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tion.1327 In sachlicher Hinsicht ergibt sich durch Art. L211-1 al. 1 Code consom. eine
Beschränkung der Umsetzungsmaßnahme auf Verträge, welche die Überlassung
beweglicher Sachen („biens meubles corporels“) zum Gegenstand haben.1328 Eine
überobligatorische Umsetzung der Richtlinie erfolgte daher insoweit weder in persönlicher noch in sachlicher Hinsicht.1329
III. Die Auswirkungen auf die bereits zuvor bestehenden Grenzen der Vertragstypen
Die Darstellung des bisher geltenden französischen Rechts hatte gezeigt, dass die
vom Sachleistungsvertragskonzept der Richtlinie erfassten Lebenssachverhalte bisher im Wesentlichen auf zwei Vertragstypen aufgeteilt worden waren.1330 Im Zuge
der durch die Umsetzung geschaffenen Neuregelungen kommt es gewissermaßen zu
einer zwischen dem Code Civil und dem Code de la consommation gespaltenen Vertragstypik. Die Grenze zwischen den Vertragstypen wird nur für den Code de la
consommation verschoben, ein Umstand, den das französische Recht als „Assimilation“ beschreibt. Art. L211-1 al. 1 Code consom. ordnet dem Anwendungsbereich
des neuen Haftungsregimes zunächst die „contrats de vente“ über bewegliche Sachen zu. In seinem zweiten Satz stellt Art. L211-1 al. 1 Code consom. darüberhinaus
Verträge den „contrats de vente“ gleich, die bisher zu einem großen Teil als „contrat
d’entreprise“ verstanden wurden1331: „Sont assimilés aux contrats de vente les contrats de fourniture de biens meubles à fabriquer ou à produire“. Aus
Art. L211-8 al. 1 (3) Code consom. ergibt sich weiter die Assimilation der Herstellungsverträge, bei denen der Sachgläubiger das zu der Herstellung erforderliche Material stellt. Schließlich werden über Art. L211-4 Code consom. auch Montageleistungen erfasst.1332 Für den Code civil hingegen bleibt es bei der bisherigen Vertragstypenordnung.1333
1327 Witz/Wolter, ZEuP 1995, 35 f.; Szönyi, GRUR int. 1996, 83 (84).
1328 Calais-Auloy, RTDciv 2005, 701 (704); Paisant, JCP 2005, 1167 (1171); Malaurie/Aynès/Gautier (2007), Rn. 330; Labarthe/Noblot, JCP 2005, 1680 (1681), votieren für eine restriktive Auslegung des Begriffs der „biens meubles corporels“ dahingehend, dass nur massengefertigte Sachleistungen erfasst sein sollen. Diese Interpretation dürfte jedoch im klaren
Widerspruch zu der Richtlinie stehen, s. Kap. 1 B. III. 1.
1329 Dutilleul/Delebecque (2007), Rn. 321.
1330 S. Kap. 4 A. I.-IV.; Labarthe/Noblot, JCP 2005, 1680.
1331 Mainguy, JCP-EA 2005, 698 (700); Paisant, JCP 2005, 1167 (1170); Calais-Auloy,
RTDciv 2005, 701 (704); s. Kap. 4 A. IV.
1332 Tournafond weist kritisch darauf hin, dass alleinstehende Montage- bzw. Werkleistungen des
Sachschuldners vom Anwendungsbereich des neuen Haftungsregimes ausgespart sein könnten, RD 2005, 1557 (1560).
1333 Mainguy, JCP-EA 2005, 698 (700).
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IV. Das Verhältnis des neuen und des alten Haftungsregimes
Art. L211-13 Code consom. trifft eine bedeutende Regelung über das Verhältnis
zwischen dem neuen Haftungsregime und dem bereits bisher und auch weiterhin
gültigen Recht. Danach steht es dem Sachgläubiger frei, auch in Zukunft solche
Rechte geltend zu machen, die sich aus der bereits vor Umsetzung der Richtlinie geltenden Haftung für „vice caché“ der Artt. 1641 ff. Code Civ. sowie weiteren vertraglichen und außervertraglichen Haftungsgrundlagen ergeben.1334 Leider wird das
nähere Verhältnis der im Falle einer Beschaffenheitsabweichung potenziell einschlägigen Haftungsregime zueinander darüberhinaus nicht festgelegt. So kommt es
zu einem Nebeneinander zweier1335 Haftungsregime, die sich in ihren Haftungsvoraussetzungen und –folgen nur teilweise gleichen. Vergegenwärtigt man sich, dass in
Frankreich seit nunmehr über dreißig Jahren die Abschaffung des bestehenden
zweigliedrigen Haftungsregimes zugunsten einer monistischen Struktur diskutiert
wird, ist diese Entwicklung verblüffend. Der Blick auf die jüngere französische Zivilrechtsgeschichte lässt das Entstehen großer Abgrenzungschwierigkeiten und eine
weitere Verkomplizierung der Situation befürchten.1336 Malaurie/Aynès/Gautier bemerken dazu: „Et ce n’est pas la directive du 25 mai 1999.... qui va simplifier les
choses“.1337 Diese Vermutung wird von großen Teilen der französischen Literatur
geteilt.1338
V. Zwischenergebnis und Auswirkungen auf die weitere Darstellung
Die Umsetzungsmaßnahme beschränkt sich auf die Konstellation des Verbrauchervertrags. Die bisherige verbrauchervertragliche Haftung des Sachschuldners eines
Herstellungs- bzw. Veräußerungsvertrags für Beschaffenheitsabweichungen beansprucht in unveränderter Form Geltung. Zusätzlich ist ein weiteres Haftungsregime
geschaffen worden, das alle Verträge, die dem Sachleistungsvertragskonzept der
1334 Bénabent (2006), Rn. 234-2, 234-10; Tournafond, RD 2005, 1557 (1561); Rondey, RD 2005,
562 (563); Mainguy, JCP-EA, 698 (701 f.); Hocquet-Berg, Responsabilité 2005 N°4, 4; Antonmattei/Raynard, Rn. 168 ff.; Dalloz C. cons. (2007), Art. L211-3, Section II.
1335 Dies gilt jedenfalls, soweit es bei einer Exklusivität der Haftung wegen Nichterfüllung und
„vice caché“ bleibt. Wird die Exklusivität der Anwendungsbereiche der Nichterfüllungs- und
Gewährleistungshaftung (wieder) aufgehoben, kann es im Bereich des „contrat de vente“ sogar zu einer gleichzeitigen Anwendbarkeit von drei vertraglichen Haftungsregimen kommen,
s. Kap. 4 B. I.
1336 Rondey, RD 2005, 562 (563); Mainguy, JCP-EA 2005, 698 (699); Paisant, JCP 2005,
1167 (1175); Lièvremont, JCP 2005, 2430 (2433 f.); Hocquet-Berg, Responsabilité 2005
N°4, 4; Tournafond, RD 2005, 1557 (1562).
1337 So Malaurie/Aynès/Gautier (2001); Rn. 285; ähnlich Bénabent (2006), Rn. 234-2.
1338 Dutilleul/Delebecque (2007), Rn. 321; Duchêne, JCP N? 43 2007, 17 ff.; vgl. ferner Dalloz
CC (2008), Art. 1641, Rn. 19. Eine Auflistung einiger Unterschiede der Haftungsregime bietet Paisant, JCP 2005, 1167 (1174 f.); Duchêne, JCP N? 43 2007, 17 ff.; vgl. ferner Dalloz
CC (2008), Art. 1641, Rn. 19.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Herstellungs- und Veräußerungsverträge spielen im Wirtschaftsalltag eine überragende Rolle. Mithilfe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der europäische Gesetzgeber starken Einfluss auf den Kernbereich der mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen ausgeübt und bisher überwiegend eigenständige Vertragstypen einheitlichen Regelungen unterworfen.
Der Autor setzt sich rechtsvergleichend mit der Frage auseinander, inwiefern die vorgesehene Gleichbehandlung der Verträge rechtlich und wirtschaftlich möglich ist und ob die Umsetzung der Richtlinie einen Gleichlauf des Vertragsrechts tatsächlich bewirkt hat. Dazu untersucht er die Gewährleistung bei Herstellungs- und Veräußerungsverträgen in den Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Frankreichs vor und nach der Umsetzung der Richtlinie. Abweichungen und Unterschiede hinterfragt er in ihrem wirtschaftlichen Kontext, wobei er sich auch mit Aspekten der ökonomischen Analyse des Zivilrechts auseinandersetzt.