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von Infotainment-Formaten im Fernsehen sowie von entsprechenden Internetportalen aufgegriffen werden.15
Während man in politischen Kommentaren oder Talkshows einen offenen Schlagabtausch erwartet, eignet sich seichtes Entertainment dazu, eine bestimmte Person,
Partei oder Weltanschauung unterschwellig in ein gewisses Licht zu rücken.16 Diese
Fähigkeit zur Einflussnahme auf den Meinungsbildungsprozess verstärkt sich angesichts konvergenzbedingter Diversifikationsstrategien internationaler Medienkonzerne17 und der Internationalisierung des Mediengeschäfts.18 Eine hohe Konzentration im Bereich der Medien intensiviert die Fähigkeit, ein bestimmtes Thema auf die
tagespolitische Agenda zu setzen. Agenda-Setting ist speziell dann zu beobachten,
wenn eine Materie in unterschiedlichen medialen Subsektoren hervorgehoben werden kann.19
1.3.2. Cross-Promotion
Die Fähigkeit zur Cross-Promotion20 verstärkt solche Effekte, da dem Rezipienten
ein und derselbe Standpunkt mittels verschiedener Medien nähergebracht wird.
Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit, auf konzerneigene Produkte über verschiedene Plattformen aufmerksam zu machen. Dies geschieht meistens über entsprechende Verweise in Schwestermedien, beispielsweise wenn das Titelthema einer
15 Vgl. KEK-293, S. 91 – Axel Springer AG.
16 Exemplarisch sei hier der Auftritt des oft als „Medienkanzler“, vgl. Bornemann, MMR 2006,
275, Fußn. 4, bezeichneten früheren Ministerpräsidenten von Niedersachsen Gerhard
Schröder während des Bundestagswahlkampfes in einer Seifenoper im Vorabendprogramm
eines Privatsenders angeführt. Welchen immensen Einfluss die Medien unter real-timeagenda-Gesichtspunkten auf politische Entscheidungsfindungsprozesse haben, lässt sich aber
auch an der irrtümlich ausgestrahlten Meldung über den Rücktritt des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber durch den Bayerischen Rundfunk nachzeichnen. Siehe hierzu
auch http://www.stern.de/unterhaltung/tv/580524.html.
17 Zu den Hintergründen der crossmedialen Ausrichtung von Medienunternehmen Kübler,
MP 2004, 131 (132). Speziell zu den Strategien der größten internationalen Medienkonzerne
Sjurts, Strategien in der Medienbranche, S. 435 ff. Erst jüngst hat das BVerfG, AfP 2008, 174
(177) – Hessisches Privatrundfunkgesetz festgestellt: „Der Auftrag an den Gesetzgeber zur
Ausgestaltung der Rundfunkordnung besteht auch vor dem Hintergrund der zunehmenden
horizontalen und vertikalen Verflechtung auf den Medienmärkten und der auch in technischer
Hinsicht damit einhergehenden Konvergenz der Medien fort.“
18 Auch das BVerfG, ZUM 2007, 712 (721) – Rundfunkgebühren II misst dem Engagement
internationaler Investoren eine Bedeutung im Zusammenhang mit dem Vielfaltschutz zu.
19 Ähnlich die Einschätzung der KEK bei der gescheiterten Übernahme von ProSiebenSat.1
durch Axel Springer, KEK-293, S. 94 – Axel Springer AG; kritisch hierzu Bornemann,
MMR 2006, 275 ff.; ders., ZUM 2006, 200 ff.; Säcker, K&R 2006, 49 ff.
20 Diese nahm u. a. das BKartA im Verfahren Springer/ProSiebenSat.1 zum Anlass, die Fusion
der Medienkonzerne zu untersagen. Siehe BKartA WuW/E DE-V 1163 ff. – Springer/
ProSiebenSat.1; Kuchinke/Schubert, WuW 2006, 477 ff.; Gounalakis/Zagouras, NJW 2006,
1624 ff.
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Monatszeitschrift in Tageszeitungen, Fernsehformaten oder Internetportalen redaktionell aufgegriffen wird. Der Vorteil dieser Form der werblichen Bezugnahme liegt
zum einen darin, dass Inhalte auf verschiedenen Plattformen praktisch ohne Mehrkosten vermarktet werden können. Zum anderen aber erschließt sich hierdurch der
Zugang zu Rezipientengruppen, die nicht zur typischen Zielgruppe des Ausgangsmediums gehören. Letztlich geht es also um Rezipientenreichweite, die bei der Beurteilung von Meinungsmacht eine erhebliche Rolle spielt.21
1.3.3. Wachsende Bedeutung medialer Inhalte
Neben dieser Akkumulation konventioneller Meinungsmacht und dem Schwund
publizistischer Einheiten nahen neuartige Gefahrenpotenziale für den medialen
Pluralismus aus zwei Richtungen: der wachsenden Bedeutung von Nachrichten- und
Bildagenturen als Ausgangspunkt der medialen Verwertungskette sowie der Vermittlung des Informationszugangs. Der erste Aspekt betrifft das Generieren von Inhalten. Hier lässt sich in den letzten Jahren eine Tendenz zum Zukauf extern erstellter Inhalte feststellen,22 was u. a. auf den strukturbedingten Rückgang der Werbeeinnahmen zurückzuführen ist. Kostenintensive journalistische Betätigungsfelder
wie die Auslandsberichterstattung können von unabhängigen Medien kaum noch
selbst bewerkstelligt werden.23 Nachrichtenagenturen und Informationsdienste gewinnen hierdurch immer mehr Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung. Sie
treffen eine Vorauswahl, welche Pressemeldungen es überhaupt in die Newsrooms
der Medienkonzerne schaffen.
1.3.3.1. Uniformität der Berichterstattung
Von dieser Filter- oder Flaschenhalsfunktion24 abgesehen, ergibt sich die Bedeutung
der Nachrichtenagenturen aber auch unter medienökonomischen Gesichtspunkten:
Die Distribution von Inhalten wird dank des digitalen Contents immer billiger;
gleichzeitig ist das Anreichern eines Mediums mit Inhalten mit immer höheren Kosten verbunden.25 Aus Kostengründen und wegen der höheren Aktualität werden
21 So misst etwa die KEK, 3. Konzentrationsbericht, S. 378; KEK-293, S. 81 – Axel Springer
AG der Breitenwirkung von Medien eine besondere Bedeutung zu.
22 Dies lässt sich etwa anhand des Bedeutungszuwachses sog. Kopfblätter nachzeichnen. Hierzu
Kübler, Medienverflechtung, S. 17 ff.
23 So auch die Ansicht der Europäischen Kommission, Arbeitsdokument Medienpluralismus,
S. 10.
24 Zur Bedeutung von Flaschenhalssituationen in der Medienregulierung bereits Gounalakis,
Konvergenz der Medien, S. 75, 140.
25 Eine Website ins Internet zu stellen ist im Zeitalter von Web 2.0 kinderleicht, da eine (noch
verfügbare) Domain für geringes Entgelt erworben werden kann und auch die Kosten für
Webspace bzw. Traffic sehr gering sind. Arbeits- und damit kostenintensiv ist es dagegen, auf
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References
Zusammenfassung
Meinungsvielfalt ist für die Demokratie in der Informationsgesellschaft unverzichtbar. Bedroht wird sie durch eine zunehmende Uniformität der Berichterstattung und Medienkonzentration. Zwar haben sich die meisten Mitgliedstaaten der EU zur Schaffung antikonzentrationsrechtlicher Bestimmungen entschieden, diese beschränken sich aber auf die Erfassung nationaler Meinungsmacht. Grenzüberschreitendes Engagement von Medienkonzernen wird regulatorisch kaum berücksichtigt.
Es stellt sich daher die Frage, ob und in welcher Weise die Europäische Gemeinschaft Pluralismussicherung betreiben soll. Dabei geht es zunächst darum, welchen Gefahren die Meinungsvielfalt in der Informationsgesellschaft ausgesetzt ist und welche Mediensektoren von einer Pluralismussicherung erfasst sein sollten. Weitere Schwerpunkte liegen auf der europarechtlichen Legitimation der Materie sowie auf der kontrovers diskutierten Frage, ob sich die Gemeinschaft auf ihre Koordinierungsbefugnis aus Art. 47 Abs. 2 und Art. 55 EGV berufen kann oder Kompetenzausübungsschranken entgegenstehen. Die Publikation richtet sich an Medien- und Europarechtler sowie Kommunikations- und Politikwissenschaftler.