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Grundlage dieser mikroökonometrischen Verfahren ist die quantitative und qualitative Erweiterung der SOEP- Datenbasis hinsichtlich der Freien Berufe. Zum
einen werden die Daten im SOEP um ihre kritischen Wechsel innerhalb der
Selbständigengruppe berichtigt und zum anderen wird die SOEP Datenbasis um
die Informationen der Standesorganisationen und der Berufsgruppen erweitert.
Mit der eigenen FFB-Onlineerhebung zu den Freien Berufen werden insbesondere betriebsbezogene Daten, welche nicht vom SOEP abgedeckt werden, erhoben. Mit der Systematisierung nach dem Bezugsrahmen für die Gründungsforschung sollen ein Vergleich und die Überprüfung der Ergebnisse mit anderen
bisherigen und zukünftigen Studien ermöglicht werden.
3.3 Theoretische Ansätze in der Gründungsforschung
Seit Beginn der 90ziger Jahre wurden in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eine Vielzahl von Theorieansätzen zur Erklärung der Gründungsaktivität und des Gründungserfolges herangezogen. Da die Disziplin der Gründungsforschung über keinen in sich geschlossenen Theorieansatz verfügt, werden Erklärungsansätze aus den verschiedenen Fachbereichen wie der Ökonomie, der
Biologie, der Psychologie sowie disziplinübergreifende Ansätze auf die Gründungsforschung übertragen. In der Literatur, speziell zu den kleinbetrieblichen
Neugründungen, hat sich in zahlreichen empirischen Arbeiten eine Dreiteilung
der Theorieansätze etabliert (Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996; Müller-
Böling und Klandt 1990, 1993; Schüßler und Voss 1988; Hunsdiek und May-
Strobel 1986; Szyperski und Nathusius 1977).
Inhaltlich systematisiert die Dreiteilung die theoretischen Ansätze nach ihren
Merkmalen, welchen Einfluss sie auf die Erfolgschancen neugegründeter Betriebe nehmen, in personenzentrierte Ansätze, betriebszentrierte Ansätze und
umfeldzentrierte Ansätze. Mit den allgemeingehaltenen Erklärungen ist die theoretische Fundierung der drei Ansätze zunächst von einer eher trivialen Natur.
Brüderl, Preisendörfer und Ziegler (1996) stellen dazu fest:
„…Da der theoretische Kern dieser „Ansätze“ nicht mehr als allgemeine
Aussagen enthält, dass die jeweilige Variablengruppe für den Erfolg einer Neugründung „wichtig“ bzw. „besonders wichtig“ ist, handelt es
sich zunächst einmal eigentlich nur um Heuristiken, die die Zielrichtung
für die empirische Analyse vorgeben. In Verbund mit der konkreten empirischen Ausfüllung, den jeweiligen Schwerpunktsetzungen und den
vermuteten Mechanismen, über die die Faktoren wirken, kann man
gleichwohl von Theorien sprechen, und zwar von Theorien im Sinne von
bereichsbezogenen Leitlinien-Ansätzen“ (Brüderl, Preisendörfer und
Ziegler 1996, 33).
Diese systematisierte Dreiteilung in personen-, betriebs- und umfeldzentrierten
Ansätze wird für diese Studie übernommen. Folgend werden die drei Ansätze in
ihren inhaltlichen Aussagen kurz skizziert.
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Die personenbezogenen Ansätze schreiben der Person des Gründers einen zentralen Einfluss auf die Erfolgschancen der Gründung zu. Dies gilt sowohl für die
Gründungsaktivität an sich, als auch für den Erfolg der Gründung. Die Entscheidung zur Existenzgründung wird auf bestimmte Merkmale oder Einstellungen des (potentiellen) Gründers zurückgeführt. Die personenbezogenen Merkmale reichen von einfachen soziodemografischen Variablen wie dem Alter und
Geschlecht bis hin zu bestimmten Charaktereigenschaften wie Leistungsmotivation und Risikobereitschaft, welche dem idealen Unternehmensgründer zugesprochen werden (vgl. Preisendörfer 2002, 46 f., Gemünden und Konrad 2001,
123 f).
Klandt (1984) unterteilt die personenbezogenen Ansätze in zwei Merkmalsdimensionen:
1. Dimension: Merkmale der Person des Unternehmensgründers wie
dynamische Wesenszüge (von der allgemeinen Antriebsenergie, über
die Leistungsmotivation bis hin zu allgemeinen berufsbezogenen
Werthaltungen), Charaktereigenschaften, Fähigkeitswesenszüge, Geschlecht und Alter, momentane Gestimmtheit und physiologischmorphologische Faktoren.
2. Dimension: Merkmale des mikrosozialen Umfelds wie der privaten-,
beruflichen- und finanziellen Sphäre (Klandt 1984, 53).
Hinter dem betriebsbezogenen Ansatz der Leitlinientheorien steht die Hypothese
des „organizational imprinting“ von Stinchcombe (1965). Das Augenmerk liegt
hier auf den strukturellen Setzungen zum Zeitpunkt der Gründung eines Betriebes. Die Entscheidung zur Gründungsumsetzung übt einen dauerhaften Einfluss
auf die Entwicklung des Unternehmens aus. Innerhalb der Gründungsrealisation
sind dies beispielsweise materielle Investitionen, Miet- und Leasingverträge, die
Mitarbeiterauswahl oder die Festlegung von Arbeitsabläufen (vgl. Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996, 36 f.).
Die betrieblichen Basismerkmale tendieren zu einer gewissen Stabilität (vgl.
Pennings 1980, 135) und einmal getroffene Entscheidungen sind oftmals nicht
kurzfristig zu revidieren. Der Umfang möglicher Einflussfaktoren ist sehr groß
und reicht von den Finanzierungsaspekten bis zur Gründungsform. Einen Überblick möglicher Einflussfaktoren der Gründungsstruktur geben Müller-Böling
und Klandt (1990, 1993). Einige dieser „imprinting Faktoren“ sind auch auf das
freiberufliche Gründungsgeschehen übertragbar, wie beispielsweise die derivative oder originäre Gründungsform oder die Gründungsformen in einem Kammer- oder Kammerlosen Beruf.
Die Idee der umfeldbezogenen Ansätze greift die umweltbeeinflussenden Faktoren bei einer Unternehmensgründung auf. Gründungen finden in einem spezifisch geprägten Umfeld statt. Dabei nehmen die ökonomischen, sozialen und
politischen Begebenheiten einen Einfluss auf den Erfolg der Gründung. Brüderl,
Preisendörfer und Ziegler (1996) empfehlen den Augenblick auf die Nachfrage-
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seite zu legen und unterscheiden die drei Ebenen (1) Branche, (2) lokales und
regionales Umfeld, sowie die (3) gesamtwirtschaftliche und –gesamtgesellschaftliche Ebene (Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996, 39 ff.). Demnach
gelten als übergeordnete Einflussfaktoren u.a. die Einflüsse einer regionalen
Anbindung oder auch Markt- und Branchencharakteristika.
Die vorgestellten bereichsbezogenen Leitlinien weisen in ihrer angewendeten
Reinform zwar eine Reihe von Defiziten auf, doch eignen sie sich für eine Systematisierung des Spektrums von Merkmalen für den Gründungserfolg und geben einen Überblick möglicher Determinanten für die Gründungsaktivität und
den Gründungserfolg. Um zu theoretisch fundierten Aussagen zu gelangen,
greift die Gründungsforschung über die bereichsbezogenen Leitlinien-Ansätze
hinaus auf spezifischere Theorieansätze zurück. Diese Ansätze werden im Folgenden thematisiert und hinsichtlich ihrer Eignung im freiberuflichen Gründungsumfeld überprüft.
Aufgrund der Vielzahl spezifischer Theorieansätze ist eine Vorauswahl der
Theorielinien notwendig. Als Kriterium gilt deren bisherige Profilierung und
empirische Validität in der angewendeten Gründungsforschung sowie ihr Bezug
zum Kontext der Fragestellung. Dazu gehören die spezifischeren Ansätze aus
der Theorielinie der personenbezogenen Ansätze, die Institutionenökonomie, die
Industrieökonomie und die Organisationsökologie (vgl. Preisendörfer 2002;
Merz und Paic 2003; Schulte 2002; Brüderl, Preisendörfer und Ziegler 1996).
Die Theorielinien werden mit ihren spezifischen Modellen auf ihre Übertragbarkeit zur freiberuflichen Gründungsaktivität und dem Gründungserfolg überprüft.
Da sich die Theorieansätze zum Gründungserfolg und der Gründungsaktivität in
weiten Teilen überschneiden, wird ihre Überprüfung und Auswahl gemeinsam
vorgenommen.
Die maßgeblichen Auswahlkriterien der für die Untersuchung geeigneten Theorielinien und spezifischeren Theorieansätze, setzen sich neben der Erklärung des
Gründungsgeschehens insbesondere durch die Berücksichtigung der freiberuflichen Besonderheiten und der Widerspruchsfreiheit zusammen. So dürfen sich
beispielsweise Theorie X und Theorie Y nicht gegenseitig widersprechen.
Ferner muss der theoretische Ansatz sowohl die im Bezugsrahmen festgelegte
Forschungsperspektive als auch das Forschungsobjekt in seinen Aussagen abbilden. Das Auswahlkriterium der freiberuflichen Besonderheiten beinhaltet die
spezifischen Betriebsgrößenstrukturen, den persönlichkeitsgeprägten Charakter
und die berufsständischen Regelungen freiberuflicher Gründungen. Dazu gehören auch die freiberuflichen Charakteristika wie ihre (teilweise) staatliche Gebundenheit sowie der besonderen Berufsethik und Pflichterfüllung gegenüber
der Gesellschaft (vgl. Kap. 2).
Da die freiberuflich Tätigen im Durchschnitt drei Mitarbeiter beschäftigen und
rund ein Drittel aller Freiberufler ihrer Tätigkeit ohne weitere Mitarbeiter nachgehen (vgl. IFB 2003), stellt die Berücksichtigung einer kleinen Betriebsgröße
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ein zentrales Kriterium für die Auswahl einer Theorie dar. Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Theoriewahl ist letztlich die empirische Überprüfbarkeit
der theoretischen Aussagen.
Zusammengefasst ergeben sich folgende Anforderungskriterien für eine Theorielinie und deren spezifizierten Ansätze nach denen die Auswahl vollzogen
wird:
1. Aussagen zum Gründungserfolg treffen (Forschungsobjekt)
2. Aussagen zur Gründungsaktivität treffen (Forschungsobjekt)
3. Eine individuelle Forschungsperspektive zur Gründungaktivität
gewährleisten
4. Eine individuelle und betriebsbezogene Forschungsperspektive
zum Gründungserfolg gewährleisten
5. Charakteristika und Merkmale der Freien Berufe berücksichtigen
6. Aussagen über kleine und kleinste Wirtschaftseinheiten treffen
7. Gegenüber anderen Theorien zu widerspruchsfreien Aussagen
gelangen
8. Aussagen der Theorie müssen empirisch überprüfbar sein
9. Evidenz (aus den Untersuchungen bisheriger Studien).
Die Theorielinien werden kurz anhand ihrer Entwicklung und inhaltlichen Aussagen dargestellt. Berücksichtigung finden dabei auch Ergebnisse aus Studien
mit den jeweiligen Theoriemodellen. Schließlich werden die einzelnen Modelle
auf Grundlage der Auswahlkriterien für ihre Anwendung im freiberuflichen
Gründungsumfeld überprüft. Ein Fazit und Überblick der Ergebnisse zur Auswahl der Theorielinien und ihrer Modelle schließt den Abschnitt ab.
Skizziert werden aus der personenbezogenen Theorielinie die psychologischen
Ansätze, die Push- und Pull-Faktoren, die Humankapitaltheorie und die Netzwerktheorie. Aus der Institutionenökonomie der Transaktionskostenansatz sowie
das Modell des unvollständigen Wettbewerbs aus der Industrieökonomie. Dar-
über hinaus werden abgeleitet aus der Organisationsökologie die Modellansätze
der „liability of newness“ und der „liability of adolescence“ vorgestellt.
3.3.1 Psychologie
Das Modell des „psychologischen Ansatzes“ stammt aus der personenbezogenen
Theorielinie. Um Auskünfte über einen allgemeinen Persönlichkeitsstil einer
Person zu erhalten, wird in der empirischen Erfolgsfaktorenforschung häufig der
16-Persönlichkeitsfaktorentest (16-PF-Test) von Cattell (1951, 1973) zur Messung dieser Eigenschaften herangezogen.
Der Test setzt sich aus 192 Fragen zusammen und ist in 16 Primärdimensionen
(siehe Tab. 4) unterteilt.
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Tabelle 4: Primärfaktoren nach Cattell
Begeisterungsfähigkeit Gewissenhaftigkeit Cleverness Soziale Initiative
Skeptizismus Eigenständigkeit Feingefühl Individualismus
Theoretische Intelligenz Dominanzstreben Innere Spannung Selbstvertrauen
Belastbarkeit Diszipliniertheit Kontaktinteresse Aufgeschlossenheit
Quelle: Eigene Tabelle in Anlehnung an Cattell 1973.
Aus den Primärfaktoren abgeleitet und im angelsächsischen Raum verbreitet ist
die Systemklassifizierung „der großen fünf“ (the big five). Die fünf Klassen
gliedern sich in:
1. Gewissenhaftigkeit (Conscientiouiness). Personen mit hohen Werten in
diesem Bereich gelten als zuverlässig, gründlich, sorgfältig und verantwortlich. Sie handeln gut organisiert und durchdacht, planen vorausschauend und sind leistungsorientiert. Gewissenhaftigkeit ist ebenfalls
ein valider Prädikator für die berufliche Leistung.
2. Extraversion. Personen mit hohen Werten an Extraversion sind außenorientiert, mitteilungsfreudig, aktiv und gesellig. Extraversion ist ein
valider Prädiktor für die berufliche Leistung in Tätigkeiten und
Berufen, die eine soziale Interaktion erfordern.
3. Emotionale Stabilität (Emotional Stability). Personen mit hohen Werten an emotionaler Stabilität besitzen Selbstbewusstsein, Jovialität, Belastbarkeit, positives Denken (im Gegensatz zu Neurotizismus: Ängste,
Depression, Ärger, Zorn). Emotionale Stabilität hat einen positiven
Einfluss auf die berufliche Leistung, insbesondere bei stressvollen
Aufgaben.
4. Freundlichkeit (Agreeableness). Personen mit hohen Werten an
Freundlichkeit sind höflich, kooperativ, nachgiebig, tolerant, verzeihend, flexibel, vertrauensvoll und offen. Der Faktor Freundlichkeit
besitzt keine Beziehung zur Leistung, allenfalls bei Berufen mit starkem sozialem Engagement. Eine extreme Ausprägung beinhaltet sogar
die Gefahr der Schwäche bei Ausnutzung.
5. Offenheit für Erfahrungen (Openness to Experience). Personen mit hohen Werten an Offenheit für Erfahrungen sind neugierig, phantasievoll,
kreativ, intelligent und originell. Es lässt sich jedoch keine Beziehung
zur beruflichen Leistung und zum Erfolg einer Existenzgründung oder
einer Unternehmung nachweisen.
„Die großen fünf“ bieten eine konzentriert überschaubare Darstellung der Persönlichkeitsstile. Doch stellt sich bei der Betrachtung des Forschungsansatzes
die Frage, inwiefern diese Merkmale der Personen Erfolgsfaktoren für die
Gründer darstellen. So konnten weder „die großen fünf“ noch die 16-
Primärfaktoren als alleinige relevante Erklärungskonstrukte für den Unterneh-
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menserfolg empirisch nachgewiesen werden (vgl. Gemünden und Konrad 2001,
125 ff.).
Dies gilt gleichermaßen für den Ansatz der kognitiven Stile. Insbesondere der
im amerikanischen Raum angewandte, auf psychologischer Typisierung von
Jung (1925) basierende Myers-Briggs-Typ Indicator (MBTI) wird gerne zur
Charakterisierung von Entrepreneuren und Unternehmern herangezogen. Doch
bis heute gibt es keine überzeugende Untersuchung auf einer MBTI-basierenden
Typenausrichtung und deren Wirkungszusammenhänge auf den Erfolg einer Unternehmung. Daher ist ihre Relevanz für den Erklärungsgehalt kritisch zu beurteilen (vgl. Gemünden und Konrad 2001, 126 f).
Gegen die Prämisse einer idealtypischen Unternehmenspersönlichkeit steht auch
die Fluktuation innerhalb der Selbständigkeit, d.h. die Zu- und Abwanderung
von Personen aus der Selbständigentätigkeit. Erstmals wurde dieses Wechselverhalten von Coroll und Mosakowski (1987) festgestellt. In ihrer Untersuchung
kommen sie zu dem Ergebnis, dass ein nicht geringer Teil der Personen in ihren
Arbeitsleben mehrfach zwischen der Selbständigkeit und einer Angestelltenposition wechseln.
Dieses Verhalten steht im Gegensatz zu den dauerhaften Unternehmerattributen.
Eine hohe Leistungsmotivation ist demnach nicht nur auf Unternehmer beschränkt, sondern muss auch für die Angehörigen anderer Berufsgruppen angenommen werden.
Tabelle 5: Kriterienübersicht der psychologischen Ansätze
Psychologisches Auswahlkriterien Auswahlkriterien
Theoriemodell Gründungsaktivität Gründungserfolg
Forschungsobjekt Ja Ja
Forschungsperspektive Ja Ja
kleine Wirtschaftseinheiten Ja Ja
Besonderheiten Freie Berufe Ja Ja
empirische Überprüfbarkeit Ja Ja
Widerspruchsfreiheit bedingt bedingt
Evidenz des Ansatzes bedingt bedingt
Quelle: Eigene Tabelle.
Die psychologischen Modelle eignen sich zur Modellierung der Gründungsaktivität und des Gründungserfolges als Forschungsobjekte. Prädestiniert ist der Ansatz insbesondere zur Abbildung kleinerer Wirtschaftseinheiten über die Person
des Gründers mit seiner individuellen Ebene als Forschungsperspektive. Ebenso
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eignen sich die psychologischen Ansätze zur Aufnahme der spezifisch geprägten
Besonderheiten, wie z.B. der Selbstbestimmtheit, Freier Berufe. Grundsätzlich
ist es nicht ausgeschlossen mit einem Modell der psychologischen Ansätze zu
widerspruchsfreien Aussagen gegenüber anderen Theoriemodellen zu gelangen.
Allerdings erwiesen sich in den bisherigen Studien die Wirkungszusammenhänge und letztlich auch der Erklärungsgehalt der psychologischen Modelle als
nicht evident.
Wie der Übersicht in Tabelle 5 zu entnehmen ist, eignen sich die psychologischen Ansätze in vielen Bereichen als theoretisches Konstrukt zur Untersuchung
des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Vor dem Hintergrund eines bis heute
in der Literatur fehlenden Nachweises über einen Wirkungszusammenhang erscheinen die psychologischen Modelle als alleiniger Erklärungsansatz im Rahmen dieser Untersuchung weniger geeignet. Dagegen ist ein genereller Einfluss
psychologischer Merkmale auf das Gründungsgeschehen unbestritten. Perspektivisch ist daher eine Erweiterung und Weiterentwicklung dieses Theorieansatzes für die Gründungsforschung wie im Folgenden mit den Push- und Pull-
Faktoren oder der Netzwerkperspektive notwendig.
3.3.2 Push- und Pull- Faktoren
Abgeleitet aus den „psychologischen Ansätzen“ stammt das Modell der „Pushund Pull- Faktoren“ ebenfalls aus der personenbezogenen Theorielinie. Die
Begriffe „Push“ und „Pull“, übersetzt „stoßen“ und „ziehen“, differenzieren
Gründer in ihrer unterschiedlichen Motivation zur Gründung. Erste Arbeiten zu
den Push- und Pull-Faktoren im Zusammenhang mit unternehmerischen Motiven finden sich bei Shapeo und Sokol (1982, 72 ff.).
Push- Faktoren kennzeichnen in erster Linie die sogenannte „Flucht in die Selbständigkeit“. Sie sind Ausdruck einer ungewollten Existenzgründung. Der
Gründer bezieht seine Motivation dabei aus dem drohenden Arbeitsplatzverlust
oder einer anderen wirtschaftlichen Überlebensstrategie. Den Existenzgründungen aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus werden allerdings häufig geringe
Überlebenschancen eingeräumt. Als Gründe hierfür werden aus empirischen
Studien der fehlende unternehmerische Geist und die kurzfristigen Beweggründe
der Einkommenssicherung, welche einem langfristigen Betriebserfolg im Wege
stehen, genannt (vgl. Plaschka 1986, 196).
Auf eine unternehmerisch aktive Persönlichkeit deuten die Pull-Faktoren hin.
Hier sieht der Existenzgründer eine attraktive Möglichkeit zur Selbstverwirklichung in der Selbständigkeit. Die zugehörigen Gründungsmotive beinhalten beispielsweise den Drang zur beruflichen Unabhängigkeit oder den Wunsch, eine
unternehmerische Familientradition aufrechtzuerhalten. Darunter fallen aber
auch rationale Gründe wie ein höheres Einkommen oder der Hinweis auf eine
günstige Gelegenheit (vgl. Notteboom 1994, 331).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit verfolgt die theoretische, methodische und empirisch fundierte Analyse des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Um die Fragestellung “Welche Determinanten beeinflussen die Gründungsaktivität und den Gründungserfolg von Freiberuflern?“ wird das Spektrum über die Phasen vor der Gründung bis zur Etablierung der freiberuflichen Tätigkeit am Markt erfasst.
Auf Grundlage des SOEP-Panels und einer Onlineerhebung tragen die Ergebnisse zu einem Erkenntnisgewinn des freiberuflichen Gründungsgeschehens bei. Gewürdigt wird dabei insbesondere die Praxis mit vielen neuen Ergebnissen aus den empirisch neu gewonnenen Daten zum Gründungsgeschehen der Freien Berufe.
Dr. Peter Paic studierte BWL und Ökonomie in Hamburg. 2008 Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Zurzeit ist er Referent im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) in Düsseldorf.