieben insbesondere aus diesen Qualifikationsgruppen rekrutieren. Bei
den Gründungsaktivitäten im verarbeitenden Gewerbe ist hingegen ein
Theorien der Gründungsforschung 101
deutlicher positiver Zusammenhang mit den Meistern und Polieren zu verzeichnen (Fritsch 1994, 29 ff).
In der Gesamtschau kommt Fritsch zu dem Ergebnis, dass ein höheres Qualifikationsniveau und die Betriebsgrößenstruktur von Kleinbetrieben einen positiven Einfluss auf eine Unternehmensgründung haben. Dabei gilt, je kleiner die
Betriebsgröße, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Gründung aus dem Betrieb heraus.
Aus der Untersuchung von Fritsch sind drei zentrale Ergebnisse für das
freiberufliche Gründungsgeschehen interessant. Zum einen ist der Grossteil der
Existenzgründungen, mit Ausnahme des verarbeitenden Gewerbes, sehr klein.
Dieses Ergebnis deckt sich auch mit den Annahmen zur Betriebsgrößenstruktur
der freiberuflichen Gründungen. Ferner werden die Gründungen im Dienstleistungsbereich, welcher dem Bereich der Freien Berufe am nächsten kommt, vom
Anteil der qualifizierten Angestellten positiv beeinflusst.
Das die Wahrscheinlichkeit eines Gründungserfolges ansteigt, je höher die Bildung des Gründers und je kleiner die Betriebsgröße ist, lässt sich grundsätzlich
auch auf die Freien Berufe übertragen.
Demnach gründen vornehmlich Personen, die zuvor in Kleinbetrieben tätig waren und über ein hohes Qualifikationsniveau verfügen. Diese These lässt sich
auch plausibel auf das freiberufliche Gründungsgeschehen übertragen.
Pfeiffer 1994
Pfeiffer untersuchte in seinen Studien zur Selbständigkeit und abhängigen Erwerbstätigkeit u.a. die sozioökonomischen Determinanten der Altersverteilung,
Arbeitszeit und der subjektiven Zufriedenheit auf der Datengrundlage des Sozio-
ökonomischen Panels (SOEP). Die dem SOEP zugrundeliegende Stichprobenselektion bezieht sich auf Personen die mindestens einmal zwischen 1984 und
1989 erfolgreich befragt worden sind. Dies sind Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit, welche 1984 mindestens 25 Jahre und 1989 nicht älter als 65 Jahre
waren.
In den Ergebnissen der Untersuchung kommt Pfeiffer u.a. zu der Schlussfolgerung, dass eine Gründungsaktivität selten zu Beginn des Berufslebens erfolgt,
sondern eher von den älteren abhängig Erwerbstätigen durchgeführt wird. Für
die Selbständigen werden im Vergleich zu den Arbeitnehmern im Durchschnitt
wesentlich höhere Arbeitszeiten festgestellt. Trotz der unterschiedlichen Arbeitszeiten gab es keine Unterschiede in der subjektiv geäußerten Arbeitszufriedenheit in den beiden Erwerbsgruppen (Pfeiffer 1994, 24 ff.).
Aus den Humankapitalvariablen bestimmt Pfeiffer u.a. die Berufserfahrung und
Schulbildung für Westdeutschland im Jahr 1984. Die Ergebnisse zeigen, dass
Selbständige im Durchschnitt eine etwa drei Jahre längere Berufserfahrung als
Arbeitnehmer aufweisen. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass eine höhere
102 Theorien der Gründungsforschung
Allgemeinbildung den Zugang zu rechtlichen und organisatorischen Aspekten
einer Existenzgründung vereinfachen kann. So haben die Selbständigen in den
Stichproben durchschnittlich eine höhere Schulausbildung als die Arbeitnehmer.
Allerdings besteht im Gegensatz dazu die Möglichkeit, mit einer geringen
Berufserfahrung und Schulbildung den Weg zur Selbständigkeit zu wählen, da
die eigene Qualifikation für die Tätigkeiten im öffentlichen Dienst oder im Management nicht ausreicht (Pfeiffer 1994, 126 ff.).
Die Anteile der Berufsausbildungsabschlüsse variiert in den Erwerbsgruppen
erheblich. So verfügen mehr Selbständige über einen Universitätsabschluss oder
einen Fachhochschulabschluss als Arbeitnehmer. Insgesamt besitzen 44,5 Prozent der Selbständigen einen Hochschulabschluss. Bestimmend ist dabei die
Gruppe der Freien Berufe. Innerhalb der Freiberufler verfügen gerade einmal ein
Prozent über keinen Berufsabschluss (Pfeiffer 1994, 142).
Des Weiteren untersucht Pfeiffer die Wahrscheinlichkeit einer selbständigen
Erwerbstätigkeit. Dazu überprüft er u.a. den Einfluss von Berufserfahrung und
Schulbildung auf die Wahrscheinlichkeit einer Existenzgründung. Dabei verwendet Pfeiffer zur Festlegung der Determinanten der Auswahlwahrscheinlichkeit den Likelihood-Ansatz. Durch einen zweiseitigen t-Test wird die Signifikanz der Determinanten, wie z.B. Berufserfahrung und Schulbildung, gewährleistet. Für das Ergebnis von 1984 zeigt sich, dass Erwerbstätige mit einem
höheren Humankapital auch mit höherer Wahrscheinlichkeit selbständig werden.
Die Wahrscheinlichkeit einer selbständigen Erwerbstätigkeit erhöht sich mit
einem zusätzlichen Schuljahr in der Gruppe der Erwerbstätigen, die maximal
einen Realabschluss besitzen (Pfeiffer 1994, 154 ff.). Pfeiffer konnte eine positive Korrelation von Humankapital und Selbständigkeit nachweisen.
Fasst man die Ergebnisse Pfeiffers zusammen, nimmt innerhalb des Beobachtungszeitraumes das Alter der Selbständigkeit zu. Trotz längerer Arbeitszeit bei
den Selbständigen im Vergleich zu den Arbeitnehmern konnte kein Unterschied
in der Arbeitszufriedenheit festgestellt werden. Selbständige weisen eine längere
Schulbildung und Berufserfahrung als Arbeitnehmer auf. Am häufigsten sind bei
den Existenzgründern hinsichtlich eines Hochschul- und Berufsabschlusses die
Freien Berufe vertreten. Die Wahrscheinlichkeit einer selbständigen Erwerbstätigkeit erhöht sich, wenn eine langjährige Berufserfahrung und Schulbildung
vorliegt.
Pfeiffer belegt mit seiner Untersuchung die Annahme einer hohen Humankapitalausstattung der Freien Berufe aufgrund ihrer spezifischen beruflichen Charakteristika. Darüber hinaus bestätigt er die Annahmen aus der Humankapitaltheorie in ihren Selektionseffekten indem er nachweist, dass eine höhere Allgemeinbildung eine Gründung erleichtert und die Wahrscheinlichkeit der Gründungsaktivität mit einer höheren Humankapitalausstattung ansteigt. Letztere Annahmen
lassen sich auch theoretisch geleitet durch die Humankapitaltheorie auf das freiberufliche Gründungsgeschehen übertragen. Letztlich kommt Pfeiffer zu zwei
Theorien der Gründungsforschung 103
weiteren, auch für die Freien Berufe interessanten Ergebnissen. Zum einen finden die Gründungen nicht zu Beginn des Berufslebens statt, sondern in einem
höheren Alter und zum anderen gab es keine Unterschiede zwischen den Selbständigen und den Arbeitnehmern in der subjektiv geäußerten Arbeitszufriedenheit. Überträgt man beide Ergebnisse auf die Freien Berufe, dann finden auch
freiberufliche Gründungen nicht zu Beginn des Berufslebens sondern in einem
höheren Alter nach vorheriger Erwerbstätigkeit statt. Die subjektive Arbeitszufriedenheit wiederum eignet sich nach den Untersuchungsergebnissen Pfeiffers
nicht als Erklärungsmoment einer Gründung.
Brüderl, Preisendörfer, Ziegler 1996
Brüderl, Preisendörfer und Ziegler beschreiben die Erfolgsaussichten neugegründeter Betriebe im Rahmen der Münchener Gründerstudie.
Grundlage ihrer Studie ist eine gezogene Stichprobe aus der Grundgesamtheit
aller Gewerbeanmeldungen der Jahre 1985 und 1986 der Industrie- und Handelskammern München und Oberbayern. Retrospektiv wurden die ausgewählten
Unternehmensgründer im Frühjahr 1990 mündlich nach dem Verlauf ihrer Existenzgründung befragt. Brüderl, Preisendörfer und Ziegler untersuchen u.a. die
Determinanten Alter, Schulausbildung, Branchenerfahrung sowie die Anzahl der
Beschäftigten.
Aus der Analyse des Datensatzes ergibt sich für Oberbayern ein Durchschnittsalter der erwerbstätigen Bevölkerung von 40 Jahren, bei den abhängigen Beschäftigten von 39 Jahren und bei den Selbständigen von 43 Jahren. Mit einem
Durchschnittsalter von 36 Jahren sind Oberbayerns Existenzgründer zum Zeitpunkt der Gründung deutlich jünger als ihre Pedanten im Bundesdurchschnitt.
Im Vergleich zu allen Erwerbstätigen konzentrieren sich die Gründer stärker auf
die Altersgruppen bis 40 Jahre. So sind 14 Prozent der Gründer jünger als 25
Jahre, 53 Prozent gründen im Alter von 25 bis 39 Jahren, 28 Prozent sind zwischen 40 und 54 Jahre alt und fünf Prozent sind älter (Brüderl, Preisendörfer und
Ziegler 1996, 83 f.).
Hinsichtlich der Schulbildung und der beruflichen Ausbildungsabschlüsse verfügen über 36 Prozent der oberbayrischen Existenzgründer über die Fachhochschulreife oder das Abitur. Existenzgründer mit einem beruflichen Ausbildungsabschluss absolvieren mit 23 Prozent überdurchschnittlich häufig ein Fach- und
Hochschulstudium. Dazu stehen im Gegensatz die abhängig Beschäftigten mit
einem Anteil von 14 Prozent bei den Fach- und Hochschulabschlüssen. Im Vergleich zu allen Erwerbstätigen in Oberbayern haben Existenzgründer häufiger
einen Berufsfachabschluss oder einen Meistertitel.
Zusammenfassend stellen die Autoren fest, dass die Existenzgründer bei den
allgemeinen Humankapitalfaktoren der schulischen und beruflichen Bildung
deutlich über dem Durchschnitt der erwerbstätigen Bevölkerung liegen (Brüderl,
Preisendörfer und Ziegler 1996, 85 f.).
104 Theorien der Gründungsforschung
Im Rahmen der Münchener Gründerstudie zeigt sich, dass Kleinbetriebe nicht
die dominierende Betriebsgröße bei den zukünftigen Existenzgründern darstellen. So machten sich mit 34 Prozent bzw. 29 Prozent in erster Linie Erwerbstätige aus Betrieben mit mehr als 10 bzw. mehr als 50 Beschäftigten selbständig
(Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996, 88).
Ferner untersuchten die Autoren die Überlebenswahrscheinlichkeit, die Beschäftigtenentwicklung und die Wiederholungsabsicht der Existenzgründer. Die Wiederholungsabsicht wird als ein Maßstab für die Zufriedenheit der Existenzgründer mit ihrer Selbständigkeit gewertet. Dabei bejahten 57 Prozent der Gründer
die Frage nach einer Wiederholung der jetzigen Existenzgründung.
Festgestellt wurde eine Korrelation zwischen der Überlebenswahrscheinlichkeit,
der Beschäftigungsentwicklung und der Wiederholungsabsicht bei Existenzgründern. Dabei wurde eine gegenseitige positive Beeinflussung gemessen.
Festgehalten werden kann, dass eine langjährige Branchenerfahrung das Fortbestehen und die Beschäftigungsentwicklung eines Unternehmens positiv beeinflusst. Schulbildung und Berufserfahrung wirken sich, bezüglich des Fortbestandes des Unternehmens, zum Vorteil der Gründer aus. Die Humankapitalfaktoren
Branchenerfahrung bzw. Bildung können uneingeschränkt bzw. eingeschränkt
als Erfolgsdeterminanten für Unternehmen gewertet werden. Dem entgegengesetzt sinkt die Beschäftigungsentwicklung mit steigender Berufserfahrung. Nach
der Untersuchung besteht im verarbeitenden Gewerbe die höchste Überlebenswahrscheinlichkeit für Existenzgründungen im Vergleich zu den anderen betrachteten Gründungsbranchen (Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996, 237).
Die Ergebnisse der Münchener Gründerstudie belegen die theoretischen Annahmen aus der Humankapitaltheorie. Demnach können die Branchenerfahrung
und die Bildung als Erfolgsdeterminanten für Unternehmen gewertet werden.
Übertragen auf den freiberuflichen Gründungserfolg heißt dies, eine größere
Branchenerfahrung und höhere Allgemeinbildung erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines freiberuflichen Gründungserfolges. Ebenfalls festgestellt wurde, dass
die Gründer eher aus größeren Betriebseinheiten stammen und dass es eine positive gegenseitige Korrelation zwischen der Überlebenswahrscheinlichkeit, Beschäftigungsentwicklung und Wiederholungsabsicht gibt. Diese Ergebnisse eignen sich ebenfalls für eine Übertragung auf das freiberufliche Gründungsgeschehen.
Heil 1997
Heil untersucht Unternehmungen die im Jahr 1992 gegründet wurden, anhand
der Indikatoren Umsatz, Beschäftigung, Umsatzproduktivität und Investitionen.
Die Unternehmen werden in den Jahren 1992 bis 1995 betrachtet und hinsichtlich dem Geschlecht, der Branche und der Region (alte und neue Bundesländer)
differenziert. Für eine echte Längsschnittuntersuchung werden neben einer ein-
Theorien der Gründungsforschung 105
maligen Befragung die Daten der DtA- Panelerhebungen herangezogen (Heil
1997, 3).
Betrachtet man das Umsatzwachstum zeigt sich, bei den beiden Geschlechtern
sowie in den verschiedenen Branchen, eine ähnlich kontinuierliche Entwicklung
bis zur Verdoppelung nach vier Jahren, jedoch auf unterschiedlichem Niveau.
Gleichzeitig findet ein kontinuierliches Beschäftigungswachstum von durchschnittlich sechs auf 9,2 Mitarbeiter mit deutlichen Unterschieden zwischen den
Geschlechtern und Branchen statt. Dabei konnte man feststellen, dass 80 Prozent
aller Neugründungen in der Anfangsphase neue Mitarbeiter einstellen. Zur Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsdynamik zeigt sich als gutes
Maß die Umsatzproduktivität (Umsatz pro Mitarbeiter). Es konnte zwar eine
gewisse Konstanz dieses Indikators festgestellt werden, aber dennoch sind gravierende Unterschiede in den jeweiligen Branchen und Regionen (insbesondere
zwischen Ost- und Westdeutschland) zu finden. Im Jahresdurchschnitt 1995
werden 171 TDM investiert, dabei sind vor allem die Größe der Unternehmungen (gemessen an Umsatz und Mitarbeiterzahl) und die Branche wesentlich. Als
problematisch in Bezug auf die Investitionstätigkeit gelten jedoch die Beschaffung von Kapital, die zurückhaltende Vergabe von Krediten bzw. Schwierigkeiten mit dem Absatz. Bemerkenswert erscheinen die Kontinuität und die Gleichmäßigkeit des Wachstums, die über alle Kriterien und alle Differenzierungen
hinweg auftreten und häufig sogar linearen Charakter haben (Heil 1997, 30 ff).
Aus den empirischen Ergebnissen von Heil sind für das freiberufliche Gründungsgeschehen die unterschiedlichen Verläufe des Umsatzwachstums je nach
Geschlecht, die Verdoppelung des Umsatzes nach vier Jahren sowie das kontinuierliche Beschäftigungswachstum interessant. Grundsätzlich kann auch bei
den Freien Berufen von geschlechtsspezifischen Unterschieden im Einkommen
und regionalen Unterschieden zwischen West- und Ostdeutschland ausgegangen
werden. Die Verdoppelung des Umsatzes nach vier Jahren kann als ein erstes
Messkriterium für den Erfolg einer Gründung herangezogen werden. Allerdings
differieren die Investitionssummen und Mitarbeiterzahlen der von Heil untersuchten Firmen erheblich vom Gefüge der Freien Berufe, so dass eine thesenförmige Übernahme aller Ergebnisse für den freiberuflichen Gründungserfolg
nicht ratsam erscheint.
Wanzenböck 1998
Wanzenböck untersucht die Entwicklung österreichischer Unternehmungen
während der ersten fünf Jahre nach der Gründung, um deren Verlauf anhand von
Wachstumsdaten wie des Bestandes und Zahl der Beschäftigten zu beschreiben.
In dieser Untersuchung wurden Unternehmen standardisiert telefonisch befragt,
die 1990 gegründet und als Neuzugang der Wirtschaftskammer Österreich verzeichnet wurden. Aus den Neuzugängen wurde eine Stichprobe von 1.360 Fällen
gezogen, von der nach verschiedenen Bereinigungen 363 tatsächliche Neugrün-
106 Theorien der Gründungsforschung
dungen als verwertbare Fälle verblieben. Im Zentrum der Befragung stehen personenbezogene Merkmale wie z.B. Geschlecht, Alter und Branchenerfahrung.
Außerdem wurden unternehmensbezogene Merkmale wie beispielsweise der
Standort, der Kammerbezirk und die Gründungsart untersucht (Wanzenböck
1998, 120).
Zielsetzung der Studie ist, die Zahl der Neugründungen, die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze sowie die Überlebensquoten und Wachstumsverläufe der neugegründeten Unternehmungen genauer zu untersuchen. Auf betriebswirtschaftlicher Ebene zielt die Untersuchung darauf ab, entwicklungskritische Phasen und
Faktoren zu analysieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das dritte Jahr nach der Neugründung
die höchsten Ausfallquoten aufweist. Im Durchschnitt haben neugegründete Unternehmen in Österreich in den ersten fünf Jahren ein Wachstum von 4 auf 7
Mitarbeitern zu verzeichnen. Die Analyse der Arbeitsplatzeffekte zeigt, dass
durchschnittlich 2,4 Arbeitsplätze für unselbständige Arbeitnehmer pro Gründung bestehen. Große Unternehmensgründungen wachsen schneller als kleine
(Wanzenböck 1998, 120 ff.).
Die bivariaten Analysen zeigen, dass das Überleben signifikant von der Anzahl
der Gewerbeberechtigungen, dem Geschlecht, der Branchenerfahrung und dem
Existenzbeitrag der Gründung abhängig ist. Die multivariate Analyse zeigt, dass
die Überlebenswahrscheinlichkeit in der Frühentwicklung ausschließlich durch
personenbezogene Humankapitalvariablen bestimmt wird (Wanzenböck 1998,
120 ff.).
Die Ergebnisse aus der Untersuchung von Wanzenböck zur Überlebenswahrscheinlichkeit der Gründungen lassen sich auch auf die Freien Berufe anwenden.
Als Erfolgsfaktoren denkbar und plausibel wären die Übertragung der Branchenerfahrung, des Startkapitals und des Geschlechtes.
Heil 1999
Aufbauend auf der Untersuchung von Heil 1997 werden hier in einer methodisch ähnlichen Folgeuntersuchung auch Unternehmensübernahmen, ein weiterer Gründungsjahrgang und der Gewinn der untersuchten Unternehmungen miteinbezogen. Dabei wird versucht, die Erfolgsfaktoren der wachstumsstarken Unternehmungen herauszustellen (Heil 1999, 3).
Die Erhebung der Ertragslage erfolgt über die Frage nach dem Gewinn vor
Steuern inklusive Geschäftsführergehalt, wobei fünf ordinale Antwortmöglichkeiten vorgegeben waren. Die Ergebnisse der Erstuntersuchung im Jahre 1997 in
Bezug auf die Neugründungen wurden qualitativ weitgehend bestätigt. Es gibt
einige quantitative Verschiebungen. Hinsichtlich von Übernahmen ergaben sich,
wie erwartet, höhere und weniger wachsende Werte als bei Neugründungen in
Bezug auf die Ertragslage. 5 Prozent der Neugründungen (bzw. 4 Prozent der
Theorien der Gründungsforschung 107
Übernahmen) erwirtschafteten 1997 einen Verlust, welcher größer als 30 TDM
war. Auf der anderen Seite erreichten jedoch bereits drei Jahre nach der Gründung die Hälfte der untersuchten Unternehmungen einen Gewinn von mehr als
30 TDM. Naturgemäß kommt es bei Neugründungen zu Anlaufverlusten, jedoch
ist ihre Gewinnentwicklung positiver als bei Unternehmensübernahmen. Eine
Analyse, in der nach den wachstumsstarken und wachstumsschwachen Unternehmen differenziert wurde, ermittelte als Einflussfaktoren der Wachstumsstärke das Geschlecht der Gründerperson (Männer erreichen ein höheres Unternehmenswachstum als Frauen), das Vorhandensein von Beteiligungspartnern, die
durch eine verbesserte Kapitalausstattung zum Unternehmenserfolg beitragen,
die Unterstützung durch die Familie und die intensive Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken. Besonders in den Freien Berufen und im
produzierenden Gewerbe sind wachstumsstarke Unternehmungen zu finden.
Weitere markante Einflussfaktoren mit einem positiven Effekt auf den Gründungserfolg beruhen in der Persönlichkeit des Gründers (eine höhere Risikobereitschaft steigert die Erfolgsaussichten) und äußeren Einflussfaktoren wie beispielsweise eine positive konjunkturelle Marktlage (Heil 1999).
Die von Heil erweiterte Untersuchung kommt zu einigen neuen Befunden die
auch für das freiberufliche Gründungsgeschehen von Interesse sind. Demnach
wachsen derivative Gründungen auf einem höheren Niveau langsamer als originäre Gründungen. Dieser Umstand lässt sich auch plausibel für die Freien Berufe annehmen. Darüber hinaus identifiziert Heil insbesondere bei den Freien Berufen eine hohe Wachstumsstärke, der Break-Even-Point wird von der Hälfte
der untersuchten Gründer nach drei Jahren erreicht.
Weniger überzeugend für den freiberuflichen Gründungserfolg erscheinen die
Ergebnisse zu den ermittelten Einfußgrößen auf die Wachstumsstärke. Wie
schon in der Studie von 1997 eignen sich die von Heil untersuchten Firmen,
aufgrund ihrer Kapitalstruktur und Größenordnungen, nur sehr eingeschränkt für
eine Übertragung in das freiberufliche Umfeld des Gründungserfolges.
Uhly 2000
Uhly untersucht in ihrer Arbeit die Eintrittsdeterminanten, die Erwerbsbedingungen und -verläufe unterschiedlicher Subgruppen von Selbständigen anhand
des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP). Auf Grundlage eines segmentationstheoretischen Bezugsrahmens unterteilt sie die Selbständigen in Selbständige
mit Beschäftigten, die sie als „Arbeitgeber-Selbständige“ bezeichnet, und „Selbständige ohne Beschäftigte“ („own-account“-Selbständige).
Diese Subgruppen werden wiederum nach dem erforderlichen Qualifikationsgrad der Tätigkeit gegliedert, so dass die Autorin insgesamt sechs Subgruppen
unterscheidet. Relevant für die Freien Berufe ist die Subgruppe der „Selbständigen hochqualifizierten bzw. professionellen Tätigkeiten“. Ein Eintritt in die
Selbständigkeit aus Gründen der Arbeitslosigkeit hat für das Segment der pro-
108 Theorien der Gründungsforschung
fessionellen Tätigkeiten keine Bedeutung, die durchschnittliche Verweildauer in
der Selbständigkeit ist im Vergleich länger als bei den weniger qualifizierten
Selbständigen. Die durchschnittlichen Einkommen der relevanten Subgruppe
sind deutlich höher als bei Arbeitnehmern, bei den „Arbeitgeber-Selbständigen“
sogar bedeutend höher. Frauen sind insbesondere unter den „Arbeitgeber-
Selbstständigen“ unterrepräsentiert, ebenso wie Ausländer. Der Anteil der „ownaccount“-Selbständigen bei den professionellen Tätigkeiten ist niedriger als bei
den qualifizierten und unqualifizierten Tätigkeiten. In ihrem Erwerbsverlauf ist
auch die Subgruppe der professionellen Tätigkeiten relativ unstabil. So verbleibt
nur ein kleiner Prozentsatz vier Jahre nach Eintritt in der Selbständigkeit, wobei
ein Großteil nicht in die Arbeitslosigkeit, sondern in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wechselt. Insgesamt ist eine Zunahme von professionalisierten
Tätigkeiten zu erkennen, besonders unter Erfordernis eines Hochschulstudiums
und im Vergleich zu den nicht-professionalisierten Subgruppen.
Uhly kommt in ihrer Studie zu einer Reihe von Ergebnissen, welche sich auf das
freiberufliche Gründungsgeschehen übertragen lassen. So kann grundsätzlich
auch bei einer freiberuflichen Gründungsaktivität kein Zusammenhang zwischen
Arbeitslosigkeit und Gründung unterstellt werden. Ebenso dürften auch bei den
freiberuflichen Gründungen Frauen und Ausländer unterrepräsentiert sein. Zwar
sind die Ergebnisse nicht uneingeschränkt auf die Freien Berufe übertragbar,
doch kommt die Subgruppe der „Selbständigen hochqualifizierten bzw. professionellen Tätigkeiten“ dem Berufsbild der Freien Berufe sehr nahe.
Simon 2002
Simon analysiert die Existenzgründungen von Unternehmern und Freiberuflern
mit den Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) im Zeitraum von 1990
bis 1997. Dabei sollen sozioökonomische Größen aus Sicht der Empirie in der
eigenen Untersuchung herausgearbeitet werden. Im Mittelpunkt stehen sozio-
ökonomische Determinanten, welche einen möglichst großen Einfluss auf die
Existenzgründung haben. Dazu zählen: Alter, Arbeitszeit, Geschlecht, Familienstand, Schulausbildung, die Berufs- und Hochschulausbildung sowie die Zufriedenheit der Existenzgründer.
Die größte Altersgruppe zum Zeitpunkt der Existenzgründung liegt demnach bei
den 41 bis 50 Jahre alten Gründern mit 36,9 Prozent, gefolgt von der Gruppe der
über 50jährigen mit 28,9 Prozent. Die geringste Gründungsquote wird in der Alterklasse der unter 30-jährigen mit 15,5 Prozent festgestellt. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Gründung beträgt 46 Jahre. So zeig. auch die Regression, dass die höchste Wahrscheinlichkeit für eine Existenzgründung mit knapp
68 Prozent in der Altersklasse der 30- bis 50-jährigen zu finden ist Bei den Geschlechtern liegt das Verhältnis der Gründungshäufigkeit bei einem Drittel zu
zwei Dritteln zugunsten der Männer. Im deskriptiven Teil der Untersuchung
sind beide Geschlechter noch annähernd gleich verteilt. In den Jahren 1992 und
Theorien der Gründungsforschung 109
1994 überwiegten sogar die weiblichen Existenzgründer. Obwohl bei der
deskriptiven Untersuchung nur ein gering höherer Anteil von männlichen
Existenzgründern zwischen 1990 bis 1997 festgestellt werden konnte, zeigt sich
bei der Regression eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit bei den männlichen
Gründern in Freien Berufen und als Unternehmer. Selbständige Freiberufler
bzw. Unternehmer scheinen zu gut 76 bzw. 79 Prozent männlich zu sein (Simon
2002, 80 f.).
Hinsichtlich der Arbeitszufriedenheit, die auf einer Skala von 0 bis 10 (maximal) von den Gründern eingeschätzt werden kann, wird mit einem durchschnittlichen Wert von 7,3 eine relativ hohe Arbeitzufriedenheit der Gründer gemessen. Ihr wird eine positive Wirkung auf die Wahrscheinlichkeit einer Existenzgründung beigemessen (Simon 2002, 82 f.).
Eine Überlebenswahrscheinlichkeit aufgrund des Familienstandes ließ sich in
den Untersuchungen nicht ableiten. Dagegen hat der Regressionskoeffizient der
ledigen Gründer einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer
freiberuflichen Existenzgründung (Simon 2002, 80).
Deutliche Unterschiede gibt es zwischen den Selbständigen und Freiberuflern
bei der Schulbildung (Humankapital). Während 52 Prozent der Unternehmer
zum Zeitpunkt der Gründung einen Hauptschulabschluss besitzen, sind dies bei
den Freiberuflern 20 Prozent. Dagegen besitzen 50 Prozent der Freiberufler zur
Gründung das Abitur gegenüber 10 Prozent der Unternehmer. Hier schlägt der
deutlich längere Ausbildungsweg von Freiberuflern durch, während bei den
Unternehmen der klassische Ausbildungsweg „Hauptschule, Ausbildung, Meisterprüfung“ dominiert. Bei den Unternehmern konnte ein positiver Zusammenhang zwischen Haupt- oder Realabschluss und der Überlebenswahrscheinlichkeit festgestellt werden. Für die Unternehmer mit einem Fach- oder Hochschulabschluss wurde eine kürzere Unternehmensdauer gemessen. Dies lässt für die
Unternehmen auf eine negative Beziehung zwischen Hochschulausbildung und
Überlebenswahrscheinlichkeit schließen.
Im Gegensatz dazu erwies sich eine längere Schulausbildung bei den Freien Berufen als positiv für deren Überlebenswahrscheinlichkeit. Ebenfalls ist den Fachund Hochschulabsolventen eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für eine
freiberufliche Existenzgründung nachgewiesen (Simon 2002, 81).
Anhand der gewonnenen Erkenntnisse wird ein sozioökonomisches Profil für
die Unternehmer und Freiberufler erstellt. Unternehmer sind demnach: „oftmals
eine männliche Person, Ende vierzig, mit Hauptschulabschluss und gewerblicher
Ausbildung, haben eine relativ hohe Arbeitszufriedenheit und sind zum Zeitpunkt der Gründung verheiratet“. Freiberufler sind demnach: „Oftmals eine
männliche Person, Anfang vierzig, mit abgeschlossenen Hochschulstudium,
haben eine relativ hohe Arbeitszufriedenheit und sind zum Zeitpunkt der Existenzgründung ledig“ (Simon 2002, 93 f.).
110 Theorien der Gründungsforschung
Die Untersuchung von Simon ist eine der wenigen Studien die sich explizit mit
dem Gründungsgeschehen der Freien Berufe auseinandersetzt. Grundlegende
Erkenntnisse wie der hohe Anteil männlicher Gründer, der positive Zusammenhang zwischen einer hohen Arbeitszufriedenheit und der Gründungsaktivität
sowie die positive Auswirkung einer längeren Schulausbildung auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung geben einige Anhaltspunkte für die vorliegende Untersuchung. Allerdings weichen einige Ergebnisse
der Studie wie beispielsweise der Einfluss der Arbeitszufriedenheit oder das Alter der Gründerpersonen von den Erkenntnissen anderer Studien ab (vgl. Merz
und Paic 2003; Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996).
Merz und Paic 2003
Die beiden Autoren untersuchen die Charakteristika und Bestimmungsfaktoren
für eine Existenzgründung von Freiberuflern und Unternehmern in der Bundesrepublik Deutschland anhand des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) für die
Jahre 1991 bis 2001. In einem über den Beobachtungszeitraum gepoolten Datenmodell wurden über 1.500 Gründungen, davon 459 freiberufliche Gründungen, untersucht. Als statistisches Schätzverfahren wird die logistische Regression verwendet (vgl. Merz und Paic 2003, 1).
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Gruppe der freiberuflichen Gründer von
den Unternehmensgründern hinsichtlich der persönlichen Charakteristika, des
mikrosozialem Umfeldes und des Humankapitals stark unterscheidet. Demnach
werden rund ein Drittel aller selbständigen Gründungen in der Bundesrepublik
Deutschland von freiberuflichen Gründern vorgenommen. Vor dem Hintergrund
dessen, dass etwa 20 Prozent der Selbständigen Freiberufler sind, wird damit die
Dynamik gerade der freiberuflich Erwerbstätigen deutlich. Im Jahr vor der
Gründung unterscheiden sich die freiberuflichen Gründer von den Unternehmensgründern hinsichtlich der persönlichen Charakteristika, einem leicht höheren Frauenanteil, einem höheren Altersdurchschnitt und durch höhere Einkommen, was sowohl den persönlichen Bruttoverdienst als auch das Haushaltseinkommens betrifft. Beide Gründergruppen sind mit ihrer Arbeit und ihrer
Gesundheit unmittelbar vor der Gründung eher zufrieden. Im mikro-sozialen
Umfeld zeichnen sich die freiberuflichen Gründer vor der Gründung vorwiegend
als Ledige und durch eine eher geringere Anzahl von Kindern im Haushalt aus.
Ein Großteil der Freiberufler verfügt gegenüber den Unternehmern vornehmlich
über Abitur und Hochschulausbildung, während bei den Unternehmern ein
Haupt-, Realabschluss sowie die Lehrausbildung im Vordergrund stehen (vgl.
Merz und Paic 2003, 18 f.).
Darüber hinaus wurde die Wahrscheinlichkeit in der nächsten Periode eine Existenz zu gründen mit dem Logit-Ansatz berechnet, welcher die konkurrierende
Erklärung bei der Bestimmung signifikanter Einflüsse berücksichtigt. Demnach
ist eine Gründung in einer späteren Lebensphase vor allem für Freiberufler
Theorien der Gründungsforschung 111
wahrscheinlicher. Dieser nichtlineare Alterseffekt ist trotz einer Kontrollierung
hinsichtlich der teilweise notwendigen längeren/höheren Ausbildung der Freiberufler eigenständig signifikant. Unternehmensgründer sind vor allem männlich,
für eine freiberufliche Gründung ist das Geschlecht nicht ausschlaggebend. Eine
Gründung ist wahrscheinlicher aus einer Selbständigkeit (als vorheriger Freiberufler bzw. Selbständiger) und Nichterwerbstätigkeit heraus als aus einer abhängigen Beschäftigung (vgl. Merz und Paic 2003, 19).
Freiberufliche Gründer sind vor allem ledig, der Familienstand spielt bei den
Unternehmensgründern keine signifikante Rolle, wohl aber die besondere Erwerbsmotivation, wenn der Partner im Ausland wohnt. Die Haushaltsgröße und
die Zahl der Kinder ist unbedeutend, im Gegensatz zum materiellen Hintergrund: ein höheres Haushaltseinkommen direkt vor der Gründung ist vor allem
bei den freiberuflichen Gründungen quantitativ bedeutender. Freiberufliche
Gründungen liegen - trotz „Aufbau Ost“ - vor allem in Westdeutschland vor
(vgl. Merz und Paic 2003, 19 f.).
Bestätigt wurden die Annahmen aus der allgemeinen Humankapitaltheorie. Ein
höheres persönliches Bruttoeinkommen vor der Existenzgründung als Indikator
höherer Humankapitalentlohnung erhöht die Gründungswahrscheinlichkeit in
beiden Gruppen. Auch ein höheres Bildungsniveau mit dem Abschluss Abitur
erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Gründung signifikant in beiden Gründergruppen. Für die freiberuflichen Gründungen ist der Abschluss einer Hochschulausbildung besonders einflussreich; allerdings deutet auch die Signifikanz des
Realabschlusses als höchster Schulabschluss auf die Heterogenität der Freiberuflergruppe (vgl. Merz und Paic 2003, 20).
Insgesamt zeichnet sich ein deutlicher, seit den 90ziger Jahren anhaltender,
Trend zu verstärkten freiberuflichen Gründungen ab. Über 35 Prozent aller
Gründungen aus der Selbständigengruppe werden von Freiberuflern vorgenommen. Als Resümee wird deutlich, dass es nicht die Existenzgründer gibt, sondern
dass sich gerade die Gruppe der freiberuflichen Gründungen von den sonstigen
Unternehmensgründungen nicht nur im bekannten Bezug ihres Berufsbildes, den
persönlichen Charakteristika, sondern auch hinsichtlich des mikro-sozialen Umfeldes und den humankapitalspezifischen Komponenten einer Existenzgründung
unterscheidet (vgl. Merz und Paic 2003, 20).
Da sich der Fokus der Untersuchung zu einem großen Teil explizit auf die
Gründungsaktivität der Freien Berufe bezieht, geben die gewonnenen Aussagen
ein erstes Bild zu den Charakteristika freiberuflicher Gründungsaktivitäten und
eignen sich im Besonderen für die Übertragung in das Untersuchungsmodell der
vorliegenden Studie. Die Studie zeigt deutlich die persönlichkeits- und berufsspezifisch geprägten Unterschiede zwischen den freiberuflichen- und den Unternehmensgründungen auf. Darüber hinaus gibt die Untersuchung wichtige Hinweise auf Einflussgrößen welche die Wahrscheinlichkeit einer freiberuflichen
Existenzgründung erhöhen. Festzuhalten bleibt ein Klärungsbedarf hinsichtlich
112 Theorien der Gründungsforschung
der hohen Gründungsrate der Freiberufler aus der Selbständigkeit. Dieser Aspekt soll im Kapitel zur SOEP Datenbasis aufgenommen und vertieft werden.
3.4.2 Zwischenfazit zu den empirischen Untersuchungen
Betrachtet man die Auswahl der vorgestellten empirisch gestützten Studien aus
der letzten Dekade, so überzeugen insbesondere die jüngeren Studien zum
Gründungsgeschehen mit einer theoretischen und empirischen Fundierung, sowie methodisch gehaltvollen statistischen Auswertungsverfahren. Wenn auch in
der Gesamtschau, neben den hier vorgestellten Untersuchungen, doch noch die
empirisch akzentuierten Arbeiten gegenüber den theoretisch fundierten Arbeiten
überwiegen, so ist doch in den jüngsten Studien ein deutlicher Trend zu einer
theoriegeleiteten Auseinandersetzung in der Gründungsforschung erkennbar.
In den vorgestellten Studien werden unterschiedlich anspruchsvolle statistische
Analyseverfahren der modernen Mikroökonomie eingesetzt. Das Repertoire
reicht von einfachen und multivariaten Regressionen über Logit- und Probit-
Modelle bis hin zu panelökonometrischen Ansätzen (vgl. Tab. 12).
Dennoch stellen im Gesamtbild der Forschungsdisziplin schlichte Grundauszählungen und bivariate Analysen, welche Zusammenhänge zwischen zwei Variablen isoliert von den sonstigen Variablen betrachten, keine Seltenheit dar (vgl.
Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996). Darüber hinaus sind viele Untersuchungen auch von methodischen Mängeln wie heterogene Populationen oder
kleinen nicht repräsentativen Stichproben geprägt (vgl. Schulte 2002).
Insgesamt ist in der deutschsprachigen Gründungsforschung ein verstärkter
Trend zur theoriegeleiteten Auseinandersetzung festzustellen. Als problematisch
erweist sich dabei eine oftmals fehlende „konzeptionell“ geführte theoriegeleitete Auseinandersetzung. Dies führt auch bei einem großen Teil der vorgestellten
Studien zu Problemen, da sich die Ergebnisse der Studien nur schwer miteinander vergleichen lassen oder sogar zu untereinander widersprechenden Aussagen
führen. Die Tabelle 12 gibt einen Überblick zur Auswahl empirischer Untersuchungen im Zeitraum zwischen 1994 und 2003. Die Studien werden nach ihrem
Datensatz und der Stichprobe, den endogenen Variablen, den exogenen Variablen und der ökonometrischen Methode verglichen. Eine Übersicht vorhergehender empirischer Studien zur Existenzgründung findet sich bei Pfeiffer (1994),
eine Übersicht aktueller Studien bei Schulte (2002).
Aus den Ergebnissen der vorliegenden Studien lassen sich zahlreiche wiederkehrende Regeln zur Gründungsaktivität und zum Gründungserfolg erkennen.
Einige dieser empirisch belegten Regelhaftigkeiten lassen sich plausibel auf das
freiberufliche Gründungsgeschehen übertragen. Darüber hinaus kann insbesondere auf die Erkenntnisse der beiden freiberuflichen Studien zum Gründungsgeschehen zurückgegriffen werden. Folgend werden die für das freiberufliche
Gründungsgeschehen übertragbaren Erkenntnisse aus den vorgestellten Studien
zusammengefasst.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit verfolgt die theoretische, methodische und empirisch fundierte Analyse des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Um die Fragestellung “Welche Determinanten beeinflussen die Gründungsaktivität und den Gründungserfolg von Freiberuflern?“ wird das Spektrum über die Phasen vor der Gründung bis zur Etablierung der freiberuflichen Tätigkeit am Markt erfasst.
Auf Grundlage des SOEP-Panels und einer Onlineerhebung tragen die Ergebnisse zu einem Erkenntnisgewinn des freiberuflichen Gründungsgeschehens bei. Gewürdigt wird dabei insbesondere die Praxis mit vielen neuen Ergebnissen aus den empirisch neu gewonnenen Daten zum Gründungsgeschehen der Freien Berufe.
Dr. Peter Paic studierte BWL und Ökonomie in Hamburg. 2008 Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Zurzeit ist er Referent im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) in Düsseldorf.