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Kapitel 2 – Die Sachaufklärung aus rechtsvergleichender Sicht
Das Konzept der Sachaufklärung im jeweiligen Zwangsvollstreckungsrecht soll
daraufhin untersucht werden, inwieweit der Gläubiger Informationen zu potentiellen
Vollstreckungsobjekten substantiieren muss, um Vollstreckungsmaßnahmen einleiten zu können (Teil A), welche verfahrensrechtlichen Maßnahmen seitens der Vollstreckungsorgane er zur Sachaufklärung in Anspruch nehmen kann (Teil B) und
inwieweit ihm selbst Zugang zu vermögensrelevanten Informationen gewährt wird
(Teil C). Ausgangspunkt dafür ist das geltende Recht und dessen Lösungen für die
einzelnen Probleme der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung. Darüber hinaus ist für eine umfassende rechtsvergleichende Erörterung aber auch von Interesse,
inwieweit in den drei Ländern Zufriedenheit mit der Rechtslage herrscht und ob aus
einer eventuell kritischen Bewegung Reformbestrebungen resultieren (Teil D).
A. Substantiierungslast des Gläubigers
In den drei untersuchten Rechtsordnungen ergibt sich aus der Gestaltung des Verfahrens, dass es in der Verantwortung des Gläubigers liegt, dass das vollstreckungserhebliche Tatsachenmaterial über das Vermögen des Schuldners vorliegt. Ob der
Gläubiger selbst versucht, Informationen zu erheben, oder ob er Maßnahmen von
aufklärungsermächtigten Vollstreckungsorganen in Anspruch nehmen kann – letztlich trifft ihn das Risiko, dass die Vollstreckung aus Mangel an greifbaren Vollstreckungsobjekten fehlschlägt. Mit diesem Risiko kann der Gläubiger bereits bei der
Beantragung einer Vollstreckungsmaßnahme konfrontiert werden. Muss er das Zielobjekt des beantragten Vollstreckungszugriffs substantiieren, so kann er schon zu
diesem Zeitpunkt auf Sachaufklärung angewiesen sein. Unterliegt er einer solchen
Substantiierungslast nicht oder nur in abgeschwächter Form, so kann ein zulässiger
Antrag den Zugang zu Sachaufklärungsmaßnahmen durch Vollstreckungsorgane
eröffnen.
I. Einstweiliger Rechtsschutz
Bereits im Stadium des einstweiligen Rechtsschutzes stellt sich die Frage nach der
Sachaufklärung. Mit der Frage nach der Substantiierungslast soll erörtert werden,
welche Informationen für das Gesuch um eine Maßnahme zur Sicherung der
Zwangsvollstreckung und später für deren Vollziehung benötigt werden. Erst in
einem zweiten Schritt wird von Bedeutung sein, ob die Instrumente des einstweiligen Rechtsschutzes auch selbst als Werkzeug der Sachaufklärung zum Einsatz
kommen können.
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1. Deutschland
Mit dem dinglichen Arrest nach § 917 ZPO wird ein genereller Titel geschaffen, der
zur Beschlagnahme von Vermögenswerten aller Art berechtigt. Es stellt sich dabei
die Frage, ob sich der Gläubiger in seinem Antrag auf bestimmte Objekte beziehen
muss. Sein Gesuch muss den zu sichernden Anspruch und den Arrestgrund bezeichnen,233 die Konkretisierung auf bestimmte Objekte sieht das Gesetz aber nicht vor.234
Erst im Vollziehungsverfahren werden einzelne Arrestgegenstände ausgewählt.235
Da der Gläubiger als Antragsteller damit nicht der Last unterliegt, bestimmte Arrestgegenstände bezeichnen zu müssen, könnte man zunächst den Schluss ziehen,
dass ein Gesuch um dinglichen Arrest stets eine mögliche Option sei – unabhängig
vom Wissen des Gläubigers um das Vermögen seines Schuldners. Aus rechtspraktischer Sicht wird ein Gläubiger jedoch bereits konkrete Anhaltspunkte über Vermögensgegenstände haben müssen, um glaubhaft machen zu können, dass die Vollstreckung gefährdet ist – das gilt für den dinglichen wie den persönlichen Arrest gleichermaßen.236 Für das Gesuch um den streng subsidiären persönlichen Arrest muss
der Gläubiger neben der Notwendigkeit freiheitsbeschränkender Maßnahmen gegen
den Schuldner nämlich zwingend glaubhaft machen, dass der Schuldner pfändbares
Vermögen (in beliebiger Höhe) besitzt.237
Die Kasuistik der Arrestgründe ist vielfältig. So genügt es beispielsweise, die
Verschiebung glaubhaft vorhandener Inlandsgüter verhindern zu wollen, die auf
Grund eines dinglichen Arrests gepfändet werden sollen – sei es, weil der Schuldner
seinen Wohnsitz ins Ausland verlegen will, ein Fluchtverdacht besteht oder er auf
andere Weise versucht, sein Vermögen zu verdunkeln.238 In jedem Fall wird es
kaum möglich sein, frei von jeglichem Anhaltspunkt über das Vermögen des
Schuldners glaubhaft zu machen, dass er eben dieses einer zukünftigen Vollstreckung zu entziehen droht.
2. Frankreich
Der französische Vollstreckungsrichter hat, wenn er eine mesure conservatoire bewilligt, zwingend („à peine de nullité“) die Gegenstände zu bezeichnen, die Objekt
der Maßnahme sein sollen – meist nur ein einziger Vermögenswert wie eine Forde-
233 § 920 ZPO.
234 Im Fall von § 919 Alt.2 ZPO ist jedoch ausnahmsweise erforderlich, dass bereits im einleitenden Antrag der oder die Arrestgegenstände bezeichnet werden, weil sich die Zuständigkeit
des Gerichts aus der Belegenheit des Arrestgegenstands begründet. Auch in diesem Fall geht
damit aber keine Beschränkung der Vollziehungsmasse einher. Vgl. Berger, Rn. 9.
235 Vgl. Berger, Rn. 9.
236 So auch Ritter in ZZP 1975, S. 146.
237 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 918 ZPO Rn. 4; Berger, Rn. 40.
238 Ausführlich dazu Berger, Rn. 9 ff.
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rung des Schuldners gegen seine Bank.239 Der Gläubiger muss daher in seinem Antrag die einzelnen Vermögenswerte bezeichnen, in welche die saisie conservatoire
ausgebracht werden kann. Es herrscht also bereits in diesem Zeitpunkt ein hoher
Aufklärungsstandard, dem der Gläubiger gerecht werden muss.
3. England
Die wichtigsten Instrumente des einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung der
Zwangsvollstreckung sind in England die freezing order und die search order.
a) Freezing order
Es fragt sich, welche Kenntnisse der Antragsteller bereits vom Vermögen des
Schuldners haben muss, um die Voraussetzung für den Erlass einer freezing order
erfüllen zu können. Die freezing order wirkt nicht dinglich – in rem, sondern nur in
personam. Sie statuiert eine Verhaltens- beziehungsweise Unterlassungspflicht für
den Schuldner. Das ermöglicht grundsätzlich, die Verfügung auf das gesamte Vermögen des Schuldners zu beziehen, ohne dabei einzelne Gegenstände benennen zu
müssen.240
In der ersten Entwicklungsphase der freezing order musste der Antragsteller die
Vermögensgegenstände noch genau bezeichnen und deren Existenz nachweisen
können,241 später lockerten die Gerichte dieses Erfordernis dahingehend, dass er nur
eine Vermutung dafür darlegen und begründen muss.242 Mit Erlass der Civil Procedure Rules wurde mittels Practice Direction festgelegt, auf welchem Aufklärungsniveau der Antragsteller die entsprechenden Tatsachen vorzutragen hat,243 inhaltliche Vorgaben werden dabei jedoch nicht gemacht und sind deshalb richterrechtlichen Quellen zu entnehmen. In der Practice Direction als Ausgangspunkt ist eine
Verfügung vorgesehen, die sich auf das gesamte Vermögen bis zum Betrag der
eingeklagten Schuld erstreckt. Das Aufklärungsniveau, dem der Antragsteller gerecht werden muss, ist also zunächst einmal gering. Einzig das risk of dissipation of
assets muss er glaubhaft darlegen. Die Rechtsprechung zeigt hier, dass die Gefahr
des Vollstreckungsentzugs nicht am konkreten Umgang mit einzelnen Vermögensgegenständen festgemacht werden muss, sondern auch an der Person des Schuldners
239 Siehe L.art. 69 (2), D.art. 212, vor die Klammer gezogen gilt dies sowohl für die saisieconservatoire als auch für die sûretés judiciaires.
240 Ough/Flenley, S. 166.
241 Vgl. die Analyse der damaligen Rechtsprechung bei Kerr in The Modern Law Review 1978,
S. 12. Er bezieht sich vor allem auf die unveröffentlichte Entscheidung MBPXL Corporation
v. Intercontinental Banking Corporation Ltd. [28.8.1975].
242 Third Chandris Shipping Corporation v. Unimarine [1979] 2 Lloyd’s Rep. 184, 189 (CA).
243 CPR PD 25.3.
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und seines Verhaltens allgemein aufgezeigt werden kann. So kann zum Beispiel die
Reaktionen auf die Versuche des Gläubigers, seine Forderung einzutreiben, eine
Rolle spielen, vorangegangenes Fehlverhalten allgemein244 oder aber bei Unternehmen deren Stellung und die Dauer ihrer Existenz, Kontakte zu anderen Unternehmen, die wiederholt Schulden nicht begleichen und ähnliche Anhaltspunkte.245
Der Gläubiger könnte also, ohne nähere Kenntnis vom Vermögen des Schuldners
zu haben, eine freezing order beantragen und sie würde – bei Erfüllung aller anderen
Voraussetzungen – auch gewährt werden.
Unter Einbeziehung praktischer Aspekte stellt sich die Situation allerdings anders
dar. Gerade weil die freezing order ein drakonisches Instrument ist, das auf unsicherer Tatsachenbasis gewährt werden kann, wird dem Gläubiger im Gegenzug das
Haftungsrisiko für eventuelle Schäden aufgebürdet. Er muss sich in einem so genannten undertaking246 verpflichten, für eventuelle Schäden einstehen zu wollen, die
der Schuldner in Folge einer freezing order erleidet, die sich im Nachhinein als
ungerechtfertigt erweist. Dadurch wird es dem Schuldner ermöglicht, nach Aufhebung der freezing order in einem gesonderten Verfahren gegen den Gläubiger vorzugehen. Dem Gläubiger wird es deshalb stets ein Bedürfnis oder sogar eine Notwendigkeit sein, die freezing order nur auf einzelne bestimmte Vermögensgegenstände zu begrenzen, um so sein finanzielles Risiko nicht ausufern zu lassen.247 Wäre
dies nicht möglich, so würden Gläubiger regelmäßig auf den Einsatz einer freezing
order verzichten.248 Eine Sachaufklärung ist deshalb erforderlich, um dem Antragsteller überhaupt zumutbaren Rechtsschutz gewähren zu können.
Hinzu kommen weitere praktische Notwendigkeiten. Je genauer die Vermögensgegenstände bezeichnet werden können, desto größer ist auch die praktische Wirksamkeit einer freezing order. Zum einen wird es dem Schuldner schwerer fallen,
unbemerkt eine Missachtung der gerichtlichen Verfügung, einen so genannten contempt of court, zu begehen. Damit steigt die Durchsetzungskraft, die von der Androhung ausgeht. Jeder contempt of court kann nämlich mit einer Geldstrafe oder Haft
geahndet werden. Zum anderen wirkt sich die Bestimmtheit der Verfügung auch auf
das Verhalten Dritter aus.249 Jeder Dritte, dem die Verfügung bekannt ist, ist verpflichtet, ihre Zielsetzung zu beachten. Dritte können aber nur dann in den Wirkungskreis der freezing order einbezogen werden, wenn klar ist, ob Vermögensgegenstände betroffen sind, mit denen sie in Berührung sind, und sie auf diese Weise
gezielt informiert werden können. In der Regel werden die Dritten Banken sein, die
beispielsweise mit einer Kontosperre reagieren können. Die praktische Wirksamkeit
244 Vgl. Gloge, S. 128 f.
245 Vgl. Gee, 12.039 ff.
246 Dieses Institut wird in Deutschland häufig als bedingtes Schuldanerkenntnis qualifiziert. So
Müller, S. 23.
247 Vgl. Gee, 4.017.
248 Vgl. Hoyle, S. 123.
249 Vgl. Gee, 4.006.
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einer freezing order hängt also ganz wesentlich davon ab, wie viel dem Gericht über
das Vermögen des Schuldners bekannt ist. Das macht eine Sachaufklärung erforderlich – zumindest für die Fälle, in denen die potentiellen Vollstreckungsobjekte gänzlich im Dunkeln liegen.
Es gibt aber auch Fälle, in denen Details über Vermögensgegenstände entscheidend sein können – so zum Beispiel wenn der Antragsteller zwar weiß, dass sein
Schuldner über fünf Bankkonten verfügt, deren Stand aber nicht kennt. Angenommen, die Summe, in deren Höhe Vollstreckungsgegenstände gesichert werden sollen, sei 300.000 Pfund. Jede Bank würde über den Erlass der Verfügung unterrichtet,
könnte aber nicht über das bei anderen Banken ruhende Vermögen informiert werden und würde deshalb jeweils eine Sperre bis zur Höhe von 300.000 Pfund verhängen, um der Verfügung in jedem Fall gerecht zu werden. Der Umfang der Sicherung
würde mit insgesamt 1,5 Millionen Pfund die zu sichernde Forderung bei weitem
übersteigen. Das Haftungsrisiko des Gläubigers wüchse in einem solchen Fall unverhältnismäßig an.250
Im Ergebnis wiegt die Substantiierungslast des Gläubigers aus praktischen Gesichtspunkten heraus wesentlich schwerer, als dies die Civil Procedure Rules in
Verbindung mit der Practice Direction im Ausgangspunkt glauben machen.
b) Search order
An die Substantiierungslast bei der Beantragung einer search order werden naturgemäß höhere Ansprüche gestellt. Grundvoraussetzung für eine solche order ist
stets, dass man konkrete Gegenstände im Auge hat, die man berechtigterweise einsehen beziehungsweise sichern möchte. Es muss eine Lage des clear evidence of
possession, also eindeutiges Beweismaterial dafür vorliegen, dass sich der oder die
begehrten Gegenstände im Besitz des Antragsgegners befinden.251
II. Vollstreckungsmaßnahmen
Können Vollstreckungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden, weil keine entsprechenden Objekte bekannt sind, oder gehen sie fehl, weil diese nicht hinreichend
konkretisiert werden konnten, so geht das stets zu Lasten des Gläubigers, der zur
Durchsetzung seines Anspruchs auf die Zwangsvollstreckung angewiesen ist.
Für einen Gläubiger ist es deshalb zunächst einmal relevant, wie viele Informationen bereits für die Einleitung einer Vollstreckungsmaßnahme vonnöten sind. Nur
vor dem Hintergrund seiner Substantiierungslast für die einzelnen Vollstreckungs-
250 Fall gebildet nach Hoyle, S. 123.
251 Vgl. Norrenberg, S. 143.
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maßnahmen wird deutlich, wie Sachaufklärungsmaßnahmen durch Vollstreckungsorgane im Gesamtsystem zu bewerten sind.
1. Deutschland
Der Antrag des Gläubigers hängt im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht nur in
manchen Fällen davon ab, dass der Vollstreckungsgegenstand konkret benannt wird.
Erforderlich ist eine solche Konkretisierung bei der Vollstreckung in Immobilien
und in Forderungen.252
Zur Pfändung einer Forderung muss diese aber nur bezeichnet werden. Das Gesuch ist dann ordnungsgemäß, wenn die zu pfändende Forderung nach Gläubiger
und Schuldner, Schuldgegenstand und Schuldgrund so genau bezeichnet ist, dass die
Identität bei verständiger Auslegung des Gesuchts unzweifelhaft feststeht.253
§ 829 ZPO verlangt vom Antragsteller nicht, dass er die Existenz der zu pfändenden
Forderung schlüssig darlegen kann. Das Vollstreckungsgericht prüft lediglich, ob
die Forderung nach dem Sachvortrag des Gläubigers dem Schuldner gegen den
Drittschuldner zustehen kann. Auch eine angebliche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner wird vom Pfändungsakt umfasst.254 Die Pfändung einer nicht
existenten Forderung ist ohnehin nichtig und zieht keinerlei Rechtswirkungen nach
sich.255
Bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen hingegen herrscht ein niedrigerer
Aufklärungsstandard. Auch die Substantiierungslast des Antragstellers ist damit
geringer. Der Gerichtsvollzieher kann zur Pfändung beweglicher Sachen ohne jeden
Hinweis auf bestimmte Vollstreckungsobjekte beauftragt werden. Verfügt der Vollstreckungsgläubiger aber über weitergehende Informationen, so kann er – so die
herrschende Meinung – seinen Auftrag auf bestimmte Vollstreckungsobjekte begrenzen.256
2. Frankreich
Die Situation bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen stellt sich in Frankreich
vergleichbar dar. Die Regelungen des Zwangsvollstreckungsrechts setzen nicht
zwingend voraus, dass der Gläubiger bereits bei der Initiierung des Verfahrens bestimmte Objekte bezeichnet. Erst im Zeitpunkt der Pfändung, der saisie, wird die
252 Vgl. Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.23.
253 BGH NJW 1985, 1031 f.; BGH Rpfleger 2001, 504 f.
254 BGH NJW 2004, S. 2096, 2097; vgl. auch Zöller/Stöber, § 829 Rn. 4, 5.
255 Vgl. Schuschke/Walker, § 829 Rn. 47.
256 Vgl. Baur/Stürner/Bruns, Rn. 6.23 f.
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Konkretisierung eines Vollstreckungsobjekts – meist durch den anwesenden huissier – erforderlich.257
Der Pfändungsakt bei der Vollstreckung in Forderungen muss zwingend („à peine
de nullité“) Name und Wohnsitz des Schuldners sowie Angaben zum Drittschuldner
und zur Forderung enthalten, andernfalls ist die saisie nichtig.258 Da mit der saisie
bereits über die Forderung verfügt wird, ohne dass ein zusätzlicher Verwertungsakt
erfolgen muss,259 muss sie zu diesem Zeitpunkt bereits konkretisiert sein.
3. England
Für die Vollstreckung in bewegliches Vermögen mittels warrant of execution der
County Courts sieht die County Court Rule 26.1 Einzelheiten für das Antragsverfahren vor. Der Vollstreckungsgläubiger hat danach genaue Angaben zum Vollstreckungstitel zu machen. Nicht statuiert wird jedoch, dass potentielle Vollstreckungsobjekte bezeichnet werden müssten. In der Zusammenschau lässt sich daraus schlie-
ßen, dass der Antrag des Vollstreckungsgläubigers nach dem Willen des Civil
Procedure Rule Committee260 nicht vom Wissen um mögliche Vollstreckungsgegenstände abhängen soll. Der amtliche Vordruck, mit dem der Erlass eines warrant of
execution beantragt werden kann, bestätigt das. Dort ist lediglich die Möglichkeit,
nicht aber die Pflicht niedergelegt, zusätzliche Hinweise zu geben, die dem Vollstreckungsorgan die Arbeit erleichtern und den Vollstreckungserfolg fördern können.
Zum Verfahren der Mobiliarvollstreckung schreibt Andrews: „The judgment
creditor applies to […] and produces evidence of the relevant judgment. The official
will then visit the defendant to carry out seizure of relevant goods […].”261 Auch aus
diesen Ausführungen lässt sich schließen, dass es für den Antrag des Vollstreckungsgläubiger nicht konstitutiv ist, Hinweise oder gar Beweise für geeignete Vollstreckungsobjekte beim Schuldner zu liefern.
Ein anderes Datum hingegen ist für die Beantragung eines warrant of execution
zwingend erforderlich. Auf dem Antragsformular ist als obligatorisch vorgesehen,
neben dem Namen des Schuldners auch dessen Adresse beziehungsweise den Ort
der Mobiliarvollstreckung anzugeben, der dann später mit dem warrant an den enforcement officer weitergeleitet wird.262
257 D.art. 94 Nr. 2 und D.art 101 Nr. 4.
258 D.art. 56 Nr.4.
259 Vgl. oben S. 48.
260 Siehe oben FN 50.
261 Andrews, English Civil Procedure, 39.20.
262 Vgl. den amtlichen Vordruck “Request for Warrant of Execution”, abrufbar auf den Internetseiten des Her Majesty’s Court Service unter http://www.hmcourts-service.gov.uk/
courtfinder/ forms/n323_0499.pdf [17.5.08].
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Entsprechendes gilt auch für den writ of execution against goods des High Court
of Justice. Das geht sowohl aus dem üblicherweise verwendeten amtlichen Antragsformular263 als auch aus dem amtlichen Vordruck für den writ264 selbst hervor.
Um eine Vollstreckung in eine Forderung des Schuldners einleiten zu können,
muss der Gläubiger eingangs einen Antrag auf eine third party debt order stellen.265
Dort werden die Informationen abgefragt, die zum Erlass der interim third party
debt order erforderlich sind. Auf dieser Grundlage ermöglicht es das zweistufige
Verfahren – mit der Drittschuldnererklärung im zweiten Schritt –, die für eine final
third party debt order erforderliche Gewissheit über die Forderung zu erlangen.
In einer Entscheidung Alawiye v. Mahmood des High Court of Justice aus dem
Jahr 2006 wird die Substantiierungslast des Gläubigers bei Beantragung einer Forderungspfändung eingehend thematisiert266:
„The form by which a judgment creditor seeks a third party debt order is mandatory; Part 72.3
PD 1.1 (‘Must be made .... in’). […] The claimant thus has to state he believes that the facts
that he states are true. Those facts thus to be verified include that the third party ‘Owes money
to (or holds money to the credit of) the judgment debtor’. The Claimants' sources and grounds
of information for the correctness of his knowledge or belief that the third party does owe
money to or hold money to the credit of the judgment debtor are required to be stated.”
Der Vollstreckungsgläubiger hat also überzeugend darzustellen, dass die Forderung als Vollstreckungsobjekt besteht. Welches Niveau er in diesem ersten Aufklärungsschritt mit seinem statement of truth zu erfüllen hat, beschäftigt die englische
Rechtspraxis267 und ist zentraler Punkt im Präzedenzfall Alawiye v. Mahmood. Im
Ergebnis wurde als ausreichend betrachtet, dass der Gläubiger 14 Monate vor Beantragung der interim third party debt order bei der in Frage stehenden Drittschuldnerin, einer Bank, erfolgreich einen Scheck zu Lasten seines Schuldners einlösen
konnte. Hohe Anforderungen – so das Gericht – seien nur an den Nachweis zu stellen, dass die zu vollstreckende Forderung gegen diesen Schuldner bestehe. Dass das
Vollstreckungsobjekt, in diesem Fall die Forderung gegen die Bank, zum fraglichen
Zeitpunkt existiert und dass sich im Zusammenhang mit dem Konto ein Zahlungsanspruch in ausreichender Höhe ergibt, könne auch an Hand in der Vergangenheit
liegender Tatsachen glaubhaft gemacht werden:
„…the Court can and should accept, as sufficient for the purposes of an interim order, evidence in which the judgment creditor is not able to say more than that an account at the third
party bank or building society previously existed and was previously in credit.“268.
263 Vgl. den amtlichen Vordruck, abrufbar auf den Internetseiten des Her Majesty’s Court Service unter http://www.hmcourts-service.gov.uk/courtfinder/forms/n293a_0404.pdf [17.5.08].
264 Vgl. den amtlichen Vordruck, abrufbar auf den Internetseiten des Her Majesty’s Court Service unter http://www.hmcourts-service.gov.uk/HMCSCourtFinder/GetForm.do?court_forms_
id=696 [17.5.08].
265 CPR 72.3.
266 Alawiye v. Mahmood (t/a Amsons), 2006 WL 421864, 4 (Ch.).
267 Das geht aus der Entscheidung Alawiye v. Mahmood (t/a Amsons), 2006 WL 421864, 3 (Ch.)
hervor: “As the issue raised is one of general interest and frequent application […]”.
268 Alawiye v Mahmood (t/a Amsons), 2006 WL 421864, 6 (Ch).
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III. Zusammenfassung
In der Phase des einstweiligen Rechtsschutzes, also meist noch vor Erhalt eines
vollstreckbaren Titels, differiert die Substantiierungslast des Gläubigers zwischen
den drei untersuchten Rechtsordnungen erheblich.
Während der Gläubiger in Frankreich eine vollumfängliche Substantiierungslast
zu tragen hat, hängt nach deutschem Recht ein Antrag auf eine einstweilige Maßnahme nicht von seinen Angaben zu einzelnen Vermögensgegenständen ab. Allein
um den Arrestgrund glaubhaft zu machen, wird aus praktischer Sicht in aller Regel
ein gewisses Vorwissen von Nöten sein; für einen persönlichen Arrest ist dies sogar
zwingend. Ähnlich verhält es sich nach englischem Recht. Auch hier stellt es für den
Antrag auf eine freezing order kein Formalkriterium dar, dass der Gläubiger sich auf
bestimmte Sicherungsgegenstände bezieht. Dennoch wird der Gläubiger, um das so
genannte risk of dissipation of assets glaubhaft machen zu können, häufig gewisse
Kenntnisse über das Vermögen des Schuldners einbringen müssen – er kann sich
aber auch unabhängig davon ausschließlich auf persönliche Eigenschaften des
Schuldners, vor allem auf sein Verhalten in der Vergangenheit, beziehen. Bei der
search order hingegen unterliegt der Gläubiger einer umfänglichen Substantiierungslast über den Besitz des Schuldners an der betreffenden Sache.
Die Abweichungen liegen in der unterschiedlichen Wirkweise der Maßnahmen
begründet. Mit den französischen mesures conservatoires wird nicht wie beim deutschen dinglichen Arrest ein genereller Titel geschaffen, der zur Beschlagnahme von
Vermögenswerten aller Art berechtigt.269 Auch die englische search order bezieht
sich bereits von vornherein nur auf einen oder mehrere konkretisierte Gegenstände.
Einheitlicher stellt sich die Lage im Vollstreckungsverfahren selbst dar. Der einleitende Antrag auf bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen verlangt dem Gläubiger
überall ein vergleichbares (Vor-)Wissen um das Vermögen des Schuldners ab. Bei
der Vollstreckung in körperliche Mobilien beginnt das zuständige Vollstreckungsorgan auch ohne weitere Angaben zum Schuldnervermögen mit einem ersten Vollstreckungsversuch. Bei der Vollstreckung in Forderungen hingegen muss der Gläubiger
– mit unterschiedlichen Nuancen – glaubhaft machen, dass und worin das angestrebte Vollstreckungsobjekt besteht.
269 Vgl. Traichel, S. 201; Schlosser in RIW, S. 810.
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B. Verfahrensrechtliches Instrumentarium zur Sachaufklärung
Die für die Vollstreckung notwendigen Informationen müssen aber nicht nur durch
den Gläubiger beigebracht werden. Jede der drei Rechtsordnungen sieht vor, dass
Vollstreckungsorgane Daten erheben, um das Vollstreckungsziel des Gläubigers zu
verwirklichen. Manche dieser Maßnahmen können bereits im Vorfeld eines Vollstreckungsverfahrens einsetzen (Teil I) – teils sogar, bevor der Gläubiger einen
Vollstreckungstitel innehat. In der Regel beginnt die Sachaufklärung für die Vollstreckung aber erst im Rahmen eines laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens
(Teil II).
I. Im Vorfeld eines Vollstreckungsverfahrens
1. Vor Abschluss des Erkenntnisverfahrens – Einstweiliger Rechtsschutz
a) Deutschland
In vielen Fällen wird es für den Gläubiger von Interesse sein, ob bereits vor Beginn
des eigentlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens Mittel und Wege vorgesehen sind,
Informationen über das Vermögen eines potentiellen Vollstreckungsschuldners zu
erlangen. Im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht wird die Sachaufklärung vor
allem auf das so genannte Offenbarungsverfahren nach §§ 807, 899 ff. ZPO gestützt.
Der Schuldner muss dabei ein Verzeichnis seines Vermögens anfertigen und dessen
Richtigkeit eidesstattlich versichern.270
(1) Dinglicher Arrest
Zunächst wäre denkbar, dass sich ein Gläubiger bereits in Vorbereitung eines Gesuchs um einstweiligen Rechtsschutz der Sachaufklärungsmittel bedienen könnte.
Die ZPO sieht jedoch nicht vor, dass der Schuldner eine eidesstattliche Versicherung
über seinen Vermögensbestand abgeben muss, um dem Gläubiger die Glaubhaftmachung des Arrestgrunds nach §§ 294, 920 Abs.2 ZPO zu erleichtern oder zu ermöglichen.271 Der Gläubiger kann nicht bereits im Vorfeld des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Sachaufklärungsmittel des Zwangsvollstreckungsverfahrens zurückgreifen.
Es könnte jedoch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes selbst notwendig und möglich sein, Daten über das Schuldnervermögen zu erheben.
270 Einzelheiten zu diesem Sachaufklärungsverfahren werden ab S. 93 erläutert und diskutiert.
271 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 918 Rn. 4.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Ein vollstreckbarer Titel in der Tasche und doch kein Erfolg – oft scheitert die Vollstreckung daran, dass der Schuldner Vermögen ins Ausland verschoben oder sonst verschleiert hat. Aus rechtsvergleichender Sicht zeigt die Autorin, wie die Suche nach Vollstreckungsgütern, die Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, gestaltet werden kann. Wie weit reichen staatliche Pflichten und wie weit die Eigenverantwortung der Gläubiger, sich präventiv abzusichern? Gerade über die Grenzen zu anderen europäischen Staaten hinweg ergeben sich Schwierigkeiten.
Das Werk zeigt auf, welche Wege im Zusammenspiel des internationalen, europäischen und nationalen Rechts in Deutschland, Frankreich und England beschritten werden können.