153
eine Beanstandung der Berufsausübung handeln, die als geringwertig angesehen
wird. In diesem Fall steht die Berufstauglichkeit nicht in Frage, sodass ein aufsichtsrechtliches Vorgehen nicht erforderlich ist und ein Tätigwerden durch eine NHS
Einrichtung, wie die NCAS, als ausreichend erachtet werden kann. 627
2. Die Aufsicht über Psychotherapeuten
Eine rechtliche Grundlage für die Berufsaufsicht der Psychotherapeuten existiert in
Großbritannien nicht. Vorhanden sind insoweit nur Berufsorganisationen. Psychotherapeuten werden überwiegend durch die British Association for Counselling and
Psychotherapy (BACP)628 sowie dem UK Council for Psychotherapy (UKPC)629
repräsentiert. Wie auch die Interessenvertretungen der Ärzteschaft, handelt es sich
dabei jeweils um unabhängige, also nicht staatliche, Gewerkschaften.
a. Freiwillige Aufsichtsunterwerfung
Im Gegensatz zur Aufsicht über die Ärzteschaft handelt es sich bei der Aufsicht über
die Psychotherapeuten um ein System der freiwilligen Aufsichtsunterwerfung durch
die Psychotherapeutenschaft selbst (Prinzip der Selbstregulierung). Die Aufsicht
erfolgt durch den 1993 ins Leben gerufenen British Psychoanalytic Council
(BPC).630
Der BPC ist ein Zusammenschluss der Ausbildungsinstitute und Berufsorganisationen der Psychotherapeuten in Großbritannien.631 Seine Aufgabe ist es, über die
Einhaltung der durch die Berufsorganisationen selbst festgelegten Berufsstandards
zu wachen. Psychotherapeuten können sich beim BPC registrieren lassen, wenn sie
die erforderlichen Qualifikationen aufweisen und den Berufsstandards entsprechen.
Eine Registrierungspflicht besteht nicht. Die Registrierung ist jedoch Zertifikat
dafür, dass eine den Berufsstandards entsprechende Tauglichkeit zur Berufsaus-
627 Vgl. Sec. 3(50), S. 12 Indivative Sanctions Guidance.
628 Vgl. die Homepage des BACP unter http://www.bacp.co.uk/, Stand: 16.3.2007.
629 Vgl. die Homepage des UKCP unter http://www.psychotherapy.org.uk/, Stand: 16.3.2007.
630 Vgl. Homepage der BCP: http://www.bcp.org.uk/index.html, Stand 16.3.2007.
631 Mitgliedsorganisationen: British Association of Psychotherapists; British Psychoanalytical
Society; Lincoln Clinic and Centre for Psychotherapy; London Centre for Psychotherapy;
North of England Association for training in Psychoanalytic Psychotherapy; Northern Ireland
Association for the Study of Psychoanalysis; Scottish Association of Psychoanalytical Psychotherapists; Scottish Institute of Human Relations; Severnside Institute for Psychotherapy;
Society of Analytical Psychology; Tavistock Clinic and Tavistock Society of Psychotherapists; Association for Psychoanalytic Psychotherapy in the NHS; vgl. auch Homepage des
BPC unter http://www.bcp.org.uk/member_societies.html, Stand: 15.3.2007.
154
übung vorliegt.632 Die Registrierung als Psychotherapeuten hat somit die Funktion
eines Qualitätssiegels, sodass der jeweilige Berufsträger ein Interesse an der Registrierung beim BPC besitzt. Die Zielsetzung des BPC besteht darin, den Code of
Ethics (Verhaltensstandards/„Code of Ethics“) in Klinik und Praxis für Mitglieder
der angehörigen Organisationen zu entwickeln und aufrecht zu erhalten. Das vom
BPC gebildete Ethics Committee (Ethikkomitee) legt dabei die Politik zur Evaluierung der Berufstauglichkeit sowie den die Aufsichtsarbeit bestimmenden Code of
Ethics fest. Dieser muss angemessen sein und auf das Gemeinwohl der Bevölkerung
abzielen.633
Der BPC führt darüber hinaus ein Register mit allen angehörigen Institutionen
sowie den Mitgliedern dieser Institutionen. Zur Förderung des Wohls der Allgemeinheit stellt er des Weiteren Informationen über die Arbeit der Mitgliedsorganisationen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Ausbildung und Forschung zur Verfügung. Der BPC ist Mitglied der European Federation for Psychoanalytic Psychotherapy in the Public Sector (EFPP).634 Verwaltet wird er vom sog. „Council of
Institutions“, der sich aus Repräsentanten der Mitgliedsinstitutionen zusammensetzt.
Daneben ist der BPC einem „Advisory Board“ (Verwaltungsrat/„Advisory Board“)
rechenschaftspflichtig. Dieser setzt sich ebenfalls aus Mitgliedern der einzelnen
Mitgliedsorganisationen zusammen und berät den BPC zudem in seiner Arbeit. Der
„Advisory Board“ bildet eine Art Aufsichtsinstanz.
Das Aufsichtsverfahren wird durch die Complaints Procedures (Verfahrensregeln
für das Aufsichtsverfahren) des BPC festgelegt.635 Daneben werden Investigation
Committees (Untersuchungskomitees/„Investigation Committees“) sowie Professional Conduct Panels (Ausschüsse zuständig für die Bewertung der Berufstauglichkeit/„Professional Conduct Panels“) gebildet. Ein Investigation Committee besteht
aus sechs vom BPC ernannten Mitgliedern (drei Laien sowie drei Berufsvertreter
mit mind. 10jähriger Berufserfahrung).636 Ein Professional Conduct Panel setzt sich
aus drei Personen zusammen (mindestens ein Laienmitglied).637 Die Professional
Conduct Panellists’ Group (Gruppe potenzieller Mitglieder der Professional Con-
632 Vgl. Sec. 1.1 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar
auf der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf,
Stand: 27.4.2007.
633 Vgl. Sec. 1.1 und 1.2 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007,
abrufbar auf der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_
Procedure.pdf, Stand: 27.4.2007.
634 Vgl. zum EFPP das EFPP Internetportal unter http://www.efpp.org/, Stand: 22.3.2007.
635 Vgl. British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar auf der
Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf, Stand:
27.4.2007.
636 Vgl. Sec. 2.5 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar
auf der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf,
Stand: 27.4.2007.
637 Sec. 4.1 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar auf
der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf,
Stand: 27.4.2007.
155
Advisory Board überwacht Tätigkeit
des BPC
BPC verfügt über:
Appeal Panel Investigation
Committee
Professional
Conduct Panel
duct Panels) ernennt darüber hinaus aus ihrer Mitte drei Mitgliedern, die den Appeal
Panel (Beschwerdeausschuss „Appeal Panel“) bilden. 638
b. Reglementierung im Sinne der Richtlinie
Da der Beruf der Psychotherapeuten in Großbritannien nicht reguliert ist, stellt sich
die Frage, ob dieser Beruf dort ggf. ein im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie reglementierter Beruf ist.
Die Führung der Berufsbezeichnung Psychotherapeut ist in Großbritannien derzeit nicht durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf Personen beschränkt, die
über eine bestimmte Berufsqualifikation verfügen. Zwar liegt damit keine Reglementierung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. a) vor, es greift jedoch Art. 3 Abs. 2.
Einem reglementierten Beruf gleichgestellt ist demnach „ein Beruf, der von Mitgliedern von Verbänden oder Organisationen im Sinne des Anhangs I ausgeübt wird“
(Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 1). Diese Verbände und Organisationen müssen gemäß
Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 „das Ziel der Wahrung und Förderung eines hohen
Niveaus in dem betreffenden Beruf“ verfolgen.
In Großbritannien existieren im Bereich der Psychotherapeuten verschiedene Berufsorganisationen, die sämtlich über die genannten Zielsetzungen verfügen. Zu
nennen ist hier nur der Professional Body for Counselling and Psychotherapy in
Schottland (COSCA)639 und die bereits erwähnten Organisationen BACP und
638 Vgl. Sec. 6.6 sowie Annex 1 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April
2007, abrufbar auf der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/
Complaints_Procedure.pdf, Stand: 27.4.2007.
639 Vgl. die Homepage des COSCA, unter http://www.cosca.org.uk/, Stand: 16.3.2007.
156
UKCP, die ihren Mitgliedern jeweils (private) Qualitätszertifikate ausstellen.640 Die
Anerkennung von Berufsqualifikationen hinsichtlich Psychotherapeuten richtet sich
demnach auch in Großbritannien nach der Berufsanerkennungsrichtlinie. Da mithin
eine Reglementierung im Sinne der Richtlinie vorliegt, muss auch die (freiwillige)
Berufsaufsicht durch den BPC die Richtlinienregelungen berücksichtigen. Zu denken ist hier vor allem an die Unterrichtungspflichten nach Art. 8 und 56.
c. Aufsichtsverfahren
Die Aufsicht über die Psychotherapeuten ähnelt in seiner Grundstruktur stark der
Aufsicht über die Ärzteschaft durch den GMC. So kann ein Aufsichtsverfahren
durch den BPC in folgenden Fällen eingeleitet werden: Bei „misconduct“ (berufsunwürdigem Verhalten); „malpractice“ (beruflicher Verfehlung); bei „criminal
conviction“ (Begehung einer Straftat); bei „physical or mental ill health“ (wenn der
jeweilige Psychotherapeut erkrankt ist und nicht mehr die für die Berufsausübung
notwendige körperliche oder geistige Konstitution aufweist) sowie auf Grund des
Beschlusses der für Gesundheits- und Sozialfürsorge zuständigen Stellen des United
Kingdoms oder einer anderen staatlichen Stelle, die eine verletzte Berufstauglichkeit
feststellen kann.641
Eingaben über die mangelnde Berufsausübung von Psychotherapeuten werden
beim BPC, dort beim Fitness to Practice ]dministrator (ein für Aufsichtsangelegenheiten zuständige Verwalter/„FtP Administrator“) getätigt. Sie sind formbedürftig. Der FtP Administrator übersendet die Angelegenheit sodann an das Investigation Committee. Dieses entscheidet mit einfacher Mehrheit darüber, ob ein Aufsichtsverfahren vor dem Professional Conduct Panel stattfindet, weitere Beweiserhebungen erforderlich sind oder das Verfahren eingestellt wird.642
Gelangt ein Fall vor den Professional Conduct Panel, wird die zweite und letzte
Stufe des Aufsichtsverfahrens erreicht. Es findet eine Anhörung des Beschuldigten
und ggf. ein Beweisverfahren statt. Im Gegensatz zu den Anhörungen vor dem Fitness to Practice Panel beim GMC finden diese Anhörungen unter Ausschluss der
Öffentlichkeit statt.643 Anschließend kann der Professional Conduct Panel über den
640 Vgl. insofern auch das Europäische Zertifikat für Psychotherapeuten, das vom UKPC erteilt
werden kann (The European Certificate of Psychotherapy, abrufbar auf der Homepage des
UKPC unter http://www.psychotherapy.org.uk/page151.html, Stand 16.3.2007).
641 Vgl. Sec. 1.7 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar
auf der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf,
Stand: 27.4.2007. Vgl. dazu auch bzgl. der Ärzteschaft Sec. 35C Abs. 2 lit. a)-e) Medical Act
1983.
642 Vgl. Sec. 2.9., 2.19 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007,
abrufbar auf der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_
Procedure.pdf, Stand: 27.4.2007.
643 Vgl. 4.17 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar auf
der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf,
157
Erlass von Maßnahmen mit einfacher Mehrheitsentscheidung erkennen.644 Die Sanktionsmittel entsprechen dabei denjenigen des GMC. So ist die Registrierung unter
Auflage (bis zu drei Jahre), die Suspendierung aus dem Register oder der Mitgliedschaft in BPC-Organen bzw. in Organen von Organisationen die Mitglied des BPC
sind, sowie als stärkstes Sanktionsmittel der Ausschluss aus dem BPC und die damit
verbundene Löschung aus dem Berufsregister vorgesehen.645 Ist im Interesse des
Schutzes der Allgemeinheit eine Maßnahme unmittelbar erforderlich, kann das Investigation Committee sowie der Professional Conduct Panel auch einstweilig Aufsichtsmaßnahmen erlassen. Ein eigenes Komitee, zuständig für einstweilige Anordnungen, wird hierzu – anders als hinsichtlich der Ärzteschaft – nicht gebildet.646
d. Beschwerdemöglichkeit
Der von einer Maßnahme betroffene Psychotherapeut kann innerhalb von 35 Tagen
nach Entsenden des die Entscheidung des Panels bestätigenden Schreibens gegen
diese Beschwerde beim FtP Administrator erheben. (Im Hinblick auf die Ärzteschaft
gilt eine Beschwerdefrist von 28 Tagen nach Zustellung der Entscheidung.)647 Der
Appeal Panel entscheidet dann, nach einer weiteren (nicht-öffentlichen) Anhörung,
ob ein neues Verfahren vor einem anderen Professional Conduct Committee (unter
Berücksichtigung der Ansichten des Appeal Panel) stattfindet oder die Beschwerde
zurückgewiesen wird.648 Eine Maßnahmenabänderung durch den Appeal Panel
selbst ist nicht vorgesehen (So aber im Hinblick auf die Ärzteschaft durch den Appeal Panel des GMC gemäß Sec. 40 Abs. 7 Medical Act 1983).
Stand: 27.4.2007. Vgl. zur Ärzteschaft Schedule 4(3)(e) Medical Act 1983 (Betroffene können hier eine öffentliche Anhörung verlangen).
644 Vgl. Sec. 4.36 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar
auf der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf,
Stand: 27.4.2007.
645 Vgl. Sec. 5.6 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar
auf der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf,
Stand: 27.4.2007.
646 Vgl. Sec. 3.1, 4.2 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007,
abrufbar auf der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_
Procedure.pdf, Stand: 27.4.2007.
647 Vgl. 6.2 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar auf
der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf,
Stand: 27.4.2007. Vgl. zur Ärzteschaft Sec. 40(4) Medical Act 1983.
648 Vgl. 6.9 British Psychoanalytic Council Complaints Procedures of April 2007, abrufbar auf
der Homepage des BPC unter http://www.bcp.org.uk/policies/Complaints_Procedure.pdf,
Stand: 27.4.2007.
158
e. Schematische Übersicht
f. Ausblick
Zum Zwecke einer gesetzlichen Regulierung beauftragte das „Department of
Health“ (Gesundheitsministerium) die beiden größten Berufsorganisationen im
Bereich Psychotherapie und psychologische Beratung [die British Association for
Counselling and Psychotherapy (BACP)649 und der UK Council for Psychotherapy
(UKCP)650] im Jahre 2005 damit, eine Grundlage für einen diesbezüglichen Gesetzentwurf zu schaffen.651 Am 21. Februar 2007 verkündete die britische Regierung,
dass eine staatliche Regulierung des Psychotherapeutenberufs erfolgen werde.652 Der
649 Vgl. die Homepage des BACP unter http://www.bacp.co.uk/, Stand: 16.3.2007.
650 Vgl. die Homepage des UKCP unter http://www.psychotherapy.org.uk/, Stand: 16.3.2007.
651 Vgl. Sally Aldridge and James Pollard, „Interim report to Department of Health on initial
mapping project for psychotherapy and counselling“, BACP/UKCP Project Co-ordinators,
abrufbar unter http://www.bacp.co.uk/regulation/DoH_report.html, Stand: 16.3.2007.
652 Vgl. UK Government Department of Health's White Paper, „Trust, Assurance and Safety - the
Regulation of Health Pofessionals in the 21st Century". vom 21.2.2007, abrufbar unter
http://www.dh.gov.uk/en/Publicationsandstatistics/Publications/PublicationsPolicyAndGuida
nce/DH_065946, Stand: 16.3.2007.
British Psychoanalytic Council
FtP Administrator erhält Hinweise für berufliches
Fehlverhalten / mangelnden Gesundheitszustand
Prüfung der Informationen
durch Investigation Committee
Professional Conduct Panel
Ggf. Überweisung an:
Ggf. Erlass von Maßnahmen (Suspendierung, Auflagen, Entfernen aus dem Register), Erteilung von
Warnungen, Aushandeln von Vereinbarungen oder
erzieherisch. Maßnahmen. einstw. Anordnungen
Möglichkeit des
Betroffenen innerhalb von 35 Tagen
Beschwerde zu
erheben. Die
Beschwerdeentscheidung
erfolgt in diesem
Fall durch den
Appeal Panel.
159
genaue Zeitpunkt ist indes noch nicht bekannt. Schon jetzt sind Aufsichtsverfahren
und Aufsichtsinstrumente an die Regelungen hinsichtlich der Ärzteschaft weitgehend angeglichen. Im Falle der gesetzlichen Reglementierung ist deshalb mit einer
Angleichung an das Aufsichtssystem des GMC zu rechnen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Sanktionsmittel, also auch des Aufsichtsverfahrens.
III. Ergebnis zu den Aufsichtssystemen in Großbritannien und Deutschland
1. GMC v. Ärztekammern und Berufsgerichte
Das Aufsichtssystem über die Ärzteschaft in Deutschland unterscheidet sich von
demjenigen in Großbritannien in erster Linie durch seinen fehlenden Zentralismus.
Während in Deutschland die 17 Ärztekammern der Länder entscheiden, ob ein berufsgerichtliches Verfahren beim jeweiligen Landesheilberufsgericht eingeleitet
wird, findet dieser Prozess in Großbritannien unter „einem Dach“, also innerhalb des
GMC, statt. Dieser ist zentrales Aufsichtsorgan für die Ärzteschaft in England,
Wales, Schottland und Nordirland. In Großbritannien existiert weiterhin ein einheitliches Verfahren, während in Deutschland unterschiedlich ausgestaltete Aufsichtsund Berufsgerichtsverfahren vorhanden sind, mit teilweise unterschiedlichen
Rechtswegen. So sind in Bayern und Sachsen die Berufsgerichte der ordentlichen
Gerichtsbarkeit, den Zivilgerichten,653 angegliedert, während sie in den anderen
Ländern der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugeordnet werden.654 Teilweise bestehen
auch Berufsgerichte ohne spezifische Zuordnung.655 In Großbritannien bestimmen
Case Examiners oder Investigation Committee des GMC, ob nur eine Warnung
erteilt oder ein Verfahren vor dem Fitness to Practise Panel durchgeführt werden
soll. Dem Fitness to Practise Panel des GMC kommt dabei die gleiche Funktion wie
den deutschen Berufsgerichten zu.
Einstweilige Anordnungen können daneben von dem Interim Orders Panel des
GMC erteilt werden. Weitere Aufsichtsbehörden existieren nicht. In Deutschland
sind für die Berufsausübung der Ärzteschaft nicht nur die Heilberufegesetze der
Länder, sondern auch die auf Grundlage dieser erlassenen Berufsordnungen der
Kammern relevant. Gleichwohl gibt es Parallelen, was die Aufsichtsmechanismen
selbst anbelangt. So entscheidet in Deutschland bei Unstimmigkeiten zwischen den
Untersuchungsführern über die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens die
unabhängige Aufsichtsbehörde oder das Berufsgericht selbst. In Großbritannien
bestimmt bei Unstimmigkeiten zwischen den Case Examiners das Investigation
Committee, ob ein Verfahren vor dem Fitness to Practise Panel stattfindet.
653 Vgl. § 62 Abs. 2 SächsHKaG, § 68 Abs. 2 HKaG BY.
654 Vgl. § 18 KG BE, § 60 Abs. 1 HeilBerG BB, § 66 Abs. 1 HeilBerG HB, § 5 Abs. 2, 3 GBH
HH, § 51 Abs. 1, 2 HeilBerG HE, § 65 HeilBerG MV, § 61 HeilBerG NW, § 48 Abs. 1
HeilBerG RP, § 49 KGHB-LSA, § 59 Abs. 1, 2 HBKG SH, § 49 ThürHeilBG.
655 Vgl. § 17 HBKG BW; § 67 HKG NI; § 34 SHKG.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit widmet sich der Einflussnahme der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG auf die Berufsaufsicht über Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland und Großbritannien. Im Rahmen dessen erfolgt eine Auseinandersetzung mit den europäischen Harmonisierungskonzepten und dem Rechtskonzept der Berufsanerkennungsrichtlinie. Die Autorin erörtert die Auswirkungen einzelner Richtlinienvorschriften nach ihrer Umsetzung, insbesondere auf die deutschen Heilberufekammern. Sie analysiert dabei insbesondere die von der Richtlinie vorgegebene Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Berufsaufsicht sowie amtshaftungsrechtliche Aspekte, die sich im Rahmen der Aufsichtsarbeit der Berufskammern stellen.