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E. Fazit – Grundlinien für eine Umgestaltung der Sachaufklärung
Nachdem die Grundlagen für eine Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung erarbeitet sind, werden sich die folgenden Teile der konkreten Umgestaltung der bisherigen Regelungen zuwenden. Im Ausgangspunkt wird zunächst der
Gesetzesentwurf einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe diskutiert, der die Sachaufklärung in der deutschen Zwangsvollstreckung reformieren soll. Dieser Entwurf lässt
jedoch vor allem internationale Aspekte vermissen, deren Berücksichtigung zu einem eigenen – weitergehenden – Ansatz führen wird.
I. Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 1.1.06
Aus den Treffen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Modernisierung des Zwangsvollstreckungsrechts ging ein Gesetzesentwurf zur Reform der Sachaufklärung in
der Zwangsvollstreckung hervor.643 Die vorgeschlagenen Regelungen behalten im
Wesentlichen die Konzeption des geltenden Rechts bei. Zentral für die Suche nach
Vollstreckungsobjekten ist der Schuldner selbst. Ausgangspunkt soll weiterhin das
durch ihn erstellte Vermögensverzeichnis sein, dessen Richtigkeit er an Eides statt
zu versichern hat. Als neues Element der Sachaufklärung wird im Entwurf eine so
genannte Drittauskunft eingeführt, mit der auch auf behördliche Datenbanken zugegriffen werden kann. Auch der zeitliche Ablauf des Zwangsvollstreckungsverfahrens soll sich verändern. Die Sachaufklärung rückt an den Beginn. Ohne einen ersten
Vollstreckungsversuch hat der Gläubiger damit die Möglichkeit, sich einen Einblick
in das Schuldnervermögen zu verschaffen, und so den weiteren Vollstreckungsablauf gezielter planen zu können oder sich gegebenenfalls bereits in einem frühen
Stadium gegen ein weiteres (kostenträchtiges) Vorgehen entscheiden zu können.
Darüber hinaus soll auch das Schuldnerverzeichnis Veränderungen unterzogen werden. Indem die Verwaltung der Vermögensverzeichnisse elektronisiert und innerhalb der Bundesländer zentralisiert wird, könne das Verfahren insgesamt modernisiert und effizienter gestaltet werden.644
643 Siehe oben S. 152. Der Entwurf ist auf den Seiten des Bayerischen Justizministeriums on
line abrufbar unter http://www.justiz.bayern.de/ministerium/gesetzgebung/gesetzentwurf/
[17.5.08].
644 Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs: „Das Ergebnis der Vermögensauskunft des
Schuldners, das inhaltlich dem bisherigen Vermögensverzeichnis nach § 807 ZPO a. F. entspricht, wird vom Gerichtsvollzieher als elektronisches Dokument aufgenommen und in die
Justizdatenbank eines zentralen Vollstreckungsgerichts eingestellt (§ 802f Abs.5 ZPO). Auf
deren Inhalt haben alle Gerichtsvollzieher Zugriff, die damit deren Inhalt weiteren Titelgläubigern zu Vollstreckungszwecken zugänglich machen können (§ 802k Abs.2 Satz 1 ZPO).
Daneben sind bestimmte staatliche Stellen, die schon heute auf die Vermögensverzeichnisse
zugreifen können, im Rahmen ihrer Aufgaben einsichtsbefugt (§ 802k Abs.2 S.2 ZPO). Das
einzelne Vermögensverzeichnis wird für 12 Monate abrufbar sein (§ 802k Abs.1 ZPO); bei
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Für diese Pläne liegen auch bereits die Vorschläge zur Änderung der ZPO im
Einzelnen vor:
Zunächst ist dem Schuldner nach § 802f Abs.1 des Entwurfs durch den Gerichtsvollzieher eine zweiwöchige Frist zu setzen, um die zu vollstreckende Forderung zu
begleichen. Erst nachdem diese letzte Leistungsfrist ergebnislos verstrichen ist, ist er
zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet. Durch die Vermögensauskunft
wird nach § 802d des Entwurfs eine zwölfmonatige Schutzfrist in Gang gesetzt.
Während dieser Zeit muss der Schuldner nur dann erneut ein Vermögensverzeichnis
anfertigen, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners wesentlich verändert haben. Andernfalls muss der Vollstreckungsgläubiger mit einem Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses vorlieb nehmen.
In einem zweiten Schritt kann nach § 802 l des Entwurfs zur bereits erwähnten
Drittauskunft übergegangen werden. War die Vermögensauskunft des Schuldners
nicht ergiebig oder ist sie verweigert worden, ist der Gerichtsvollzieher ermächtigt,
Auskünfte von dritter Seite einzuholen – vorausgesetzt, die Forderung des Gläubigers beläuft sich auf mehr als 500 Euro. Die zu erhebenden Daten werden in § 802 l
des Entwurfs abschließend festgelegt. Ermittelt werden kann danach das eventuelle
Arbeitseinkommen des Schuldners nebst Name und Anschrift des Drittschuldners
sowie eventuelle Leistungsansprüche gegenüber einem Rentenversicherungsträger.
Unter das Arbeitseinkommen fallen auch Versicherungsleistungen, so dass auch
entsprechende Versicherungsunternehmen auskunftspflichtig sind. Zusätzlich können die Kontostammdaten des Schuldners erhoben werden sowie gegebenenfalls die
Daten über ein Fahrzeug, dessen Halter er ist.
Neben den Veränderungen der Sachaufklärungsmaßnahmen unterzieht der Entwurf auch die Verzahnung der schuldnerischen Vermögensauskunft mit dem
Schuldnerverzeichnis einem Richtungswechsel. Nach § 882c des Entwurfs sollen
nun bereits diejenigen Schuldner in die so genannte Schwarze Liste aufgenommen
werden, die ihrer Pflicht zur Vermögensauskunft nicht nachgekommen sind. Ferner
führt die Tatsache zu einer Eintragung, dass sich aus dem Vermögensverzeichnis
offensichtlich ein Mangel an Vollstreckungsobjekten für den konkreten Fall ergibt
oder die Vollstreckung tatsächlich nicht zum Ziel der vollständigen Befriedigung
des Gläubigers geführt hat. Damit setzt der Entwurf den Reformvorschlag Sudas
um, im Schuldnerverzeichnis nicht nur die fehlende Zahlungsbereitschaft, sonders
vor allem die fehlende Zahlungsfähigkeit zu dokumentieren.645
unveränderten Vermögensverhältnissen muss der Schuldner erst danach auf Antrag erneut eine Vermögensauskunft abgeben.”
645 Vgl. dazu oben S. 157.
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II. Stellungnahme zum theoretischen Konzept
Grundsätzlich verfolgt der Entwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein in sich
schlüssiges theoretisches Konzept.
Die Sachaufklärung setzt nach dem Entwurf weiterhin beim Schuldner selbst an.
Nur so kann das Gläubigeranfechtungsverfahren sinnvoll in die Zwangsvollstreckung eingebunden werden. Die Drittauskunft wird nämlich keine Informationen
darüber liefern können, ob in der Vergangenheit gezielte Vermögensverschiebungen
stattgefunden haben. Aber auch wenn sie nur beschränkte Informationen hervorbringt, speist sie sich dafür aus zuverlässigen Quellen und ist nicht vom Kooperationswillen des Schuldners abhängig. Die beiden Ermittlungsmaßnahmen ergänzen
sich aus der Perspektive des Gläubigers insoweit gut.
Der Abruf von Kontostammdaten erscheint darüber hinaus auch als sinnvolles Instrument, die unbefriedigende Praxis der Verdachtspfändungen zu ersetzen. Nach
jetziger Rechtslage ist dies – über die Befragung des Schuldners selbst hinaus – die
einzige zwangsvollstreckungsrechtliche Methode, Konten des Schuldners ausfindig
zu machen. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes können zur
gleichen Zeit mehrere Konten gepfändet werden. Das ermöglicht, die entsprechenden Banken am Wohnort des Schuldners bei der Suche einzubeziehen.646 Auch
wenn die Verdachtspfändung als Sachaufklärungsinstrument durch diese Rechtsprechung effektiviert wurde, birgt ein solches Vorgehen einen erhöhten Arbeitsaufwand
für alle Beteiligten. Der Bundesgerichtshof billigt mit seiner Rechtsprechung, dass
ein Gläubiger mit einem geringem oder sogar ohne Vorwissen über eventuelle Konten seines Schuldners Informationen über entsprechende Vollstreckungsmöglichkeiten erhält.647 Warum soll dieser Datenfluss dann nicht in direkte und gesetzlich geregelte Bahnen gelenkt werden?
Gegen den Abruf der Kontostammdaten sind in der Vergangenheit bereits von
verschiedener Seite verfassungsrechtliche Bedenken angeführt worden. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit dieser Thematik bereits anlässlich eines Antrags gegen das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit648 auseinanderzusetzen.649 In seiner Folgenabwägung kam das Gericht zum Schluss, dass der Abruf von
Kontostammdaten für die Betroffenen keine tiefe Beeinträchtigung ihrer geschützten
Sphäre der informationellen Selbstbestimmung darstelle.650 Auch die Belastung der
Kreditinstitute war nicht gewichtig genug, um eine einstweilige Anordnung zur
vorläufigen Aussetzung der Regelung zu erlassen. Ein Kreditinstitut handle gegen-
über seinen Kunden nicht treuwidrig, wenn eine Behörde kraft gesetzlicher Ermächtigung ohne Kenntnis und Mitwirkung der Bank automatisiert Daten abruft. Es sei
daher nicht zu befürchten, dass eine Bank gesetzlich verpflichtet wird, das vertragli-
646 Vgl. dazu oben S. 123.
647 Vgl. oben S. 123.
648 Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003, BGBl. I, S. 2928 ff.
649 BVerfG NJW 2005, S. 1179 ff.
650 BVerfG NJW 2005, S. 1179, 1179-1183.
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che Vertrauensverhältnis zum Kunden zu verletzen.651 Auch wenn diese Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts nur Ergebnis einer Folgenabwägung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ist, so bietet sie doch einige Anhaltspunkte
dafür, dass der Abruf der Kontostammdaten unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.
Der Gesetzesentwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe bewegt sich grundsätzlich
im konzeptionellen Rahmen des geltenden Rechts. Indem er aber Abschied von der
bisherigen zeitlichen Anordnung der Sachaufklärung nimmt, kommt er einem lang
gehegten Forderung aus der Wissenschaft nach – besonders Gaul hatte dies in seinen
Beiträgen bereits in den Neunzigerjahren gefordert.652 Die Autoren des Gesetzesentwurfs rücken von der Eingliederung der Sachaufklärung in das Vollstreckungsverfahren ab. Damit verliert auch die funktionale Kombination aus anfänglich fehlender Substantiierungslast und zwischengeschalteter Konkretisierung durch Vollstreckungsorgane653 ihre bislang tragende Rolle. Da nicht vorgesehen ist, die
Substantiierunslast des Gläubigers im Gegenzug auszuweiten, wird die Vorgehensweise noch mehr als bislang in seine Hände gelegt. Er kann in gewissen Grenzen
entscheiden, ob er – wie bisher die Regel – einen Versuch der Mobiliarvollstreckung
„ins Blaue hinein“ unternimmt oder lieber unmittelbar zur Sachaufklärung schreiten
möchte, um dann auf informierter Basis das weitere Vorgehen zu bestimmen. Das
Reformvorhaben erweitert die Herrschaft des Gläubigers also aus praktischer Sicht
um eine weitere Komponente.
1. Subsidiarität der Drittauskunft
Zu hinterfragen ist allerdings die Staffelung der beiden Aufklärungsmaßnahmen in
zwei Stufen. Die Drittauskunft kann danach nur subsidiär in Anspruch genommen
werden.
Zwar gibt der Schuldner im Rahmen der Vermögensauskunft die Informationen
selbst preis – vor dem Hintergrund einer drohenden Beugehaft und Eintragung in
das Schuldnerverzeichnis kann dies aber nicht freiwillig genannt werden. Zudem
muss er bei der Vermögensauskunft weitergehende Angaben machen und nicht nur
deren Richtigkeit, sondern auch deren Vollständigkeit eidesstattlich versichern. Eine
Falschaussage ist damit strafbewehrt.654 Beide Eingriffe in die informationelle
Selbstbestimmung des Schuldners erscheinen deshalb vergleichbar intensiv. Der
Vorrang der Selbstauskunft sollte auch kein starrer Grundsatz sein, der unabhängig
von den Gegebenheiten der konkreten Alternativen angewandt wird. Es ist nicht
ersichtlich, warum die Vermögensauskunft gegenüber der Drittauskunft in jedem
Fall das mildere Mittel sein soll. Grund für die vorgegebene Reihenfolge kann des-
651 BVerfG NJW 2005, S. 1179, 1182.
652 Vgl. oben S. 156.
653 Vgl. oben S. 143 f.
654 Siehe oben S. 95.
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halb nicht die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein. In dieser Lage
sollten die Erkenntnisse der ökonomischen Analyse des Rechts655 als ergänzender
Aspekt zum Tragen kommen. Warum lässt man dem Gläubiger nicht die Wahl, die
im konkreten Fall geeignet erscheinendere Maßnahme zur Sachaufklärung zu wählen? Er kann die Situation in der Regel am besten einschätzen und wird versuchen,
eine adäquate Maßnahme zu finden.
Auch in einem solchen Fall ist es sinnvoll, vor der Durchführung der Drittauskunft dem Schuldner eine letzte Leistungsfrist zu setzen. Bei der persönlichen Zustellung einer solchen Zahlungsaufforderung käme ein Kontakt des Schuldners mit
dem Gerichtsvollzieher zustande, auch wenn die Drittauskunft im Einzelfall vor der
Vermögensauskunft steht. Von Gerichtsvollziehern wird nämlich berichtet, dass der
persönliche Kontakt zum Schuldner und das hierbei in der Regel geführte Vollstreckungsgespräch die Zahlungsbereitschaft, auch zur Tilgung in Teilbeträgen, erhöhe.656 Dieser Kontakt könnte in den meisten Fällen durch eine persönliche Zustellung der Zahlungsaufforderung hergestellt werden.
Diese letzte Warnung sollte jedoch keinen konkreten Hinweis enthalten, welche
Art der Datenerhebung folgen wird. Damit deutete man nämlich gleichzeitig die
Richtung der Zwangsvollstreckung an und ermöglichte dem Schuldner, den anstehenden Maßnahmen durch Verschleierung gezielt entgegenzuwirken.
2. Beschränkung der Drittauskunft auf Forderungen über 500 Euro
Nicht sinnvoll erscheint hingegen die Beschränkung der Drittauskunft auf die Vollstreckung wegen Forderungen ab 500 Euro. Die Formalisierung der Zwangsvollstreckung gebietet gerade, Aspekte des materiellen Anspruchs nicht einzubeziehen.
Die Vollstreckung so genannter Bagatellforderungen ist ein viel diskutiertes Phänomen: Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich bereits mit einem Fall befasst,
in dem die Haft zur Erzwingung einer eidesstattlichen Versicherung zur Vollstreckung einer Bagatellforderung im Raum stand.657 Dabei wurde auch in die Waagschale geworfen, dass dem Schuldner Möglichkeiten eingeräumt sind, die Sachaufklärung und auch die Vollstreckung insgesamt aufzuschieben.658 Gerade bei geringen Forderungen wird es ihm besonders leicht fallen, durch die Signalisierung von
Zahlungsbereitschaft einen Aufschub der Sachaufklärung zu erreichen, indem er mit
dem Gerichtsvollzieher einen Plan zur Ratenzahlung ausarbeitet – die Zustimmung
des Gläubigers vorausgesetzt. Dies gilt sowohl nach geltendem Recht als auch nach
655 Siehe oben S. 162.
656 Vgl. beispielsweise die Stellungnahme der Vorsitzendenkonferenz des DGVB vom 2./3.7.04
in Berlin zum Konzept Bayerns und Baden-Württembergs zur Reform der Sachaufklärung in
der Geldvollstreckung im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Modernisierung des
Zwangsvollstreckungsrechts". http://www.dgvb.de [17.5.08].
657 BVerfGE 48, 396 ff.
658 BVerfGE 48, 396, 401.
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dem Gesetzesentwurf von 2006. Selbst wenn man aber entgegen dem Grundsatz der
Formalisierung Aspekte der Forderung in eine Abwägung einbeziehen möchte, muss
man bei einer Interessenabwägung berücksichtigen, dass die Bagatelle nicht nur auf
Seiten des Gläubigers liegt. Für den Schuldner stellt es genauso eine Bagatelle dar,
die so genannte Bagatellforderung zu begleichen, was zur Abwendung des Sachaufklärungsverfahrens samt Inhaftierung genügen würde. Auf der Seite des Gläubigers
ist es hingegen nicht selten, dass seine Erwerbstätigkeit von vielen einzelnen kleinen
Forderungen getragen wird, auf deren Beitreibung er angewiesen ist.
Im konkreten Fall fällt es darüber hinaus allerdings auch schwer, eine Forderung
von beispielsweise über 490 Euro – wohl gemerkt ohne die Vollstreckungskosten –
als Bagatelle zu bezeichnen und dem Gläubiger deshalb nur eingeschränkte Sachaufklärungsmöglichkeiten zuzugestehen. Gibt der Schuldner eine Vermögensauskunft ab, so wird zur Begleichung einer Bagatellforderung in den allermeisten Fällen
ohnehin ausreichend Vollstreckungsmasse offenbart worden sein. Kommt der
Schuldner seiner Auskunftspflicht jedoch gar nicht nach, wäre die Sachaufklärung
damit beendet und der Gläubiger wiederum auf private Datenermittler angewiesen.
Im Ergebnis ist es deshalb sinnvoll, die Drittauskunft uneingeschränkt zu gewähren.
3. Frist zum Schutz des Schuldners vor erneuter Vermögensauskunftspflicht
Zu befürworten ist die Verkürzung der Schutzfrist nach der Vermögensauskunft auf
zwölf Monate. Die Schutzfrist von drei Jahren im geltenden Recht ist zu lang. Der
Gläubiger muss sein rechtliches Interesse an der Sachaufklärung grundsätzlich nicht
darlegen – es entsteht bereits mit der Titulierung seines materiellen Anspruchs. Eine
Darlegungslast sollte nur in den engen Ausnahmefällen begründet werden, in denen
es weit überwiegend wahrscheinlich ist, dass alle durch die Offenbarung des
Schuldners zu erlangenden Informationen bereits vorliegen. Erst dann würde die
Auferlegung der Duldungspflicht für den Schuldner weitergehen als der Schutzzweck für den Gläubiger. Ist dieser Zustand erreicht, gebietet es der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, den Schuldner nur zur wiederholten Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und dessen eidesstattlicher Versicherung zu verpflichten, wenn
der Gläubiger glaubhaft machen kann, dass neue vermögensrelevante Umstände
eingetreten sind. Die Veränderungen im Wirtschafts- und Arbeitsleben werden immer kurzfristiger, so dass eine Schutzfrist von zwölf Monaten angemessen ist.
4. Datenschutz
Im Gegenzug werden die Angaben im Vermögensverzeichnis – wie bisher auch –
der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung gestellt. Auch Gläubiger erhalten nur dann
nach § 802d Abs.2 des Entwurfs eine Abschrift des zuletzt abgegebenen Vermögens
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verzeichnisses, wenn sie selbst eine Vermögensauskunft beantragt haben, die
zwölfmonatige Schutzfrist eine erneute Inpflichtnahme des Schuldners aber verhindert. Entsprechend dieser Schutzfrist werden die Verzeichnisse nach zwölf Monaten
gelöscht. Der konsequente Schutz des Schuldners vor Weitergabe seiner Vermögensdaten ist zu begrüßen. Die drohende sachfremde Verwendung durch Außenstehende wäre ein Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das
nicht durch den Vollstreckungsanspruch des Gläubigers überwogen werden kann.659
III. Praktische Ausgangsbedingungen – ökonomische Aspekte
In tatsächlicher Hinsicht liegt dem Entwurf die Annahme zu Grunde, dass ein Vollstreckungsversuch „ins Blaue hinein“ in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht
zum Erfolg führt und eine vorgelagerte Sachaufklärung deshalb in der Gesamtschau
effektiver ist.660 Diese Einschätzung wird jedoch nicht von allen geteilt.
So gehen beispielsweise die Vertreter des Deutschen Gerichtsvollzieher Bundes
davon aus, dass die Vollstreckung in Mobilia, auch wenn ihre Bedeutung grundsätzlich abnimmt, den Gläubiger in vielen Fällen befriedigt und deshalb durchaus zeitgemäß ist. Der Vorstand der Vereinigung weist nicht nur darauf hin, dass die Mobiliarvollstreckung in vielen Fällen ein effektives Vollstreckungsmittel darstelle, sondern betont auch, dass nur im Rahmen der Mobiliarvollstreckung ein intensives
Zusammentreffen mit dem Schuldner zustande komme. Das fördere dessen Zahlungsmoral und mache weitere Vollstreckungsmaßnahmen häufig überflüssig.661
Auch Seip, der selbst Gerichtsvollzieher ist, geht in einem eigenständigen Beitrag
davon aus, dass die Erfolgsquote der Sachpfändung nicht nur daran gemessen werden darf, wie viel durch die Verwertung von Mobilien erzielt wurde – nämlich wenig, sondern daran, wie viele Zahlungseingänge auf den Kontakt mit dem Gerichtsvollzieher zurückgehen. Diese nehmen seiner Ansicht nach einen ganz wesentlichen
Umfang ein.662
Dem Deutschen Gerichtsvollzieher Bund und den ihm angehörenden Gerichtsvollziehern ist grundsätzlich zu Gute zu halten, dass seine Stellungnahmen im Gegensatz zu dem Ministerialentwurf aus einem unmittelbaren Bezug zur Praxis heraus
entstehen. Andererseits vertritt er aber auch die Interessen des Berufsstands, für den
mit der Verlagerung der Sachaufklärung an den Beginn der Zwangsvollstreckung
659 Vgl. dazu oben S. 172.
660 Vgl. dazu oben S. 60, 154, 161 sowie die im Vorfeld des Gesetzesentwurfs erstatteten Bericht
Bayerns und Baden-Württembergs zur Reform der Sachaufklärung in der Geldvollstreckung
im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (Aktenzeichen 3740/0130), abrufbar unter
http://www2.justiz.bayern.de/daten/pdf/Entwurf_Reform_Sachaufklaerung.pdf [24.1.2006];
661 Vgl. die Stellungnahme der Vorsitzendenkonferenz des DGVB vom 2./3.7.04 in Berlin zum
Konzept Bayerns und Baden-Württembergs zur Reform der Sachaufklärung in der Geldvollstreckung im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Modernisierung des Zwangsvollstreckungsrechts". Quelle: http://www.dgvb.de [17.5.08].
662 Seip in NJW 1994, S. 352 ff.
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ein Verlust an Kompetenzen einherginge – die Mobiliarvollstreckung träte zusehends in den Hintergrund, während die Vollstreckung in Forderungen nach wie vor
in gerichtlicher Zuständigkeit verbliebe. Zudem muss ihrer Ansicht entgegengehalten werden, dass der Gerichtsvollzieher heute – anders als im Jahr 1994, aus dem der
Beitrag Seips datiert – inzwischen auch für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zuständig ist.663 Auch auf diese Weise kann ein Kontakt zwischen dem
zunächst zahlungsunwilligen Vollstreckungsschuldner und Gerichtsvollzieher zustande kommen.
Letztlich lässt sich diese Frage nicht aus der theoretischen Warte lösen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass der praktische Vergleich zwischen beiden Grundansätzen – vor allem in ökonomischer Hinsicht – ein wichtiger Gesichtspunkt für die
Gestaltung der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung ist.
Im Endeffekt scheitern die Sachaufklärung und die gesamte Vollstreckung aber in
den allermeisten Fällen ohnehin daran, dass kein verwertbares Vermögen vorhanden
ist. Nach einer Stellungnahme des Deutschen Gerichtsvollzieher Bunds stellt dies in
der Vollstreckungspraxis der Gerichtsvollzieher mittlerweile sogar die Regel dar.
Immer öfter – so der Vorstand der Vereinigung – werden Kleingewerbetreibende,
Freiberufler und sogar Mittelständler zu Schuldnern, wobei sie ihre Rücklagen und
Luxusgegenstände meistens bereits aufgezehrt haben, um ihren Lebensstandard
wenigstens auf niedrigem Niveau aufrechtzuerhalten.664
Vor diesem Hintergrund ist besonders zu prüfen, ob das theoretische Konzept des
Gesetzesentwurfs den Anforderungen der Praxis gerecht wird und sich bei zunehmender privater Überschuldung665 bewähren kann. Den Fixkosten, die durch die
Bereitstellung des mehrstufig angelegten Verfahrens ausgelöst werden, sollte insgesamt ein entsprechender Vollstreckungsnutzen gegenüberstehen. Die notwendige
Infrastruktur für den Abruf der Kontostammdaten, zentrales Element der geplanten
Drittauskunft, wurde bereits geschaffen. Das geplante Vorgehen ist der Datenerhebung nach dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vergleichbar.666 Das
Gesetz trat bereits am 1.4.05 in Kraft und wird seitdem umgesetzt. Es gibt 14 große
Datenbanken als Kopfstellen, in denen Informationen aus den 2.400 Banken und
Sparkassen in Deutschland zusammenlaufen. Zugriff auf den Datenbestand hat die
Bundsanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht667. Sie ist technische Schnittstelle zu
663 Siehe oben S. 93.
664 Vgl. die Stellungnahme der Vorsitzendenkonferenz des DGVB vom 2./3.7.04 in Berlin zum
Konzept Bayerns und Baden-Württembergs zur Reform der Sachaufklärung in der Geldvollstreckung im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Modernisierung des Zwangsvollstreckungsrechts". Quelle: http://www.dgvb.de [17.5.08].
665 Vgl. dazu oben S. 20.
666 Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003, BGBl. I, S. 2928 ff.
667 Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vereinigt seit ihrer Gründung im Mai
2002 die Aufsicht über Banken und Finanzdienstleister, Versicherer und den Wertpapierhandel unter einem Dach. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts und unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. Sie finanziert sich aus Gebühren und Umlagen der beaufsichtigten Institute und Unternehmen.
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den Strafverfolgungsbehörden und inzwischen auch zu den Finanzämtern und allen
anderen Behörden, die in die Kontostammdaten der Bürger Einblick nehmen dürfen.
Die so genannten Kontostammdaten enthalten Informationen über alle Konten und
Wertpapierdepots. Das beinhaltet das Datum ihrer Errichtung, Name und Geburtsdatum des Kontoinhabers und der Verfügungsberechtigten sowie den Namen und die
Anschrift der wirtschaftlich Berechtigten. Kontostände und Kontobewegungen dürfen hingegen nicht gespeichert werden.668
Die Digitalisierung des Verfahrens ermöglicht es, die Informationen rasch und
ohne großen Aufwand abzurufen. Dennoch müssen Anfragen geprüft, die erlangten
Daten ausgewertet und der gesamte Vorgang protokolliert werden. In der Vergangenheit haben sich die Anfragen gehäuft, was vielfach zu Engpässen geführt hat.669
Es sollte deshalb geprüft werden, über welche personellen Kapazitäten die entsprechenden Stellen verfügen und welche finanziellen Folgen ein erhöhtes Arbeitsaufkommen durch vermehrte zwangsvollstreckungsrechtliche Anfragen nach sich zöge.
IV. Weitergehender Ansatz
Die Instrumente, die der Gesetzesentwurf vom 1.1.06 vorsieht, sollen vor allem die
Vollstreckbarkeit in Standardsituationen verbessern. Zusätzliche Herausforderungen
für die Sachaufklärung treten jedoch auf, wenn sich ein Schuldner versucht, sein
Vermögen zu über die deutschen Grenzen hinaus zu verschleiern. Ein Vollstreckungsansinnen wird so regelmäßig vor große zusätzliche Herausforderungen gestellt.
Dieses Problem wird selten auftreten, wenn der Schuldner Verbraucher ist – hier
resultieren Vollstreckungsschwierigkeiten in den allermeisten Fällen aus Zahlungsunfähigkeit infolge allgemein zunehmender Überschuldung, der man durch eine
Reform der Sachaufklärung kaum entgegentreten kann.
Meist sind es Fälle mit großer finanzieller Spannbreite und geschäftlichem Bezug,
in denen vorhandene Vollstreckungsmasse auf schwer ermittelbare ausländische
Konten verschoben wird. Gerade dann ist bedauerlich, dass Versuchen, die Vollstreckung durch Entziehung von Masse zu vereiteln, mangels adäquater Aufklärungsinstrumente große Erfolgsaussicht beschieden ist.
Der Reformgesetzgeber sollte sich deshalb der Frage stellen, ob das Vollstreckungsrecht auch in diesen Fällen dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch zu
praktischer Wirksamkeit verhelfen muss. Sollten dem Gläubiger Möglichkeiten
zugestanden werden, um im Ausland belegenes Schuldnervermögen in die Sachaufklärung des deutschen Vollstreckungsverfahrens einbeziehen zu können? Dafür
668 Vgl. Daniel Schnettler, Finanzbeamte suchen in riesigen Datenbanken nach verheimlichten
Guthaben, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.3.05.
669 So der Bundesdatenschutzbeauftragte in seinem 20. Tätigkeitsbericht für 2003 und 2004,
S. 127 f. Vgl. FN 618.
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bedürfte es eines Instrumentariums jenseits der vorgeschlagenen standardisierten
Regelverfahren.
Der gesetzgeberischen Wertentscheidung für oder gegen eine Erweiterung der
Sachaukflärung im Hinblick auf Vermögensverschiebungen muss deshalb zunächst
eine Analyse der tatsächlichen Konstellationen und des geltenden rechtlichen Rahmens – vor allem auch über die Staatsgrenzen hinaus – vorausgehen (Teil 2, Kapitel 1 bis 3). Erst auf dieser Grundlage lassen sich gestalterische Möglichkeiten aufzeigen (Teil 2, Kapitel 4).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Ein vollstreckbarer Titel in der Tasche und doch kein Erfolg – oft scheitert die Vollstreckung daran, dass der Schuldner Vermögen ins Ausland verschoben oder sonst verschleiert hat. Aus rechtsvergleichender Sicht zeigt die Autorin, wie die Suche nach Vollstreckungsgütern, die Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, gestaltet werden kann. Wie weit reichen staatliche Pflichten und wie weit die Eigenverantwortung der Gläubiger, sich präventiv abzusichern? Gerade über die Grenzen zu anderen europäischen Staaten hinweg ergeben sich Schwierigkeiten.
Das Werk zeigt auf, welche Wege im Zusammenspiel des internationalen, europäischen und nationalen Rechts in Deutschland, Frankreich und England beschritten werden können.