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Auch wird insofern unter Erwägungsgrund (20) auf den
„gemeinschaftlichen Besitzstand im Bereich der gegenseitigen Anerkennung“
hingewiesen, dem Rechnung getragen wird. Ebenso ist die Pflicht zur Anerkennung
von Berufserfahrung seit der Vlassopoulou – Entscheidung ein bekanntes Mittel der
Anerkennungspraxis.709 Bestehende Probleme des Gemeinschaftsrechts werden
durch die Richtlinienregelungen dabei nicht gelöst.
Die Abgrenzungsproblematik zwischen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit bleibt, da auch die Richtlinie zwischen diesen Grundfreiheiten unterscheidet. Im
Hinblick auf die Befreiungsmöglichkeiten des Art. 6 für das Marktverhalten im
Aufnahmemitgliedstaat, ist die Einordnung als Dienstleister im Sinne des Art. 49
EG insofern von erheblicher Relevanz. Sie bedeutet regelmäßig einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Niedergelassenen im Sinne des Art. 43 EG bzw. inländischen
Berufsangehörigen. Das Problem der sog. „Inländerdiskriminierung“ ist mithin nach
wie vor präsent.
b. Gemeinsame Plattformen
Neu ist die Anerkennung von Berufsqualifikationen auf der Grundlage Gemeinsamer Plattformen, gemäß Art. 15. Betroffen sind dabei ausschließlich Berufe für
welche die Mindestanforderungen an die Ausbildung nicht Gegenstand einer Koordinierung auf europäischer Ebene sind (z. B. Psychotherapeuten). Zu beachten ist
indes der rein fakultative Charakter der gemeinsamen Plattformen. Es besteht keine
Pflicht, solche Plattformen zu erarbeiten. Darüber hinaus besteht für Berufsangehörige auch nicht die Verpflichtung, diese Kriterien zu erfüllen. Tut er dies jedoch
nicht, muss von ihm die Auferlegung von Ausgleichsmaßnahmen nach Art. 14 hingenommen werden. So wird sichergestellt, dass die von der Gemeinschaft vorgeschriebene Kompetenzverteilung gewahrt bleibt, wonach die Mitgliedstaaten für
Inhalt und Gestaltung der beruflichen Bildung verantwortlich sind.710 Ein entsprechender Hinweis findet sich in Art. 15 Abs. 4.
III. Die Richtlinie und die nationale Berufsaufsicht
Die Richtlinie enthält eine Vielzahl an Vorschriften, die die Berufsausübung tangieren. Ein Kontroll- und Sanktionsverfahren für die Beraufsausübung ist dabei jedoch
708 Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18.6.1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur
Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG
(ABl. EWG Nr. L 209 vom 24.7.1992, S. 25-45).
709 Vgl. EuGH, Urt. vom 7.5.1991, Rs. C-340/89, Vlassopoulou, Slg. 1991, S. I-2357, Rn. 15,
20-21.
710 Vgl. Art. 150 Abs. 1 EGV.
177
nicht vorgegeben. Zuständig bleibt insofern der jeweilige Mitgliedstaat. Dabei gelten die vom EuGH aufgestellten Regeln:
Der Umstand, dass eine Richtlinie kein Kontroll- und Sanktionsverfahren vorsieht, führt zum einen zu einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach den Art. 10
Abs. 1 und Art. 249 Abs. 3 EG, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Zum anderen
verpflichtet er die Mitgliedstaaten, hinsichtlich der im jeweiligen Hoheitsgebiet
durchgeführten Kontrollen, sich gegenseitig Vertrauen entgegenzubringen.711
Art. 56 Abs. 1 ordnet eine enge Zusammenarbeit sowie die Leistung gegenseitiger
Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Aufnahme- und Herkunftsmitgliedstaaten an. Da die Regelung des Art. 56 im Titel über die Verwaltungszusammenarbeit niedergelegt ist, gilt sie sowohl im Rahmen der Niederlassungsfreiheit als
auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit.712
Gleichwohl enthält auch Art. 8 hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit ein Gebot
der Verwaltungszusammenarbeit. Vorgeschrieben wird hier jedoch nur die Pflicht
zum Informationsaustausch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Niederlassung und
der guten Führung des Dienstleisters sowie sonstiger gegen den Dienstleister erlassener berufsbezogener, disziplinarischer oder strafrechtlicher Sanktionen. Umfasst
sind davon auch Maßnahmen der Berufsaufsicht. Die Verwaltungszusammenarbeit
nach Art. 8 beschränkt sich darauf, es dem Aufnahmemitgliedstaat zu erlauben, den
Nachweis über die Richtigkeit der vom Berufsangehörigen getätigten Angaben zu
fordern. Eine inhaltliche Überprüfung erfolgt nicht.713 Damit wird auch dem Verbot
inhaltlicher Prüfung von Befähigungsnachweisen nach der Vlassopoulou – Rechtsprechung Rechnung getragen.
1. Konzept der Art. 4 Abs. 1, 5 Abs. 3
Obwohl die Richtlinie keine Regelung der Berufsaufsicht vornimmt, enthalten die
Art. 4 Abs. 1, 5 Abs. 3 Maßgaben für die mitgliedstaatliche Aufsichtstätigkeit. So
hat die Berufsausübung gemäß Art. 4 Abs. 1 unter „denselben Voraussetzungen“
711 EuGH, Urt. vom 23.5.1996, Rs. C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, S. I-2553, Rn. 19; EuGH,
Urt. vom 21.9.1989, Rs. C-68/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, S. 2965, Rn. 23. Aus
der Gemeinschaftstreue leitet sich weiterhin eine Pflicht zur Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander ab, vgl. EuGH, Urt. vom 11.6.1991, Rs. C-251/89, Athanasopoulos ./.
Bundesanstalt für Arbeit, Slg. 1991, S. I-2797, Rn. 57; Becker, in von der Groeben/Schwarze,
EUV/EGV-Kommentar, Band 1, Art. 11, Rn. 12.
712 Vgl. Mitteilung der Kommission zum gemeinsamen Standpunkt vom 6.1.2005, KOM(2004)
853 endg, S. 4, Art. 56; abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/qualifications/
future_de.htm, Stand: 21.9.2008.
713 Vgl. auch Mitteilung der Kommission an das EP betreffend den vom Rat angenommenen
gemeinsamen Standpunkt, Dokumente des Entscheidungsverfahrens: KOM(2004) 853 endg
vom 6.1.2005, S. 6, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/qualifications/
future_de.htm, Stand: 21.9.2008.
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wie für Inländer zu erfolgen. Auch im Rahmen der vorübergehenden Tätigkeit ist
die Berufsausübung gemäß Art. 5 Abs. 3 den jeweiligen Disziplinarbestimmungen
des Aufnahmelands unterworfen.
Bei genauerer Betrachtung erfolgt hier jedoch eine Einschränkung. Während
Art. 4 Abs. 1 alle Ausübungsregeln des Aufnahmelands mit einbezieht, sieht Art. 5
Abs. 3 die Unterwerfung nur unter diejenigen Vorschriften vor, die unmittelbar für
den Schutz und die Sicherheit der Verbraucher relevant sind.714 Diesbezüglich heißt
es in Art. 5 Abs. 3:
„…zu diesen Bestimmungen gehören etwa Regelungen für die Definition des Berufs….und
schwerwiegenden beruflichen Fehlern in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit
dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher.“715
Dem Wortlaut nach handelt es sich bei der Aufzählung des Art. 5 Abs. 3 nur um
eine beispielhafte Auflistung von nationalen berufsrelevanten Vorschriften, die vom
Dienstleister zu befolgen sind. Durch den Hinweis auf „schwerwiegende berufliche
Fehler“ wird dabei eine Minimalvorgabe getätigt. Im Englischen ist insofern von
„serious professional malpractice“ die Rede. Dazu heißt es jedoch in der Begründung des Rates zum gemeinsamen Standpunkt in Ziffer 19, der Dienstleister dürfe
aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur solchen Disziplinarbestimmungen unterliegen, die unmittelbar relevant seien.716 Verhältnismäßigkeit kann aber nur gewährleistet werden, wenn nicht jeder Verstoß gegen Berufsvorschriften die Aufsichtszuständigkeit des Aufnahmestaats begründet, sondern dies nur bei schwerwiegenden
Sachverhalten der Fall ist. Regelmäßig werden auch nur schwerwiegende Sachverhalte als unmittelbar relevant erachtet werden können. Dies steht im Einklang mit
Gewicht und Tragweite der Dienstleistungsfreiheit. Würde jeder berufliche Fehler
erfasst, könnte die Dienstleistungsfreiheit zu stark beeinträchtigt werden. Sinn und
Zweck der Richtlinie würden dem entgegen stehen.
Dafür, dass nicht jeder Verstoß gegen nationale Vorschriften bei der vorübergehenden grenzüberschreitenden Berufsausübung geahndet werden soll, spricht auch
Art. 56 Abs. 2 Satz 1, wonach die zuständigen Behörden im Aufnahme- und im
Herkunftsland sich gegenseitig über das Vorliegen disziplinarischer oder strafrechtlicher Sanktionen oder sonstiger „schwerwiegender“ Sachverhalte, die sich auf die
Berufsausübung auswirken können, unterrichten müssen. Die primär die Verwaltungszusammenarbeit regelnde Vorschrift betrifft auch die Aufsichtsarbeit, da berufsrelevante Sachverhalte von der Unterrichtungspflicht erfasst werden. Die Festlegung einer Unterrichtungspflicht nur für schwerwiegende Sachverhalte ist aber allein dann konsequent, wenn nur für diese eine Aufsichtszuständigkeit besteht. Somit
714 Vgl. Erwägungsgrund 8 der Richtlinie.
715 Im Englischen heißt es dort insofern „serious professional malpractice which is directly and
specifically linked to consumer protection and sefety“.
716 Vgl. Begründung des Rates betreffend: Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 21.12.2004
im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über
die Anerkennung von Berufsqualifikationen (13781/2/04 REV 2 ADD 1), interinstitutionelles
Dossier 2002/0061 (COD), Ziffer 19; abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/
qualifications/future_de.htm, Stand: 21.9.2008.
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hat eine Berufsaufsicht durch die Aufsichtsbehörden im Aufnahmeland im Bereich
der Dienstleistungsfreiheit unterhalb dieser Schwelle zu unterleiben. Nach diesem
Verständnis ist der Hinweis auf „schwerwiegende berufliche Fehler“ in Art. 5
Abs. 3 nicht nur als Minimalvorgabe, sondern auch als Einschränkung der nationalen Aufsichtstätigkeit zu verstehen.
a. Maßstab des schwerwiegenden beruflichen Fehlers
Eine Definition des schwerwiegenden beruflichen Fehlers i.S. des Art. 5 Abs. 3
enthält die Richtlinie nicht. Die Beurteilung, wann ein beruflicher Fehler vorliegt
und wann dieser als schwerwiegend anzusehen ist, obliegt deshalb dem Aufnahmeland. Zu berücksichtigen ist jedoch, das es sich bei dem Begriff des schwerwiegenden beruflichen Fehlers um einen gemeinschaftsrechtlichen Begriff handelt, der
dementsprechend nach Gemeinschaftsgrundsätzen auszulegen ist. Aufgrund des
Fehlens einer Definition auf Gemeinschaftsebene wird sich die Einordnung gleichwohl an den Vorgaben des nationalen Berufsrechts orientieren. Dies zumindest
solange eine gemeinschaftsrechtliche Definition nicht vorhanden ist. Es stellt sich
die Frage, welcher Maßstab einem schwerwiegenden beruflichen Fehler i.S. des
Art. 5 Abs. 3 in Deutschland zu Grunde liegt.
In Deutschland ist Voraussetzung für den Approbationsentzug eines Arztes ein
schwerwiegendes Fehlverhalten.717 Vor diesem Hintergrund, könnte ein schwerwiegender beruflichen Fehler (hinsichtlich der Berufsaufsicht der Ärzte und Psychotherapeuten) nur dann angenommen werden, wenn auch die Voraussetzungen der §§ 3
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO, 2 Abs. 1 Nr. 3 PsychThG vorliegen.718 Zu bedenken ist
jedoch, dass der Approbationsentzug nur im Ausnahmefall als ultima ratio herangezogen wird. Die Schwelle des schwerwiegenden beruflichen Fehlers im Sinne des
Art. 5 Abs. 3 wäre demnach sehr hoch. Das Tätigwerden einer nationalen Aufsichtsbehörde in Bezug auf Dienstleister eines anderen Mitgliedsstaats wäre mithin die
Ausnahme. Die Fälle, die regelmäßig keine Berufsunwürdigkeit darstellen, blieben
im Hinblick auf EU-Ausländer unberücksichtigt. Folglich bliebe auch das Spektrum
an Aufsichtsmaßnahmen für weniger schwerwiegende berufliche Fehlverhalten
unberücksichtigt (z. B. Geldbuße, Verweis, Aberkennung der ggf. Pro-Forma-
Mitgliedschaft bei der Kammer). Eine solch enge Auslegung des schwerwiegenden
beruflichen Fehlers i.S. des Art. 5 Abs. 3 würde auch der Maßgabe der Vorschrift
selbst nicht gerecht werden. So will Art. 5 Abs. 3 den Schutz und die Sicherheit der
Verbraucher gewährleisten. Eine Auslegung des schwerwiegenden beruflichen Fehlers im Sinne der Approbationsordnungen könnte dieser Prämisse nicht Folge leisten.
717 Vgl. VGH Baden-Württemberg, Bechl. vom 28.7.2003, Az. 9 S 1138/03, NJW 2003, S. 3647
(3647).
718 Vgl. obige Ausführungen zum Widerruf der Approbation unter C./I./2./a./(3)/(a)/(aa)/(i).
180
Aufsichtsorgane sind in Deutschland die Heilberufekammern der Länder. Die
Kammern können auf Grundlage des jeweiligen Heilberufegesetzes bei einfachem,
nicht schwerwiegendem, berufswidrigem Verhalten eine Rüge aussprechen und von
der Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens absehen.719 Als schwerwiegend
werden damit sämtliche beruflichen Verfehlungen angesehen, die die Einleitung
eines berufsgerichtlichen Verfahrens durch die Kammer rechtfertigen und die Erteilung einer Rüge als nicht ausreichend erscheinen lassen. Es ist damit nicht erst das
Vorliegen einer besonders erheblichen bzw. berufsunwürdigen Handlung erforderlich.
Ein Widerspruch zur Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Entzug der
Approbation ist nicht zu erkennen. Demnach kann nur eine schwerwiegende berufliche Verfehlung Grundlage eines Approbationsentzugs sein. Nicht jede schwerwiegende Verfehlung führt aber automatisch zum Verlust der Approbation. Vielmehr ist
hierfür noch die Verhältnismäßigkeit im konkreten Einzelfall zu prüfen.720 Darüber
hinaus sind die Begriffe der Heilberufegesetze nicht automatisch im gleichen Sinne
wie diejenigen des Bundespsychotherapeuten-gesetzes bzw. der Bundesärzteordnung zu verstehen. So ist der Landesgesetzgeber auch nicht an den Arztbegriff (und
Psychotherapeutenbegriff) der Bundesgesetzgebung (PsychThG, BÄO) gebunden.721
b. Zwischenergebnis
Solange auf Gemeinschaftsebene keine Definition des schwerwiegenden beruflichen
Fehlers i.S. des Art. 5 Abs. 3 existiert, werden Berufsverstöße, die in Deutschland
allenfalls eine Rüge der Kammer rechtfertigen würden, hinsichtlich vorübergehend
in Deutschland tätigen EU-Dienstleistern außer Betracht bleiben. Gleiches muss
auch für Verhaltensweisen eines Arztes in Großbritannien gelten, die selbst die Erteilung einer Warnung (als schwächstes Aufsichtsmittel) durch den GMC nicht begründen können. So wird dort eine Warnung nur bei einer erheblichen Abweichung
von den Berufsstandards erteilt.722 In Großbritannien löst damit das eine Aufsichtsmaßnahme begründende Verhalten die nationale Aufsichtspflicht gemäß
Art. 5 Abs. 3 aus. Allerdings werden hier wie in Deutschland durch Heranziehung
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Einschränkungen der nationalen Aufsichtstätigkeit in Bezug auf EU-Ausländer erfolgen müssen, um der Zielsetzung einer erleichterten Berufsausübung Rechnung zu tragen.
719 Vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 HKaG BY; § 29 Abs. 1 KG BE; § 34 HeilBerG BB; § 61a Heil-
BerG HB; § 59 HmbKGH; § 59 HeilBerG HE; § 64 Abs. 1 HKG NI; § 58a HeilBerG NW;
§ 11 HeilBerG RP; § 32 Abs. 1 Satz 1 SHKG; §§ 40 Satz 2, 41 SächsHKaG; § 21 Abs. 1 Satz
1 KGHB-LSA; § 46a Abs. 1 Satz 1ThürHeilBG.
720 Vgl. dazu obige Ausführungen zum Widerruf der Approbation unter C./I./2./a./(3)/(a)/(aa)/(i).
721 Vgl. BVerwGE 39, Urt. vom 25.11.1971, Az. I C 48/65, S. 100 (101); Stellpflug, MedR
2005, S. 71 (72).
722 Vgl. Sec. 19 FPP (Jones & Morris, Statutes on Medical Law, S. 484) sowie obige Ausführungen unter C./II./1./c./(4)/(d)/(aa).
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2. Verwaltungszusammenarbeit nach der Richtlinie
Für die Aufsichtsarbeit relevant ist weiterhin die von der Richtlinie vorgesehene
Verwaltungszusammenarbeit. Zur Erleichterung der Anwendung der Richtlinie sieht
Art. 56 Abs. 1, 2 eine enge Zusammenarbeit und Amtshilfe sowie eine gegenseitige
Unterrichtungspflicht (unter Beachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen) der
zuständigen Behörden der Aufnahme- und Herkunftsmitgliedsstaaten vor. Bemerkenswert ist gerade im Hinblick auf die Regelungen der Art. 4 Abs. 1, 5 Abs. 3,
diejenige des Art. 56 Abs. 2 Satz 2. Das Herkunftsland prüft demnach die
„Richtigkeit der (übermittelten) Sachverhalte; seine Behörden befinden über Art und Umfang
der durchzuführenden Prüfungen und unterrichten den Aufnahmemitgliedstaat über die Konsequenzen, die sie aus den übermittelten Auskünften ziehen.“723
Fraglich ist, ob diese Vorschrift mehr als eine Zuständigkeitsregelung bedeutet.
a. Sanktionierung durch das Herkunftsland
Denkbar wäre insofern, dass die Aufsichtsbehörde des Herkunftslands für die Sanktionierung „seiner“ Berufsträger weiterhin zuständig bleiben soll und nur die Sachverhaltsermittlung den Aufsichtsbehörden im Aufnahmeland zugedacht ist. Dies
würde eine Berufsaufsicht durch das Heimatland unter Zuhilfenahme der Behörden
des Aufnahmelands bedeuten. Eine solche Aufsicht würde letztlich dem 3. Aufsichtsmodell entsprechen. Es bestehen die oben bereits geäußerten Bedenken.724
Die bedingungslose Anordnung der Geltung des Aufsichtsrechts des Heimatlands
würde weder dem jeweiligen Bestimmungsland seine Garantenpflichten im Hinblick
auf die eigene Aufgabenerfüllung belassen, noch eine Übernahme von Garantenpflichten durch die Gemeinschaft darstellen. Die Gewährleistung eines hohen
Schutzniveaus, wie von Art. 95 Abs. 3 EG verlangt, könnte vom Gemeinschaftsgesetzgeber damit nicht hinreichend garantiert werden. Vielmehr würde die Übernahme von Aufsichtspflichten des Bestimmungslands durch das Herkunftsland festgelegt.
Gegen eine konsequente Anwendung des Herkunftslandprinzips sprechen darüber
hinaus auch die bereits erörterten Bedenken.725 Eine effektive Berufsaufsicht wäre
zudem kaum möglich, da eine solche Aufgabenverteilung höchst unpraktikabel ist.
Berufsangehörige aus anderen Mitgliedstaaten könnten gegenüber den einheimischen Berufsangehörigen immer nur verzögert sanktioniert werden, da der Umweg
über die Heimatbehörde gewählt werden müsste. Zu bedenken ist auch, dass für die
Behörden im Herkunftsland kaum Anreiz bestehen wird, einen Berufsangehörigen
723 Vgl. Art. 56 Abs. 2 Satz 2. In Klammern stehende Ergänzung versteht sich als Anmerkung
der Verfasserin.
724 Vgl. zum 3. Modell obige Ausführungen unter D./I./3.
725 Vgl. obige Ausführungen unter B./II./2./b./(2).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit widmet sich der Einflussnahme der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG auf die Berufsaufsicht über Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland und Großbritannien. Im Rahmen dessen erfolgt eine Auseinandersetzung mit den europäischen Harmonisierungskonzepten und dem Rechtskonzept der Berufsanerkennungsrichtlinie. Die Autorin erörtert die Auswirkungen einzelner Richtlinienvorschriften nach ihrer Umsetzung, insbesondere auf die deutschen Heilberufekammern. Sie analysiert dabei insbesondere die von der Richtlinie vorgegebene Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Berufsaufsicht sowie amtshaftungsrechtliche Aspekte, die sich im Rahmen der Aufsichtsarbeit der Berufskammern stellen.