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kunftspflicht des Schuldners ergänzt werden.575 Der Gläubiger könnte sich damit
weiterhin für den ersten Zugriff durch Sachpfändung entscheiden.576
Ein dritter Ansatzpunkt für Verbesserungsvorschläge ist das Schuldnerverzeichnis. Suda bemängelt am derzeitigen System vor allem, dass der Aussagewert des
Schuldnerverzeichnisses nicht den Bedürfnissen der Praxis entspreche – die Zahlungsfähigkeit des Schuldners werde mit der Eintragung nicht dokumentiert, obwohl
die landläufige Meinung davon ausgehe.577 Zudem erschwere die drohende Eintragung ins Schuldnerverzeichnis eine frühzeitige Sachaufklärung, weil die Schuldner
das Offenbarungsverfahren regelmäßig hinauszögern, um die Eintragung, für sie
meist das größte Übel, zu vermeiden oder zumindest zu verzögern.578 Unter den
erörterten Optionen Abschaffung, Teilabschaffung und Modifikation des Schuldnerverzeichnisses spricht er sich für die Verbesserung des bestehenden Systems aus.
Seiner Meinung nach sollte eine Eintragung ins Schuldnerverzeichnis – unabhängig
von der Sachaufklärung – nur dann erfolgen, wenn das Vollstreckungsverfahren
nicht erfolgreich verlaufen ist. Eine Eintragung würde damit – so Suda – nur tatsächlich zahlungsunfähige Schuldner erfassen. Diese Liste sei dann aber wesentlich
vollständiger als im bisherigen System.579
C. Aspekte der Economic Analysis of Law
Über den Blickwinkel der deutschen Rechtswissenschaft hinaus soll die Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung auch unter einem Gesichtspunkt betrachtet werden,
der bislang hauptsächlich in den USA bedacht wird: Die Economic Analysis of Law
ist ein Denkansatz, der vor allem wirtschaftliche Gesichtspunkte in rechtliche Abwägungen einfließen lässt.
I. Grundlagen der Economic Analysis of Law
Die Economic Analysis of Law ist eine Rechtsschule, die in den USA begründet
wurde und vor allem dort Verbreitung gefunden hat. An fast allen USamerikanischen Universitäten sind eigene Lehrstühle oder sogar Institute für die
ökonomische Analyse des Rechts eingerichtet. Entsprechenden Raum nimmt sie
auch in der universitären Ausbildung ein.
Die Anfänge der Lehre, die enge Verbindung von Recht und Ökonomie, geht in
die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts zurück. Ihren ersten Höhepunkt erreich-
575 Gaul in ZZP 1995, S. 28.
576 Gaul in ZZP 1995, S. 27.
577 Suda in Rpfleger 1997, S. 193.
578 Suda in Rpfleger 1997, S. 196 f.
579 Suda in Rpfleger 1997, S. 198.
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te die Bewegung unter Richard A. Posner an der University of Chicago, dessen
grundlegendes und auch namensgebendes Werk The Economic Analysis of Law im
Jahr 1973 erschien. Seiner Person ist geschuldet, dass die Rechtsschule heute vor
allem in Chicago, USA, ansässig ist.
Grundgedanke der Economic Analysis of Law ist, dass die begrenzten Ressourcen
einer Gesellschaft in die Hand derjenigen Individuen fließen sollten, bei denen sie
den größtmöglichen Nutzen stiften können. Auf diese Weise können sie bestmöglich
verwendet und vermehrt werden, bis die Allokationseffizienz optimiert ist. Dies
werde durch den Tausch von Gütern erreicht. Rechtsnormen sollen also auf den
Beitrag hin untersucht werden, den sie zur optimalen Güterverteilung leisten können. Die entscheidende Frage ist, ob sie für den einzelnen einen Anreiz schaffen
können, mit seinem eigennützigen Handeln Gemeininteressen zu fördern.580 Subjektiven Rechten wird eine Lenkungskraft zugesprochen, die gezielt für eine Gemeinwohl fördernde Gestaltung des Rechts eingesetzt werden soll. Diese Kraft beruhe
darauf, dass die Individuen ihren eigenen Nutzen verfolgen und sich nicht von moralischen Kategorien oder von Pflichtbewusstsein leiten lassen.581
II. Anwendung auf die Sachaufklärung
Zur Problematik der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung gibt es keine Abhandlungen namhafter Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts. Richard A.
Posner und weitere an der University of Chicago wirkende Wissenschaftler haben
sich jedoch mit der Vollstreckung als allgemeinem Sachproblem befasst. In ihren
Beiträgen wird die Vollstreckung jedoch sehr weit verstanden – als allgemeines
Phänomen in unterschiedlichsten Rechtsbereichen. Im Vordergrund steht nicht die
Vollstreckung von Forderungen und der Interessenkonflikt zwischen Gläubiger und
Schuldner, sondern vielmehr die Grundsatzentscheidung für oder gegen eine Privatisierung von Vollstreckung, vor allem im strafrechtlichen Bereich.582 Die Sachaufklärung für die Zwangsvollstreckung von Geldforderungen ist eine Teilfrage, die nicht
unabhängig von der zugehörigen gesetzlichen Gesamtsystematik erörtert werden
kann. Die grundsätzlichen Erwägungen zur Vollstreckung und deren Privatisierung
580 Vgl. die Zusammenfassung bei Zweigert/Kötz, S. 243 f.
581 So Schäfer/Ott, S. 3, 58 ff.
582 Posner widmet ein Kapitel seines grundlegenden Werks Economic analysis of law, mittlerweile in der 6. Auflage von 2003, dem Thema Law Enforcement and the Administrative
Process. Dort setzt er sich vor allem mit der Frage Public versus Private Law Enforcement
auseinander, siehe § 23.1 und § 23.2 auf den S. 631 ff.; ähnliches gilt für den Aufsatz zu The
Private Enforcement of Law von Landes/Posner aus dem Jahr 1975. Becker/Stigler widmen
sich in ihrem Beitrag Law Enforcement, Malfeasance and Compensation of Enforcers von
1974 der generellen Frage, wie Vollstreckung optimiert werden kann. Untersucht werden vor
allem zwei Ansätze: die Bestrafung von Vollstreckungsorganen, die den Verfahrensregeln
zuwider handeln (Punishing Malfeasance) sowie die Vergabe von Prämien bei erfolgreicher
Vollstreckung (Rewarding Enforcement).
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können daher nicht unmittelbar auf die Problematik der Sachaufklärung in der Vollstreckung übertragen werden. Die spezielle Sachfrage muss einer selbständigen
ökonomischen Analyse unterzogen werden, bei der die gewachsenen Strukturen des
Zwangsvollstreckungsrechts vorausgesetzt werden. Damit sind bestehende Beiträge
seitens der ökonomischen Analyse des Rechts zwar hilfreiche Anregungen, jedoch
für sich genommen nicht hinreichend.
1. Methode
Um zu ermitteln, welche rechtliche Lösung aus ökonomischer Sicht dem Gemeinwohl am besten zu dienen vermag, legt die ökonomische Analyse des Rechts nahe,
in zwei Schritten vorzugehen. Zunächst müssen die ökonomischen Folgen der möglichen gesetzlichen Lösungsansätze analysiert werden. Die Ergebnisse einer solchen
empirisch-analytischen Wirkungsanalyse können dann in einem zweiten Schritt
bewertet und in eine juristische Regelung umgesetzt werden. Erst dabei setzt die
eigentlich juristische Arbeit ein.
Die ökonomischen Folgen verschiedener gesetzlicher Lösungen zu erforschen,
bedürfte einer umfassenden empirischen Forschung. Eine solche – in ihrem Schwerpunkt wirtschaftswissenschaftliche und soziologische – Studie durchzuführen, ist im
Rahmen einer juristischen Dissertation nicht möglich. Die ökonomische Analyse des
Rechts stützt sich in weiten Bereichen auf die Bildung mathematischer Modelle zur
ökonomischen Abbildung einer juristischen Problemstellung, dabei wird überwiegend mit Variablen gearbeitet. Auch dabei ist es jedoch erforderlich, Gesetzmäßigkeiten zu kennen und umzusetzen, um überhaupt ein aussagekräftiges Ergebnis zu
erzielen, das einem Vergleich mit Modellen anderer Lösungsansätze zugänglich ist.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann als Grundlage für eine ökonomische
Bewertung nur eine Einschätzung der Anreizfunktion und der wirtschaftlichen Auswirkungen bestimmter gesetzgeberischer Entscheidungen dienen. Auch von einer
mathematischen Modellbildung muss abgesehen werden. Als Grundlage für die
rechtsökonomischen Schlussfolgerungen können statt Wirkungsanalysen nur Prognosen dienen.
Da die juristische Fragestellung nach der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung aber große wirtschaftliche Relevanz besitzt, sollen die grundlegenden Ansätze
der ökonomischen Analyse des Rechts auch unter diesen Umständen nicht unberücksichtigt bleiben, sondern unter angepasster Methodik in den Gesamtzusammenhang einfließen. Eine grundlegende Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung zöge vor allem für die kreditgebende Wirtschaft und die Verbraucher
Veränderungen nach sich, die Folgen sollten deshalb bereits vorab einbezogen werden.
160
2. Anreizfunktionen der Sachaufklärung
Zur Bestimmung der Anreizfunktionen muss die Frage beantwortet werden, welche
Art und welches Niveau der Sachaufklärung die Beteiligten am effektivsten zur
Förderung des Gemeinwohls anregt.
Erster und wichtigster Ansatzpunkt für die Lenkungsfunktion der Normen ist im
Prozessrecht vor allem die Kostentragung.
Nach deutschem Recht muss der Gläubiger die Kosten für die Zwangsvollstreckung samt der Sachaufklärung vorschießen, damit die Vollstreckungsorgane tätig
werden. Auch wenn die Kosten letztlich dem Schuldner zur Last fallen, trägt der
Gläubiger das Risiko, dass die Vollstreckung sowohl seines ursprünglichen Anspruchs als auch die des Kostenerstattungsanspruchs ganz oder teilweise vergeblich
ist und er letztlich die Kosten einer fruchtlosen Vollstreckung selbst tragen muss.583
Ein Gläubiger, der über das Vermögen seines Schuldners nicht ausreichend informiert ist, wird deshalb versuchen, möglichst kostenarm zu vollstrecken. Dieser
Anreiz könnte ein Regulativ darstellen für ein Sachaufklärungssystem, das dem
Einzelfall gut angepasst ist und deshalb effizient arbeitet und den Schuldner im
Idealfall gleichzeitig schont. Stellt man dem Gläubiger ein weitreichendes Instrumentarium unterschiedlicher Eingriffsintensität und jeweils entsprechend wachsender Kosten zur Verfügung, so wird er nur die Maßnahmen durchführen lassen, die er
in der konkreten Situation für erforderlich hält. Dabei wird er auch stets das Risiko
der Prozesskosten mit dem Ertrag der Vollstreckung, also der Höhe seiner Forderung und der Liquidität des Schuldners, abwägen. Praktisch wichtig für die Lenkungsfunktion wäre jedoch, dass die Kosten einer Maßnahme die Intensität des
Eingriffs beim Schuldner wiederspiegeln.
Das rechtsökonomische Idealbild eines Normadressaten vorausgesetzt, ergibt sich
damit ein ausgewogenes Bild. Die für die Sachaufklärung benötigten Ressourcen
werden nur im notwendigen Maße eingesetzt, stehen aber dem Einzelfall angepasst
zur Verfügung. In das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Schuldners
würde nur dort eingegriffen, wo es für den Vollstreckungserfolg notwendig ist.
Die Kostentragung bietet einen weiteren, diesmal negativen Anreizeffekt. Da der
Schuldner auch die Kosten für die Suche nach Vermögensgegenständen durch Vollstreckungsorgane tragen muss, sollte er im Regelfall geneigt sein, bereits deren
Entstehung, spätestens aber deren Anwachsen zu vermeiden, indem er – soweit
möglich – leistet oder aber offen legt, dass kein vollstreckbares Vermögen vorhanden ist, und er eventuell frühzeitig einem Verfahren der Schuldenregulierung zugeführt werden kann. Letztlich wird auf diese Weise ein weiterer Beitrag zur möglichst
kostenarmen, effektiven Zwangsvollstreckung geleistet.
Neben der Lenkungsfunktion durch die Kosten der Sachaufklärung sollte weiterhin untersucht werden, welche ökonomischen Anreize von einer Auslagerung der
Sachaufklärung in den privaten Bereich ausgingen, oder ob ein Vorgehen in staatlicher Hand einen größeren gesamtwirtschaftlichen Nutzen birgt. Bei einer Privatisie-
583 Siehe oben S. 40.
161
rung (im untechnischen Sinne) der Sachaufklärung, also dem Rückzug staatlicher
Organe aus diesem Bereich, entfiele für den Steuerzahler der Teil der Kosten, den er
zu den Tätigkeiten verschiedener an der Sachaufklärung beteiligter Organe beisteuert. Genauere Angaben waren hier leider nicht zu erlangen. Im Haushaltsplan des
Landes Baden-Württemberg sind beispielsweise die Ausgaben für Justiz und
Rechtspflege ausgewiesen, nicht jedoch nach genaueren Tätigkeitsfeldern aufgeschlüsselt. Auch wenn eine Auslagerung in den privaten Bereich den Steuerzahler
(wenn auch wohl nur im kleineren Rahmen) entlasten würde, litte die Sachaufklärung daran, dass die Datenermittler und -händler keinen hoheitlichen Zwang auf die
Person des Schuldners ausüben können. Damit wäre die Effektivität der Aufklärung
wiederum in Frage gestellt und mit ihr auch der wirtschaftliche Nutzen. Die eingangs erwähnte Bund-Länder-Arbeitsgruppe geht bei geringer staatlicher Sachaufklärung davon aus, dass die Informationsdefizite des Gläubigers in einer Vielzahl
von Fällen dazu führen, dass eine Vollstreckung mangels Erfolgsaussichten gar
nicht erst eingeleitet wird oder aber ergebnislos bleibt. Überflüssiger und vergeblicher Vollstreckungsaufwand belaste Verfahrensbeteiligte und Justiz. Die erschwerte
Durchsetzbarkeit von Forderungen sei ein wirtschaftlicher Standortnachteil und
schade zudem der Zahlungsmoral. Die individuellen, volkswirtschaftlichen und
fiskalischen Kosten eines solchen Zustands seien erheblich – so das Fazit der Bund-
Länder-Arbeitsgruppe. Trifft die Annahme zu, dass eine Sachaufklärung durch Vollstreckungsorgane wesentlich effektiver ist als durch private Anbieter, so stünden den
Kosten der öffentlichen Hand für eine gestärkte staatliche Sachaufklärung nicht nur
höhere Gebühreneinnahmen gegenüber, sondern zögen auch einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen nach sich.
Ein vollständiger oder teilweiser Rückzug des Staates aus der Sachaufklärung in
der Zwangsvollstreckung veranlasst die Gläubiger aber nicht in allen Fällen dazu,
auf die Dienstleistungen privater Anbieter zurückzugreifen. Oft würde auch zunächst einmal der Versuch unternommen werden, „ins Blaue hinein“ zu vollstrecken, ohne zuvor nach Vollstreckungsobjekten gesucht zu haben. Wenn eine solche
Vorgehensweise Erfolg zeigt, so fallen keinerlei zusätzliche Kosten für eine Sachaufklärung an. Allerdings sind dem Gläubiger solche Vollstreckungsversuche auf
Verdacht nur möglich, solange er nicht der Last unterliegt, die potentiellen Vollstreckungsobjekte im Vorfeld einer Maßnahme konkretisieren zu müssen. In Deutschland kann ohne Vorwissen, von der Adresse des Schuldners einmal abgesehen, nur
in bewegliche Sachen und – in eingeschränktem Maße – in Forderungen vollstreckt
werden.584 Die sachaufklärungslose und damit kostenarme Vollstreckung wird damit
nur in vereinzelten Fällen erfolgreich sein. Zwar kommt der Schuldner bei einem
Mobiliarpfändungsversuch meist in Kontakt mit dem Gerichtsvollzieher, was bei
Zahlungsfähigkeit in einigen Fällen zur spontanen Begleichung der Schuld oder
zumindest zur Einleitung einer Ratenzahlung führen mag. Die Mobiliarvollstreckung an sich sei aber als Standardverfahren nicht mehr zeitgemäß und häufig wenig
erfolgversprechend, so die Kritiker des geltenden deutschen Rechts zur Sachaufklä-
584 Vgl. oben S. 70.
162
rung in der Zwangsvollstreckung.585 Dem Gläubiger bei der Suche nach Vollstreckungsobjekten keinerlei Maßnahmen an die Hand zu geben, käme deshalb einer
Verlagerung der notwendigen Sachaufklärung in den privaten Bereich gleich. Bei
mangelndem Vorwissen über das Vermögen des Schuldners wird die Vollstreckung
ohne jede Sachaufklärung in aller Regel keine dem Vollstreckungsziel dienliche
Option sein.
Ein dritter – allgemeinerer – Aspekt spricht pauschal für die Stärkung der Sachaufklärung, soweit sie zu einer Effektuierung der Zwangsvollstreckung führt. Die
effektive Durchsetzung subjektiver Rechte ist aus Sicht der ökonomischen Analyse
des Rechts deshalb wichtig, weil nur so die Lenkungsfunktion des materiellen
Rechts voll zum Tragen kommen kann. Die Normen des Privatrechts sollen eine
Situation schaffen, in der es für den Bürger lohnend ist, mit seinem Verhalten das
Gemeinwohl zu stärken. Je größer aber die Unsicherheit darüber ist, welche Erfolgschancen bei der Durchsetzung ihrer Rechte bestehen, desto weniger werden sie sich
von positiven Anreizen leiten lassen.586 Genauso verlieren negative Anreize an
Schrecken und damit auch ihre Lenkungsfunktion, wenn sie – im Fall von Ansprüchen – nicht mit Sicherheit zwangsweise durchgesetzt werden können. Geht man
also von einem Gesamtkonzept der ökonomischen Analyse des Rechts aus, das die
Rechtsordnung als funktionale Einheit begreift, dann ist es ganz entscheidend, dass
die Anreizfunktionen durch alle Verfahrensstadien der Rechtsdurchsetzung hindurch
konsequent zur Entfaltung gebracht werden. Eine effektive Zwangsvollstreckung
führt damit aus rechtsökonomischer Sicht einen Gewinn für das Allgemeinwohl
herbei.
Andererseits ist dabei auch zu beachten, dass sich die Effektivität der Vollstreckung insgesamt nicht in zu hohen Kosten niederschlagen sollte, die ihrerseits auch
zur Entwertung eines materiellen Rechts führen können.587
3. Ergebnis – Rechtsökonomisch vorzugswürdiges Modell
Alle untersuchten Aspekte scheinen aus Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts
eine gestärkte Sachaufklärung zu fordern. Die Maßnahmen entfalten dann optimale
Wirksamkeit, wenn sie zur möglichst freien Disposition des Vollstreckungsgläubigers stehen. Außerdem spricht aus rechtsökonomischer Sicht viel dafür, die Sachaufklärung durch staatliche Hand mit ihrem Zwangspotential vornehmen zu lassen.
Die Subventionierung aus Steuergeldern ist letztlich lohnend, da die Effektivität der
Vollstreckung volkswirtschaftlich großes Gewicht besitzt, nicht zuletzt durch eine
vermutlich einsetzende Steigerung der Zahlungsmoral.
585 Vgl. zur mangelnden Effektivität der Sachpfändung vor allem Behr in NJW 1992, S. 2738 ff.
586 Vgl. Adams, S. 77 ff.
587 Vgl. Adams, S. 77.
163
III. Bewertung
Die ökonomische Analyse des Rechts birgt jedoch einige, vor allem methodische
Probleme. Zwar vermag sie die umfassende Diskussion einer rechtlichen Problemstellung um interessante und wichtige Aspekte zu ergänzen. Zum alleinigen Maßstab
an rechtliche Gestaltung sollte sie jedoch nicht erhoben werden.
Zum einen stützt das konsequentialistische Normverständnis, also das allein von
der Folge her gedachte Recht, seine Geltungsberechtigung auf Wissen, das gar nicht
erlangt werden kann. Die Datenbasis ist unsicher, weil es sich dabei meist um subjektive Größen handelt. Lässt sich ein Gläubiger wirklich nur von den Kosten der
Sachaufklärungsmaßnahmen leiten oder sind es in einigen Fällen nicht auch persönliche Motive, die sein Vorgehen bestimmen? So werden sich viele Gläubiger nicht
nur von wirtschaftlichen Erwägungen, sondern von ihrer Wut über den säumigen
Schuldner leiten lassen, die sich in einzelnen Fällen zum regelrechten Jagdtrieb
entwickeln mag. Außerdem ist es schwer, die Folgen ökonomischer Anreize zu
berechnen, weil die dafür notwendigen umfangreichen Studien für jede einzelne
Rechtsfrage nicht durchführbar sind. Soziale Kosten sind – wie bereits das Beispiel
der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung zeigt – nicht einfach zu berechnen.
Problematisch ist dabei auch, die Reichweite der wirtschaftlichen Auswirkungen zu
bestimmen, die als Posten in die Kostenrechnung einfließen sollen. Regen beispielsweise neue Sachaufklärungsmittel in der Hand des Gläubigers wirtschaftliches
Wachstum an, weil sie den Handel von der Notwendigkeit vorheriger Sicherungsmaßnahmen befreit? Sollen auch die Auswirkung einer dadurch veränderten Geschäftspraxis auf das Konsumverhalten und letztlich die wirtschaftliche Konjunktur
einbezogen werden? Die ökonomische Analyse des Rechts kanalisiert also letztlich
– wie viele andere Ansätze auch – nur subjektive Wertungen in bestimmte Bahnen.
Gegen den utilitaristischen Ansatz der rechtsökonomischen Analyse spricht auch,
dass den gewachsenen Rechtsstrukturen und ihren Prinzipien zu wenig Beachtung
geschenkt wird. Einzelnen Rechtsgebieten sind jeweils unterschiedliche Zielrichtungen im Gesamtgefüge der Rechtsordnung zugeordnet. Richtet man einzelne Normen
nun am alleinigen Ziel optimaler Allokationseffizienz aus, so können Grenzen verwischt und gewachsene rechtliche Strukturen aufgelöst werden. Im Fall der Sachaufklärung ist es aus rechtsökonomischer Sicht sinnvoll, die Drohkulisse gegen den
Schuldner möglichst groß aufzubauen, um ihn zur Leistung anzuhalten oder ihn
sogar davon abzuhalten, Verpflichtungen über seine Verhältnisse einzugehen. Das
Zwangsvollstreckungsverfahren verfolgt aber nur das Ziel, dem jeweiligen Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen. Das Drohpotential soll nur im konkreten Fall zur
Vollstreckung dienen, nicht aber der allgemeinen Sozialerziehung des Schuldners.
Solche spezialpräventiven Ziele zu verfolgen, ist allenfalls Aufgabe des Ordnungswidrigkeiten- und des Strafrechts. Im StGB hat der Gesetzgeber die Leistungsverweigerung eines Schuldners oder allgemein unredliches Verhalten im Rechtsverkehr
jedoch auch nicht generell unter Strafe gestellt. Ein Vertragsabschluss bei fehlender
Leistungsfähigkeit oder fehlendem Leistungswillen stellt nur unter bestimmten Bedingungen einen Eingehungsbetrug nach § 263 StGB dar. Ein Vermögensschaden
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im Sinne des Betrugstatbestands besteht in aller Regel nur dann, wenn kein
Leistungsverweigerungsrecht den in seiner Bonität beeinträchtigten Gegenanspruch
wirtschaftlich sichert.588 Unter diesen Umständen wird es allerdings auch nur selten
zu einer Vollstreckungssituation kommen. Es besteht hingegen ein sehr großes öffentliches Interesse an Rechtsdurchsetzung und Rechtsbewährung und damit an
einem effektiven und funktionierenden Zwangsvollstreckungsverfahren als Institution, die ihren festen Platz in der Geschäfts- und Konsumwelt hat.
Es ist weiterhin auch nicht Aufgabe des Zwangsvollstreckungsrechts, der allgemeinen Verbraucherüberschuldung entgegenzuwirken. Verbraucher bei der Vergabe
von Krediten und bei Ratenzahlungsgeschäften zu schützen, ist Aufgabe des materiellen Rechts. Durch die Einführung von Aufklärungspflichten und durch Formerfordernisse wird bereits im geltenden Recht einer zu hohen Verschuldung entgegengewirkt.
Ein dritter und wesentlicher Kritikpunkt gegen die ökonomische Analyse des
Rechts ist ihr Verhältnis zu den Normen des Grundgesetzes. Aus rechtsökonomischer Sicht gehört die Herstellung von Allokationseffizienz zu den wesentlichen
Forderungen an eine Rechtsordnung. Damit läuft die Analyse dem individualistischen Ansatz der verfassungsrechtlichen Grundrechtsgewährleistung zuwider. Nach
diesem Maßstab muss nämlich angestrebt werden, mit einer gesetzlichen Regelung
einen bestmöglichen Ausgleich verschiedener Individualrechte zu finden, und nicht
zuvorderst den größtmöglichen volkswirtschaftlichen Nutzen zu erreichen.
Am Ende steht jedoch keine völlige Unverträglichkeit beider Ansätze. Die Vertreter der ökonomischen Analyse gestehen zu, „dass es notwendig sein kann, Effizienzverluste zur Erreichung höherwertiger Ziele in Kauf zu nehmen.“589 Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit stellt ihrerseits auch nur ein Rahmen dar, der mit
inhaltlichen Argumenten gefüllt werden muss.
Im Ergebnis ist es daher sinnvoll, die Erwägungen der ökonomischen Analyse des
Rechts innerhalb des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums zur Anwendung
zu bringen. Ausgangsmaßstab bleibt allerdings das Verfassungsrecht.
D. Verfassungsrechtliche Koordinaten der Sachaufklärung
Nach Art. 1 Abs.3 GG ist der Gesetzgeber an die Grundrechte gebunden. Wie sich
diese Bindung im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts konkretisiert, ist jedoch
umstritten. Bestimmend für die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs ist das
Vollstreckungsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner auf horizontaler Ebene,
der Staat fungiert dabei als Vertreter des Gewaltmonopols und verfolgt über das
Interesse an einer funktionsfähigen Rechtspflege hinaus keine eigenen Belange.590
Im Folgenden wird untersucht werden, wodurch und wieweit das gesetzgeberische
588 Vgl. Schönke/Schröder/Cramer/Perron, § 263 Rn. 132.
589 Vgl. Schäfer/Ott, S. 6.
590 Vgl. Schilken in Osnabrücker Rechtswiss. Abhandlungen 1991, S. 309.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Ein vollstreckbarer Titel in der Tasche und doch kein Erfolg – oft scheitert die Vollstreckung daran, dass der Schuldner Vermögen ins Ausland verschoben oder sonst verschleiert hat. Aus rechtsvergleichender Sicht zeigt die Autorin, wie die Suche nach Vollstreckungsgütern, die Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, gestaltet werden kann. Wie weit reichen staatliche Pflichten und wie weit die Eigenverantwortung der Gläubiger, sich präventiv abzusichern? Gerade über die Grenzen zu anderen europäischen Staaten hinweg ergeben sich Schwierigkeiten.
Das Werk zeigt auf, welche Wege im Zusammenspiel des internationalen, europäischen und nationalen Rechts in Deutschland, Frankreich und England beschritten werden können.