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E. Richtlinienumsetzung im Lichte der Kammerpflichten und der Amtshaftung
Die Richtlinie ist in allen Mitgliedstaaten bis zum 20. Oktober 2007 in nationales
Recht zu implementieren. Für Deutschland beschloss der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates am 2. Dezember 2007 das
„Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe“
(„Gesetz zur Umsetzung“).777 In Großbritannien erfolgte die Umsetzung der Richtlinie durch Änderung des Medical Act 1983 durch „The European Qualifications
(Health and Social Care Professions Regulations 2007)“.778
I. Deutschland
Das Gesetz zur Umsetzung erfasst alle Heilberufe, für deren Ausbildung der Bund
zuständig ist (Ärzte, Apotheker, Psychotherapeuten, Pflegeberufe etc.). Der Umsetzungspflicht wird dadurch jedoch noch nicht genüge getan. Erforderlich ist weiterhin eine Änderung der Landesheilberufegesetze, da auch vom Bund nicht regelbare
Bereiche der Länder betroffen sind. Gemeint sind z. B. die Voraussetzungen für eine
Pflichtmitgliedschaft bei der jeweils zuständigen Heilberufekammer. So kann die
von der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit einer Pro-Forma-Mitgliedschaft für
EU-Dienstleister bei einer Landeskammer nur von den Ländern, nicht aber vom
Bund geregelt werden. Darüber hinaus ist auch die Benennung der für die Berufsanerkennung zuständigen Behörde eine von den Ländern zu regelnde Materie. Als
erstes deutsches Bundesland änderte Hessen sein Heilberufegesetz, um der Umsetzungspflicht gerecht zu werden.779
Die Anerkennung von Berufsqualifikationen erfolgt entsprechend den Regelungen der jeweiligen Landeszuständigkeitsverordnung entweder durch die jeweilige
Heilberufekammer oder die jeweilige Approbationsbehörde. Beide Behörden agieren demanch als zuständige Behörde im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. d) der Richtlinie.
777 Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe vom 2.12.2007, in
BGBl. Teil I 2007, Nr. 60, S.2686 ff.
778 Vgl. Medical Act 1983 in seiner aktuellen Fassung, abrufbar auf der Homepage des GMC
unter http://www.gmc-uk.org/about/legislation/medical_act.asp#s4a, Stand: 7.6.2008).
779 Vgl. GVBl. Hessen, Teil I – 19.10.2006, S. 519-524.
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Im Folgenden werden Umsetzungsergebnisse aufgezeigt und im Hinblick auf ihre
Auswirkungen insbesondere auf die Amtshaftung der Ärzte- und Psychotherapeutenkammern in Deutschland erörtert.
1. Maßgaben für die Berufsausübung
Maßgaben der Richtlinie für die Berufsausübung folgen aus Art. 4 Abs. 1, 5 Abs. 3.
EU-Dienstleister werden demnach grundsätzlich den nationalen Aufsichtssystemen
unterworfen. Dies bedeutet keine Neuerung. So wurden EU-Dienstleister sowie
Angehörige des Europäischen Wirtschaftsraums auch bisher den jeweils geltenden
Berufsausübungsregelungen unterstellt.780 Nicht überall wurde dabei aber auch die
Berufsgerichtsbarkeit begründet. In Hamburg erklärte § 5 Abs. 3 HmbKGH a.F.
beispielsweise nur das Rügeverfahren für anwendbar. Es wurden hier Anpassungen
hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit erforderlich, da auf Grund der Regelung
des Art. 5 Abs. 3 das Aufsichtsverfahren grundsätzlich nur noch für schwere berufliche Fehler Anwendung findet. Das nur für leichtere Berufsvergehen anwendbare
Rügeverfahren fällt nicht darunter.781
In den geänderten Heilberufegesetzen der Länder erfolgt nunmehr durchweg die
Unterwerfung unter das jeweilige Berufsrecht und die jeweilige Berufsgerichtsbarkeit.782 Nur teilweise wird dabei aber auch die Einschränkung des Art. 5 Abs. 3 der
Richtlinie berücksichtigt, die eben nicht eine absolute Unterwerfung vorsieht. Dort,
wo dies berücksichtigt wird, wird jedoch die Einschränkung nicht spezifiziert, sondern nur die Formulierung „..nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie
2005/36/EG.“, wie beipielsweise in § 3 Abs. 3 Satz 1 HeilBerG HE, gewählt.783 Wie
780 Art. 41 Abs. 3 HKaG BY a.F. (Art. 41 Abs. 4 a.F. enthielt zudem eine Regelung explizit für
Schweizer); § 2 Abs. 2 Nr. 2 KG BE a.F.; § 4 Abs. 3 HeilBerG BB a.F.; § 54 Abs. 3
HeilBerG HB a.F.; § 5 Abs. 3 HmbKGH a.F.; § 3 Abs. 3 HeilBerG HE a.F.; § 13 HeilBerG
MV a.F.; § 3 Abs. 2 HKG NI a.F.; § 3 Abs. 3 HeilBerG NW a.F.; § 1 Abs. 4 HeilBerG RP
a.F.; § 2 Abs. 4 Satz 4 SHKG a.F.; § 4 Abs. 3 SächsHKaG a.F.; § 4 Abs. 3 KGHB-LSA a.F.;
§ 11 HBKG SH a.F.; § 3 Abs. 3 ThürHeilBG a.F.. In Baden-Württemberg wurde gemäß § 2
Abs. 1 HBKG BW a.F. für alle Ärzte und Psychotherapeuten die in Baden-Württemberg
wohnen oder dort arbeiten die Kammermitgliedschaft begründet. Hier wurde insofern nicht
der Corsten – Rechtsprechung Rechnung getragen, da durch diese Regelung auch in Baden-
Württemberg tätige EU-Dienstleister pflichtige Kammermitglieder sind.
781 Vgl. obige Ausführungen zum schweren Beruflichen Fehler unter D./III./1./a.
782 Vgl. § 2a Abs. 4 Satz 1 HBKG BW; Art. 41 Abs. 3, 65 HKaG BY; §§ 4a Abs. 1, 16 Abs. 1
Satz 1 KG BE; § 4 Abs. 3 HeilBerG BB; § 2a Abs. 2 Satz 2; HeilBerG HB; § 5 Abs. 2 Satz
1,2 HmbKGH; § 3 Abs. 3 HeilBerG HE, § 13 HeilBerG MV (der Verweis sollte auf § 2 Abs.
3 anstatt auf § 2 Abs. 4 lauten; mit Ausnahme der Maßgaben des Art. 5 Abs. 3 Richtlinie
wiederholt § 13 im Übrigen die Regelung des § 2 Abs. 4); § 3 Abs. 2 HKG NI; § 3 Abs. 2
HeilBerG NW; § 1 Abs. 4 Satz 2 HeilBerG RP; § 2 Abs. 4 Satz 2 SHKG; § 4 Abs. 3
SächsHKaG; § 4 Abs. 2 Satz 2 KGHB-LSA; § 11 HBKG SH; § 3 Abs. 3 ThürHeilBG.
783 Vgl. mit entsprechenden Formulierungen: § 2a Abs. 4 Satz 2 HBKG BW; § 5 Abs. 2
HmbKGH („Dienstleister ….unterliegen nach Artikel 5 Absatz 3…“); § 11 HBKG SH; § 3
Abs. 3 ThürHeilBG.
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weitreichend die Unterwerfung unter das nationale Berufsrecht nach Maßgabe des
Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie tatsächlich ist, wird vielleicht auch bewusst offen gelassen. So liegen noch keine Erkenntnisse bzw. Rechtsprechung dazu vor, welche
Sachverhalte unter den „schwerwiegenden beruflichen Fehler“ subsumiert werden
können bzw. dürfen.
Darüber hinaus wurde in sämtlichen geänderten Heilberufegesetzen auch der
„Corstens“-Rechtsprechung Rechnung getragen.784 Demnach darf eine Zwangsmitgliedschaft bei den Berufskammern hinsichlich einer nur verübergehenden Berufsausübung von EU-Berufsangehörigen in Deutschland nicht angeordnet werden,
solange der Berufsangehörige in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union beruflich niedergelassen ist.
2. Sprachtests
Wie oben bereits ausgeführt, dürfen Sprachtests nicht Gegenstand von Anerkennungsentscheidungen sein.785 Dies wird auch von dem Gesetz zur Umsetzung berücksichtigt. So gelten nach Änderung des § 3 Abs. 1 BÄO bzw. § 2 Abs. 2
PsychThG die Voraussetzungen der Approbationserteilung als erfüllt, wenn die
Anerkennungsvoraussetzungen gemäß der Berufsanerkennungsrichtlinie vorliegen.786 Eine gesonderte Sprachprüfung ist nicht erforderlich. Neu eingeführt wurde
jedoch für Ärzte ebenso wie für Psychotherapeuten ein neuer Voraussetzungstatbestand für die Erteilung sowie die Anordnung des Ruhens der Approbation.
Demnach kann eine Approbation nicht erteilt bzw. kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache nicht vorhanden sind.787 Auch wenn eine
Anerkennung aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht verweigert werden kann,
ist das Ruhen der Approbation gleichwohl möglich. Darüber hinaus schreibt der
784 Vgl. § 2a Abs. 1 HBKG BW; § 2a Abs. 1 HeilBerG HB; § 5 Abs. 1 HmbKGH; § 3 Abs. 1
HeilBerG HE; § 2 Abs. 3 HeilBerG MV; § 3 Abs. 1 HeilBerG NW; § 1 Abs. 4 HeilBerG RP;
§ 2 Abs. 4 Satz 1 SHKG; § 4 Abs. 1 KGHB-LSA; § 2 Abs. 2 HBKG SH; § 3 Abs. 1 Satz 1
ThürHeilBG; in Bayern (Art. 41 Abs. 1 und 6, 65), Berlin (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 KG BE), Brandenburg (§ 4 Abs. 1 HeilBerG BB) und Niedersachsen (§ 3 Abs. 1 HKG NI) keine Mitgliedschaft für Berufsangehörige aus Mitgliedstaaten oder EWR-Staaten generell, unabhängig davon, ob eine berufliche Niederlassung in einem Mitgliedstaat besteht; in Sachsen ebenso, soweit Berufsausübung nach dem Recht der Europäischen Union vorhanden (§ 4 Abs. 1
SächsHKaG..
785 Vlg. obige Ausführungen zu den Richtlinieninstrumenten / Sprachtests unter D./II./1./a.
786 Vgl. Art. 4 Nr. 2 lit. a) ff), Art. 6 Nr. 3 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der
Heilberufe vom 2.12.2007, BGBl. Teil I 2007, Nr. 60, S. 2686 (26891/92, 2696)..
787 Vgl. Art. 4 Nr. 4 zur Änderung des § 6 BÄO, Art. 6 Nr. 9 zur Änderung des § 3 PsychThG
des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe vom 2.12.2007, BGBl.
Teil I 2007, S. 2686 (2693, 2698).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit widmet sich der Einflussnahme der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG auf die Berufsaufsicht über Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland und Großbritannien. Im Rahmen dessen erfolgt eine Auseinandersetzung mit den europäischen Harmonisierungskonzepten und dem Rechtskonzept der Berufsanerkennungsrichtlinie. Die Autorin erörtert die Auswirkungen einzelner Richtlinienvorschriften nach ihrer Umsetzung, insbesondere auf die deutschen Heilberufekammern. Sie analysiert dabei insbesondere die von der Richtlinie vorgegebene Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Berufsaufsicht sowie amtshaftungsrechtliche Aspekte, die sich im Rahmen der Aufsichtsarbeit der Berufskammern stellen.