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Teil 1 – Die Sachaufklärung im innerstaatlichen Vollstreckungsverfahren
Kapitel 1 – Grundlagen für den Rechtsvergleich
Der rechtsvergleichende Blick auf die Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung
soll die Bandbreite der Regelungen in Europa möglichst repräsentativ widerspiegeln.
Die Auswahl für den folgenden Vergleich umfasst deshalb Deutschland, Frankreich
und Großbritannien. Auf diese Weise ist jeweils ein Repräsentant der drei großen in
Europa vertretenen Rechtskreise einbezogen: Deutschland für den deutschen, Frankreich für den romanischen und Großbritannien für den anglo-amerikanischen
Rechtskreis.
Im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich findet das Recht in Großbritannien
geographisch keine einheitliche Anwendung. Das englische Recht gilt ohne Abweichungen nur für England und Wales. Besonders Schottland, aber auch Nordirland,
die Kanalinseln und die Isle of Man weisen in ihrem Recht gelegentlich Eigenheiten
auf.8 Diese Besonderheiten können im Rahmen des Rechtsvergleichs jedoch nicht
berücksichtigt werden. Untersucht werden soll nur das Recht für England und
Wales, nicht das britische Recht insgesamt. In diesem Sinne ist der Begriff englisches Recht im Folgenden zu verstehen.
Die Untersuchung ist methodisch als Mikrovergleichung im engeren Sinne angelegt. Das heißt, dass das jeweilige nationale Recht nicht geschlossen in Länderteilen
dargestellt wird. Vielmehr dienen ausgewählte Aspekte und Problemfelder als gliedernde Ordnungsgrößen, die jeweils nach dem deutschen, französischen und englischen Recht betrachtet werden. In diesem Sinne widmet sich die Arbeit zunächst
den rechtshistorischen Zusammenhängen (Teil A). Darauf folgt ein normbezogendeskriptiver Teil, der den Leser mit der jeweiligen rechtlichen Umgebung vertraut
macht, in die die Sachaufklärung eingebettet ist und die sie bedingt (Teil B). Die
Rechtsinstitute stehen nämlich in Abhängigkeit zu ihrer jeweiligen Rechtsordnung
und können nur durch die Zusammenschau der dahinter stehenden Prinzipien herausgearbeitet und verglichen werden.9 Erst dann wird im nächsten Kapitel gezielt
auf die einzelnen Sachprobleme im direkten Vergleich einzugehen sein. Dieser methodische Dreierschritt ermöglicht es, die einzelnen Rechtsinstitute gedanklich von
der Gesamtsystematik der Rechtsordnungen loszulösen und sie so funktional auf
einer abstrakten Ebene in ihrer tatsächlichen Wirkweise vergleichen zu können.
8 Vgl. Bernstorff, Graf von, S. 1.
9 Vgl. zur Methodik der Rechtsvergleichung im Privatrecht auch Rothoeft, S. 1–4.
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A. Die Geschichte der Einzelvollstreckung im europäischen Kontext
I. Vom französischen Code civil von 1806 über die deutsche CPO von 1877 zum
geltenden Vollstreckungsrecht in Frankreich und Deutschland
Am Beginn der spät neuzeitlichen Wende hin zu einem ausdifferenzierten Zivilprozessrecht in Kontinentaleuropa stand der französische Code de procédure civile von
1806. Die französische Kodifikation war vor allem Kind der Aufklärung, der französischen Revolution von 1789 und deren Freiheitsidealen.
Der Code de procédure civile von 1806 übte über Frankreich hinaus großen Einfluss auf die deutsche Gesetzgebung im Zivilprozessrecht aus. Die Kodifikation
schuf ein neues Rollenverständnis der Organe im Zivilprozess. Wie auch der
Code civil war die französische Prozessordnung von der damaligen liberalen
Staatsauffassung getragen. Die Zurückhaltung, gar Passivität des Gerichts im Erkenntnisverfahren setzte sich bei der Zwangsvollstreckung fort. Sie war dort nicht
als Amtsverfahren ausgestaltet, sondern vielmehr als Verfahren zwischen selbstverantwortlichen Parteien unter deren Eigenregie. Der Code de procédure civile kannte
als Vollstreckungsorgan nur den huissier de justice, den Gerichtsvollzieher, der als
neutraler Mandatar des Gläubigers nach dessen Auftrag vorgeht, ohne kraft seines
Amtes auf einen Ausgleich von Parteiinteressen bedacht zu sein.10 Der Gläubiger
musste gegen den untätigen Gerichtsvollzieher auf Erfüllung klagen, der Schuldner
hatte sämtliche Einwendungen mit der Nichtigkeits- und Aufhebungsklage zu verfolgen.11
Diese liberale Grundkonzeption beeinflusste den Gesetzgeber der Civilprozeßordnung von 1877 ganz wesentlich. Daneben floss jedoch Gedankengut des gemeinrechtlichen Vollstreckungsverfahrens ein. Nach gemeinrechtlicher Vorstellung lag
die Vollstreckung von Beginn des Verfahrens an ganz in den Händen des Prozessgerichts.12 Letztlich suchte der Gesetzgeber einen Mittelweg. Er zog die Parteiherrschaft des französischen Code de procédure civile dem schwerfälligeren gerichtsorientierten Modell des gemeinen Prozesses vor. Die Vollstreckung wurde auf selbständige nichtrichterliche Organe übertragen.13 In den Motiven zur CPO von 1877
liest man hierzu: „Die Ausführung der Zwangsvollstreckung soll nach dem Entwurf
regelmäßig durch Gerichtsvollzieher erfolgen, welche, unmittelbar von den Parteien
angegangen, ohne Leitung des Gerichts handeln […].“ Weiter heißt es dort allerdings:
„Die Mitwirkung des Gerichts tritt ein, wenn es sich um die Erledigung von Einwendungen
des Schuldners oder dritter Personen […] handelt; auch sind gewisse Vollstreckungsakte, insbesondere die Zwangsvollstreckung im Auslande, in Forderungen und ähnliche Vermögens-
10 Vgl. Baur/Stürner/Bruns, Rn. 3.20 und 59.1.
11 Vgl. Gaul in ZZP 1972, S. 271.
12 So das „Dogma von der Untrennbarkeit von Kognition und Zwang im richterlichen Offizium“, vgl. Gaul in ZZP 1999, S. 144.
13 Vgl. Gaul in ZZP 1999, S. 145.
27
rechte, in das unbewegliche Vermögen, endlich die auf Erzwingung einer Handlung oder Unterlassung gerichtete Exekution den Gerichten zugewiesen […].“14
In gemeinrechtlicher Tradition wurden also auch gerichtliche Zuständigkeiten
und Kontrollfunktionen vorgesehen. Diese dezentrale Zuständigkeitsverteilung wurde bis heute beibehalten.
Die Aufklärung veränderte nicht nur die Rolle der Vollstreckungsorgane, auch
der Schuldner als Vollstreckungsbeteiligter wurde in neuem Licht gesehen. Die
liberalistischen Strömungen bezogen sich nicht nur auf die Rolle des Staates, sondern forderten auch die Freiheit als Menschenrecht ein. Neben dem Ziel der Gläubigerbefriedigung wurde immer wichtiger, den Schuldner durch den Vollstreckungszugriff nicht über Gebühr in Mitleidenschaft zu ziehen. Die Humanisierung der
Zwangsvollstreckung, die sich bis in das 20. Jahrhundert fortzog, ist besonders
durch die geistesgeschichtlichen Entwicklungen im Frankreich des ausgehenden 18.
Jahrhunderts vorangetrieben worden. Der Wandel manifestierte sich vor allem in der
Methode der Vollstreckung. Bei der Vollstreckung von Geldforderungen wurde die
Personalexekution nach und nach durch Maßnahmen der Realexekution ersetzt. Wo
anfangs noch die Schuldknechtschaft der Regelfall war, wurde sie zunehmend durch
die Schuldhaft abgelöst. Der Schuldner hatte sich nicht mehr in ein leibeigenschafts-
ähnliches Verhältnis zum Schuldner zu begeben, sondern wurde in einem öffentlichen Schuldgefängnis festgesetzt. Die Inhaftierung diente der Abschreckung und
mittelbar auch der Befriedigung des Gläubigers, weil sie in aller Regel die Verwandten des Schuldners unter Druck setzte, den Festgesetzten durch Begleichung der
Schuld zu befreien.15 1867 wurde auch die Schuldhaft abgeschafft.16 Wie sehr sich
die Ablehnung der Personalexekution in das französische Grundverständnis eingeprägt hat, zeigt das Beispiel Elsass-Lothringens nach dem Ersten Weltkrieg. Das
dort in Folge der Zugehörigkeit zum Deutschen Reich bis 1918 als lokales Zwangsvollstreckungsrecht geltende Achte Buch der ZPO wurde um die Bestimmungen
über den persönlichen Arrest gekürzt.17
Bereits bevor in Deutschland die Gesetzgebungsarbeiten zur Civilprozeßordnung
von 1877 abgeschlossen waren, nahmen die Impulse der Menschenrechtsbewegung
auch dort Einfluss auf grundlegende Weichenstellungen der Zwangsvollstreckung.
Noch vor Gründung des Deutschen Kaiserreichs wurde die Humanisierung der
Zwangsvollstreckung in Deutschland eingeleitet. Das veränderte Menschenbild
führte dazu, die Schuldnerschaft nicht mehr als kriminelle Handlung anzusehen, die
der Bestrafung bedarf. Der Schuldhaft als Vollstreckungsmittel war damit die
Grundlage entzogen. Durch Gesetz des Norddeutschen Bundes wurde 1868 der
14 Vgl. die Motive bei Hahn, Materialien zur CPO, 1. Abt. (1881), S. 422.
15 Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 96.
16 Gesetz vom 22.7.1867. Vgl. Catala in RTD civil 1966, S. 198; Ritter in ZZP 1975, S. 177.
17 Vgl. Ritter in ZZP 1975, S. 178.
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Verfall der Arbeitskraft und der Person des Schuldners als Befriedigungsmittel für
seinen Gläubiger abgeschafft.18
Der Weg von der Personal- zur Realexekution bezog sich auf die Vollstreckung
von Geldforderungen.19 Zur zwangsweisen Durchsetzung nichtvertretbarer Handlungen oder Unterlassungen, wofür die Willensbeugung unerlässlich ist, finden sich
auch heute noch Elemente der Personalexekution, vornehmlich in Deutschland sowie inzwischen – wenn auch weit weniger ausgeprägt – in Frankreich.
In der Gesetzgebungsgeschichte der deutschen ZPO fand fast ein halbes Jahrhundert nach Inkrafttreten der CPO von 1877 ein Intermezzo statt, das auch für die
Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung von Bedeutung war und weiterhin sein
wird. 1931 wurde der nie verwirklichte Entwurf einer neuen Zivilprozessordnung
zur Diskussion gestellt. Auslöser waren vermehrt kritische Äußerungen zur unlängst
eingeführten Zivilprozessordnung. Unter anderem wurde kritisiert, dass auf Grund
der Parteiherrschaft das Vollstreckungsverfahren dem freien Spiel der Parteien überlassen sei. Die Parteiherrschaft „grenze an Anarchie“, vor allem dem Schuldner
stünden zu viele Möglichkeiten offen, sich dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen.
Die vielfältigen Verteidigungsinstrumente des Schuldners seien das notwendige
Gegengewicht zur Gläubigerherrschaft, die damit als Wurzel des Übels identifiziert
wurde. Vorgesehen war also eine Umgestaltung des gesamten Vollstreckungsrechts,
den angedeuteten Problemen sollte durch eine Zentralisierung der Vollstreckungsabläufe beim Vollstreckungsgericht begegnet werden. Der Gläubiger wäre zwar nach
wie vor zur Einleitung und gegebenenfalls vorzeitigen Beendigung des Vollstreckungsverfahrens notwendig gewesen, ansonsten sollten seine Äußerungen lediglich
als Anregungen angesehen werden. Letztlich konnte sich der Entwurf aber nicht
durchsetzen.20
Die wichtigsten nachfolgenden Revisionen des Zwangsvollstreckungsrechts fanden in neuerer Zeit statt, darunter zwei, die die heutige Gestalt der Sachaufklärung in
der Zwangsvollstreckung mitformten.
Nach der Ersten Zwangsvollstreckungsnovelle im Jahr 197921 wurden 1994 die
Regelungen zum Schuldnerverzeichnis um datenschutzrechtliche Bestimmungen
ergänzt.22 Dem folgte im Jahr 1997 die so genannte Zweite Zwangsvollstreckungs-
18 Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 29.5.1868. Vgl. Rosenberg/Gaul/Schilken, S. 96. Vgl.
dazu auch Hahn, Materialien zur CPO, 1. Abt. (1881), S. 422.
19 Vgl. Baur/Stürner/Bruns, Rn. 3.26.
20 Vgl. Gaul in ZZP 1995, S. 25 f.
21 Das Gesetz zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften vom 7.2.1979
(BGBl. I, S. 127) ist am 1.7.1979 in Kraft getreten.
22 Das Gesetz zur Veränderung von Vorschriften über das Schuldnerverzeichnis vom 15.7.1994
(BGBl. I, S. 1566) ist am 1.1.1995 in Kraft getreten. Vgl. dazu Straub, S. 118 ff.
29
novelle.23 Zentral war dabei die Stärkung des Gerichtsvollziehers als Vollstreckungsorgan vor Ort – seine Rolle wurde gerade auch für die Sachaufklärung
neu definiert.
Trotz einiger Novellen innerhalb kurzer Zeit blieb es für das Achte Buch der ZPO
bei den anfänglich niedergelegten Prinzipien, vor allem die Herrschaft des Gläubigers gab weiterhin das Leitmotiv für das Zwangsvollstreckungsrecht.
Auch im französischen Zwangsvollstreckungsrecht blieben die Prinzipien des
Code de procédure civile von 1806 im Wesentlichen bis heute bestehen, auch wenn
mittlerweile gerichtliche Kontrollzuständigkeiten und staatsanwaltliche Aufklärungsbefugnisse eingeführt wurden.24
Das französische Zwangsvollstreckungsrecht erfuhr 1991 eine langersehnte
grundlegende und modernisierende Revision: die erste umfassende Änderung25 seit
dem Ancien Code de procédure civile von 1806, in dem der Zwangsvollstreckung
bereits über 200 Artikel gewidmet waren. Abgesehen von der Vollstreckung in Immobilien wurde durch die Reform die gesamte Materie des Zwangsvollstreckungsrechts neugestaltet.
Nachdem der Gesetzesentwurf von 198926 die langwierige Prozedur der so genannten navette parlementaire, die aufeinanderfolgenden Lesungen im Senat und
der Nationalversammlung, durchlaufen hatte, wurde die letztendlich verabschiedete
Fassung als Loi n° 91-650 du 9 juillet 1991 (Gesetz Nr. 91-650 vom 9. Juli 1991)
ausgefertigt.27 Das Gesetz wurde noch um das Décret n° 92-755 du 31 juillet 1992
23 Das Gesetz zur Änderung zwangvollstreckungsrechtlicher Vorschriften vom 17.12.1997
(BGBl. I, S. 3039) ist am 1.1.1999 in Kraft getreten. Ausführlich dazu Schuschke/Walker,
Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle.
24 Vgl. Baur/Stürner/Bruns, Rn. 59.4.
25 Zuvor gab es lediglich punktuelle Reformen – zum Beispiel durch das Gesetz vom 12. Juli
1985 betreffend die Pfändung von Arbeitseinkommen, das Gesetz vom 12. November 1955
betreffend die Sicherungsmaßnahmen, das Gesetz vom 5. Juli 1972 betreffend die Beugestrafe, das Gesetz vom 2. Januar 1973 betreffend die Pfändung von Arbeitseinkommen, das Dekret vom 24. März 1977 betreffend die Unpfändbarkeit beweglicher Gegenstände und das Gesetz vom 31. Dezember 1989 zur Regelung der Überschuldung von Privathaushalten. Aufzählung nach Werth, S. 53.
26 Der Gesetzesentwurf der Regierung für diese Reform war 1989 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Bereits 1983, also fünf Jahre zuvor, war eine Kommission aus
Richtern, Staatsanwälten, nichtrichterlichen Justizbeamten und Wissenschaftlern mit der
Ausarbeitung des Entwurfs betraut worden. Für deren Arbeit wurde zur Prämisse erhoben, die
Interessen zwischen Schuldner und Gläubiger auszugleichen, indem die Effizienz bei der
Durchsetzung der Gläubigerrechte verstärkt wird und gleichzeitig die Rechte des Schuldners
vermehrt geschützt werden. Vgl. Perrot in Juris-Classeur Procédure civile, Bd. 10,
Fasc. 2010, S. 2.
27 Gesetze und Verordnungen werden in Frankreich nummeriert und nach dem Tag ihrer Ausfertigung benannt.
30
(Dekret Nr. 92-755 vom 31. Juli 1992), eine Ausführungsverordnung, ergänzt. Beide
traten gemeinsam am 1. Januar 1993 in Kraft.28
II. Entwicklung des englischen Vollstreckungsrechts
Die Anfänge des heute geltenden englischen Zwangsvollstreckungsrechts reichen
weiter zurück als in Frankreich und Deutschland. Dort hatte sich ab Mitte des
13. Jahrhunderts eine individuelle Spruchpraxis der Richter etabliert, die das zuvor
vorherrschende Gewohnheitsrecht verdrängen konnte. Anders als auf dem Kontinent, wo das römische Recht im Spätmittelalter wiederentdeckt, aufgegriffen und
umgesetzt wurde, fand in England keine Rezeption mit vergleichbarer Wirkung statt.
Das Zivilprozessrecht entwickelte sich kontinuierlich durch die richterliche Spruchpraxis.29
Die historische Formung des englischen Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrechts verlief aber nicht nur deshalb weitgehend unabhängig von den oben
geschilderten Entwicklungen, der Ausstrahlungskraft des französischen Rechts und
der nachfolgenden Kodifikationswelle.30 Auch vor dem Hintergrund der politischen
Verhältnisse im Europa der ausgehenden Frühen Neuzeit wird dieses Auseinanderfallen verständlich. Frankreich und Großbritannien standen sich während der Zeit
der Revolutionskriege in entgegengesetzten Lagern gegenüber.31 Der französische
28 Einen guten Überblick über die Reform bieten Croze, La loi n. 91-650 du 9 juillet 1991,
JCP 1992, S. 59 ff. und S. 231 ff., und Perrot in Juris-Classeur Procédure civile, Bd. 10,
Fasc. 2010.
29 Vgl. Wilson in GS für Peter Arens 1993, S. 433.
30 Vgl. Van Caenegem, S. 103.
31 Auf die Revolution von 1789 und die nachfolgenden Umwälzungen in Frankreich folgte die
Zeit der Revolutionskriege von 1791 bis 1815. Großbritannien trat 1793 mit mehreren anderen Staaten der Ersten Koalition gegen Frankreich, bestehend aus Österreich und Preußen,
bei. Die politische Führung Großbritanniens war dabei vor allem bemüht, dem französischen
Hegemonialstreben und der zunehmend wichtigen Stellung als Kolonialmacht entgegenzutreten; sie suchte mit diesem Schritt auch zu verhindern, dass sich das Gedankengut der Französischen Revolution, vor allem republikanische Vorstellungen, auf dem eigenen Staatsgebiet
verbreitete und auf diese Weise Zündstoff für zukünftige verfassungspolitische Veränderungen lieferte. Die geistige Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution leistete einer
konservativen Haltung Vorschub; so wurden die von revolutionärem Streben motivierten
Aufstände in Irland 1791 und 1797/98 blutig niedergeschlagen. Mit den zunehmenden Niederlagen Napoleons gegen die Koalition – Großbritannien war hier vor allem in der Seeschlacht bei Trafalgar 1805 führend beteiligt – fand die Zeit der Revolutionskriege mit dem
Wiener Kongress 1815 ihren Abschluss. Vgl. dazu Witz, S. 124–126.
Der Durchbruch des Liberalismus im England Wilhelms IV. (1830-1837) schlug sich vor
allem in Wahlrechtsreformen und anderen bürgerlichen Vorstößen nieder, die Arbeiterschaft
blieb dabei im Wesentlichen außen vor. Im Unterschied zu Frankreich war der Nährboden für
eine der Französischen vergleichbare Revolution aber zunächst einmal sehr viel dünner. Vor
allem massenhaft willkürliche staatliche Inhaftierungen, für die die Pariser Bastille zum
Sinnbild geworden war, waren in England bereits seit 1679 durch den Habeas Corpus Act
verhindert worden. Vgl. zu den Reformen und zum Habeas Corpus Act die Ausführungen bei
31
Code de procédure civile mit seinen Freiheitsidealen, neben dem französischen
Code civil die einflussreichste europäische Kodifikation, übte deshalb auf das englische Zivilprozessrecht kaum Einfluss aus. Während der Kontinent von der
Französischen Revolution in Atem gehalten wurde, ging in Großbritannien die
Industrielle Revolution voran.
Durch die frühe Industrialisierung seit Ende des 18. Jahrhunderts wurden zwar
die Weichen für die spätere Entwicklung des heutigen Zwangsvollstreckungsrechts
gestellt, das 18. Jahrhundert brachte selbst aber noch keine wesentlichen rechtlichen
Veränderungen hervor. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass an den damals zwei Universitäten des Landes, Cambridge und Oxford, zu dieser Zeit nur das
römische Recht untersucht und gelehrt wurde und von dort kaum Anstöße für Ver-
änderungen des common law ausgingen. So bezeichnete Jenks das 18. Jahrhundert
auch als “ the almost dead blank […] in the history of civil procedure“.32
Das 19. Jahrhundert hingegen veränderte das Zwangsvollstreckungsrecht grundlegend. Dies spiegelt sich vor allem im Werdegang eines viel genutzten Rechtsinstituts wider, dem imprisonment for debt – säumige Schuldner wurden inhaftiert, bis
sie sich von ihrer Schuld befreien konnten. Diese allgemeine Schuldhaft verkörperte
die Personalvollstreckung in ihrer reinen Form.33 Die Industrialisierung brachte
jedoch gesellschaftliche und soziale Veränderungen mit sich, die die Vollstreckung
durch imprisonment for debt zunehmend schwieriger machte:
Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieß das Vollstreckungssystem
an seine Grenzen. Die Industrialisierung ging mit tief greifenden Umwälzungen der
englischen Sozialordnung einher. Der so genannte Vierte Stand, die Arbeiterschaft,
bildete sich heraus und war in zunehmendem Maße der Verarmung ausgesetzt. Die
wachsende Verschuldung führte Ende des 19. Jahrhunderts dazu, dass die Belegschaft in englischen Gefängnissen zur Hälfte aus säumigen Schuldnern bestand, die
unter sehr schlechten Bedingungen und ohne jeglichen Rechtsbehelf teils jahrelang
Witz, S. 15, 18 f.
32 Jenks, A Short History of English Law from the Earliest Times to the End of the Year 1938,
London 1938, S. 357 (zitiert nach Van Caenegem, S. 103, FN 212).
33 Bereits zu Beginn der Industrialisierung traf die Härte der allgemeinen Schuldhaft vor allem
die Schuldner kleinerer Forderungen innerhalb der Unterschicht. Je nach Zugehörigkeit zu
den folgenden drei Kategorien wurde Schuldnern auf unterschiedliche Weise begegnet: Gegen Kaufleute und Kapitalhändler musste vor dem Bankruptcy Court vorgegangen werden.
Für Händler, Mechaniker und Handwerker hingegen waren die Insolvency Courts zuständig,
für Gesellen, Arbeiter und Hausangestellte die Small Debt Courts, eine Art Bagatellgericht.
Mit den unterschiedlichen Zuständigkeiten kam auch jeweils unterschiedliches Recht zur
Anwendung. Während den gewerblichen Schuldnern vor dem Bankruptcy Court und den Insolvency Courts die Möglichkeit eingeräumt wurde, nach Erfüllung bestimmter Kriterien von
der verbleibenden Restschuld befreit zu werden, konnten sich die übrigen Schuldner vor den
Small Debt Courts nur von ihrer Schuld befreien, indem sie die Forderung vollständig beglichen. Gelang ihnen dies nicht, so hatte das ihre Inhaftierung in einem der Schuldgefängnisse
zur Folge. Vgl. McGregor, S. 34 f.
32
inhaftiert waren.34 Darüber hinaus mussten sogar noch Haftanstalten gegründet werden, um weitere Kapazitäten für die Vollstreckung zu erschließen.35 Was schon
damals von Kritikern als „the English slave trade“ bezeichnet wurde,36 war letztlich
auch für die Gläubiger nicht nur vorteilhaft; um zu ihrem Recht zu kommen, mussten sie die hohen Kosten für den gesamten Prozess einschließlich der aufwendigen
Vollstreckung aufbringen.37
Die Situation in den Schuldgefängnissen fand auch Eingang in die Werke damaliger Novellisten, allen voran Charles Dickens. Eine eindrucksvolle Schilderung der
Zustände findet sich in seinem 1853 erschienenen Roman Bleak House.38 An Hand
eines Erbschaftsprozesses, der sich über Jahre dahinschleppt, stellte Dickens viele
Facetten des damaligen Gesellschafts- und Justizsystems dar. Berühmt wurde vor
allem die Eingangspassage des Romans. Der Autor beschreibt dort den dichten Nebel in den Straßen Londons als Sinnbild für die Undurchdringlichkeit des viktorianischen Rechtswesens und schuf so ein viel zitiertes Bild damaliger Verhältnisse.
Diese gesellschaftskritische literarische Umsetzung gab den letzten Anstoß für eine gesellschaftspolitische Diskussion, die Mitte des 19. Jahrhunderts in die Forderung nach einer humaneren Zwangsvollstreckung mündete.39 Obwohl sich einflussreiche Stimmen wie die der Richter an den County Courts gegen die Änderung der
bestehenden Vollstreckungspraxis richteten,40 wurde die allgemeine Schuldhaft
zunehmend durch Elemente der Realvollstreckung ersetzt.
Der Grundstein dafür wurde 1869 mit dem Erlass des Debtor’s Act gelegt. In der
Präambel ist zu lesen, dass niemand aufgrund einer nicht beglichenen Geldschuld in
Haft genommen werden darf. Der Gesetzestext sah allerdings sechs Ausnahmetatbestände vor, die die Abschaffung der allgemeinen Schuldhaft zu einer bloßen Absichtserklärung werden ließen.41 Eine der Ausnahmen erfasste auch weiterhin den
Großteil aller Vollstreckungsfälle: den Zahlungsverzug des Schuldners. Allerdings
musste nach dem Debtor’s Act nachgewiesen werden, dass der Schuldner die Mittel
hat, die betreffende Schuld zu begleichen. Die Ära der allgemeinen Schuldhaft war
dennoch lediglich auf dem Papier beendet. Die englische Vollstreckungspraxis befand sich in einer Sondersituation, verglichen mit dem europäischen Kontinent, wo
34 Vgl. Jacob, S. 198.
35 Vgl. McGregor, S. 35.
36 Vgl. McGregor, S. 36.
37 Vgl. McGregor, S. 35.
38 Dickens lebte von 1812 bis 1870. Über Dickens Vater wird berichtet, dass er 1823 in das
Schuldgefängnis von London verbracht wurde und dort über mehrere Jahre hinweg inhaftiert
war, während Charles – in sehr jungen Jahren – um den Unterhalt und das Leben der Familie
kämpfte. Charles Dickens Romane hatten zunehmend sozialkritischen Charakter. Er verfolgte
den Anspruch, mit seinem literarischen Werk Einfluss auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse zu nehmen. Vgl. Terry Eagleton, Einleitung zu Bleak House by Charles Dickens,
englische Ausgabe bei Penguin Classics, London 1996.
39 Vgl. Jacob, S. 198.
40 Vgl. Jacob, S. 199.
41 Vgl. Plant, Blackstone’s Civil Practice 2004, S. 947; White Book 2008, volume 1, cc28.0.2;
Jacob, S. 199.
33
die Schuldhaft als allgemeines Vollstreckungsmittel gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr verbreitet war.42 Erst 1971, mit Inkrafttreten des Administration of
Justice Act 1970, wurde in England in die Praxis umgesetzt, was bereits ein Jahrhundert zuvor proklamiert worden war: die Abschaffung der allgemeinen Schuldhaft.43
Auch wenn sich damit bei der Vollstreckung von Geldforderungen eine klare
Entwicklung hin zur Realvollstreckung erkennen lässt, finden sich auch heute noch
Ausprägungen der Personalvollstreckung im englischen Recht. So kann die Schuldhaft auf der Grundlage des Administration of Justice Act 1970 ausnahmsweise zur
Vollstreckung von Unterhalts- und Steuerforderungen eingesetzt werden.44 Auch ein
weiteres Institut des englischen Zivilprozessrechts zeugt von einer Rechtskultur, die
es nicht scheut, auf die Person des Schuldners oder anderer Prozessbeteiligter einzuwirken: der so genannte contempt of court – am ehesten zu übersetzen als
„Missachtung des Gerichts“. Wer Gerichten und deren Entscheidungen keine
Beachtung schenkte oder gar zu wider handelte, verweigerte aus damaliger Sicht
dem Monarchen den Gehorsam und musste mit einer order for committal rechnen,
die seine Inhaftierung anordnete.45 Die Wurzeln dieses prozessualen Instruments
reichen bis in das zwölfte Jahrhundert zurück,46 gleichwohl prägt der contempt of
court aber auch heute noch die Rechtskultur im englischen Zivilprozess- und
Zwangsvollstreckungsrecht.47
Das common law birgt zwar die Möglichkeit steter Veränderung, Reformen wie
die Neugestaltung ganzer Rechtsgebiete waren und sind dem englischen System
aber fremd. Die Entwicklung des Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrechts
trug keine revolutionären Züge, es handelte sich mehr um eine evolutionäre Entwicklung. Das Potential zur grundlegenden Veränderung von Prinzipien und der
Rechtsstellung einzelner Parteien ist dabei nicht sehr groß.
Im 19. Jahrhundert wurden jedoch die entscheidenden Weichen für eine Weiterentwicklung des englischen Zivilprozessrechts gestellt, die dem heutigen Recht
seine Gestalt verlieh. Mit dem Judicature Act von 1873/75 wurde nicht nur die strikte Trennung bei der Anwendung von common law und equity aufgehoben, sondern
auch das starre System der writs and forms fallengelassen.48 Der Einfluss des Parlaments als Normgeber verstärkte sich kontinuierlich. Ende des 19. Jahrhunderts setzte
42 Siehe oben S. 27; vgl. auch Jacob, S. 199.
43 White Book 2008, volume 1, cc 28.0.2.
44 Das so genannte Judgment Summons, eine Art Haftbefehl, kann in Unterhalts- und bestimmten Steuersachen zur Schuldhaft wegen Nichtleistung ergehen. Vgl. Bunge, S. 223.
45 Vgl. Jacob, S. 205.
46 Vgl. Fox, S. 1.
47 Vgl. Gee, 19.001.
48 Vgl. Wilson in GS für Peter Arens 1993, S. 434.
34
auf dem Gebiet des Zwangsvollstreckungsrechts eine zunehmende gesetzgeberische
Tätigkeit ein.49
Für die englischen Gerichte gibt es jedoch bis heute keine einheitliche Kodifikation ihres Verfahrensrechts. Das trifft auch auf das Zwangsvollstreckungsrecht zu.
Hauptquellen sind neben dem einschlägigen case law die Civil Procedure Rules50.
Mit deren Inkrafttreten im Jahr 1999 wurde das Zivilprozessrecht umfassend reformiert. 2001 wurden drei weitere Abschnitte angefügt, in denen das Zwangsvollstreckungsrecht Eingang in die Civil Procedure Rules fand. Sie traten im Folgejahr in
Kraft.51
Weitgehend abgelöst wurden dadurch die Rules of the Supreme Court von 1965
und die County Court Rules von 1981. Einige Bestimmungen des überkommenen
Rechts gelten jedoch als Annex (schedules 1 und 2) der neuen Regeln weiter. Ergänzt werden die Civil Procedure Rules durch Practice Directions, die eine Auslegungshilfe bieten sollen, ohne jedoch selbst Gesetzeskraft zu entfalten.52
Spätere Änderungen im Bereich der Zwangsvollstreckung durch den Courts Act
von 2003 betrafen lediglich die Gliederung in Vollstreckungsbezirke (enforcement
districts) und die Schaffung eines einheitlichen Vollstreckungsbeamten (enforcement officer), außerdem wurde die Vollstreckung in bewegliche Sachen durch den
High Court of Justice gesetzlich geregelt.
Procedure Rules zeichnen sich grundsätzlich vor allem dadurch aus, dass sie –
obwohl abstrakt – jenseits von Prinzipienbildung gestaltet werden, so Wilson, der
die früheren Rules of the Supreme Court auch als „happy hunting ground for practitioners“ bezeichnete.53 Unabhängig von ihrer inhaltlichen Struktur brachten die Civil
Procedure Rules jedoch grundlegende Änderungen in der Geschichte des Zivilprozessrechts mit sich. Sie stehen am Ende einer Entwicklung von einzelfallbezogener
Rechtsprechung als alleiniger Rechtsquelle über die Rules of Court (Rules of the
Supreme Court, County Court Rules) für einzelne Gerichtszweige hin zur abstraktgenerellen Regelung des Rechtsgebiets in weiten Teilen. Dass die deduktive Methode im Bereich des Zivilprozesses an Bedeutung gewinnt, sollte jedoch nicht den
49 Beispielsweise der Law of Distress Amendment Act von 1888, vgl. Kruse in der Studie Enforcement Agency Practice in Europe (Hrsg. Andenas/Hess/Oberhammer) aus dem Jahr 2005,
Chapter 18 – The Impact of the European Convention on Enforcement Practices in England
and Wales, S. 339. Die Texte der Studie sind online abrufbar unter http://www.ipr.uniheidelberg.de/Mitarbeiter/Professoren/ Hess/Hess.htm [17.5.08].
50 Die Civil Procedure Rules bilden eine einheitliche Verfahrensordnung für die County Courts,
den High Court of Justice und die Civil Division des Court of Appeal. Procedure rules sind
Regelungen, die von einer Expertenkommission – bestehend aus Richtern, barristers, solicitors und anderen Praktikern – dem so genannten Civil Procedure Rule Committee, erlassen
werden. Dieser Vorgang wird als statutory legislation bezeichnet. Das Committee wird durch
ein Gesetz, in diesem Fall den Civil Procedure Act 1997, ermächtigt, entsprechende Regelungen zu erlassen (vgl. Andrews, English Civil Procedure, 1.03 ff., und Müller, S. 6), die ihrerseits Gesetzesrang haben (vgl. Jacob, S. 54).
51 Vgl. White Book 2008, volume 1, 70.0.2.
52 Vgl. Jacob, S. 58 f.; ausführlich dazu auch Dreymüller, S. 36 f.
53 Wilson in GS für Peter Arens 1993, S. 438 ff.
35
Blick dafür trüben, dass die Civil Procedure Rules als Rechtsquelle auch weiterhin
neben dem case law stehen. Ob Präjudizien aus der Zeit vor Inkrafttreten der Civil
Procedure Rules Anwendung finden können, insbesondere wenn sie dazu im Widerspruch stehen, wird unterschiedlich beurteilt. Da die Civil Procedure Rules aber aus
der bestehenden Spruchpraxis heraus entwickelt wurden, dürften sich Widersprüche
ohnehin nur in seltenen Ausnahmefällen ergeben.54
B. Für die Sachaufklärung relevante Grundzüge des geltenden Rechts
I. Deutschland
1. Zwangsvollstreckungsrechtliche Rahmenbedingungen
Das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht ist überwiegend im Achten Buch der ZPO
geregelt.55 Daneben wurden einige Sondergesetze geschaffen. Das Immobiliarvollstreckungsrecht findet sich ausgelagert im Gesetz über die Zwangsversteigerung
und die Zwangsverwaltung von 189856. Die Vollstreckung in Immobilien ist nämlich
in der ZPO nur in Ansätzen geregelt.57 Auch die Vorschriften über die Gläubigeranfechtung, die dem Gläubiger ermöglicht, durch seinen Schuldner verschobene Vermögensgegenstände in die Vollstreckungsmasse zurückzuführen, finden sich in
einem Sondergesetz, dem Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines
Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens von 199458.
a) Vollstreckungsbeteiligte und ihre Rechtsbeziehungen
Das Zwangsvollstreckungsverfahren dient der zwangsweisen Verwirklichung eines
titulierten materiellrechtlichen Anspruchs, im Regelfall eines richterlichen Urteils,
das rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist.59 Diese Ausgangslage ist bestimmend für das Verhältnis zwischen Vollstreckungsgläubiger und
Vollstreckungsschuldner. Ausgestattet mit einem titulierten Anspruch hat der Gläu-
54 vgl. Michael Stürner in ZVglRWiss. 2004, S. 355.
55 §§ 704 ff. ZPO.
56 Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 24.03.1897 (RGBl.
S. 97).
57 Diese Auslassung liegt in der Gesetzgebungsgeschichte begründet. Das Immobiliarvollstreckungsrecht war ursprünglich im Rahmen des Sachenrechts den Ländern vorbehalten. Erst
mit Erlass des BGBs und seines einheitlichen Sachenrechts entstand auch das so genannte
Zwangsversteigerungsgesetz. Vgl. Baur/Stürner/Bruns, Rn. 2.21.
58 Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens vom 05.10.1994 (BGBl. I S. 2911).
59 § 704 ZPO.
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References
Zusammenfassung
Ein vollstreckbarer Titel in der Tasche und doch kein Erfolg – oft scheitert die Vollstreckung daran, dass der Schuldner Vermögen ins Ausland verschoben oder sonst verschleiert hat. Aus rechtsvergleichender Sicht zeigt die Autorin, wie die Suche nach Vollstreckungsgütern, die Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, gestaltet werden kann. Wie weit reichen staatliche Pflichten und wie weit die Eigenverantwortung der Gläubiger, sich präventiv abzusichern? Gerade über die Grenzen zu anderen europäischen Staaten hinweg ergeben sich Schwierigkeiten.
Das Werk zeigt auf, welche Wege im Zusammenspiel des internationalen, europäischen und nationalen Rechts in Deutschland, Frankreich und England beschritten werden können.