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C. Nationale Berufsaufsicht und Berufsgerichtsbarkeit
Arzt- und Psychotherapeutenberuf zählen zu den Heilberufen und werden in vielen
Mitgliedstaaten in Berufskammern organisiert.162 Um den Einfluss der Richtlinienregelungen auf die nationale Berufsaufsicht bewerten zu können, ist eine genaue
Kenntnis der nationalen Aufsichtsmechanismen erforderlich. Nur so lassen sich
zudem Anknüpfungspunkte für eine Vereinheitlichung der Berufsaufsicht in Europa
erkennen. Im Folgenden wird ein Überblick über die Aufsichtsmechanismen in
Deutschland und Großbritannien für Ärzte und Psychotherapeuten gegeben und
teilweise bereits Bezüge zu den Richtlinienregelungen hergestellt.
I. Deutschland - Einführung
1. Die Ärzte- und Psychotherapeutenkammern der Länder
a. Organisation
Auch in Deutschland sind die Heilberufe in Berufskammern organisiert. Die Einhaltung der berufsrechtlichen Pflichten der Kammermitglieder zu beaufsichtigen, gehört dabei zu den zentralen Aufgaben aller Heilberufekammern. Im Einzelnen erfolgt die Aufgabenzuweisung durch die Heilberufegesetze der Länder.163 Länderkammern für Ärzte und Psychotherapeuten sind Körperschaften des öffentlichen
Rechts. Sie sind als solche Bestandteil der mittelbaren Selbstverwaltung und unterliegen ihrerseits der staatlichen Aufsicht. Davon ausgenommen sind die Bundeskammern der Ärzte und Psychotherapeuten. Dabei handelt es sich jeweils um eine
Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärzte bzw. Psychotherapeuten. Sie stellen einen
freiwilligen Zusammenschluss der jeweiligen Landeskammern in der Rechtsform
eines nicht eingetragenen Vereins dar.164
Den Bundeskammern der Ärzte und Psychotherapeuten werden zum einen koordinierende Aufgaben zugedacht. Dazu gehört u.a. die Aufgabe, Positionen der Ärzteschaft bzw. Psychotherapeutenschaft zu aktuellen gesundheits- und sozialpolitischen
Diskussionen der Gesellschaft zu artikulieren und sie der Öffentlichkeit zu vermit-
162 Vgl. Kluth/Rieger, in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, D, Rn. 14/15.
163 §§ 4,6 HBKG BW; Art. 2 HKaG BY; § 4 KG BE; § 2 HeilBerG BB; § 8 HeilBerG HB; § 14
ApG Hmbg; § 15 ÄG Hmbg; § 5 HeilBerG Hess; § 4 HeilBerG MV; § 9 HKG NI;
§ 6 HeilBerG NW; § 3 HeilBerG RP; § 4 SHKG; § 5 SächsHKaG; § 5 KGHB-LSA;
§ 3 HBKG SH; § 5 ThürHeilBG.
164 Vgl. Satzung der Bundesärztekamme, abrufbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de,
Stand: 2.5.2007.
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teln. Zum anderen haben sie eine zentrale Aufgabe hinsichtlich der Harmonisierung
der Berufsordnungen der einzelnen Länder.165 Ein gemeinsames und plurales
Selbstverständnis, wie es für die Ärzteschaft schon seit langem etabliert ist, kann der
noch jungen Berufsgruppe der Psychotherapeuten dabei noch nicht zugeschrieben
werden.166
Ärzte und Psychotherapeuten sind jeweils Pflichtmitglieder der für sie zuständigen Landeskammer.167 In manchen Ländern, wie beispielsweise in Hessen, wurde
diese Pflicht auch auf die sich in der praktischen Ausbildung nach den Ausbildungsund Prüfungsverordnungen für psychologische Psychotherapeuten und für Kinderund Jugendlichenpsychotherapeuten befindenden Personen erstreckt.168 Bundesweit
existieren 17 Ärztekammern169 mit ca. 390.000 Mitgliedern (Stand des Jahres 2005)
und, seit dem Jahr 2007, 12 Psychotherapeutenkammern.170 Den Psychotherapeutenkammern gehörten im Jahre 2005 dabei ca. 27.000 Mitglieder an.171
Der Aufbau der Kammern folgt in allen Ländern ähnlichen Strukturen. Organe
der Heilberufekammern sind die von den Kammermitgliedern in unmittelbarer,
freier, gleicher und geheimer Wahl gewählten jeweiligen Vertreterversammlungen172 sowie der aus ihrer Mitte gewählte Vorstand.173 Dem Vorstand wird die Führung der Geschäfte der Kammer nach Maßgabe der Hauptsatzung sowie die Einleitung von berufsgerichtlichen Verfahren zugewiesen.174 In Baden-Württemberg zählen auch der Haushaltsausschuss, das Bezirks- sowie das Landesberufsgericht zu den
Kammerorganen.175 In Brandenburg und Nordrhein-Westfalen bilden darüber hinaus
neben Kammerversammlung und Kammervorstand auch Präsident oder Präsidentin
165 Vgl. Homepage der Bundesärztekammer (Aufgaben/Satzung), abrufbar unter: http://www.
bundesaerztekammer.de, Stand: 2.5.2007; Homepage der Bundespsychotherapeutenkammer
(BPtK), abrufbar unter http://www.bptk.de, Stand: 2.5.2007.
166 Vgl. Askitis, in Kernberg/Akhtar, Psychotherapeuten über sich und ihren „unmöglichen“
Beruf, S. 338 (344), der der Einrichtung von Psychotherapeutenkammer nach wie vor die
Aufgabe und Chance zuschreibt, ein einheitliches Selbstverständnis der Psychotherapeuten zu
entwickeln.
167 Vgl. z. B. für Hessen § 2 Abs. 1 HeilBerG Hess und für Baden-Württemberg
§ 2 Abs. 1 HBKG BW.
168 Vgl. Art. 1 Nr. 1 lit. a) (zur Änderung des § 2 HeilberG Hessen) des Gesetzes zur Änderung
des Heilberufegesetzes vom 16.10.2006 (GVBl. Hessen, Teil 1 – 19.10.2006, S. 519-524).
169 In jedem Bundesland besteht eine Landesärztekammer, nur in Nordrhein-Westfalen existieren
zwei voneinander unabhängige Ärztekammern: Die Ärztekammer Nordrhein sowie die Ärztekammer Westfalen-Lippe.
170 Landeskammern der „alten“ Länder: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-
Holstein. Für die „neuen“ Länder wurde die Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer gebildet.
171 Kluth, in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, B, Rn. 8.
172 Auch Delegiertenversammlungen genannt.
173 Vgl. zur Organisation der Heilberufekammern auch Kluth, in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, B, Rn. 5-38 sowie Kiesecker, in Rieger, Lexikon des Arztrechts, 4. EL, S. 420,
Rn. 19-25.
174 Vgl. Kluth, in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, B, Rn. 14; Kiesecker, in Rieger, Lexikon
des Arztrechts, 4. EL, S. 420, Rn. 21.
175 Vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 3-5 HBKG BW.
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ein Kammerorgan.176 Während in den Ländern stets jeweils nur eine Landespsychotherapeutenkammer eingerichtet ist, gibt es bezüglich der Ärzte in einigen Ländern
neben den Landesärztekammern auch untergeordnete Bezirkskammern (in Bayern
und Westfalen-Lippe auch weitere Untergliederungen in Kreiskammern). Ausgenommen sind Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen. Dort existiert jeweils nur eine Landes-
ärztekammer.
In den neuen Bundesländern wurde eine länderübergreifende „Ostdeutsche-
Psychotherapeuten-Kammer“ („OPK“) ins Leben gerufen, der sich auch weitere
Länder anschließen können. Die Voraussetzungen für die Gründung der OPK wurden mit dem
„Staatsvertrag über die gemeinsame Berufsvertretung der Psychologischen Psychotherapeuten
und Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeuten vom 2. Juni 2005“177,
der am 1. April 2006 in Kraft trat, sowie der Berufung des Errichtungsausschusses am 8. April 2006 erfüllt. Die Wahl der 35 Mitglieder zur Kammerversammlung
konnte zum Jahresbeginn 2007 durchgeführt werden. Die konstituierende Sitzung
der ersten Kammerversammlung fand vom 30. März bis 1. April 2007 in Leipzig
statt.178. Dort ist auch die Geschäftsstelle der Kammer eingerichtet. Für die OPK
findet das sächsische Heilberufekammergesetz Anwendung.179 Aufsichtsführende
Behörde ist dementsprechend das Sächsische Sozialministerium.180 Bisher erfolgte
die Berufsaufsicht über die Psychotherapeuten in den neuen Bundesländern durch
die jeweiligen Landesministerien.
Von der Berufsaufsicht durch die Kammern ist die Arbeit der Approbationsbehörden zu unterscheiden. Approbationen für Ärzte und Psychotherapeuten werden in
allen Ländern durch die zuständigen Approbationsbehörden vergeben und auch
entzogen. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um das jeweilige Landesprüfungsamt für Heilberufe. In Bremen und Schleswig-Holstein ist die Approbationsbehörde auch identisch mit der für die Aufsicht über die Heilberufekammern zuständigen Behörde. Gemäß Art. 102 HKaG BY müssen Approbationsbehörde und
Aufsichtsbehörde über die Berufsgerichte identisch sein.
b. Rechtsgrundlagen der Berufsaufsicht
Die als Maßstab der Berufsaufsicht fungierenden Vorschriften finden sich in den
Heilberufegesetzen der Länder sowie in den jeweiligen Berufsordnungen. Um den
176 Vgl. § 8 Nr. 3 HeilBerG BB, § 10 HeilBerG NW.
177 Vgl. SächsGVBl. S. 268
178 Vgl. Internetauftritt der OPK http://www.ihre-opk.de , Stand vom 26.4.2007.
179 Vgl. Art. 4 Staatsvertrag über die gemeinsame Berufsvertretung der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, GVOBl. M-V 2005,
S. 632.
180 Vgl. Internetauftritt der OPK http://www.ihre-opk.de , Stand vom 26.4.2007.
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Anforderungen des Parlamentsvorbehalts zu entsprechen,181 enthalten die Heilberufegesetze der Länder für den Erlass von Berufsordnungen jeweils entsprechende
Ermächtigungsgrundlagen. Diese geben vor, in welchen Themenbereichen die
Kammern Regelungen treffen können.182 Geltung hat die von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte, und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
ausgerichtete, Stufentheorie.183 Die Befugnis eines Berufsverbands zu berufsregelnder Rechtssetzung hängt von der jeweiligen Intensität des Eingriffs ab. Demnach
wird der Gesetzgeber in seiner Regelungsbefugnis um so stärker beschränkt, desto
mehr er in die Freiheit der Berufswahl eingreift.184 Darüber hinaus gilt für die Aufsichtsarbeit grundsätzlich, dass Aufsichtsmaßnahmen mit geltendem Recht vereinbar
und stets auf Gemeinwohlüberlegungen zurückzuführen sowie verhältnismäßig sein
müssen.185
Berufsordnungen sind von den Kammerversammlungen der Landeskammern als
Satzungen zu erlassen und bedürfen der Genehmigung durch die jeweilige Aufsichtbehörde.186 Letzteres ist seit der letzten Novelle des Kammergesetzes im Mai 2006
in Niedersachsen nicht mehr normiert. Es wird dort durch Art. 87 Abs. 4 HKG
Niedersachsen nur noch vorgeschrieben, dass „Beschlüsse und andere Maßnahmen
der Kammern, die der Genehmigung bedürfen“, erst mit der Genehmigung wirksam
werden. Um welche Beschlüsse und Maßnahmen es sich dabei handelt ist nicht
festgelegt. Durch den Einschub der Genehmigungspflicht als Relativsatz lässt sich
die Vorschrift auch nicht als generelles Genehmigungsgebot lesen.
In der Inhaltsübersicht des Kammergesetzes Niedersachsen wird der einschlägige
§ 26 mit „Genehmigung und Bekanntmachung von Satzungen und Beschlüssen“
betitelt. § 26 HKG Niedersachsen selbst ist jedoch nur mit „Bekanntmachung von
Satzungen und Beschlüssen“ überschrieben. Tatsächlich ist dort auch nur die Bekanntmachung und nicht Genehmigung von Satzungen und Beschlüssen geregelt.187
181 Vgl. BVerfGE 33, Urt. vom 9.5.1972, Az. 1 BvR 518/62 und 308/64, S. 125.
182 Vgl. z. B. hinsichtlich des Inhalts der Berufsordnungen für Ärzte und Psychotherapeuten:
§ 31 HBKG BW; Art. 18 Abs. 3, 19, 65 HKaG BY; § 4a KG BE; § 33 HeilBerG BB; § 30
HeilBerG HB; § 28 HmbKGH; § 25 HeilBerG Hess; § 33 HeilBerG MV; § 33 HKG NI; § 32
HeilBerG NW; §§ 22, 23 HeilBerG RP; § 17 SHKG; § 17 Abs. 1 SächsHKaG; § 20 Abs. 1
KGHB-LSA; § 22 ThürHeilBG.
183 Vgl. BVerfGE 7, Urt. vom 11.6.1958, Az. 1 BvR 596/56, S. 377 (402) , 33, Urteil vom
9.5.1972, Az. 1 BvR 518/62 und 308/64, S.125 (160).
184 Vgl. grundlegend hierzu BVerfGE 7, Urt. vom 11.6.1958, Az. 1 BvR 596/56, S. 377 (402).
185 Vgl. BVerfGE 33, Urteil vom 9.5.1972, Az. 1 BvR 518/62 und 308/64, S. 125 (160); BVerf-
GE 88, Urt. vom 30.3.1993, Az. 1 BvR 1045, 1381/9 und 1 BvR 11/90, S. 145 (161); Ruffert,
in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, G, Rn. 15-16; sowie H, Rn. 1.
186 Vgl. § 9 Abs. 3 HBKG BW; Art. 20 HKaG BY (Ärzte), Art. 65 i.V.m. Art. 20 HKaG BY
(Psychotherapeuten); § 10 Abs. 2 Satz 1 KG BE; § 21 Abs. 2 Satz 1 HeilBerG BB; § 22 Abs.
2 Satz 1 HeilBerG HB; § 17 Abs. 2 HeilBerG HE; §§ 23 Abs. 3 Satz 1, 33 Abs. 1 HeilBerG
MV; § 31 Abs. 2 HeilBerG NW; § 14 Abs. 7 HeilBerG RP; § 14 Abs. 1 Satz 4 SHKG; § 38
Abs. 1 Nr. 4 SächsHKAG; § 15 Abs. 2 Satz 1 KGHB-LSA; § 15 Abs. 2 ThürHeilBG.
187 Vgl. HKG NI. Die falsche Überschrift des § 26 HKG NI in der Inhaltsübersicht ist wohl als
Redaktionsversehen und ggf. als Indiz eines übereiltes Gesetzesverfahren zu werten.
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In der Praxis weichen die Berufsordnungen der Heilberufekammern nicht grundlegend voneinander ab, da die von den Bundeskammern entwickelten Musterberufsordnungen weitgehend übernommen wurden.188 Musterberufsordnungen für Ärzte
werden von der Hauptversammlung der Bundesärztekammer, dem Deutschen Ärztetag, in den die 17 Landesärztekammern189 insgesamt 250 Delegierte entsenden,
erlassen. Auch der 7. Deutsche Psychotherapeutentag verabschiedete am 26. Januar
2006 erstmals eine Musterberufsordnung für psychologische Psychotherapeuten und
Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Ebenso wie die Musterberufsordnung für
Ärzte wurde diese von den Heilberufekammern der Länder weitgehend übernommen.
(1) Einige Unterschiede in den Berufsausübungsregelungen
Da es sich bei den Berufsordnungen um Satzungsrecht der Kammern handelt, bestehen zwischen den Ländern einzelne Unterschiede.190 Abweichungen von der Musterberufsordnung für Ärzte sind insbesondere im Hinblick auf die erst 2004 eingeführten191 Vorschriften zur beruflichen Kooperation, Beschäftigung angestellter
Praxisärzte, zum Praxisverbund und zur kollegialen Zusammenarbeiten zu verzeichnen. Unterschiede bestehen darüber hinaus beispielsweise im Bereich des Notfalldiensts und der abzuschließenden Berufshaftpflichtversicherungen. Während nach
§ 26 Musterberufsordnung für Ärzte eine Befreiung von der Verpflichtung zum
Notfalldienst für Ärzte über 65 vorgesehen ist, fehlt in Baden-Württemberg eine
solche Regelung.192 Eine Abweichung von der Musterberufsordnung für Psychotherapeuten besteht beispielsweise in Baden-Württemberg. Dort müssen Psychotherapeuten eine Berufshaftpflichtversicherung mit einem Mindestschutz von einer Millionen Euro aufweisen.193
In allen übrigen Bundesländern wird hingegen ein „hinreichender“ Deckungsschutz verlangt.194 Darüber hinaus werden teilweise auch besondere Berufspflichten
188 Vgl. Andreas/Debong/Bruns, Handbuch Arztrecht in der Praxis, Rn. 59.
189 Je Bundesland eine Landesärztekammer, mit Ausnahme von NRW; dort gibt es zwei Kammern: Ärztekammer Nordrhein und Ärztekammer Westfalen-Lippe.
190 Vgl Ratzel/Lippert, Kommentar zur MBO der deutschen Ärzte, die die Abweichungen in den
Ländern von den Regelungen der Musterberufsordnung jeweils aufführen.
191 Diese Vorschriften der Musterberufsordnung wurden durch den 107. Ärztetag 2004 beschlossenen und noch nicht bzw. nicht vollständig von allen Ländern übernommen.
192 Vgl. § 26 Berufsordnung für Ärzte in Baden-Württemberg vom 9.2.2005, zuletzt geändert am
17.1.2007.
193 Vgl. § 21 der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg vom
31.1.2005.
194 Vgl. § 2 Abs. 8 BO Psychotherapeutenkammer Bayern (Fassung vom 28.10.2004); § 6 Abs. 8
BO Psychotherapeutenkammer Berlin (Fassung vom 26.6.2003); § 4 Abs. 2 S. 1 BO Psychotherapeutenkammer Bremen (Fassung vom 28.11.2006); § 19 Abs. 10 BO Psychotherapeutenkammer Hamburg ((Fassung vom 26.4.2006); § 5 Abs. 6 BO Psychotherapeutenkammer
Hessen (Fassung vom 22.10.2003); § 5 Abs. 7 BO Psychotherapeutenkammer Niedersachsen
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nicht nur in den Berufsordnungen, sondern bereits im Landesgesetz festgeschrieben.
Zu diesen besonderen Pflichten gehören: Die Pflicht zur Fortbildung und Information über die für die Berufsausübung geltenden Bestimmungen; die Pflicht als Berufsangehörige in eigener Praxis über Maßnahmen Aufzeichnungen zu fertigen sowie
die Pflicht zur Teilnahme an Notfalldiensten.195
Auch zwischen den Berufsgruppen gelten für gleiche Regelungsbereiche ungleiche Bestimmungen. Hinsichtlich des Umgangs mit Patienten wird beispielsweise für
Psychotherapeuten in § 6 Abs. 5 Musterberufsordnung das Verbot der sexuellen
Kontaktaufnahme mit Patienten aufgestellt. In der Musterberufsordnung für Ärzte
findet sich ein solches Verbot nicht. Nur in Hessen wurde ein entsprechendes Verbot
in Anhang C Nr. 1 der Berufsordnung für Ärzte aufgenommen.
(2) Berufsausübungsregelungen außerhalb der Berufsordnungen und Heilberufegesetze
Regelungen für die Berufsausübung der behandelten Berufe finden sich nicht nur in
den Heilberufegesetzen der Länder und den Berufsordnungen der Landeskammern,
sondern auch in verschiedenen Bundesgesetzen. Die Folge ist ein nicht leicht zu
überblickendes Regelungssystem: So wird die Berufsausübung auch durch strafrechtliche Regelungen, z. B. der Verschwiegenheitspflicht des § 203 Abs. 1 Nr. 1
StGB, sowie insbesondere bei Ärzten durch berufsrechtliche Vorgaben über das
Recht der Krankenversicherungen nach dem SGB V bestimmt.196
Von entscheidender Bedeutung sind auch die jeweiligen Approbationsordnungen.
Die Approbation eines Arztes ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 Bundesärzteordnung (BÄO) zwingend durch die zuständige Approbationsbehörde zu widerrufen, wenn sich der Arzt nachträglich, d.h. spätestens im Zeitpunkt
des Erlasses des Widerspruchsbescheids,197 als „unwürdig oder unzuverlässig“ erweist.198 Ebenso kann gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO das Ruhen der Approbation des
Arztes angeordnet werden,
(Fassung vom 03.09.2005); § 4 Abs. 7 BO Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen
(Fassung vom 12.11.2004); § 5 Abs. 10 BO Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz
(Fassung vom 18.10.2003); § 4 Musterberufsordnung Psychotherapeuten (Fassung vom
13.1.2006), die von der Landeskammer Saarland übernommen wurde. (Eine eigene Berufsordnung wurde nicht erlassen, weshalb nur auf die Musterberufsordnung verwiesen wird; vgl.
Internetauftritt der Psychotherapeutenkammer des Saarlands, abrufbar unter
http://www.ptk-saar.de , Stand 22.1.2007).
195 Vgl. § 30 HBKG BW, § 4a KG BE, § 23 HeilBerG HE, § 21 HeilBerG RP, § 16 Abs. 2
SächsHKaG, § 21 KHG TH.
196 Hierauf wird im Einzelnen im Rahmen dieser Dissertation nicht eingegangen werden.
197 Vgl. BVerwG, Urt. vom 26.9.2002, Az. 3 C 37/ 01, Rn. 18, abrufbar unter
http://lexetius.com/2002, 2374, Stand: 28.2.2007; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 20.9.2005,
Az. 6 A 10556/05, MedR 2006, S. 301 (301).
198 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO, Fassung vom 30.7.2004.
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„wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit
oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergeben kann, ein Strafverfahren
eingeleitet ist“.
Gleiches gilt für Psychotherapeuten hinsichtlich eines Widerrufs der Approbation
nach § 3 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Psychotherapeutengesetz (PsychThG)
sowie hinsichtlich des Ruhens der Approbation nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
PsychThG durch die zuständige Approbationsbehörde.
Daneben kann wettbewerbswidriges Verhalten nicht nur einen Verstoß gegen das
„Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb“, sondern auch gegen Berufsrecht199
bedeuten. Verstöße gegen Werberechte können darüber hinaus gleichzeitig als Verstöße gegen das „Heilmittelwerbegesetz“ gewertet werden.200 Des Weiteren kann
berufswidriges Verhalten, wie jedes privatrechtliche Handeln, auch zivilrechtliche
Schadensersatzverpflichtungen auslösen.
2. Grundsätze der Berufsaufsicht und Berufsgerichtsbarkeit
Aufsicht und Berufsgerichtsbarkeit folgen in allen Bundesländern gleichen Strukturen. Bei der Berufsaufsicht über Ärzte und Psychotherapeuten handelt es sich um die
Ahndung von Verstößen gegen Landesrecht. Mangels einer Bundeskompetenz bestehen Unterschiede. Gemeinsamkeiten und einzelne Unterschiede werden im Folgenden dargestellt.
Grundsätzlich werden gerichtlich einklagbare Ansprüche betroffener Patienten
auf eine Aufsichtstätigkeit der Heilberufekammern dabei nicht vorgesehen.201 Diese
können von den Kammern nur verlangen, Beschwerden und Beanstandungen auf
ihre Berechtigung hin zu prüfen und sachgerecht zu bescheiden.202
a. Sachliche Zuständigkeit
Das Aufsichtsverfahren vor den Ärzte- und Psychotherapeutenkammern sowie den
Berufsgerichten findet grundsätzlich bei „Verletzung der Berufspflichten“ Anwendung.203 Synonym verwendet werden in diesem Zusammenhang die Begriffe „beruf-
199 Vgl. § 23 MBO Psychotherapeuten; § 27 MBO Ärzte.
200 Vgl. Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO der Psychotherapeuten, § 30, Rn. 615.
201 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 20.10.1992, Az. 1 B 23/92, NJW 1993, S. 2066 (2066) hinsichtlich Rechtsanwaltskammer; Kiesecker: in Rieger, Lexikon des Arztrechts, 4. EL, S. 420,
Rn. 37 mit Hinweis auf VGH Man., Urt. vom 16.2.1982, Az. 9 S 242/80, NJW 1982, S. 2011
(2011) ebenfalls hinsichtlich Rechtsanwaltskammer; Stellpflug/Berns, Kommentar zur MBO
der Psychotherapeuten, § 30, Rn. 616.
202 Vgl. BGH, Urt. vom 24.4.1961, Az. III ZR 40/60, NJW 1961, S. 1347 (1348); Papier, in
MüKo, BGB-Kommentar, § 839, Rn. 258.
203 Vgl. Art. 66 Abs. 1 Satz 1 HKaG BY; § 62 Abs. 1 HeilBerG HB; § 49 Abs. 1 Satz 1
HeilBerG HE; § 60 Abs. 1 HKG NI; § 59 Abs 1 HeilBerG NW; § 43 Abs. 1 HeilBerG RP;
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit widmet sich der Einflussnahme der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG auf die Berufsaufsicht über Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland und Großbritannien. Im Rahmen dessen erfolgt eine Auseinandersetzung mit den europäischen Harmonisierungskonzepten und dem Rechtskonzept der Berufsanerkennungsrichtlinie. Die Autorin erörtert die Auswirkungen einzelner Richtlinienvorschriften nach ihrer Umsetzung, insbesondere auf die deutschen Heilberufekammern. Sie analysiert dabei insbesondere die von der Richtlinie vorgegebene Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Berufsaufsicht sowie amtshaftungsrechtliche Aspekte, die sich im Rahmen der Aufsichtsarbeit der Berufskammern stellen.