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2. Aspekte der Amtshaftung der deutschen Heilberufekammern
Als Körperschaften des öffentlichen Rechts können die Heilberufekammern der
Länder einem Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ausgesetzt
sein.
Grundsätzlich haftet ein pflichtwidrig handelnder Beamter persönlich. Über
Art. 34 GG wird seine Haftung jedoch auf die Körperschaft übergeleitet.836 Der enge
Beamtenbegriff wird durch Art. 34 Satz 1 GG so erweitert, dass § 839 Abs. 1 BGB
auf alle Fälle der öffentlichen Gewaltausübung,837 und damit auch auf die Arbeit der
bei den Heilberufekammern Angestellten, anwendbar ist. Dabei erfordert die Amtshaftung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht die beamtenrechtliche Dienstherrenfähigkeit.838 Voraussetzung der Amtshaftung ist die schuldhafte
Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht durch ein Kammerorgan oder einen
sonstigen Mitarbeiter, in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amts (bei
hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung). Darüber hinaus muss einem Dritten hieraus
ein Schaden entstanden sein.839 Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt,
ist das negative Interesse zu ersetzten. Der Betroffene ist so zu stellen, als hätte sich
der Amtsträger pflichtgemäß verhalten.840
a. Grundsätzlich fehlende Drittbezogenheit
Eine Amtspflichtverletzung führt insbesondere nur dann zu einem Schadensersatzanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, wenn diese drittschützend ist und
der Anspruchsteller unter den jeweiligen Schutzbereich fällt.841 Es ist zu untersuchen, ob die Aufsichtstätigkeit der Kammer eine Drittbezogenheit aufweist bzw.
aufweisen kann. Die Bestimmung des persönlichen Schutzbereichs der Amtspflicht
erfolgt dabei in Anlehnung an die Schutznormtheorie, wie sie vor allem bei der
Klagebefugnis eine Rolle spielt.842
Demnach ist eine Norm drittschützend, die nicht nur dem Gemeinwohl, sondern
einem erkennbar abgegrenzten Kreis Dritter zu dienen bestimmt ist.843 Wer durch
die Amtspflichtverletzung geschädigter „Dritter“ ist, richtet sich also maßgebend
836 Vgl. Wurm, in Staudinger, BGB-Kommentar, § 839, Rn. 21.
837 Vgl. Papier, in MüKo, BGB-Kommentar, § 839, Rn. 131; Swierczyna, ThürVBl. 2006, S. 97
(97).
838 Vgl. BGH, Urt. vom 31.1.1991, Az. III ZR 184/89, NVwZ 1992, S. 298 (298) (Architektenkammer), Dienstherrenfähigkeit muss gesetzlich vorgesehen sein (§ 121 Nr. 2 BRRG).
839 Vgl. zum gegen eine Kammer gerichteten Amtshaftungsanspruch auch Schöbener, in Kluth,
Handbuch des Kammerrechts, L, Rn. 187-191.
840 Vgl. Sprau, in Palandt, BGB-Kommentar, § 839, Rn. 77.
841 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 57 ff. (insbesondere S. 59).
842 Vgl. BGH, Urt. vom 10.3.1994, Az. III ZR 9/93, NJW 1994, S. 1647 (1649).
843 Vgl. BVerwGE 67, Urt. vom 5.8.1983, Az. 4 C 96/79, S. 334 (339); BVerwG, Urt. vom
19.9.1986, Az. 4 C 8/84, DVBl. 1987, S. 476 (476).
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danach, ob die Amtspflicht den Zweck hat, gerade seine Interessen wahrzunehmen.844 Das allgemeine Prinzip der Gesetzmäßigkeit jedes Verwaltungshandelns
führt als Abgrenzungskriterium nicht weiter. Der verletzten Amtspflicht muss ein
Beziehungsverhältnis zu dem Geschädigten zu Grunde liegen.845
Im Hinblick auf die Aufsichtstätigkeit der Kammern wird ein Drittschutz, und
damit eine Drittbezogenheit i.S. des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, grundsätzlich
abgelehnt.846 Diese Auffassung korrespondiert mit der Rechtsprechung des
BVerwG847 zur Aufsichtstätigkeit der Rechtsanwaltskammern. Demnach bedeutet
die standesrechtliche Aufsicht der Rechtsanwaltskammern über ihre Mitglieder nicht
die Wahrung individueller Belange, sondern öffentlicher Interessen. Dritte haben
somit auch grundsätzlich keinen Anspruch gegen die Kammer auf eine Aufsichtsmaßnahme oder auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über ein Einschreiten
gegen ein Kammermitglied.848 Die Frage nach der unmittelbaren Haftung einer
Heilberufekammer gegenüber demjenigen, der von dem Handeln der Kammer betroffen wurde, ist vom BGH dabei noch nicht entschieden worden.
(1) Fälle drittschützender Aufsichtstätigkeit
Die drittschützende Eigenschaft der Aufsichtstätigkeit der Heilberufekammern wird
grundsätzlich abgelehnt. Gleichwohl soll Drittschutz dann bestehen, wenn der später
Geschädigte sich mit Rechtsbehelfen oder Eingaben an die Aufsichtsbehörde gewandt hatte und diese ohne weiteren Ermessensspielraum zum Eingreifen verpflich-
844 Ständige Rspr vgl.: BGHZ 134, Urt. vom 16.1.1997, Az. III ZR 117/95, S. 268 (276); BGHZ
117, Urt. vom 20.2.1992, Az. III ZR 188/90, S. 240 (244/245); BGHZ 110, Urt. vom
21.12.1989, Az. III ZR 49/88, S. 1 (9); OLG Dresden, Urt. vom 11.7.2001, Az. 6 U 254/01,
SächsVBl. 2002, S. 63 (67); Papier, in MüKo, BGB-Kommentar, § 839, Rn. 227; Sprau, in
Palandt, BGB-Kommentar, § 839, Rn. 45; von Mutius/Groth, NJW 2003, S. 1278 (1280).
845 Vg. BGHZ 134, Urt. vom 16.1.1997, Az. III ZR 117/95, S. 268 (276); Deppert, Festschrift
Boujong, S. 533 (533); Sprau, in Palandt, BGB-Kommentar, § 839, Rn. 44; LG Dortmund,
Urt. vom 13.8.2004, Az. O 428/03, Rn. 38; abrufbar unter http://www.justiz.nrw.de, Stand
20.1.2007. In dem zugrunde liegenden Fall nahm ein Patient die zuständige Heilberufekammer in Anspruch. Durch die Insolvenz eines Arztes aufgrund einer nicht abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung konnte Schadensersatz nicht erlangt werden. Der Patient machte
geltend, die Ärztekammer hafte, da sie dafür hätte Sorge tragen müssen, dass deren Mitglieder entsprechende Versicherungen abschlössen.
846 Vgl. nur BGHZ 135, Urt. vom 15.5.1997, Az. III ZR 204/96, S. 354 (358); BGHZ 35, Urt.
vom 24.04.1961, Az. III ZR 40/60, S. 44 (46,49): Nach der Art der Tätigkeit im Rahmen der
Dienstaufsicht, also der Natur der Amtsgeschäfte, fehle den Betätigungen der Dienstaufsicht
nähere Verbindungen zu einzelnen Rechtssuchenden, weil sich Folgerungen nur für einen
ganz unbestimmten und so großen Kreis von Personen ergeben könnten, dass ihre Interessen
noch den Interessen der Allgemeinheit gleichzustellen seien. vgl. auch Goltz, in Kluth, JbKaR
2003, S. 153 (162).
847 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 8.1.1991, Az. 1 B 137/90; BVerwG, Beschl. vom 20.10.1992,
Az. 1 B 23/92, NJW 1993, S. 2066 (2066).
848 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 8.1.1991, Az. 1 B 137/90, Leitsatz.
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tet war.849 Im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung ist die Behörde insofern
zur Bearbeitung von Eingaben und damit zur Anhörung verpflichtet.850 Hat die Aufsichtsbehörde also die Pflicht, einen Beteiligten anzuhören, bestehen diesem gegen-
über auch Amtspflichten.851 So hat beispielsweise die Bankaufsichtsbehörde, wenn
ein Genehmigungsverfahren durch einen förmlichen Antrag eingeleitet wird, dem
Antragsteller gegenüber gewisse Amtspflichten.852 Dazu gehören beispielsweise die
Entscheidung über den Antrag mit gebotener Sorgfalt sowie die Vermeidung von
Unklarheiten, Verzögerungen und der Gefahr einer Schädigung des Antragstellers.853
So wies das LG Düsseldorf im Hinblick auf die Berufsaufsicht der Ärztekammern
darauf hin, auch aus einer Aufsichtspflicht im öffentlichen Interesse könnten drittschützende Amtspflichten erwachsen.854 Dies sei der Fall, wenn positive Kenntnis
von einer Berufspflichtverletzung seitens der Kammer vorhanden ist.855 Die Ansicht
korrespondiert mit der Rechtsprechung des BGH856 zur Amtshaftung der Aufsichtsbehörde im Hinblick auf Notare. Drittbezogenheit ist demnach zu bejahen, wenn die
Verknüpfung der Amtshandlung mit den Interessen Einzelner so stark ist, dass sie
die Natur des Amtsgeschäfts entscheidend mitprägt.857 Die im Interesse der Allgemeinheit liegenden Amtspflichten der Aufsichtsbehörden verdichteten sich zu auch
dem Interesse der Rechtssuchenden dienenden Pflichten,
„wenn die Behörde bei Ausübung der Dienstaufsicht oder sonst wie eine durch bestimmte und
nachprüfbare Tatsachen belegte Kenntnis solcher belastender Umstände erhält, die bei pflichtgemäßer Würdigung Anlass zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens geben.“
In diesem Fall entspreche einem pflichtgemäßen Verhalten einzig die Weiterleitung
der erlangten Information an die zuständige Behörde. Ein bloßer Verdacht auf Vorliegen belastender Umstände könne jedoch noch nicht ausreichen.858
Die Anforderungen an den „wissenden“ Amtswalter, damit dessen Kenntnis der
Behörde zugerechnet werden kann, bestimmen sich dabei nicht nach § 166 Abs. 1
849 Vgl. BGHZ 35, Urt. vom 24.4.1961, Az. III ZR 40/60, S. 44 (49-50); BGHZ 135, Urt. vom
15.5.1997, Az. III ZR 204/96, S. 354 (358); Papier, in MüKo, BGB-Kommentar, § 839, Rn.
258; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rn. 734.
850 BGH, Urt. vom 28.4.1960, Az. ZR 176/59, VersR 1960, S. 979 (980).
851 BGHZ 35, Urt. vom 24.04.1961, Az. III ZR 40/60, S. 44 (50); BGH, Urt. vom 15.06.1959,
Az. III ZR 65/58, NJW 1959, S. 1967 (1967-1969) (Umkehrschluss).
852 BGHZ 35, Urt. vom 24.4.1961, Az. III ZR 40/60, S. 44 (50); BGH, Urt. vom 28.4.1960,
Az. ZR 176/59, VersR 1960, S. 979 (980).
853 BGH, Urt. vom 28.4.1960, Az. ZR 176/59, VersR 1960, S. 979 (981); BGH, Urt. vom
23.3.1959, Az. III ZR 207/57, VersR 1960, S. 750 (750).
854 Vgl. LG Düsseldorf Urt. vom 31.5.2002, Az. 2b O 265/01, Rn. 30, abrufbar unter
http://www.justiz.nrw.de, Stand: 20.1.2007.
855 Vgl. LG Düsseldorf Urt. vom 31.5.2002, Az. 2b O 265/01, Rn. 30, abrufbar unter
http://www.justiz.nrw.de, Stand: 20.1.2007.
856 Vgl. BGHZ 135, Urt. vom 15.5.1997, Az. III ZR 204/96, S. 354-368.
857 Vgl. BGHZ 35, Urt. vom 24.4.1961, Az. III ZR 40/60, S. 44 (50-51).
858 Vgl. BHGZ 135 Urt. vom 15.05.1997, Az. III ZR 204/96, S. 354 (368, 358).
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BGB. Diese Bestimmung betrifft den rechtsgeschäftlichen Bereich des Handelns,
und zwar im Bereich der Stellvertretung.
Der BGH wendet vielmehr einen an der Funktionsausübung des jeweiligen
Amtswalters orientierten Maßstab an. „Muss danach aufgrund der Behördenorganisation bzw. nach den Anforderungen, die an diese Organisation mit Blick auf eine
sachgerechte Erledigung der der Behörde oder Stelle zugewiesenen Aufgabe zu
stellen sind, erwartet werden, dass der betreffende Amtswalter entweder selbst die
aufgrund seiner Tatsachenkenntnis erforderlichen Maßnahme ergreift oder aber den
zur Entscheidung hierüber berufenen Amtsträgern die notwendige Kenntnis vermittelt, so reicht dies aus, das Wissen „der Behörde“ zu bejahen.“859 Von einem „wissenden“ Amtswalter ist also dann auszugehen, wenn angesichts der Behördenstruktur und der Pflichten im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung Kenntnis angenommen werden muss.
Drittschutz der Aufsichtstätigkeit sowohl der Ärztekammern als auch der Psychotherapeutenkammern liegt demnach bei Kenntnis von Tatsachen vor, die zu einem
aufsichtsrechtlichen Einschreiten verpflichten würden. Kenntnis ist dabei im Sinne
eines „Kennenmüssens“ zu verstehen. Dies betrifft vor allem den Fall, dass der später Geschädigte der Kammer Informationen lieferte, die zu einer Prüfung der Sachlage hätten veranlassen müssen.
(2) Inkurs: Erfordernis zur Berufshaftpflichtversicherung
Eine drittschützende Aufsichtstätigkeit soll nur bei Kenntnis von Tatsachen begründet werden, die zu einem aufsichtsrechtlichen Einschreiten verpflichten würden.
Gleichwohl stellt sich die Frage, ob infolge des allgemein stärker betonten Patientenschutzes und der Maßgabe für die Verwaltungszusammenarbeit nach der Richtlinie mittlerweile ein genereller Drittschutz der Aufsichtstätigkeit angenommen werden muss. Dies wird im Folgenden insbesondere am Beispiel der Überwachungspflicht bezüglich der Verpflichtung zur Berufshaftpflicht-versicherung untersucht.
(a) Regelungen der Berufsordnungen zum Versicherungsschutz
§ 21 Musterberufsordnung der Ärzte schreibt vor, dass Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind, „sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern“.860 Diese Verpflichtung wurde von allen auf Grundlage des jeweiligen Landesheilberufegesetzes erlassenen Berufsordnungen der Landesärztekammern übernommen.861 Auch in Großbritannien besteht im Übrigen
859 Vgl. BGHZ 135 Urt. vom 15.05.1997, Az. III ZR 204/96, S. 354 (360).
860 Unterstreichung seitens der Verfasserin.
861 Vgl. jeweils § 21 der Berufsordnungen der Landesärztekammern.
220
gemäß Sec. 33 Good Medical Practise für Ärzte die Pflicht, eine Haftpflichtversicherung mit adäquater Deckung abzuschließen („adequate insurance or professional
indemnity cover“).
Die gleiche Verpflichtung gilt für Psychotherapeuten in Deutschland862 und –
wenn auch nur bei freiwilliger Aufsichtsunterwerfung – in Großbritannien863. Das
als Berufspflicht ausgestaltete Erfordernis einer Berufshaftpflicht-versicherung ist
jedoch (anders als gemäß § 51 BRAO im Hinblick auf die Rechtsanwaltschaft) nur
standesrechtlich geregelt. Die Zulassung zur Ärzteschaft bzw. Psychotherapeutenschaft kann mithin nicht von dem Abschluss einer Haftpflichtversicherung abhängig
gemacht werden. Die gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung ist damit rein berufsrechtlicher Natur und besteht nur für den bereits zugelassenen Arzt.864 Fehlt es aber im Falle eines Psychotherapeuten oder Arztes an der
notwendigen Absicherung, so sind berufsrechtliche Sanktionen ebenso wie
Zwangsmaßnahmen der Approbationsbehörde, möglich.865 Aufgrund der Unterwerfung der „berufsständischen, gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Berufsregeln“ des Aufnahmemitgliedstaats gemäß Art. 5 Abs. 3, gilt dies auch für EU-
Dienstleister. Allerdings muss der Sachverhalt in diesem Fall die Annahme eines
schwerwiegenden beruflichen Fehlers zulassen.
Die Richtlinie macht zum Erfordernis der Haftpflichtversicherung direkt keine
Aussage. In Art. 7 Abs. 1 Satz 1 ist jedoch vorgesehen, dass die zuständige Behörde
im Aufnahmemitgliedstaat eine schriftliche Meldung über
862 Vgl. § 21 BO Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg (Fassung vom 28.1.2004); § 2
Abs. 8 BO Psychotherapeutenkammer Bayern (Fassung vom 28.10.2004); § 6 Abs. 8 BO
Psychotherapeutenkammer Berlin (Fassung vom 26.6.2003); § 4 Abs. 2 Satz 1 BO Psychotherapeutenkammer Bremen (Fassung vom 28.11.2006); § 19 Abs. 10 BO Psychotherapeutenkammer Hamburg (Fassung vom 26.4.2006); § 5 Abs. 6 BO Psychotherapeutenkammer
Hessen (Fassung vom 22.10.2003); § 5 Abs. 7 BO Psychotherapeutenkammer Niedersachsen
(Fassung vom 3.9.2005); § 4 Abs. 7 BO Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen
(Fassung vom 12.11.2004); § 5 Abs. 10 BO Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz
(Fassung vom 18.10.2003); § 4 MBO Psychotherapeuten (Fassung vom 13.1.2006), der von
der Landeskammer Saarland übernommen wurde, da eine eigene Berufsordnung nicht erlassen wurde, sondern vielmehr nur auf die MBO verwiesen wird (vgl. Internetauftritt der Psychotherapeutenkammer des Saarlands, abrufbar unter http://www.ptk-saar.de, Stand:
22.1.2007).
863 Vgl. Sec. 18 Code of Ethics des British Psychoanalytic Council (Fassung vom September
2005), abrufbar unter http://www.bcp.org.uk/, Stand: 22.1.2007.
864 Vgl. LG Düsseldorf, Urt. vom 31.5.2002, Az. 2b O 265/01, Rn. 19, abrufbar unter
http://www.justiz.nrw.de, Stand: 20.1.2007; Ratzel, in Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO
der deutschen Ärzte, § 21, Rn. 2-3; Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO der Psychotherapeuten, § 4, Rn. 76: „So bestimmt beispielsweise § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO, dass die Zulassung
zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen ist, wenn der Rechtsanwalt nicht die vorgeschriebene
Berufshaftpflichtversicherung unterhält“.
865 Vgl. LG Düsseldorf, Urt. vom 31.5.2002, Az. 2b O 265/01, Rn. 30, abrufbar unter
http://www.justiz.nrw.de, Stand: 20.1.2007; Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO der Psychotherapeuten, § 4, Rn. 76; Ratzel, in Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO der deutschen
Ärzte, § 21, Rn. 3.
221
„Einzelheiten zu einem Versicherungsschutz oder einer anderen Art des individuellen oder
kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht“
verlangen kann. Im Umkehrschluss wird damit auch nach der Richtlinie von einer
Pflicht zur Berufshaftpflichtversicherung ausgegangen.
Um einen einheitlichen sowie hinreichenden Patientenschutz zu gewährleisten,
wird hier jedoch eine Harmonisierung und Spezifizierung des nach den Berufsordnungen „hinreichenden“ Schutzes erforderlich sein. Auch müssen die Interessen der
Berufsangehörigen berücksichtigt werden. Der in einem anderen Mitgliedstaat hinreichende Versicherungsschutz kann den nationalen Anforderungen nicht genügen.
So würde beispielsweise ein englischer Psychotherapeut, der im Heimatland keinem
Pflichtversicherungserfordernis unterliegt, bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit
in Deutschland immer Gefahr laufen, sich eines Berufsvergehens schuldig zu machen. Darüber hinaus müssen sich die Berufsangehörigen bei grenzüberschreitender
Tätigkeit vor Haftungslücken in Acht nehmen. Sie sollten sich stets vergewissern,
dass auch im Aufnahmeland vorkommende Schadensereignisse von der Berufshaftpflicht-versicherung abgedeckt werden.
(b) Hinreichender Deckungsschutz
Die Benennung genauer Beträge hinsichtlich einer „hinreichenden“ Absicherung
lässt sich nur schwerlich verallgemeinern. Die Risiken können je nach fachlicher
Spezialisierung sowohl bei Ärzten als auch Psychotherapeuten unterschiedlich hoch
sein.866 In Deutschland wird Ärzten für einen hinreichenden Deckungsschutz allgemein eine Deckungssumme i.H.v. EUR 2,5 bis 5 Mio. empfohlen. Dabei sollen
mindestens EUR 150.000,- auf Sachschäden sowie EUR 50.000,- auf Vermögensschäden entfallen.867 Hinsichtlich der Psychotherapeuten hat der Gesamtverband der
Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. auf Anfrage im Februar 2006 eine gewöhnlich vereinbarte Deckungssumme von EUR 3 Mio. als ausreichend erachtet.868
Hinzuweisen ist jedoch auf die Bestimmung des § 21 der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer des Landes Baden-Württemberg. Hiernach beträgt die Mindestsumme zur Absicherung von Personen-, Sach- und Vermögensschäden EUR 1
Mio. Ein in Mannheim praktizierender Psychotherapeut kann damit davon ausgehen,
dass eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckung von EUR 1 Mio. den berufsrechtlichen Anforderungen gerecht wird. Entschließt dieser sich jedoch seine Praxis
auf der anderen Seite des Flusses, in Ludwigshafen, weiter zu führen, kann er von
einem hinreichenden Deckungsschutz nur noch bei einer Deckungssumme von EUR
866 Vgl. Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO der Psychotherapeuten, § 4, Rn. 75.
867 Vgl. Ratzel, in Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, § 21, Rn. 2.
868 Vgl. Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO der Psychotherapeuten, § 4, Rn. 75.
222
3 Mio. ausgehen869. Er wird seinen Versicherungsschutz ggf. erhöhen müssen. Dabei
wird er sich auch nicht auf Unkenntnis der unterschiedlichen Anforderungen berufen
können.
Für Psychotherapeuten gilt – ebenso wie für Ärzte – insofern die Verpflichtung,
„sich über die für die Berufsausübung geltenden Vorschriften unterrichtet zu halten,
diese zu beachten und darauf gegründete Anordnungen und Richtlinien zu befolgen“.870
Letzteres gilt im Übrigen auch für Ärzte und Psychotherapeuten in Großbritannien.871 Schon nach dem Wortlaut sind dabei auch die Bestimmungen in einem anderen Land bzw. Staat umfasst, soweit sie für die Berufsausübung relevant sind.
Dies gilt gerade im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie wonach die im Aufnahmeland geltenden Berufsregeln zu befolgen sind.
(c) Grenzüberschreitender Deckungsschutz
Die in Deutschland verwendeten AHB872 sehen einen Versicherungsschutz zwar
grundsätzlich nur für alle Schadensfälle im Inland vor. Gemeint ist dabei der operative Eingriff.873 Gleichwohl vom Versicherungsschutz umfasst sind jedoch die Staaten der Europäischen Union.874
869 Vgl. § 5 Abs. 10 BO Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz (Fassung vom 18.10.2003),
der einen „hinreichenden Schutz“ vorschreibt. Insofern werden die Maßgaben der Auslegung
der MBO für Psychotherapeuten Anwendung finden.
870 Vgl. § 4 Abs. 1 MBO Psychotherapeuten (Fassung vom 13.1.2006); § 4 Abs. 6 BO Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg; § 2 Abs. 6 BO Psychotherapeutenkammer Bayern;
§ 6 Abs. 7 Psychotherapeutenkammer Berlin; § 4 Abs. 2 BO Psychotherapeutenkammer
Bremen; § 2 Abs. 2 Satz 3 BO Psychotherapeutenkammer Hamburg; § 5 Abs. 5 BO Psychotherapeutenkammer Hessen; § 5 Abs. 6 BO Psychotherapeutenkammer Niedersachsen; § 4
Abs. 1 BO Nordrhein-Westfalen (dort wird insoweit die Achtung der geltenden Gesetze, Verordnungen, Satzungen vorgeschrieben); § 5 Abs. 9 BO Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz; im Saarland gilt § 4 Abs. 1 MBO Psychotherapeuten; § 5 Abs. 5 BO Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein.
871 Vgl. für Psychotherapeuten Sec. 11 Code of Ethics des British Psychoanalytic Council (Fassung vom September 2005), abrufbar unter http://www.bcp.org.uk/, Stand: 22.1.2007; für
Ärzte Sec. 11 Good Medical Practice (Fassung von Mai 2001), abrufbar unter
http://www.gmc-uk.org, Stand: 22.1.2007.
872 Vgl. „Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung“, Ausgabe Juli 2006.
873 Vgl. zum Begriff Ratzel, in Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, § 21,
Rn. 7; Operative Eingriffe sind diagnostische und/oder therapeutische Maßnahmen, die sowohl durch konventionelle schnittchirurgische Verfahren als auch minimalinvasive Techniken durchgeführt werden. Dazu zählen nicht: Das Abnehmen von Blut zu Untersuchungszwecken, das Setzen von Spritzen als Therapie, Warzenentfernung, Entfernen von Fuß- und
Fingernägeln, Wundversorgung, Abszessbehandlung, Abstriche.
874 Vgl. § 4 Nr. 1 AHB.
223
Dem Recht zum grenzüberschreitenden Tätigwerden wird damit Rechnung getragen. Im Hinblick auf die Pflicht zum Versicherungsnachweis gemäß Art. 7 Abs. 1
Satz 1 wird darauf zu achten sein, dass die Definition des Versicherers hinsichtlich
des Versicherungsumfangs mit den nationalen Vorgaben übereinstimmt. Im Übrigen
stellt sich diese Frage auch in Bezug auf Inländer, die Versicherungsleistungen eines
ausländischen Versicherers in Anspruch nehmen.
Es ist auf die Problematik unterschiedlicher Haftpflichtversicherungssysteme in
Europa hinzuweisen.875 Während die deutschen AHB auf den Schadenseintritt (sog.
„Schadensereignistheorie“) als maßgebliches Kriterium abstellen,876 ist es bei vielen
angelsächsischen Versicherungen der Zeitpunkt der Geltendmachung (sog. „Anspruchserhebungstheorie“ bzw. „claims-made coverage“).877 Deckungslücken können entstehen, wenn der Versicherte von einer britischen zu einer deutschen Versicherung wechselt. Macht er nach einem solchen Wechsel einen Anspruch gegenüber
der deutschen Versicherung geltend, dessen Grund während seiner Versicherungszeit bei dem britischen Versicherer eingetreten ist, wird diese sich darauf berufen,
dass der Schadenseintritt nicht in den Versicherungszeitraum falle. Der britische
Versicherer wird sich demgegenüber darauf berufen, die Anspruchsgeltendmachung
erfolge nach Vertragsende.878
Liegt eine Deckungslücke vor, sind auch die Interessen der Patienten nicht mehr
hinreichend gewährleistet. Diese tragen letztlich im Falle eines fehlenden Deckungsschutzes das Insolvenzrisiko. Um dem tragenden gemeinschafts-rechtlichen Prinzip
des Verbraucherschutzes sowie den Interessen der Berufsangehörigen gerecht werden zu können, wird die Kammer in diesen Fällen auf einen lückenlosen Deckungsschutz ihrer Mitglieder hinwirken müssen. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang, wenn schon die Kontaktstellen der Mitgliedstaaten i.S. des Art. 57
Dienstleister auf die jeweils im Aufnahmeland Anwendung findende Theorie zur
Bestimmung des Versicherungsfalls (z. B. Schadensereignistheorie oder „claimsmade coverage“) hinweisen würden.
(d) Schutzzweck der Überwachung des Erfordernisses einer Berufshaftpflichtversicherung
Die Überwachungspflichten hinsichtlich des Vorliegens einer Berufshaftpflichtversicherung sollen zum einen den Arzt vor Haftungslücken schützen. Zum anderen
soll gerade auch der Patient abgesichert werden. Erleidet ein Patient durch die fehlerhafte Behandlung seines Arztes oder Psychotherapeuten einen Schaden, so trägt
er das zusätzliche Risiko, seine berechtigten Ansprüche nicht durchsetzen zu können. Um dieser Doppelbelastung entgegen zu wirken, wurde die Verpflichtung zum
875 Vgl. Flatten, VersR 1994, S. 1019-1121.
876 Vgl. § 2 Abs. 4 AHB.
877 Vgl. Flatten, VersR 1994, S. 1019 (1019).
878 Vgl. Ratzel, in Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, § 21, Rn. 12.
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Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung normiert.879 Da die Kammer diese
Verpflichtung beaufsichtigt, muss auch sie einer möglichen Doppelbelastung von
Patienten entgegen treten. Den Kammern obliegt demnach auch den Patienten gegenüber eine Amtspflicht, sodass diesbezüglich eine drittschützende Aufsichtstätigkeit angenommen werden muss. Auf die Kenntnis von die Aufsichtstätigkeit begründenden Tatsachen kann es nicht ankommen.
(3) Zwischenergebnis und Ausblick
Die Aufsichtstätigkeit der Ärzte- und Psychotherapeutenkammer gilt grundsätzlich
als nicht drittschützend. Gleichwohl nimmt die Rechtsprechung eine drittschützende
Amtspflichtverletzung an, wenn die jeweilige Heilberufekammer von Aufsichtsmaßnahmen absieht, obwohl sie Kenntnis von Tatsachen hat, die ein aufsichtsrechtliches Vorgehen erfordern. Ein aufsichtsrechtliches Vorgehen der Ärzte- und Psychotherapeutenkammern im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens verlangt in diesem
Fall auch die Weiterleitung erlangter Informationen über eine fehlende Berufshaftpflichtversicherung an die zuständige Approbationsbehörde.
Vor dem Hintergrund einer kontinuierlichen Verstärkung des Patientenschutzes in
den letzten Jahren kann ein grundsätzlich fehlender Drittschutz der Aufsichtstätigkeit jedoch nicht länger aufrecht erhalten werden. So zielen auch die Berufsordnungen für Ärzte und Psychotherapeuten (als Grundlage der Aufsichtstätigkeit) auf den
Schutz der Patienten ab.880 Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang die Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflicht-versicherung. Einem verstärkten Patientenschutz kann nur Rechnung getragen werden, wenn eine grundsätzlich drittschützende Eigenschaft der Aufsichtstätigkeit angenommen wird.
879 Vgl. Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO der Psychotherapeuten, Rn. 73: „Die Verpflichtung (zu einer bestehenden Berufshaftpflichtversicherung) soll die eventuellen finanziellen
Ansprüche eines Patienten gegenüber einem Psychotherapeuten sichern, die aus einem Behandlungsfehler entstehen können.“ Vgl. bezüglich der Ärzteschaft Ratzel, in Ratzel/Lippert,
Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, § 21, Rn. 1, der den Grund für die Verpflichtung
zur Haftpflichtversicherung gerade darin sieht, dass der Patient nicht mit dem Risiko der Insolvenz des behandelnden Arztes belastet werden soll.
880 In der Präambel der Musterberufsordnung der Psychotherapeuten vom 14.1.2006 wurde die
Sicherung des Schutzes der Patienten als Ziel der Berufsordnung aufgenommen. Ebenso
nimmt auch die MBO der deutschen Ärzte Bezug zum einzelnen Patienten (vgl. Präambel
sowie § 1 Abs. 1 Satz 1 MBO Ärzte). Der aktive Patientenschutz wird dort zudem an anderer
Stelle betont. Die Vorschrift zur Mitteilung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen gemäß § 6 MBO Ärzte ist Ausdruck des gewollten aktiven Patientenschutzes (vgl. Ratzel, in
Ratze/Lippert, Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, § 6, Rn. 1).
225
(4) Ausstrahlungswirkungen der Richtlinie
Eine drittschützende Eigenschaft der Aufsichtstätigkeit könnte zudem Folge der
Richtlinienumsetzung sein. Die Etablierung einer drittgerichteten Amtspflicht steht
im Einklang mit dem Schutzzweck der Richtlinie. Sowohl Erwägungsgrund (8) als
auch Art. 5 Abs. 3 stellen den Schutz und die Sicherheit der Verbraucher in den
Vordergrund. Eine Verstärkung von Verbraucherschutzaspekten wird auch durch die
Art. 8 und 56 deutlich. So gilt die aus diesen Regelungen folgende Unterrichtungspflicht unabhängig davon, ob vom jeweils Betroffenen zuvor eine Eingabe getätigt
wurde oder der Kammer konkrete Tatsachenkenntnisse vorliegen.
Die vorgesehene Amtshilfe und Verwaltungszusammenarbeit der Art. 8 und 56,
verbunden mit einem betonten Interesse an dem Schutz und der Sicherheit der
Verbraucher, führt insgesamt dazu, dass die grundsätzliche Verneinung des Drittschutzes aufsichtsrechtlicher Tätigkeit nicht weiter aufrechterhalten werden kann.
Darüber hinaus könnten hierdurch die Kammern verpflichtet werden, die Berufsaus-
übung ihrer Mitglieder stärker zu überwachen. Dies zum Beispiel in Form von umfassenden, regelmäßig wiederkehrenden Kontrollmaßnahmen. Von der jeweiligen
Ärzte- bzw. Psychotherapeutenkammer wäre die Gewährleistung eines effektiven
Kontrollmechanismus sicherzustellen. Dieser müsste dann auch den Informationsfluss zwischen den mit der Berufsausübung befassten Behörden (also auch den Approbationsbehörden) umfassen.
(5) Vergleich mit den Wertungen im Bereich der Bauaufsicht
Eine drittschützende Aufsichtstätigkeit der Ärzte- und Psychotherapeuten-kammern
lässt sich durch die im Baurecht anwendbaren Grundsätzen zum Drittschutz untermauern.
(a) Drittschutz im Baurecht
Auch im Baurecht wird ein Drittschutz im Rahmen der Baugenehmigungserteilung
grundsätzlich verneint. Drittschutz gilt dort ebenso nur im Sinne der Schutznormtheorie. Dieser wird demnach bejaht, soweit auf die Interessen Dritter in qualifizierter und individualisierter Weise Rücksicht zu nehmen ist. Ausreichend ist dafür eine
Norm mit hinreichend personifizierbaren Schutzbedürfnissen.881 Eine Baugenehmigung ist nicht auf die Person des Antragstellers, sondern auf das Grundstück des
Bauvorhabens bezogen.882 Drittschutz kommt deshalb typischerweise für den
Grundstücksnachbarn in Betracht. Die Versagung der Baugenehmigung ist hingegen
881 BVerwGE 52, Urt. vom 25.2.1977, S. 122 (123, 129).
882 Vgl. Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rn. 581.
226
personenbezogen.883 Die bestandskräftige Versagung einer Baugenehmigung berechtigt die Behörde deshalb auch nicht, einen neuen Bauantrag eines anderen Antragstellers ohne Sachprüfung abzulehnen.884 Grund für den nur begrenzten Drittschutz im Bereich des Baurechts ist die Bedeutung der Baugenehmigung. Diese soll
dem Bauherrn eine verlässliche Grundlage für seine wirtschaftlichen Dispositionen
sowie die Gewissheit verschaffen, sein Bauvorhaben ausführen zu können.885
(b) Anwendung auf die Berufsaufsicht der Ärzte und Psychotherapeuten
Wird die beschriebene Situation auf das Verhältnis der Heilberufekammern mit
ihren Mitgliedern übertragen, ergibt sich Folgendes: Während im Baurecht die Baugenehmigung grundstücksbezogen ist, bezieht sich die Berufsaufsicht auf die Tauglichkeit des Berufsträgers zur Berufsausübung.
Diese ist damit personenbezogen. In Anwendung der Schutznormtheorie ist ein
Drittschutz insofern dann zu bejahen, wenn die der Berufsaufsicht zugrunde liegende Berufspflicht in individualisierter und qualifizierter Art und Weise die Interessen
Dritter berücksichtigt. Dies ist gerade im Falle der Verpflichtung zur Berufshaftpflichtversicherung der Fall. Erleidet der Patient durch die fehlerhafte Behandlung
seines Arztes oder Psychotherapeuten einen Schaden, so trägt er zusätzlich zu dem
körperlichen bzw. psychischen Schaden auch das Risiko, seine berechtigten Ansprüche im Falle der Insolvenz des Arztes bzw. Psychotherapeuten nicht durchsetzen zu
können. Um dieser Doppelbelastung entgegen zu wirken, wurde die Verpflichtung
zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung normiert.886 Diese Regelung
zielt demnach primär und nicht nur reflexartig auf den Patientenschutz ab. Folglich
ist in individualisierter und qualifizierter Art und Weise auf die Interessen Dritter
(der Patienten) Rücksicht zu nehmen. Ein Drittschutz der Verpflichtung zur Berufshaftpflichtversicherung lässt sich damit auch in Verbindung mit der Schutznormtheorie begründen.
Die der Einschränkung des Drittschutzes im Baurecht zugrunde liegende Situation ist bei der Aufsicht durch die Kammern im Übrigen nicht vorhanden. Grund für
883 Vgl. Rohlfing, BauR 2006, S. 947 (949-950); BGH, Urt. vom 23.9.1993, Az. III ZR 139/92,
NJW 1994, S. 130 (130).
884 Vgl. BGH, Urt. vom 23.9.1993, Az. III ZR 139/92, NJW 1994, S. 130 (130); vgl. dazu auch
Deppert, Festschrift Boujong, S. 533 ff.
885 Vgl. BGHZ 134, Urt. vom 16.1.1997, Az. III ZR 117/95, S. 268 (277); Deppert, Festschrift
Boujong, S. 533 (535).
886 Vgl. Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO der Psychotherapeuten, Rn. 73: „Die Verpflichtung (zu einer bestehenden Berufshaftpflichtversicherung) soll die eventuellen finanziellen
Ansprüche eines Patienten gegenüber einem Psychotherapeuten sichern, die aus einem Behandlungsfehler entstehen können.“ Vgl. bezüglich der Ärzteschaft Ratzel, in Ratzel/Lippert,
Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, § 21, Rn. 1, der den Grund für die Verpflichtung
zur Haftpflichtversicherung gerade darin sieht, dass der Patient nicht mit dem Risiko der Insolvenz des behandelnden Arztes belastet werden soll.
227
die Einschränkung des Drittschutzes im Baurecht ist der Schutz rechtmäßiger Bauvorhaben durch Art. 14 Abs. 1 GG. So wird Baufreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG
im Rahmen der gesetzlichen, grundrechtskonform ausgestalteten und konkretisierten
Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks gewährt. Die Baugenehmigung stellt damit
immer auch rechtsverbindlich den Schutz des Bauvorhabens durch Art. 14 Abs. 1
Satz 1 GG fest.887 Zudem muss der Bauherr angesichts der mit der Bautätigkeit
verbundenen hohen wirtschaftlichen Dispositionen geschützt werden.
Weder die Zulassung einer Person als Arzt oder Psychotherapeut (durch die Approbationsbehörde) noch ihre (Pflicht-)Mitgliedschaft bei einer Heilberufekammer
sind mit der Funktion einer Baugenehmigung vergleichbar. Auch kann die Berufsausübung nicht gleichbedeutend wie die Baugenehmigung geschützt werden.
Die Berufsausübung des Arztes und Psychotherapeuten knüpft an die Berufsfreiheit
des Art. 12 Abs. 1 GG an. Diese ist – ähnlich wie die Errichtung eines Gebäudes im
Rahmen des Baurechts – auch mit wirtschaftlichen Dispositionen verbunden. Zu
denken ist hier nur an die kostspielige Einrichtung einer Arztpraxis. Gerade die
Arzt- und Psychotherapeutenberufe bergen jedoch hohe Gefahren für den Einzelnen.
Auch wenn diese Berufe der Gesundheit des Menschen dienen, können sie – fehlerhaft ausgeübt – genau das Gegenteil bewirken. So erklärt sich auch, dass jeder ärztliche Heileingriff nach gefestigter BGH-Rechtsprechung tatbestandlich als Körperverletzung angesehen wird.888 Dies steht auch im Einklang mit der zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit herangezogenen Stufenlehre des
BVerfG.889 Die besonderen Gefahren für den Einzelnen durch die Berufsausübung
der Ärzte und auch Psychotherapeuten müssen deshalb auch im Rahmen der Aufsichtstätigkeit der jeweiligen Heilberufekammer berücksichtigt werden. Dieser
Maßgabe kann jedoch nur die Annahme einer grundsätzlich drittschützenden Aufsichtstätigkeit gerecht werden.
(6) Vergleich mit den Grundsätzen der Kommunalaufsicht
Drittschutz der Aufsichtstätigkeit steht auch nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen der Kommunalaufsicht.
887 Vgl. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Kap., Rn. 209.
888 Vgl. Rechtsprechungsnachweise bei /Fischer, StGB-Kommentar, § 223, Rn. 9.
889 Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit müssen verhältnismäßig sein. Die Anforderungen
dieses Grundsatzes werden durch die sog. „Stufenlehre“ näher konkretisiert, vgl. dazu
BVerfGE 7, Urt. vom 11.6.1958, Az. 1 BvR 596/56, S. 377 (405-409).
228
(a) Drittschutz der Kommunalaufsicht
Seit der grundlegenden Entscheidung des Reichsgerichts vom 23. September 1927890
bejaht die höchstrichterliche Rechtsprechung für jede Art der Kommunalaufsichtstätigkeit die grundsätzliche Möglichkeit drittbezogener Amtspflichten gegenüber der
beaufsichtigten Gemeinde. Es führte insofern aus:
„Eine bloße Raterteilung an die Gemeinde, eine ihr erteilte Genehmigung, Maßnahmen, die
auf die Entschließung der Gemeinde von erheblichem Einfluss zu sein pflegen, können schon
eine Amtspflichtverletzung ihnen gegenüber enthalten.“891
Drittschützende Wirkung der Aufsichtstätigkeit sollte demnach nach dem Grad der
Einflussnahme auf die Gemeinde bestimmt werden.
In seinem Oderwitz – Urteil folgte der BGH der Rechtsprechung des Reichsgerichts. Präzisierend führte er aus, der Kommunalaufsichtsbehörde obliege es auch,
die Gemeinde vor möglichen Selbstschädigungen zu bewahren.892 Im konkreten Fall
hatte die Gemeinde die Genehmigung für ein Investitionsvorhaben (den Bau einer
Sporthalle) verlangt und von der Aufsichtsbehörde auch erhalten.
Nachdem der Landesrechnungshof die Unwirtschaftlichkeit des Vorhabens feststellte, nahm die Gemeinde den Landkreis in Anspruch. Sie führte aus, der Landrat
hätte bei Unwirtschaftlichkeit des Vorhabens eine Genehmigung nicht erteilen dürfen. Der BGH stimmte dem zu. Auch wenn die Gemeinde selbst um die entsprechende aufsichtsrechtliche Genehmigung nachgesucht habe, hätte die Kommunalaufsicht einschreiten müssen.893
Ob ein möglicher Drittschutz der Kommunalaufsicht so weit geht, dass auch der
z. B. durch einen amtspflichtwidrigen Bebauungsplan (z. B. nicht berücksichtigte
Altlasten) Geschädigte von dem Träger der Aufsichtsbehörde Ersatz verlangen kann,
wird heute noch bezweifelt.894 Diese Zweifel ergeben sich zum großen Teil daraus,
dass die Kommunalaufsicht die Einhaltung des Rechts und den Schutz der Gemeinde umfasst, nicht jedoch den Schutz einzelner Bürger. Diesen soll ein Anspruch auf
Einschreiten der Aufsichtbehörden verwehrt sein.895 Gleichwohl sollen Aufsichts-
890 Vgl. RGZ 118, Urt. vom 23.9.1927, Az. III 25/27, S. 94 (98-99), aufgegriffen vom III. Zivilsenat des BGH in BGHZ 35, Urt. vom 24.4.1961, Az. III ZR 40/60, S. 44 (50) und entscheidungstragend im „Oderwitz“-Urteil BGH, Urt. vom 12.12.2002, Az. III ZR 201/01, NJW
2003, S. 1318 (1319).
891 Vgl. RGZ 118, Urt. vom 23.9.1927, Az. III 25/27, S. 94 (99).
892 Vgl. BGH, Urt. vom 12.12.2002, Az. III ZR 201/01, NJW 2003, S. 1318 (1319); kritisch
von Mutius/Groth, NJW 2003, S. 1378 (1378 ff.) der auf die Eigenverantwortlichkeit des gemeindlichen Handelns abstellt; Meyer, NVwZ 2003, S. 818 (818 ff.), wonach Beratung durch
die Aufsichtsbehörde sich nicht zur „Einmischungsaufsicht“ verdichten dürfe.
893 BGH, Urt. vom 12.12.2002, Az. III ZR 201/01, NJW 2003, S. 1318 (1319).
894 Vgl. Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rn. 732.
895 Vgl. BVerfGE 31, Beschl. vom 27.4.1971, Az. 2 BvR 708/65, S. 33 (42): Die Aufsicht über
die Erteilung von Tarifgenehmigungen nach dem Güterkraftverkehrsgesetz statuiere nur eine
Pflicht der betreffenden Organe im Interesse des gemeinen Wohls zu handeln, verschaffe einzelnen jedoch keine Rechte. Vgl. auch Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I, Rn. 371.
229
vorschriften auch den Interessen Dritter zu dienen bestimmt sein können.896 Drittschutz müsse immer dann gewährt werden, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis vorhanden sei.897
(b) Anwendung auf die Berufsaufsicht der Ärzte und Psychotherapeuten
Der BGH leitet den Drittschutz im Oderwitz – Urteil nicht aus der Kenntnis der
Aufsichtsbehörde sondern aus dem Beziehungsverhältnis zwischen Aufsichtsbehörde und Gemeinde ab. Die Übernahme von Haftungsrisiken durch die Aufsichtsbehörde stützt sich auf das besondere Fürsorgeverhältnis zwischen dieser und der Gemeinde sowie das hieraus erwachsende Vertrauensverhältnis. Daneben bestimmt der
BGH den Schutzzweck der Amtspflicht auch nicht im Sinne der Schutznormtheorie,
sondern im Sinne einer teleologischen Auslegung mit Bezug auf die besonderen
Beziehungsverhältnisse des streitigen Lebenssachverhalts. Es sind im Folgenden
zunächst die relevanten Beziehungsverhältnisse der Heilberufekammern zu bestimmen. Anschließend wird anhand der Rechtsprechung des BGH zu prüfen sein, ob
sich ein Drittschutz ableiten lässt.
(aa) Beziehungsverhältnisse
Übertragen auf die Situation der Heilberufekammern kann ein Beziehungsverhältnis
zunächst zwischen den Kammern und ihren Mitgliedern hergestellt werden. Gerade
die besondere Interessenwahrnehmung schafft hier ein Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis ähnlich demjenigen zwischen Gemeinde und Kommunalaufsicht. Der
einzelne Arzt oder Psychotherapeut muss darauf vertrauen können, die für ihn zuständige Heilberufekammer bewahre ihn vor Selbstschädigungen. Verfügt ein Arzt
oder Psychotherapeut beispielsweise nicht über eine Berufshaftpflichtversicherung,
so ist er in besonderer Weise der Gefahr ausgesetzt, durch Inanspruchnahme eines
Patienten seine wirtschaftliche Existenz zu verlieren. Die Aufsichtstätigkeit der
Kammer ist geeignet dem entgegen zu wirken.
Diese Schutzwirkung der Aufsichtstätigkeit über Ärzte und Psychotherapeuten
muss auch hinsichtlich betroffener Patienten gelten. So wurde der Patientenschutz in
den letzten Jahren kontinuierlich verstärkt. Dies zeigt sich daran, dass die Berufsordnungen für Ärzte und Psychotherapeuten (als Grundlage der Aufsichtstätigkeit)
auf den Schutz der Patienten abzielen.898 Vor dem Hintergrund, dass die Kammern
896 Vgl. BGHZ 74, Urt. vom 15.2.1979, Az. III ZR 108/76, S. 144 (152-153); Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I, Rn. 372.
897 Vgl. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, I, Rn. 372.
898 So wurde in der Präambel der Musterberufsordnung der Psychotherapeuten vom 14.1.2006
die Sicherung des Schutzes der Patienten als Ziel der Berufsordnung aufgenommen. Ebenso
nimmt auch die MBO der deutschen Ärzte Bezug zum einzelnen Patienten (vgl. Präambel
230
die Einhaltung der Berufsordnungen überwachen, muss hieraus ein Schutzverhältnis,
mithin ein Beziehungsverhältnis, zwischen geschädigtem Patienten und zuständiger
Heilberufekammer hergeleitet werden. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang die
Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Erleidet ein Patient durch die fehlerhafte Behandlung seines Arztes oder Psychotherapeuten einen
Schaden, so trägt er das zusätzliche Risiko, seine berechtigten Ansprüche nicht
durchsetzen zu können. Um dieser Doppelbelastung entgegen zu wirken, wurde die
Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung normiert.899 Da
die Kammer diese Verpflichtung beaufsichtigt, muss auch sie einer möglichen Doppelbelastung von Patienten entgegen treten. Ein Beziehungsverhältnis wird hierdurch begründet.
(bb) Konsequenzen für den Drittschutz
Wesentliche Zielsetzung der von den Kammern als Satzungen erlassenen Berufsordnungen ist der Patientenschutz. Deshalb lässt sich ein Beziehungsverhältnis nicht
nur zwischen Heilberufekammern und ihren Mitgliedern sondern auch zwischen
Heilberufekammern und Dritten, insbesondere Patienten der ihnen angehörenden
Berufsträger, feststellen. Besteht somit jedenfalls ein Beziehungsverhältnis zu Patienten von Kammerangehörigen, muss im Sinne der Oderwitz – Rechtsprechung
auch ein dahingehender Drittschutz angenommen werden. Nur so kann der Effektivitätsgehalt der Regelungen der Berufsordnungen gesichert werden.
Letztlich ist ein Drittschutz auch aus Rechtsschutzgesichtspunkten anzunehmen.
Werden Dritte, insbesondere Patienten, aus dem Schutzbereich der Kammeraufsicht
herausgenommen, so kommt dies einer weitgehenden Haftungsfreistellung der
Kammern gleich. So bleibt Patienten im Schadensfall nur der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch gegen den behandelnden Arzt bzw. Psychotherapeuten. Dabei
tragen diese auch immer das Insolvenzrisiko. Gerade durch das Erfordernis einer
Berufshaftpflichtversicherung soll das Insolvenzrisiko des Patienten jedoch abgefedert werden. Können Patienten gegenüber den aufsichtspflichtigen Kammern keine
Ansprüche anmelden, wird dieser Zielsetzung nicht hinreichend Rechnung getragen.
Ein effektiver Patientenschutz wird nicht gewährleistet.
sowie § 1 Abs. 1 Satz 1 MBO Ärzte). Der aktive Patientenschutz wird dort zudem an anderer
Stelle betont. Die Vorschrift zur Mitteilung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen gemäß § 6 MBO Ärzte ist Ausdruck des gewollten aktiven Patientenschutzes (vgl. Ratzel, in
Ratze/Lippert, Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, § 6, Rn. 1).
899 Vgl. Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO der Psychotherapeuten, Rn. 73: „Die Verpflichtung (zu einer bestehenden Berufshaftpflichtversicherung) soll die eventuellen finanziellen
Ansprüche eines Patienten gegenüber einem Psychotherapeuten sichern, die aus einem Behandlungsfehler entstehen können.“ Vgl. bezüglich der Ärzteschaft Ratzel, in Ratzel/Lippert,
Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, § 21, Rn. 1, der den Grund für die Verpflichtung
zur Haftpflichtversicherung gerade darin sieht, dass der Patient nicht mit dem Risiko der Insolvenz des behandelnden Arztes belastet werden soll.
231
(7) Vergleich mit den Wertungen im Bereich der Bankaufsicht
Es lässt sich ein Drittschutz der Aufsichtstätigkeit auch aus den Wertungen der
Bankaufsicht herleiten.
(a) Drittschutz der Bankaufsicht
Ein genereller Drittschutz der Bankaufsichtstätigkeit wurde vom EuGH im Zusammenhang mit der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme900 verneint.901 Die
Richtlinie verleihe einem Einleger keinen Anspruch auf Tätigwerden der zuständigen Behörde in seinem Interesse. Dies gelte zumindest dann, wenn die Entschädigung der Einleger im Fall der Nichtverfügbarkeit der Einlagen gewährleistet sei.902
Schon im Zusammenhang mit dem deutschen Kreditwesengesetz galt bis dahin, dass
das Gesetz zwar einen Schutz Dritter wolle, ein Drittindividualschutz jedoch nicht
beabsichtigt sei.903 Gläubiger der Kreditinstitute seien zwar nach Möglichkeit vor
Verlusten zu bewahren, eine Garantie oder Sicherheit für die einzelnen Einleger sei
jedoch nicht beabsichtigt.904 Aus diesem Grund sieht der EuGH auch eine Vorschrift, nach der die Bankaufsichtsbehörde ihre Aufgaben allein im öffentlichen
Interesse wahrnehme, als zulässig an.905
Gleichwohl wurde auch im Rahmen der Bankaufsicht der Drittschutz nicht gänzlich ausgeschlossen. In einem Urteil aus dem Jahr 1979906 stellte der BGH eine Parallele zum Polizei- und Ordnungsrecht auf. Soweit der Bankaufsichtsbehörde die
Aufgabe zukomme, Gefahren abzuwehren, habe sie auch eine polizeiliche (ordnungsrechtliche) Funktion. Der Einzelne sei im Rahmen des Polizei- und Ordnungsrechts aber nicht nur reflexartig über die Allgemeinheit geschützt.
Wenn gewichtige und eines polizeilichen (bzw. ordnungsbehördlichen) Schutzes
bedürftige Individualinteressen auf dem Spiel ständen, sei vielmehr die polizeiliche
(ordnungsbehördliche) Handlungsermächtigung auch dem Schutze dieser Interessen
zu dienen bestimmt.
900 Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.05.1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. EG Nr. L 135 vom 31.5.1994, S. 5-14).
901 Vgl. EuGH, Urt. vom 12.10.2004, Rs. C-222/02, Peter Paul u.a. . /. Bundesrepublik Deutschland, EuZW 2004, S. 689-691.
902 Vgl. EuGH, Urt. vom 12.10.2004, Rs. C-222/02, Peter Paul u.a. ./. Bundesrepublik Deutschland, EuZW 2004, S. 689 (690).
903 Vgl. Püttner, JZ 1982, S. 47 (49) mit weiteren Nachweisen.
904 Vgl. Püttner, JZ 1982, S. 47 (49).
905 Vgl. EuGH, Urt. vom 12.10.2004, Rs. C-222/02, Peter Paul u.a. ./. Bundesrepublik Deutschland, EuZW 2004, S. 689 (690-691).
906 Vgl. BGHZ 74, Urt. vom 15.2.1979, Az. III ZR 108/76, S. 144 (152-153).
232
(b) Anwendung auf die Berufsaufsicht der Ärzte und Psychotherapeuten
Wird die Situation im Rahmen der Bankaufsicht auf die Ärzte- und Psychotherapeutenkammern übertragen, ist Folgendes zu bedenken: Der EuGH verneint eine drittschützende Wirkung der Bankaufsichtstätigkeit nur, wenn die in der Richtlinie
94/19/EG vorgesehene Entschädigung der Einleger gewährleistet ist. Grund für den
Ausschluss eines Drittschutzes ist damit die Tatsache, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Richtlinie 94/19/EG einen Mindestschutz der Einleger für den Fall
der Nichtverfügbarkeit ihrer Einlagen eingeführt hat. Dieser greift selbst dann, wenn
die Einlagen möglicherweise deshalb nicht verfügbar sind, weil die Aufsicht der
zuständigen Behörde unzureichend war.907
Einen vergleichbaren Mindestschutz gibt es im Bereich der Berufsaufsicht nicht.
Als Beispiel lässt sich wiederum das Erfordernis einer Berufshaftpflichtversicherung heranziehen. Fehlt einem Arzt oder Psychotherapeuten ein entsprechender Schutz und übersteigen im Falle eines Schadens gegen ihn gerichtete Ansprüche seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, so geht der anspruchsberechtigte
Patient leer aus. Der Grund für den Ausschluss des Drittschutzes im Bereich der
Bankaufsicht bzw. der Einlagensicherungssysteme ist im Bereich der Aufsichtstätigkeit der Heilberufekammern mithin nicht vorhanden.
Der überragenden Bedeutung des Verbraucherschutzes in der Gemeinschaft908
kann nur mit einer drittschützenden Natur der Aufsichtstätigkeit der Kammern
Rechnung getragen werden. Dies muss gerade für die Überwachungstätigkeit im
Zusammenhang mit dem Erfordernis einer Berufshaftpflichtversicherung gelten.
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass im Bereich des Bankrechts die Stabilität
des jeweiligen Finanzsystems im Vordergrund steht.909 Dem Verbraucherschutz
kommt im Rahmen der Berufsausübung der Ärzte und Psychotherapeuten eine entsprechende Bedeutung zu. Dies wird zum einen durch die Zielsetzungen der Berufsordnungen deutlich, die sämtlich den Schutz und die Sicherheit der Berufsausübung
gewährleisten sollen. Zwangsläufig sind dabei der Patientenschutz sowie das Vertrauensverhältnis diesen gegenüber von zentraler Bedeutung.910 Zum anderen wird
der Verbraucherschutz auch von der Richtlinie hervorgehoben.911 Die Berufsaufsicht
muss deshalb im Interesse der Patienten, also grundsätzlich drittschützend, erfolgen.
Letztlich spricht die Tatsache, dass die Kammer auch gegenüber dem Patienten
gefahrenabwehrend tätig wird, für einen Drittschutz. Da beispielsweise die Vorschrift über das Erfordernis einer Berufshaftpflichtversicherung vornehmlich dem
Schutz der Patienten zu dienen bestimmt ist, übernimmt sie insofern eine dritt-
907 Vgl. EuGH, Urt. vom 12.10.2004, Rs. C-222/02, Peter Paul u.a. ./. Bundesrepublik Deutschland, EuZW 2004, S. 689 (690-691).
908 Vgl. nur Art. 153 EGV sowie Wichard, in Callies/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 153,
Rn. 1-7.
909 Vgl. EuGH, Urt. vom 12.10.2004, Rs. C-222/02, Peter Paul u.a. ./. Bundesrepublik Deutschland, EuZW 2004, S. 689 (690-691).
910 Vgl. nur jeweils die Präambel der Berufsordnungen der Ärzte und Psychotherapeuten Länder.
911 Vgl. Erwägungsgrund 8, Art. 5 Abs. 3 Richtlinie.
233
schutzvermittelnde polizeiliche bzw. ordnungsbehördliche Funktion. In einem solchen Fall wird auch für die Bankaufsicht ein Drittschutz bejaht. 912
(8) Zwischenergebnis zur drittschützenden Aufsichtstätigkeit
Bisher wird die drittschützende Wirkung von Aufsichtspflichten überwiegend verneint und nur in Einzelfällen bejaht. Eine Aufsichtstätigkeit der Heilberufekammern
allein im Interesse der Allgemeinheit, ohne grundsätzliche Ausstrahlungswirkung
für Dritte, lässt sich jedoch nicht aufrechterhalten. Der grundsätzliche Ausschluss
einer Drittwirkung der Aufsichtstätigkeit entspricht weder den Zielsetzungen der
Berufsordnungen für Ärzte und Psychotherapeuten, noch der gerade auch durch die
Richtlinie hervorgehobenen Verstärkung von Schutz und Sicherheit der Verbraucher. Der Drittschutz ist nach dem Schutzzweck des aufsichtsrechtlichen Tätigwerdens zu bemessen. Entscheidend ist dabei der Schutzumfang der jeweils in Rede
stehenden Berufsregel. Beispielhaft sei hier die Verpflichtung zum Abschluss einer
Berufshaftpflichtversicherung genannt. Primär soll nicht der Arzt bzw. Psychotherapeut durch eine derartige Versicherung wirtschaftlich geschützt werden. Vielmehr
ist Regelungsziel gerade die Abwendung des Insolvenzrisikos vom geschädigten
Patienten.913 Dieser soll im Hinblick auf die Durchsetzung ggf. bestehender Haftungsansprüche wegen Behandlungsfehlern abgesichert werden. Um dem Rechnung
zu tragen, muss die Aufsichtsverpflichtung der Ärzte- und Psychotherapeutenkammern gerade diesbezüglich auch als drittschützend betrachtet werden.
Ein grundsätzlicher Drittschutz der Kammeraufsicht steht darüber hinaus sowohl
im Einklang mit der Drittschutzbestimmung nach der Schutznormtheorie im
Baurecht, als auch mit der Rechtsprechung zum Kommunal- und Bankaufsichtsrecht. Im Unterschied zur Kommunalaufsicht müssen bei der Aufsicht über die
Kammern auch die Interessen der einzelnen Bürger bzw. Patienten berücksichtigt
werden. 914 Nur eine drittschützende Wirkung der diesbezüglichen Aufsichtsverpflichtung kann mit dem Beziehungsverhältnis zwischen Heilberufekammern und
potenziellen, von Kammermitgliedern behandelten Dritten (Patienten), korrelieren.
Ausgeschlossen ist diese Wertung auch nicht durch einen Vergleich mit der Rechtsprechung des EuGH zur Bankaufsicht bzw. den Einlagensicherungssystemen der
Mitgliedstaaten. Zwar verneinte der Gerichtshof in diesem Zusammenhang einen
Drittschutz. Dies jedoch nur, wenn ein Mindestschutz der Einleger auf Grundlage
der Richtlinie 94/19/EG gewährleistet werde. Ein vergleichbarer Mindestschutz ist
für Patienten von Ärzten und Psychotherapeuten jedoch nicht vorgesehen.
Darüber hinaus wird von den Amtspflichten der Ärzte- und Psychotherapeutenkammern auch die Verpflichtung zum stetigen Austausch von Informationen mit der
912 Vgl. BGHZ 74, Urt. vom 15.2.1979, Az. III ZR 108/76, S. 144 (152-153).
913 Vgl. Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO der Psychotherapeuten, Rn. 73; Ratzel, in
Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, § 21, Rn. 1.
914 Vgl. zur Kommunalaufsicht Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 22.
234
zuständigen Approbationsbehörde erfasst. Dies folgt aus Wortlaut und Regelungsziel der Art. 8 und 56 zur Amts- und Verwaltungszusammenarbeit. Schwerpunkt
dieser Zusammenarbeit bildet insoweit der Informationsaustausch der „zuständigen
Behörden“ i.S. des Art. 56.915 Unter diesen Begriff fallen die für die Anerkennungsentscheidung zuständigen Approbationsbehörden sowie die für die Berufsaufsicht
zuständigen Heilberufskammern, da beide Stellen relevante Dokumente i.S. des Art.
3 Abs. 1 lit. d) ausstellen können. Die Unterrichtungspflichten gelten darüber hinaus
auch für rein nationale Sachverhalte. 916 Dies gilt unabhängig von dem Vorliegen
von Kenntnissen oder einer vorherigen Eingabe durch den Betroffenen, z. B. hinsichtlich fehlenden Versicherungsschutzes eines Berufsangehörigen.
b. Kausalität und Schaden
(1) Kausalitätserfordernis
Auch wenn drittschützende Aufsichtspflichten der Heilberufekammern anerkannt
werden, setzt der Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG eine
für den eingetretenen Schaden ursächliche Amtspflichtverletzung voraus. Es gilt
dabei die Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs.917 Es kommt darauf an,
welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Amtsträgers genommen hätten und wie sich die Vermögenslage des Betroffenen in diesem Fall dargestellt hätte.918 Der Schaden bestimmt sich dann nach den zivilrechtlichen Regelungen der §§ 249 ff. BGB.919
Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und
nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen, und nach regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen, zur Herbeiführung eines Erfolgs geeignet ist.920
Zu verneinen ist er deshalb jedenfalls bei Maßnahmen der allgemeinen Berufsaufsicht, die von vornherein nicht geeignet sind, einen Pflichtverstoß wirksam zu
beenden. Insofern wird bei unterlassenen oder verzögerten Belehrungen, Rügen
sowie Verhängungen von Ordnungsgeldern gegen einen Berufsangehörigen das
915 Vgl. obige Ausführungen zur Amtshilfe und Verwaltungszusammenarbeit im Rahmen der
Richtlinie unter D./III./2.
916 Vgl. dazu obige Ausführungen unter E./III./1./c.
917 Vgl. Wurm, in Staudinger, BGB-Kommentar, § 839 Rn. 231; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rn. 26; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 112;
Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9, Rn. 170.
918 Vgl. BGHZ 129, Urt. vom 6.4.1995, Az. III ZR 183/94, S. 226 (232f.); Stein/Itzel/Schwall,
Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rn. 159.
919 Vgl. Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, Rn. 159.
920 Vgl. BGH, Urt. vom 9.10.1997, Az. III ZR 4/97, NJW 1998, S. 138 (140); Teichmann, in
Jauernig, BGB-Kommentar, vor §§ 249-253, Rn. 27-30.
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Tatbestandsmerkmal der Kausalität fehlen.921 Demgegenüber ist die Entscheidung
des Kammervorstands, die Approbationsbehörde über einen den Widerruf der Approbation begründenden Sachverhalt zu informieren, geeignet einen Pflichtverstoß
zu beenden. So kann nur durch den Widerruf der Approbation dem Arzt die Berufsausübung untersagt werden. Unterlässt die Heilberufekammer die Weitergabe
von Informationen an die Approbationsbehörde, die den Widerruf einer Approbation
nach sich zieht, wird ein adäquater Kausalitätszusammenhang hypothetisch begründet. Es muss sich in diesen Fällen jedoch den konkreten Umständen entnehmen
lassen, der Kammervorstand hätte bei Anwendung pflichtgemäßen Ermessens anders entschieden.922
(2) Einwand des Rechtmäßigen Alternativverhaltens
Insbesondere bei Amtshaftungsansprüchen, die auf verfahrensfehlerhaft zustande
gekommenen behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen gründen, ist der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens möglich.923 Beachtlich ist dies immer dann,
wenn der Schaden seitens des Bürgers auch bei pflichtgemäßem Verhalten der
Kammer eingetreten wäre.924 Es ist nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH
darauf abzustellen, wie die Behörde Ermessen nach ihrer Übung in gleichen oder
ähnlichen Fällen auszuüben pflegt.925 Die Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens wird oftmals als Kausalitätsfrage behandelt.926 Es geht jedoch weniger um ein
Kausalitätsproblem als vielmehr um die Frage, ob und inwieweit einem Schadensverursacher die Folgen seines Verhaltens zugerechnet werden können.927 Auch insoweit ist der Schutzzweck der jeweils verletzten Norm entscheidend. Aus diesem
921 Vgl. Goltz, in Kluth, JbKaR 2003, S. 153 (168).
922 Vgl. BGH, Urt. vom 30.4.1959, NJW 1959, S. 1316 (1317); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rn. 26; Goltz, in Kluth, JbKaR 2003, S. 153 (168).
923 Vgl. BGHZ 143, Urt. vom 3.2.2000, Az. III ZR 296/98, S. 362 (365); BGH, NVwZ 2002,
Beschl. vom 26.7.2001, Az. III ZR 206/00, S. 123 (124); BGH, NVwZ 2002, Urt. vom
12.2.2001, Az. III ZR 282/00, S. 124 (125); BGH, Urt. vom 6.7.1995, Az. III ZR 145/94,
NJW 1995, S. 2778 (2780); BGHZ 96, Urt. vom 24.10.1985, Az. IX ZR 91/84, S. 157 (171).
924 Vgl. BGHZ 120, Urt. vom 25.11.1992, Az. VIII ZR 170/91, S. 281 (287).
925 Vgl. BGHZ 120, Urt. vom 25.11.1992, Az. VIII ZR 170/91, S.281 (288). BGH, Urt. vom
7.2.1985, Az. III ZR 212/83, VersR 1985, S. 588 (589); BGH, Urt. vom 23.2.1959, Az. III
ZR 77/58, NJW 1959, S. 1125 (1126); Wurm, in Staudinger, BGB-Kommentar, § 839,
Rn. 240.
926 Vgl. BGH, Urt. vom 7.2.1985, Az. III ZR 212/83, VersR 1985, S. 588 (589).
927 Vgl. Vgl. BGHZ 146, Urt. vom 7.12.2000, Az. III ZR 84/00, S. 122 (128); BGH, Urt. vom
11.12.1997, Az. III ZR 52/97, NJW 1998, S. 1307 (1308); BGH, Urt. vom 6.7.1995, Az. III
ZR 145/94, NJW 1995, S. 2778 (2780) (eine dem Kausalzusammenhang „nachfolgende“ Frage); BGHZ 96, Urt. vom 24.10.1985, Az. IX ZR 91/84, S. 157 (172).
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Grund wird in der Literatur favorisiert, den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens im Rahmen der Drittbezogenheit der Amtspflicht zu erörtern.928
Durchgreifen wird der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens z. B. dann,
wenn die Approbationsbehörde einen Widerruf der Approbation auch unterlassen
hätte, wenn die in Anspruch genommene Kammer ihrer Unterrichtungspflicht nachgekommen wäre. Dies ist anzunehmen, wenn sich die Approbationsbehörde schon
vor der Übermittlung von Informationen durch die Kammer entsprechend geäußert
hatte, oder ihr aus anderer Quelle entsprechende Informationen bereits vorlagen, sie
aber gleichwohl untätig geblieben ist. Insgesamt müssen die Kammern gleichwohl
mit einer vermehrten Inanspruchnahme aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG rechnen.
3. Möglicher Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff
Die Anerkennung von Berufsqualifikationen von Ärzten und Psychotherapeuten auf
Grundlage der Richtlinie erfolgt durch die von den Ländern zu benennende zuständige Anerkennungsbehörde. Die Ärzte- und Psychotherapeutenkammern sind hierfür
nur teilweise zuständig. Diese können nur die Anerkennung von Weiterbildungen
bzw. Fortbildungen vollziehen.929
Etwaige Ansprüche aus einer fehlerhaft zurückgewiesenen oder verzögerten Anerkennung von Berufsqualifikationen betreffen grundsätzlich die Anerkennungsbehörde und damit in der Regel die jeweilige Approbationsbehörde. Wird aber beispielsweise eine Anerkennungsbehörde aufgrund einer mangelnden Mitwirkungshilfe einer Ärzte- oder Psychotherapeutenkammer in Anspruch genommen, muss auch
mit einem Regress gegen die Kammer gerechnet werden. Denkbar ist insofern der
bereits erläuterte Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG oder
auch ein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff.
Den Mitgliedstaaten wird gemäß Art. 51 Abs. 3 auferlegt, Rechtsschutzmöglichkeiten zu gewährleisten. So müssen gegen Annerkennungsentscheidungen
bzw. nicht fristgerecht getroffene Entscheidungen der Anerkennungsbehörden
Rechtsbehelfe ermöglicht werden.
Bei der Anerkennungsentscheidung handelt es sich aufgrund ihrer Rechtswirkung
um Verwaltungsakte. Rechtsschutz kommt mithin insbesondere über eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage in Betracht. Nicht zuletzt auf Grund einer Entscheidung des BGH930 vom Januar 2007 muss in Zukunft bei verzögertem Verwaltungshandeln aber auch vermehrt mit einer Inanspruchnahme aus enteignungsgleichem Eingriff gerechnet werden. In der genannten Entscheidung bejahte der BGH
dem Grunde nach einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff auf Grundlage
928 Rohlfing, BauR 2006, S. 947 (951); Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9,
Rn. 170 a.E.
929 Vgl. z. B. §§ 26 ff. HeilBerG HE.
930 Vgl. BGH, Urt. vom 11.1.2007, Az. III ZR 302/05, abrufbar unter http://www.
bundesgerichtshof.de, Stand: 13.4.2007.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit widmet sich der Einflussnahme der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG auf die Berufsaufsicht über Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland und Großbritannien. Im Rahmen dessen erfolgt eine Auseinandersetzung mit den europäischen Harmonisierungskonzepten und dem Rechtskonzept der Berufsanerkennungsrichtlinie. Die Autorin erörtert die Auswirkungen einzelner Richtlinienvorschriften nach ihrer Umsetzung, insbesondere auf die deutschen Heilberufekammern. Sie analysiert dabei insbesondere die von der Richtlinie vorgegebene Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Berufsaufsicht sowie amtshaftungsrechtliche Aspekte, die sich im Rahmen der Aufsichtsarbeit der Berufskammern stellen.