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8.4.2. Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen
8.4.2.1. Wettbewerbsverfälschung
Wie der EuGH in der Titandioxid-Rechtsprechung festgestellt hat, dürfen auf
Grundlage von Art. 95 EGV Harmonisierungsmaßnahmen zur Verwirklichung der
Grundfreiheiten getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass diese Differenzen
zwischen den nationalen Rechtsordnungen verfälschte Wettbewerbsbedingungen
ent- oder bestehen lassen.333 Zu einer solchen Fragmentierung des Binnenmarktes334
kommt es, wenn miteinander konkurrierende Unternehmen in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich belastet werden.335 Der nötige Binnenmarktbezug besteht, wenn die inhaltlichen Unterschiede oder die territorial beschränkte Geltung
der nationalen Rechtsordnungen zu spürbaren Hindernissen für den Gemeinsamen
Markt in seinem jeweiligen Integrationsstand führen.336 Wie der EuGH in jüngeren
Urteilen bestätigte, schließt die binnenmarktbezogene Rechtsangleichung die Befugnis zur Vollharmonisierung auch solcher nationaler Regelungen mit ein, welche
die Grundfreiheiten aus Gründen des Allgemeinwohls rechtmäßig beschränken und
auf diese Weise den Binnenmarkt fragmentieren.337 Art. 95 EGV kann sogar als
Rechtsgrundlage herangezogen werden, um der Entstehung neuer Handelshindernisse durch eine heterogene Entwicklung der nationalen Vorschriften präventiv zu
begegnen, wenn das Entstehen solcher Hemmnisse wahrscheinlich ist und ihnen die
fragliche Maßnahme vorbeugen soll.338
Pluralismussicherung wird auf Ebene der Mitgliedstaaten wie bereits dargelegt339
in höchst unterschiedlicher Form betrieben. Dies tangiert den medialen Binnenmarkt
erheblich.340 Das Spektrum reicht von relativ starren Modellen der Begrenzung von
Mehrfachveranstaltungen von Fernsehprogrammen in Frankreich, über umsatzbezogene Modelle in Italien bis hin zur statischen Marktanteilsbegrenzung, wie sie das
britische Medienrecht noch bis vor Kurzem in Höhe von 15 % der Zuschaueranteile
kannte. Andere Mitgliedstaaten wie die Slowakei, Estland und Slowenien haben viel
333 Vgl. EuGH, C-300/89, Titandioxid, Slg. 1991, I-2867 Rdnr. 15.
334 In diesem Sinne ist beispielsweise EuGH, C-262/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I-
6569 Rdnr. 23 zu verstehen. Vgl. auch v. Bogdandy/Bast, in: Grabitz/Hilf, Recht der Europäischen Union, Art. 5 EGV Rdnr. 34.
335 Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner, in: v. d. Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 95
Rdnr. 17.
336 Dies setzt freilich einen ganz erheblichen gesetzgeberischen Beurteilungsspielraum voraus.
Vgl. Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner, in: v. d. Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 95
Rdnr. 23.
337 In diesem Sinne ist beispielsweise EuGH, C-262/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I-
6569 Rdnr. 23 zu verstehen. Vgl. auch v. Bogdandy/Bast, in: Grabitz/Hilf, Recht der Europäischen Union, Art. 5 EGV Rdnr. 34.
338 So die ständige Rechtsprechung. Siehe etwa EuGH, C-380/03, Tabakwerbeverbot II,
Slg. 2006, I-11573, Rdnr. 38 m. w. N.
339 Vgl. oben, 5.
340 Siehe schon Gounalakis/Zagouras, ZUM 2006, 716 (723 ff.).
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striktere Vorschriften im Bereich crossmedialer Aktivitäten erlassen und verbieten
eine gleichzeitige unternehmerische Betätigung auf dem Gebiet von Presse, Hörfunk
und Fernsehen sogar gänzlich im Sinne einer publizistischen Gewaltenteilung.341
Der Wettbewerb im Bereich der Medien wird dementsprechend durch zwei Parameter bestimmt: Crossmediales Engagement wird nicht nur nach verschiedenen
Maßstäben bewertet, sondern in unterschiedlichem Umfang gestattet. Medienunternehmen sehen sich mit höchst divergierenden Rechtssystemen konfrontiert, die zu
erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen.342
Andererseits kann das nationale Recht höhere Hürden für inländische Unternehmen aufstellen als für ausländische.343 Brühann sieht in einer europäischen
Medienregulierung dementsprechend weniger eine Gefahr, sondern eher eine
Chance zur Vereinheitlichung bislang verschiedener Rechtsrahmen der Mitgliedstaaten, von der gleichermaßen die Medienindustrie wie auch die Öffentlichkeit
profitieren könnte.344 Unternehmen werden dabei unterstützt, die Möglichkeiten des
Binnenmarktes voll auszunutzen, wenn die rechtlichen Bedingungen für eine grenz-
überschreitende Betätigung von Medienunternehmen vereinheitlicht werden.345
Das Bedürfnis zur Angleichung des Binnenmarktes in Bezug auf die Pluralismussicherung lässt sich an der Wechselwirkung zwischen dem deutschen Rundfunkkonzentrationsrecht der §§ 25 ff. RStV und dem in der Fernsehrichtlinie
manifestierten Sendestaatsprinzip nachzeichnen.346 Antikonzentrationsrechtliche
Entscheidungen wirken sich insofern auf das Erbringen medialer Dienstleistungen
auf Gemeinschaftsebene aus, als sie faktisch einen Marktzugang des Unternehmens
zur grenzüberschreitenden Rundfunkveranstaltung beeinträchtigen.347 Ein Engagement eines deutschen Medienkonzerns bei einem deutschsprachigen Programmveranstalter im Ausland, etwa in Österreich, würde ihm nach hiesigem Recht rundfunkrechtlich zugerechnet.348 Kontrollierte dasselbe Unternehmen hingegen den gesamten italienischen, französischen oder englischen Fernsehmarkt, so hätte dies zumin-
341 Siehe zur Regulierung crossmedialer Aktivitäten in europäischen Rechtsordnungen auch
KEK, 3. Konzentrationsbericht, S. 403 ff.
342 A. A. Ress/Bröhmer, Europäische Gemeinschaft und Medienvielfalt, S. 29, freilich in Bezug
auf den inhaltlich restriktiveren Art. 100 EGV a.F.
343 Hierzu Gounalakis/Zagouras, NJW 2006, 1624.
344 Brühann, ZUM 1993, 600 (601).
345 Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner, in: v. d. Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 95
Rdnr. 15.
346 Zu Inhalt und Grenzen des Sendelandprinzips Faßbender, AfP 2006, 505 (506 ff.).
347 Exemplarisch sei diesbezüglich die Versagung der Unbedenklichkeitserklärung durch die
KEK im Verfahren Springer/ProSiebenSat.1 angeführt. Siehe hierzu VG München,
ZUM 2008, 343 ff. – Springer/ProSiebenSat.1.
348 Nach § 27 Abs. 1 RStV werden einem Medienunternehmen grundsätzlich alle deutschsprachigen Programme zugerechnet. Dazu Trute/Vinke, in: Beck’scher Kommentar zum
Rundfunkrecht, § 37 Rdnr. 11 ff. Unter europarechtlichen Gesichtspunkten erweist sich eine
derartige Zurechnung insofern als unproblematisch, als der EuGH den Mitgliedstaaten die
Möglichkeit einräumt, rechtliche Vorkehrungen gegen eine Umgehung kulturpolitisch
motivierter Bestimmungen zu schaffen.
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dest dem Wortlaut des RStV nach keine antikonzentrationsrechtlichen Konsequenzen.349
8.4.2.2. Spürbarkeit der Wettbewerbsverfälschung
Bezüglich möglicher Wettbewerbsverfälschungen gilt jedoch zu beachten, dass eine
bestimmte Gemeinschaftsmaßnahme auch tatsächlich zur Beseitigung spürbarer
Verfälschungen des Wettbewerbs beiträgt.350 Wann man eine Wettbewerbsverfälschung als geringfügig anzusehen hat, muss als Tatfrage einzelfallorientiert beantwortet werden.351 Die Binnenmarktkompetenzen dürfen von der Gemeinschaft
jedenfalls nicht als Persilschein genutzt werden, sich ohne hinreichenden Handlungsbedarf jeglicher Regulierungsmaterie anzunehmen. Sofern und soweit ein
solcher aber besteht, gesteht die Rechtsprechung der Gemeinschaft nicht nur einen
breiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Regulierungsgegenstandes und der
Regulierungsdichte zu.352
Wie der EuGH in der Titandioxid-Rechtsprechung festgestellt hat, dürfen auf
Grundlage von Art. 95 EGV Harmonisierungsmaßnahmen zur Verwirklichung der
Grundfreiheiten getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass diese Differenzen
zwischen den nationalen Rechtsordnungen verfälschte Wettbewerbsbedingungen
entstehen oder bestehen lassen.353 Es kommt auf die unterschiedliche Belastung miteinander konkurrierender Unternehmen in verschiedenen Mitgliedstaaten an.354 Da
das Erfordernis der Spürbarkeit der Wettbewerbsverfälschung gerade auf qualitativer Ebene dem Entstehen einer globalen Allzuständigkeit der Gemeinschaft entgegenwirken soll, darf das Ziel der Herstellung des Binnenmarkts aber nicht nur beiläufig verfolgt werden.355 Ebenso wenig reichen rein hypothetische Gefährdungen
349 Ebenso Hain, AfP 2007, 527 (530). Etwas anderes kann sich freilich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ergeben, da Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG den Rundfunk vor der Vereinnahmung durch irgendeine gesellschaftliche Gruppe schützt. So ausdrücklich BVerfGE 57,
295 (322) – FRAG. Vorherrschende Meinungsmacht kann daher auch aus medialer Betätigung im Ausland resultieren.
350 Hieran fehlte es beispielsweise wegen der unterschiedlichen Vermarktungspraktiken in den
Mitgliedstaaten bei der Festlegung eines gemeinschaftsweiten Tabakwerbeverbots. EuGH, C-
376/98, Tabakwerbeverbot, Slg. 2000, I-8419 Rdnr. 112. Diese Frage wird mittlerweile freilich anders beurteilt. In seiner aktuellen Fassung wurde das Tabakwerbeverbot allerdings von
der Rechtsprechung nicht mehr beanstandet. Siehe EuGH, C-380/03, Tabakwerbeverbot-II,
Slg. 2006, I-11573 Rdnr. 160.
351 Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner, in: v. d. Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 95
Rdnr. 17.
352 Vgl. Tietje, in: Grabitz/Hilf, Recht der Europäischen Union, Art. 95 EGV Rdnr. 10.
353 Vgl. EuGH, C-300/89, Titandioxid, Slg. 1991, I-2867 Rdnr. 15.
354 Pipkorn/Bardenhewer-Rating/Taschner, in: v. d. Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 95
Rdnr. 17.
355 Zuleeg, in: v. d. Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 5 EGV Rdnr. 6.
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aus.356 Dennoch hat sich der EuGH gerade in seiner jüngsten Rechtsprechung zum
Tabakwerbeverbot sehr großzügig bezüglich der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung gezeigt.357
Bezogen auf die gemeinschaftsweite Vielfaltsicherung lässt sich eine hinreichende Gefährdung des Binnenmarktes in den erheblichen Unterschieden der
mitgliedstaatlichen Maßnahmen erblicken: Sie reichen von einem Verzicht auf
sektorspezifische Regulierung über Marktanteils- über Marktzutrittsbeschränkungen
für ausländische Unternehmen bis hin zur publizistischen Gewaltenteilung.358 Diese
Divergenz weist nicht nur eine kulturelle Dimension auf; sie determiniert auch den
wirtschaftlichen Aktionsradius der Medienkonzerne. Daher ist eine Angleichung des
Vielfaltschutzes auf europäischer Ebene nicht nur nützlich, sondern geradezu erforderlich, um Wettbewerbsverfälschungen Einhalt zu gebieten.359 Die europäische
Pluralismussicherung verfolgt mit dem Schutz der Meinungsvielfalt freilich einen
Zweck, der über das eigentliche Ziel der Angleichung von Rechtsvorschriften zur
Förderung des Binnenmarktes hinaus reicht. Dies ist aber legitim und insofern unschädlich, als das Spürbarkeitskriterium Minimumstandards aufstellt, nicht aber eine
Beschränkung für additive Regelungsziele.360
Gegenwärtige Gesetzesmechanismen wie die in manchen Mitgliedstaaten vorgesehene publizistische Gewaltenteilung segmentieren den europäischen Markt für
mediale Waren und Dienstleistungen und verhindern dadurch einen entsprechenden
Marktzutritt, weshalb es sich nicht nur um eine abstrakte oder hypothetische Ge-
356 Hierauf stellen Ress/Bröhmer, Europäische Gemeinschaft und Medienvielfalt, S. 29 ab.
357 So hat sich das Gericht beispielsweise bei der Beurteilung von Handelshemmnissen durch das
Verbot von Tabakwerbung nicht davon beeindrucken lassen, dass bestimmte Printmedien
überhaupt nicht in anderen Mitgliedstaaten vermarktet werden und dementsprechend abweichende Rechtsvorschriften für die Werbung mit Tabakerzeugnissen als ausreichend angesehen. Siehe EuGH, C-380/03, Tabakwerbeverbot II, Slg. 2006, I-11573, Rdnr. 58 f.
358 Zu den strukturellen Unterschieden Brühann, ZUM 1993, 600 (602); zur Rechtslage in den
Mitgliedstaaten Europäische Kommission, Arbeitsdokument Medienvielfalt, S. 19 ff. In
Bezug auf die publizistische Gewaltenteilung sieht beispielsweise Art. 14 Abs. 9 S. 2 der
griechischen Verfassung vor, dass die Kontrolle über mehr als ein elektronisches Massenmedium desselben Typs verboten ist. Dahingegen versucht die portugiesische Verfassung in
Art. 38 Abs. 4 Konzentration infolge mehrfacher oder überkreuzter Beteiligungen an Medienunternehmen zu verhindern. Siehe Iliopoulos-Strangas, in: Stern/Prütting, Kultur- und Medienpolitik im Kontext des Entwurfs einer europäischen Verfassung, 29 (46).
359 Dass aufgrund der gegenwärtigen Vielfaltsicherung auf nationaler Ebene unterschiedliche
Belastungen der Mitgliedstaaten bestehen, lässt sich anhand der hiesigen Antikonzentrationsvorschriften nachzeichnen. So werden beispielsweise bei der rundfunkkonzentrationsrechtlichen Beurteilung einer geplanten Fusion nach § 27 Abs. 1 RStV nur Beteiligungen an
deutschssprachigen Programmen erfasst, während auch noch so intensive Meinungsmacht in
anderen Sprachräumen zumindest dem Wortlaut der Vorschrift nach völlig außen vor bleibt.
Krit. Hierzu bereits Gounalakis/Zagouras, ZUM 2006, 716 (721). In genau solchen Sachverhalten liegt die Gefahr von Wettbewerbsverfälschungen, da sich der Aktionsradius von Medienunternehmen infolge der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Regelungen alles andere
als einheitlich bestimmt.
360 Vgl. EuGH, C-376/98, Tabakwerbeverbot, Slg. 2000, I-8419 Rdnr. 88 ff. Eben dies kritisiert
Hain, AfP 2007, 527 (533).
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fährdung des Binnenmarktes handelt.361 Dem von Mailänder erhobenen Einwand,
ein grenzüberschreitendes Engagement in konventionellen Wirtschaftsbranchen sei
ebenso mit nationalen Besonderheiten konfrontiert, weshalb die Spürbarkeit der
Wettbewerbsbeschränkung entfalle,362 kann wegen der Besonderheiten der Medienbranchen nicht beigepflichtet werden.363 Gerade wegen ihrer Doppelnatur als wirtschaftliche und kulturelle Betätigung werden Medien viel intensiver reguliert als die
meisten anderen Branchen. Es geht hier nicht um graduelle Unterschiede und damit
um das „Wie“, sondern in vielen Fällen um das „Ob“ einer grenzüberschreitenden
Betätigung. Spätestens wenn ein Konzern gemeinschaftsweite crossmediale
Strategien verfolgt, werden die unterschiedliche Belastung und damit eine spürbare
Wettbewerbsverzerrung evident.364
Hierfür spricht auch der Beurteilungsspielraum der Gemeinschaft. Zwar hat der
EuGH in der Titandioxid-Entscheidung klargestellt, dass Harmonisierungsmaßnahmen zur Verwirklichung der Grundfreiheiten getroffen werden können, wenn die
Gefahr besteht, dass die Unterschiede in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen
ent- oder fortbestehen.365 Allerdings wird der Gemeinschaft ein breiter Beurteilungsspielraum bei der Auswahl des Regulierungsgegenstandes und der Regulierungsdichte zugestanden.366 Eine Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen ließe sich
durch eine Angleichung der Vielfaltsicherung in der Gemeinschaft in zweierlei Hinsicht bewirken. Zum einen ließen sich einheitliche qualitative Maßstäbe wie eine
Rezipientenanteilsbeschränkung einführen, zum anderen aber auch quantitative
durch die Festlegung eines konkreten Wertes. Zu Letzterem wäre beispielsweise die
Einführung eines einheitlichen, der Höhe nach bestimmten Zuschaueranteils zu
zählen, der dazu beiträgt, gegenwärtige Wettbewerbsverzerrungen abzubauen.
Die gemeinschaftsweite Vielfaltsicherung lässt sich aber auch an den übrigen
Harmonisierungsvoraussetzungen des Art. 95 EGV messen. Ihr zentrales Ansinnen
ist es, den divergenten Regelungen in den Mitgliedstaaten entgegenzuwirken.
Anders als die Richtlinie zum Tabakwerbeverbot367 handelt es sich hierbei nicht
lediglich um abstrakte Hindernisse für die Verwirklichung des Binnenmarktes. Dies
361 So aber Ress/Bröhmer, Europäische Gemeinschaft und Medienvielfalt, S. 29. Zu den Auswirkungen unterschiedlicher nationaler Regelungen Schwartz, AfP 1993, 409 (419 f.).
362 Vgl. in Bezug auf die Auslegung von Art. 47 EGV Mailänder, Konzentrationskontrolle zur
Sicherung von Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk, S. 333.
363 Ähnlich Schüll, Schutz der Meinungsvielfalt im Rundfunkbereich durch das europäische
Recht, S. 143 ff., der einen Schwerpunkt auf die Dienstleistungsfreiheit setzt. Die Niederlassungsfreiheit dürfte freilich insofern tangiert sein, als auch im grenzüberschreitenden Verkehr Werbung national vermarktet wird.
364 Dies gilt nicht nur für die Niederlassung eines Medienkonzerns in einem anderen Mitgliedstaat, sondern ebenso für grenzüberschreitende mediale Dienstleistungen. Siehe Schüll,
Schutz der Meinungsvielfalt im Rundfunkbereich durch das europäische Recht, S. 144 f.
365 Siehe EuGH, C-300/89, Titandioxid, Slg. 1991, I-2867 Rdnr. 15.
366 Vgl. Tietje, in: Grabitz/Hilf, Recht der Europäischen Union, Art. 95 EGV Rdnr. 10.
367 Richtlinie 98/43/EG der Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und
Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen, ABl. L 213 vom 30.7.1998, S. 9 ff.
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folgt schon aus den Konsequenzen des nationalen Antikonzentrationsreglements für
den transeuropäischen medialen Dienstleistungsverkehr: Meinungsmacht wird nach
unterschiedlichen Kriterien bewertet und in verschiedenem Maß toleriert. Andererseits kann sich das nationale Antikonzentrationsrecht wegen seines Zusammenspiels
mit sekundärrechtlichen Vorgaben wettbewerbsverfälschend auswirken.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Meinungsvielfalt ist für die Demokratie in der Informationsgesellschaft unverzichtbar. Bedroht wird sie durch eine zunehmende Uniformität der Berichterstattung und Medienkonzentration. Zwar haben sich die meisten Mitgliedstaaten der EU zur Schaffung antikonzentrationsrechtlicher Bestimmungen entschieden, diese beschränken sich aber auf die Erfassung nationaler Meinungsmacht. Grenzüberschreitendes Engagement von Medienkonzernen wird regulatorisch kaum berücksichtigt.
Es stellt sich daher die Frage, ob und in welcher Weise die Europäische Gemeinschaft Pluralismussicherung betreiben soll. Dabei geht es zunächst darum, welchen Gefahren die Meinungsvielfalt in der Informationsgesellschaft ausgesetzt ist und welche Mediensektoren von einer Pluralismussicherung erfasst sein sollten. Weitere Schwerpunkte liegen auf der europarechtlichen Legitimation der Materie sowie auf der kontrovers diskutierten Frage, ob sich die Gemeinschaft auf ihre Koordinierungsbefugnis aus Art. 47 Abs. 2 und Art. 55 EGV berufen kann oder Kompetenzausübungsschranken entgegenstehen. Die Publikation richtet sich an Medien- und Europarechtler sowie Kommunikations- und Politikwissenschaftler.