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von Regelmäßigkeiten, die Entwicklung und Test multivariater Kausalmodelle
freiberuflicher Gründungsaktivitäten und des Gründungserfolges. Die Abbildung 1 gibt einen Überblick zu den Forschungszielen dieser Arbeit.
Zu den anwendungsbezogenen Forschungszielen, hier dem praktischen Erkenntnisgewinn der Arbeit, zählen die Gewinnung neuer Erkenntnisse zur Population,
Struktur und Verteilung in den freiberuflichen Berufsgruppen. Da im Rahmen
der Fragestellung umfangreiche Daten zum freiberuflichen Gründungsgeschehen
gesammelt und ausgewertet werden, ist es ein Forschungsziel über die zentrale
Fragestellung hinaus, grundlegende Erkenntnisse zur Population und Struktur
der freiberuflich Tätigen und ihrer einzelnen Gruppen zu gewinnen. Mit dieser
Zielsetzung greift der Autor eine Anregung des Niedersächsischen Ministeriums
für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf, die zu den Freien Berufen generierten
Daten auch praxisbezogen aufzubereiten. Letztlich ist es ein anwendungsbezogenes Forschungsziel dieser Untersuchung neue Gestaltungs- und Herangehensweisen in der freiberuflichen Gründungsforschung aufzuzeigen.
1.2 Methodologie
Eine methodologische Auseinandersetzung steht zu Beginn jeder auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Untersuchung. In der praktizierten ökonomischen Wissenschaft hat sich der Neopositivismus in seinen verschiedenen
Varianten als herrschendes Methodologieverständnis etabliert (vgl. Epskamp
1998, 25). Die Wissenschaft stellt sich für den Neopositivismus als ein Kommunikationssystem dar, indem die Möglichkeit eines allgemeinen, gleichen Verständnisses des jeweils Gemeinten Voraussetzung der Kommunizierbarkeit von
Inhalten ist. Das Wissenschaftsverständnis des Neopositivismus beruht auf dem
Versuch, das Dilemma zwischen dem notwendigen Konventionalismus der wissenschaftlichen Methoden und dem Anspruch auf Wahrheit aufzulösen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten Mach, Wiener Kreis mit Carnap
und Neurath, Wittgenstein und Popper den Neopositivismus zu seiner klassischen Form. Einen ersten umfassenden Entwurf einer Sprachregelung für die
empirischen Wissenschaften schrieb Popper (1934) unter dem Titel „Logik der
Forschung“. Hier findet sich die ausformulierte Wissenschaftstheorie des „kritischen Rationalismus“, dem noch immer vorherrschenden Typ des Neopositivismus. Der „kritische Rationalismus“ beruht auf dem Falsifikationskonzept mit
seinen deduktiven Schlüssen. Mit dem von Carnap (1945, 1969) und Stegmüller
(1973) entwickelten Induktionsverfahren wird die von Popper verfochtene Behauptung einer grundsätzlichen Asymmetrie zwischen Verifikation und Falsifikation aufgehoben. Demnach gibt es die Möglichkeit den Begriff der Bewährung in eine „logische“ oder „induktive Wahrscheinlichkeit“ (Zahlenwerte)
messbar zu machen (vgl. Carnap 1969, 28 f.; Epskamp 1998, 27 f.).
Während der Induktionist davon ausgeht, dass Sätze wahrer sein können als andere und die Theoriebildung auf der Basis solcher Sätze erfolgreich voranzutrei-
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ben ist, so ist der kritische Rationalismus mehr der Aufrechterhaltung der strengen Prinzipien der deduktiven Logik verpflichtet als am wissenschaftlichen
Fortschritt interessiert. Berechtigte Kritikpunkte gibt es in beiden Ansätzen. In
der puristischen Form taugt das Falsifikationsprinzip nur zur Destruktion und
nicht zur Weiterentwicklung von Theorien (vgl. Epskamp 1998, 35).
Zwei Kritiken stellen den Induktionsschluss in Frage. Zum einen: „Ein Schluss
von Einzelaussagen auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten lässt sich nur dann logisch rechtfertigen, wenn alle unter die allgemeine Gesetzmäßigkeit fallenden
Einzelsätze bekannt sind“ (Kelle 1994, 116). Zum zweiten liegt in der Annahme
vorraussetzungslos möglicher Beobachtungen die Illusion des Infallibilismus.
Die methodologische Diskussion ist seit dem Positivismusstreit innerhalb der
Wirtschaftswissenschaften nur unzureichend weiterentwickelt worden. Die angeführten Einwände an den beiden zentralen methodologischen Strängen des
Neopositivismus erfordern eine eigenständige methodische Herangehensweise,
welche im Rahmen dieser Untersuchung nicht geleistet werden kann. In der
Ökonomie hat sich gegenwärtig eine empirisch-analytische Wissenschaftsauffassung durchgesetzt, die sich historisch aus dem Empirismus bzw. Positivismus
entwickelt hat (vgl. Ambrosi 1972, 23).
Vorliegende Untersuchung zur Bestimmung der Erfolgsfaktoren freiberuflicher
Gründungsaktivitäten und des Gründungserfolges stützt sich auf den Ansatz des
kritischen Rationalismus und das Falsifikationsprinzip. Vor dem Hintergrund
des explorativen Charakters dieser Untersuchung (dieser reicht von neuen Definitionen, neuen Klassifizierungen und erweiterten Theoriensträngen bis zur
erstmaligen Erkenntnis neuer Zusammenhänge) kommt auch eine methodische
Explorationsstrategie zum Einsatz. Beide methodischen Ansätze werden im Bezugsrahmen zur Gründungsforschung eingebettet und spezifiziert.
1.3 Aufbau
Die Arbeit setzt sich aus einem theoretischen und einem empirischen Hauptteil
zusammen. Der theoretische Teil umfasst die Kapitel 2 bis 3 und der empirische
Teil die Kapitel 4 bis 5. Insgesamt erstreckt sich der Aufbau der Untersuchung
über sechs Kapitel. Das zweite Kapitel nimmt die historische Entwicklung der
Freien Berufe auf und behandelt deren Definitions- und Klassifizierungsfragen.
Dem folgt die Diskussion verfügbaren und geeigneten Datenmaterials zu den
Freien Berufen. Ein Überblick und Fazit mit einem Test zur informationellen
Güte der Datenbasen beendet das zweite Kapitel. Die Abbildung 2 gibt einen
Überblick zum Aufbau der Untersuchung. Das theoriegeleitete dritte Kapitel
geht auf den Stand der Gründungsforschung ein und nimmt eine methodologische Ausrichtung innerhalb des Bezugsrahmens der Gründungsforschung vor.
Vorgestellt und diskutiert werden die einschlägigen Theorielinien und bisherige
empirische Ergebnisse. Dem folgt die Operationalisierung, Hypothesen- und
Modellbildung der Untersuchung.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit verfolgt die theoretische, methodische und empirisch fundierte Analyse des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Um die Fragestellung “Welche Determinanten beeinflussen die Gründungsaktivität und den Gründungserfolg von Freiberuflern?“ wird das Spektrum über die Phasen vor der Gründung bis zur Etablierung der freiberuflichen Tätigkeit am Markt erfasst.
Auf Grundlage des SOEP-Panels und einer Onlineerhebung tragen die Ergebnisse zu einem Erkenntnisgewinn des freiberuflichen Gründungsgeschehens bei. Gewürdigt wird dabei insbesondere die Praxis mit vielen neuen Ergebnissen aus den empirisch neu gewonnenen Daten zum Gründungsgeschehen der Freien Berufe.
Dr. Peter Paic studierte BWL und Ökonomie in Hamburg. 2008 Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Zurzeit ist er Referent im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) in Düsseldorf.