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Leistung verpflichtet.1297 In dieser Hinsicht sind Zweifel an der Richtlinienkonformität der Umsetzungsmaßnahme anzumelden. 1298
3. Der maßgebliche Zeitpunkt
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachleistung wird durch „regulation“ Nummer 9 festgelegt. Die neu eingefügte s. 11M (1)(b) SGSA bestimmt, dass
der maßgebliche Zeitpunkt die „delivery“ ist. Eine Definition der „delivery“ findet
sich nicht. Es ist davon auszugehen, dass sich der schon bisher bestehende weitreichende Gleichlauf mit den veräußerungsvertraglichen Regeln fortsetzt.1299 Demzufolge wäre der Gefahrübergang zumeist der wesentliche Zeitpunkt.
4. Ergebnis zu den Haftungsvoraussetzungen
Die Aufteilung der Herstellungspflicht in „selecting“ und „processing“ ist für das
Recht der Herstellungsverträge beibehalten worden. Aus der systematischen Allokation der Umsetzungsmaßnahme in Part I des SGSA ergibt sich eine Begrenzung ihres Anwendungsbereichs, die vor dem Hintergrund der Mindeststandardklausel des
Art. 8 II der Richtlinie problematisch wirkt.
Welche Beschaffenheit die Sachleistung aufweisen muss, bestimmt sich nach den
Grundsätzen, die bereits vor Umsetzung der Richtlinie galten. Von primärer Bedeutung sind die kommunikativen Elemente, subsidiär ist auf objektive Kriterien abzustellen. Grundsätzlich ist ein Konsens erforderlich, damit eine entsprechende Einstandspflicht des Sachschuldners begründet wird. In einigen Bereichen ist dieses Erfordernis aber abgeschwächt. Die bisherigen Regelungen zur tatbestandlichen Geringfügigkeitsschwelle beanspruchen auch im Rahmen des neuen Haftungssystems
Geltung. Danach haftet der Sachschuldner für geringfügige Beschaffenheitsabweichungen nicht zwangsläufig. Vor dem Hintergrund der von der Richtlinie postulierten Sachschuldnerpflicht zu einer „perfekten“ Leistung ist die Richtlinienkonformität der Umsetzung in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Der maßgebliche Zeitpunkt für
die Bewertung der Sachleistung ist die „delivery“.
III. Haftungsfolgen – Die Rechtsbehelfe des Sachgläubigers
Der Umsetzung der durch die Richtlinie vorgesehenen Haftungsfolgen dienen die
Rechtsbehelfe der ss. 11M-11S, die in Part 1B des SGSA neu eingefügt wurden.
1297 S. Kap. 1 C. I. 2. e).
1298 S. o. unter B. II. 1. e).
1299 S. o. unter B. II. 2.
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Sowohl wörtlich als auch inhaltlich besteht eine sehr weitgehende Identität zwischen
den neu in den SGSA eingefügten Haftungsfolgen und den entsprechenden Regeln
des SGA. Unterschiede der Haftungsfolgen der beiden neuen Haftungsregime bestehen überwiegend nur äußerlich: Die Begriffe „buyer“/„seller“ sind gegen „transferee“/„transferor“ ausgetauscht worden. Statt „purchase price“ wurde der Begriff
„amount to be paid“1300 verwendet. Außerdem ist die Nummerierung der „sections“
entsprechend verändert worden. Innerhalb der weiteren Untersuchung der neuen
Haftungsfolgen kann daher meist auf die Erörterungen zum SGA verwiesen werden.
1. Das Recht zur Auswahl des Rechtsbehelfs
Das Recht, im Falle einer „non-conformity“ einen der Rechtsbehelfe auszuwählen,
gesteht s. 11M (2) grundsätzlich dem Sachgläubiger zu. Im Bereich des Herstellungsvertragsrechts sind die neuen Rechtsbehelfe gemäß s. 11R SGSA ebenfalls unter eine umfassende „discretion of the court“ gestellt worden. Daraus ergibt sich im
Gleichlauf zu der Umsetzung der Richtlinie in den SGA die Möglichkeit für die Gerichte, von der Wahl des Sachgläubigers trotz Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen abzuweichen, wenn sie einen anderen Rechtsbehelf für angemessen halten,
s. 11R (3), (4) SGSA. Das widerspricht dem Mindeststandardprinzip des Art. 8 II
der Richtlinie und zieht die Richtlinienkonformität der Umsetzung in Zweifel.1301
2. Die Rechtsbehelfe der Neuherstellung oder Nachbesserung
Liegt eine „non-conformity with the contract“ vor, kann der Sachgläubiger gemäß
s. 11R (2) SGSA das Gericht um die Verurteilung des Sachschuldners zur „specific
performance“ ersuchen. Ferner steht ihm auch per Gesetz nach s. 11(N) (1)(a), (b)
SGSA das Recht zu, die Herstellung der geschuldeten Beschaffenheit durch Nachbesserung („repair“) oder Nachlieferung/Neuherstellung („replacement“) zu verlangen. Hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung decken sich die nacherfüllenden
Rechtsbehelfe des SGSA mit denen des SGA. In Bezug auf die Beschränkung der
Rechtsbehelfe bei Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit und die Abwendungsbefugnis des Sachschuldners gemäß s. 11N (2)-(5) SGSA kann daher auf die
Ausführungen zum SGA verwiesen werden.1302
1300 In der in den SGSA neu eingefügten s. 11P (1) (a) findet sich ebenfalls der Begriff „purchase
price“, was auf eine eher zufällige Begriffswahl schließen lässt.
1301 S. dazu die entsprechenden Ausführungen zum SGA, s. o. unter B. III. 1.
1302 S. o. unter B. III. 2.
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3. Der Rechtsbehelf der Minderung
Durch die Umsetzungsmaßnahme ist für das englische Herstellungsvertragsrecht ein
eigenständiger Rechtsbehelf der Minderung geschaffen worden. Im Falle einer „nonconformity“ der Sachleistung kann der Sachgläubiger gemäß s. 11P (1) (a) SGSA
seine Gegenleistung entsprechend herabsetzen. Die inhaltliche Ausgestaltung der
Minderung entspricht der des neu in den SGA eingefügten Rechtsbehelfs. Daher gelten in Bezug auf die Abwendungsbefugnis des Sachschuldners und deren Beschränkung in s. 11P (1)-(2) SGSA die Ausführungen zum SGA entsprechend.1303
4. Der Rechtsbehelf der Vertragsauflösung
Schließlich gesteht das neue Haftungsregime dem Sachgläubiger auch die Möglichkeit zu, im Falle einer „non-conformity“ der Sachleistung die Auflösung des Vertrags zu verlangen. Die Regelung des Rechtsbehelfs in s. 11P (1)-(3) SGSA ist inhaltsgleich mit der des SGA. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die bestehende
Abwendungsbefugnis des Sachschuldners und ihre Beschränkung. Eine besondere
Wesentlichkeit der verletzten Pflicht bzw. Beschaffenheitsabweichung ist nach
s. 11P (1)-(3) SGSA nicht Voraussetzung der Vertragsauflösung. Aufgrund der inhaltlichen Identität der Normen kann erneut auf die Ausführungen zum SGA verwiesen werden.1304
5. Verschuldenserfordernis der Rechtsbehelfe
Die neu eingefügten Rechtsbehelfe setzen ein Verschulden des Sachschuldners nicht
voraus. Es genügt das Vorliegen einer Beschaffenheitsabweichung, die eine „nonconformity“ darstellt. Das gilt jedenfalls, soweit die „non-conformity“ auf die Verletzung einer Pflicht zurückzuführen ist, die von Part I des SGSA dem Sachschuldner auferlegt wird. Insoweit besteht ein Gleichlauf des englischen Herstellungsvertragsrechts mit dem Sachleistungsvertragskonzept der Richtlinie.
Ist die in Frage stehende Beschaffenheit der Sachleistung auf die Werkleistung,
das „processing“, des Sachschuldners zurückzuführen, kommt eine Haftung des
Sachschuldners nach dem neuen Haftungsregime nicht in Betracht.1305 Auf die Frage
nach einem Verschuldenserfordernis der neuen Rechtsbehelfe kommt es dann nicht
mehr an. Eine Ausnahme besteht, soweit die fragliche Beschaffenheitsabweichung
auf die Ausführung einer Montageleistung im Sinne von s. 11S (1)(b) SGSA zu-
1303 S. o. unter B. III. 3.
1304 S. o. unter B. III. 4.
1305 Der Fehlerbegriff der „non-conformity“ erfasst aufgrund der systematischen Allokation der
Umsetzungsmaßnahme in Part des SGSA diese Konstellation nicht, s. o. unter II. 1.
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rückzuführen ist. In diesem Fall kann eine Beschaffenheitsabweichung gemäß
s. 11S (1)(b) SGSA eine „non-conformity“ darstellen und damit die neue Haftung
des Sachschuldners für „conformity with the contract“ auslösen.1306 Hinsichtlich der
weiteren Voraussetzungen verweist s. 11S (1)(b) SGSA auf s. 13 SGSA. S. 13
SGSA geht im Grundsatz von einer „fault liability“ aus. Daher besteht eine Einstandspflicht des Sachschuldners für die in Frage stehenden Montageleistungen
grundsätzlich nur, wenn er schuldhaft gehandelt hat. Die Richtlinie hingegen sieht
eine verschuldensunabhängige Haftung des Sachschuldners für jede Beschaffenheitsabweichung der Sachleistung vor. Insofern ist die Richtlinienkonformität der
Umsetzungsmaßnahme in Bezug auf die Montagefälle in Frage zu stellen.1307
6. Ergebnis zu den Haftungsfolgen
Das neue Haftungsregime spricht das Recht über die Auswahl der Rechtsbehelfe
dem Sachgläubiger zu. Die Bindung der Gerichte an die Entscheidung des Sachgläubigers besteht allerdings nicht, da die Gewährung aller neuen Rechtsbehelfe der
„discretion of the court“ unterworfen wurde. Das neue Haftungsregime gesteht es
dem Sachgläubiger zu, wegen einer Abweichung der Sachleistung von der geschuldeten Beschaffenheit die Nachbesserung oder Neuherstellung zu fordern. Anderes
gilt nur, wenn die Nachbesserung bzw. Neuherstellung unmöglich sind oder den
Sachschuldner im Vergleich zu der Durchführung der anderen neuen Rechtsbehelfe
unverhältnismäßig belasten. Ferner kann der Sachgläubiger die Herabsetzung seiner
Gegenleistung verlangen. Schließlich kann sich der Sachgläubiger bei Beschaffenheitsabweichungen vom Vertrag lösen. Das gilt auch dann, wenn die Beschaffenheitsabweichung lediglich geringfügiger Natur ist. Ein Verschulden auf Seiten des
Sachschuldners setzt keiner der Rechtsbehelfe voraus. Anders verhält es sich jedoch,
wenn die in Frage stehende Beschaffenheitsabweichung auf die Montage der Sachleistung im Sinne der s. 11S (1) (b) SGSA zurückzuführen ist. In diesem Fall besteht
die Einstandspflicht des Sachschuldners nach den ss. 11M-S SGSA jedenfalls dem
Gesetz nach lediglich, sofern er schuldhaft gehandelt hat.
Im Hinblick auf ein hierarchisches Verhältnis der Rechtsbehelfe kann Folgendes
festgehalten werden: Die nacherfüllenden Rechtsbehelfe sind als Primärrechtsbehelfe ausgestaltet. Grundsätzlich steht dem Sachschuldner eine Abwendungsbefugnis
zu. Anderes gilt, wenn die Nacherfüllung unmöglich oder unverhältnismäßig ist oder
1306 S. o. unter II. 1.
1307 So auch Miller, in: Benjamin’s Suppl., Rn. 1-010; Twigg-Flesner, GPR 2003, 12 (15); ders.,
N.L.J. 2002, 81 (83 f.); Willet/Morgan-Taylor/Naidoo, J.Bus.L. 2004, 94 (104 f.); Mansel,
AcP 204 (2004), 396 (446); Streer, S. 287; Zsernaviczky, S. 148, hingegen erachtet die Umsetzung entgegen der englischen Literatur als richtlinienkonform, da sich aus der Mangelhaftigkeit der Sache das Verschulden schon per se ergebe. Ergänzend ist daran zu erinnern, dass
das alte Recht im Ergebnis von einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht des Sachschuldners auch für eine Abweichung ausging, die auf einer der hier untersuchten Werkleistungen beruhte, s. Kap. 3 C. III. 5.
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sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist ohne signifikante Unannehmlichkeiten
für den Sachgläubiger erfolgte. In diesem Fall kann der Sachgläubiger die Minderung verlangen oder sich vom Vertrag lösen. Die Rechtsbehelfe der Minderung und
der Vertragsauflösung stehen auf derselben Stufe.
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References
Zusammenfassung
Herstellungs- und Veräußerungsverträge spielen im Wirtschaftsalltag eine überragende Rolle. Mithilfe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der europäische Gesetzgeber starken Einfluss auf den Kernbereich der mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen ausgeübt und bisher überwiegend eigenständige Vertragstypen einheitlichen Regelungen unterworfen.
Der Autor setzt sich rechtsvergleichend mit der Frage auseinander, inwiefern die vorgesehene Gleichbehandlung der Verträge rechtlich und wirtschaftlich möglich ist und ob die Umsetzung der Richtlinie einen Gleichlauf des Vertragsrechts tatsächlich bewirkt hat. Dazu untersucht er die Gewährleistung bei Herstellungs- und Veräußerungsverträgen in den Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Frankreichs vor und nach der Umsetzung der Richtlinie. Abweichungen und Unterschiede hinterfragt er in ihrem wirtschaftlichen Kontext, wobei er sich auch mit Aspekten der ökonomischen Analyse des Zivilrechts auseinandersetzt.