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III. Haftungsfolgen - die Rechtsbehelfe des Sachgläubigers
Die Folgen der alten und weiterhin gültige Haftung für „breach of contract“ sind
durch die „regulations“ nicht verändert worden. Dem Sachgläubiger stehen die aus
der Darstellung des alten Rechts bereits bekannten Rechtsbehelfe in unveränderter
Form zur Verfügung.1247 Das neu geschaffene Haftungsregime für „conformity with
the contract“ hält ein eigenes System von Rechtsbehelfen bereit: „regulation“ Nr. 5
fügte hinter Part V SGA den Part 5A mit den ss. 48A-F ein.1248 Diese Rechtsbehelfe
werden in der Folge vorgestellt.
1. Das Recht zur Auswahl des Rechtsbehelfs
Das Recht zu der Auswahl des Rechtsbehelfs wird auch im neuen Haftungsregime
gemäß s. 48A (2) SGA grundsätzlich dem Sachgläubiger zuerkannt.1249 Insoweit ergibt sich zunächst ein Gleichlauf mit dem Sachleistungsvertragskonzept der Richtlinie. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber hinsichtlich der Bindung der Gerichte
an die Wahl des Sachgläubigers. Die neu eingefügte s. 48E SGA stellt die Gewährung aller Rechtsbehelfe des neuen Haftungsregimes unter die „discretion of the
court“. Gelangt das Gericht zu der Auffassung, dass die Gewährung eines anderen
neuen Rechtsbehelfs oder von Schadensersatz angebracht („appropriate“) ist, kann
gemäß s. 48E (3), (4) SGA die Wahl des Sachgläubigers missachtet werden.1250 Zu
beachten ist, dass dies dem Mindeststandardprinzip des Art. 8 II der Richtlinie zuwiderläuft. Nach Richtlinienrecht ist beispielsweise der Anspruch des Sachgläubigers auf Nachlieferung oder Ersatzlieferung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nicht „discretionary“.1251
1247 Insoweit kann auf die Ausführungen zur Rechtslage vor Umsetzung der Richtlinie verwiesen
werden, s. Kap. 3 B. III. und C. III.
1248 Diese Allokation verwundert in systematischer Hinsicht. Part V des SGA behandelt die
„Rights of Unpaid Sellers against the Goods“. Die „Actions for Breach of the Contract“ und
„Seller’s Remedies“ werden hingegen in Part VI abgehandelt. Ungewöhnlich erscheint ferner,
dass die Parts des SGA bisher durch römische Ziffern unterteilt wurden, der neue Part 5A dagegen eine arabische Ziffer trägt, s. Hogg, S.L.T. 2003, 277; Miller, in: Benjamin’s Suppl.,
Rn. 1-095.
1249 Pomfret, S.J. 2003, 951 (952); Guest/Reynolds/Harris, in: Chitty Bd. 2 (2004), Rn. 43-122;
Bridge, L.Q.R. (04)2003, 173 (174).
1250 Reynolds, in: Benjamin’s (2006), Rn. 12-084; Streer, S. 192; das Ermessen des Gerichts bezieht sich nur auf die Auswahl der neuen Rechtsbehelfe. Der Sachgläubiger kann sich daher
der „discretion of the court“ dadurch entziehen, dass er auf die „alten“ Rechtsbehelfe ausweicht, Miller, in: Benjamin’s Suppl., Rn. 1-160.
1251 Anderes könnte nur gelten, wenn die Regelung dem Sachgläubiger lediglich die Umstellung
von einem unbegründeten auf einen begründeten Rechtsbehelf ermöglichen soll, Mansel, in:
AcP 204 (2004), 396 (448); davon scheint in England aber nicht ausgegangen zu werden:
„where a consumer has sought a particular remedy or rescission, the courts are empowered to
order him to opt for a different choice“, so Lawson, Bus.L.Rev. 5/2003, 114 (115); ähnlich
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2. Die Rechtsbehelfe der Nachlieferung oder Nachbesserung
Die neue Haftung für „conformity with the contract“ gesteht dem Sachgläubiger sowohl die Nachbesserung als auch die Nachlieferung zu.1252 Dadurch unterscheidet
sich die neue Haftung erheblich von der Haftung des Sachschuldners für „breach of
contract“.1253 Die nacherfüllenden Rechtsbehelfe der Haftung für „conformity with
the contract“ können im Folgenden gemeinsam dargestellt werden, da ihre inhaltliche Ausgestaltung denselben Grundsätzen unterliegt.
Auf Verlangen des Sachgläubigers muss der Sachschuldner gemäß s 48B SGA
die geschuldete Beschaffenheit der Sachleistung durch Nachbesserung („repair“)
herstellen1254 oder eine Ersatzlieferung („replacement“) vornehmen. Die Nacherfüllung muss innerhalb einer angemessenen Zeit geschehen. Die Angemessenheit der
Zeitspanne wird gemäß s. 48B (5) SGA danach beurteilt, zu welchem Zweck die
Ware gekauft wurde und welcher Art sie ist. Ferner muss laut s. 48B (2)(a) SGA die
Nacherfüllung so durchgeführt werden, dass sie dem Sachgläubiger keine größeren
Unannehmlichkeiten bereitet. Die im Zuge der Nacherfüllung entstehenden Kosten
sind vom Sachschuldner zu tragen. Dazu gehören insbesondere Arbeits-, Materialund Versendungskosten, s. 48B (2)(b) SGA.1255
a) Die Einschränkung bei Unmöglichkeit und Unverhältnismäßigkeit
Das Recht des Sachgläubigers auf Nacherfüllung wird durch s. 48B (3), (4) SGA
eingeschränkt. Der Sachgläubiger kann nach s. 48B (3)(a) SGA die Nacherfüllung
nicht fordern, wenn diese unmöglich („impossible“) ist.1256 Dasselbe gilt, wenn die
Herstellung der Vertragsgemäßheit unverhältnismäßig („disproportionate“) ist. Bei
der Bewertung der Verhältnismäßigkeit sind nach s. 48B (3)(b), (c) SGA sowohl die
jeweils andere Art der Nacherfüllung als auch die Rechtsbehelfe des Rücktritts und
der Minderung zu berücksichtigen.1257 Somit stellt das englische Recht in die Verhältnismäßigkeitsprüfung alle anderen Rechtsbehelfe mit ein, die nach dem neuen
Willet/Morgan-Taylor/Naidoo, J.Bus.L. 2004, 94 (111); Guest/Reynolds/Harris, in: Chitty
Bd. 2 (2004), Rn. 43-124, 43-466; Miller, in: Benjamin’s Suppl., Rn. 1-179 ff.; Zsernaviczky,
S. 174 ff.
1252 Weiterhin kann das Gericht auf Verlangen des Sachgläubigers die Erfüllung der ursprünglichen Schuld anordnen und somit eine „specific performance“ gewähren, s. 48E (2).
1253 Howells/Weatherill, Rn. 3.6.7; Reynolds, in: Benjamin’s (2006), Rn. 12-084; Miller, in: Benjamin’s Suppl., Rn. 1-180; Mansel, AcP 204 (2004), 396 (447).
1254 S. dazu die durch „regulation“ Nr. 6 in s. 61 (1) SGA eingefügte Legaldefinition des Begriffs
„repair“.
1255 Vorpeil, ZVglRWiss 103, 432 (437).
1256 Twigg-Flesner/Bradgate betonen, dass es dem Regelungszweck der Richtlinie widersprechen
würde, bei Vorliegen eines Spezieskaufs zwingend von der Unmöglichkeit der Nachlieferung
auszugehen, s. dies., WebJ.C.L.I. 2000 unter 5.
1257 Die Verhältnismäßigkeitsprüfung beschränkt sich auf die Rechtsbehelfe des neuen Haftungregimes, Reynolds, in: Benjamin’s (2006), Rn. 12-106.
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Haftungsregime zur Verfügung stehen.1258 Eine Unverhältnismäßigkeit liegt nach
s. 48B (4) SGA vor, wenn die Durchführung eines Rechtsbehelfs im Vergleich zu
der alternativen Abhilfemöglichkeit dem Sachschuldner unangemessene („unreasonable“) Kosten verursacht. Innerhalb der Angemessenheitsprüfung ist gemäß s. 48B
(4)(a), (b) SGA auf den Wert der Sachleistung im vertragsgemäßen Zustand und auf
die Bedeutung der Vertragswidrigkeit abzustellen. Mit in die Wertung einzubeziehen ist nach s. 48B (4)(c) SGA ferner, ob die Durchführung eines anderen Rechtsbehelfs möglich ist, ohne dass dem Sachgläubiger bedeutende Unannehmlichkeiten
entstehen. Ob Unannehmlichkeiten bedeutend in diesem Sinne sind, richtet sich laut
s. 48B (5)(a), (b) SGA nach der Art der Ware und dem Anschaffungszweck.1259
b) Das Recht zur Auswahl der Art der Nacherfüllung
Aus dem Zusammenspiel von s. 48B (1), (2) SGA ergibt sich, dass das Recht zur
Auswahl der Art der Nacherfüllung dem Sachgläubiger zusteht.1260 An die Entscheidung des Sachgläubigers sind die Gerichte gemäß s. 48E SGA nicht gebunden, da
ihnen auch insoweit eine „discretion“ eingeräumt wurde.1261
3. Der Rechtsbehelf der Minderung
Das neue Haftungsregime sieht in s. 48C (1)(a) SGA die Minderung als eigenständigen Rechtsbehelf vor. Für das englische Recht ist das eine dogmatische Neuerung1262, da der Rechtsbehelf kann nicht mehr lediglich aus dem Schadensersatzrecht
abgeleitet werden kann. Auf diese Weise ist der Weg für eine Veränderung der Berechnung des Minderungsbetrags frei gemacht worden.1263 Weist die Sachleistung
eine „non-conformity“ auf, kann der Sachgläubiger gemäß s. 48C (1)(a) SGA von
seinem Vertragspartner die angemesse Herabsetzung des Preises verlangen. Das
Recht zur Minderung unterliegt aber einigen Beschränkungen.
1258 Hogg, S.L.T. 2003, 277 (278); Willet/Morgan-Taylor/Naidoo, J.Bus.L. 2004, 94 (110);
Twigg-Flesner, GPR 2003, 12 (17); Vorpeil, ZVglRWiss 103, 432 (437); Sobich, RIW 2003,
740 (742); Kritisch Mansel, AcP 204 (2004), 396 (447 f.); Zsernaviczky, S. 160; durch die
„regulation“ nicht berücksichtigt wird somit das Kriterium „inadequacy of damages“, so jedenfalls Miller, in: Benjamin’s Suppl., Rn. 1-162. Daraus folgt, dass es insoweit konzeptionell zu einer Stärkung des Rechts des Sachgläubigers auf Erfüllung der ursprünglichen
Schuld gekommen ist. In diesem Zusammenhang muss aber an die umfassend gewährte
„discretion of the court“ erinnert werden, s. o. unter 1.
1259 Vorpeil, ZVglRWiss 103, 432 (438).
1260 Sobich, RIW 2003, 740 (742); kritisch Bridge, L.Q.R. (04)2003, 173 (174).
1261 Streer, S. 192; s. o. unter 1.
1262 Howells/Weatherill, Rn. 3.6.8.
1263 S. Kap. 3 B. III. 4.
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a) Die Abwendungsbefugnis des Sachschuldners
Gemäß ss. 48C (2)(b), 48B (2)(a) SGA kann der Sachgläubiger seine Gegenleistung
nur mindern, wenn er von seinem Vertragspartner die Nachbesserung bzw. Nachlieferung verlangt hat und diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgte. Die
Angemessenheit des Zeitrahmens bemisst sich gemäß s. 48B (5) SGA nach der Art
der Sachleistung und der mit der Transaktion verfolgten Zweck. Das Erfordernis des
Fristablaufs bewirkt, dass den nacherfüllenden Rechtsbehelfen gegenüber der Minderung eine Vorrangstellung eingeräumt wird bzw. dass der Sachschuldner über eine
Abwendungsbefugnis verfügt. 1264
b) Die sachgläubigerschützenden Gegenausnahmen
Der Vorrang der auf die Nacherfüllung gerichteten Rechtsbehelfe entfällt, wenn dem
Sachgläubiger ein Anspruch auf Nachbesserung oder Nachlieferung nicht zusteht,
weil diese unmöglich bzw. unverhältnismäßig sind. Der Sachgläubiger kann gemäß
s. 48C (2)(a), (b) SGA die Minderung ebenfalls verlangen, wenn der Sachschuldner
die Vertragswidrigkeit nicht beseitigt hat, ohne ihm signifikante Unannehmlichkeiten zu bereiten.1265
4. Der Rechtsbehelf der Vertragsauflösung
Das neue Haftungsregime sieht gemäß s. 48C (1)(b) SGA als vierten Rechtsbehelf
wegen einer Beschaffenheitsabweichung der Sachleistung die „rescission“ vor. Danach kann der Sachgläubiger den Vertrag auflösen, wenn eine „non-conformity“
vorliegt. Für den Fall der Vertragsauflösung sieht s. 48C (3) SGA die Möglichkeit
vor, die aus der Nutzung der Sachleistung gezogenen Gebrauchsvorteile im Rahmen
der Rückgewähr der Gegenleistung zu berücksichtigen. Indirekt ergibt sich aus dieser Regel, dass die vorgesehene Vertragsauflösung auf die Herstellung des status
quo ante abzielt. Wie das Recht des Sachgläubigers zur Minderung unterliegt auch
das Recht zur Auflösung des Vertrags gemäß s. 48C (1)(b), (2) SGA bestimmten
sachschuldnerschützenden Einschränkungen, die im Folgenden beleuchtet werden.
1264 Willet/Morgan-Taylor/Naidoo, J.Bus.L. 2004, 94 (110).
1265 Howells/Weatherill, Rn. 3.6.7; Miller, in: Benjamin’s Suppl., Rn. 1-133. So verliert im englischen Recht der Rechtsbehelf der Minderung in einigen Fällen seine Funktion als Instrument
zur Berücksichtigung des Minderwerts der Sachleistung selbst.
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a) Die Abwendungsbefugnis des Sachgläubigers
Im Gleichlauf zum Rechtsbehelf der Minderung ist erforderlich, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der s. 48C (2) SGA vorliegen. Grundsätzlich muss daher eine
angemessene Frist verstrichen sein, ohne dass der Sachschuldner der Nacherfüllungsforderung seines Vertragspartners nachgekommen ist. Erst dann kann der
Sachgläubiger den Vertrag auflösen. So entsteht auch gegenüber dem Rechtsbehelf
der Vertragsauflösung eine Abwendungsbefugnis des Sachschuldners bzw. ein Vorrang der nacherfüllenden Rechtsbehelfe.
b) Die sachgläubigerschützenden Gegenausnahmen
Der Vorrang der auf die Nacherfüllung gerichteten Rechtsbehelfe entfällt gemäß
s. 48C (2)(a), (b) SGA, wenn der Sachgläubiger keinen Anspruch auf Nacherfüllung
hat, weil diese unmöglich oder unverhältnismäßig ist. In diesen Fällen kann der
Sachgläubiger sofort die Auflösung des Vertrags verlangen. Ebenso ermöglichen
s. 48C (2)(a), (b) SGA die Vertragsauflösung, wenn die Nacherfüllung mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden war bzw. nicht innerhalb einer angemessenen
Frist erfolgte
c) Das Erfordernis der Wesentlichkeit der Abweichung
Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie ist in England darüber diskutiert worden,
ob der Rechtsbehelf der Vertragsauflösung vor dem Hintergrund der oft erheblichen
ökonomischen Folgen der Vertragsauflösung1266 als absolut nachrangig ausgestaltet
werden sollte. Erwogen wurde in diesem Zusammenhang, die Vertragsauflösung
nicht zu gestatten, wenn die „non-conformity“ nur eine geringe Intensität aufweist
und insoweit die Regelung der Richtlinie zu übernehmen.1267
Letztlich hat sich dieser Gedanke aber nicht durchsetzen können.1268 Der Sachgläubiger kann daher gemäß s. 48F SGA den Vertrag auch auflösen, wenn die Sachbeschaffenheit nur unerheblich von dem abweicht, was der Sachschuldner zu leisten
verpflichtet ist.
1266 S. dazu Kap. 5 C. IV. 2. b), c).
1267 Bridge, L.Q.R. (04)2003, 173 (176); Mansel, AcP 204 (2004), 396 (447).
1268 Howells/Weatherill, Rn. 3.6.7 f.
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5. Verschuldenserfordernis der Rechtsbehelfe
Alle Rechtsbehelfe, die das neu geschaffenen Haftungsregime vorsieht, setzen tatbestandlich ein Verschulden des Sachschuldners nicht voraus.
6. Ergebnis zu den Haftungsfolgen
Das Recht zur Auswahl der Rechtsbehelfe der Haftung für „conformity with the
contract“ steht dem Sachgläubiger zu. Allerdings ist seine Einflussnahme auf die
weitere Vertragsabwicklung im Ergebnis erheblich beschränkt worden, da die Gewährung aller neuen Rechtsbehelfe unter der „discretion of the court“ steht. Im
Hinblick auf die Richtlinienkonformität der Umsetzung ist das äußerst problematisch.
Das neue Haftungsregime eröffnet dem Sachgläubiger die Möglichkeit, die Beseitigung einer Beschaffenheitsabweichung im Wege der Nachbesserung oder Nachlieferung zu verlangen. Diese Rechtsbehelfe stehen dem Sachgläubiger aber nicht zur
Verfügung, wenn die Durchführung unmöglich ist. Dasselbe gilt, wenn die Nacherfüllung den Sachschuldner im Vergleich zu allen anderen der neuen Rechtsbehelfe
unverhältnismäßig stark belastet. Der Sachgläubiger verfügt ferner über den Rechtsbehelf der Minderung, der bisher im englischen Recht als eigenständiger Rechtsbehelf unbekannt war. Schließlich kann sich der Sachgläubiger bei Vorliegen einer Beschaffenheitsabweichung vom Vertrag lösen. Das ist selbst dann möglich, wenn die
Abweichung lediglich geringfügiger Natur ist. Ein Verschulden auf Seiten des Sachschuldners setzt keiner der Rechtsbehelfe voraus.
Im Hinblick auf ein hierarchisches Verhältnis der Rechtsbehelfe lässt sich Folgendes feststellen: Die auf Herstellung der geschuldeten Beschaffenheit der Sachleistung gerichteten Rechtsbehelfe sind als Primärrechtsbehelfe ausgestaltet. Sie sind
durch eine Abwendungsbefugnis des Sachschuldners flankiert worden. Nur wenn
die Nacherfüllung unmöglich oder unverhältnismäßig ist oder sie nicht innerhalb
einer angemessenen Frist ohne signifikante Unannehmlichkeiten für den Sachgläubiger erfolgt, kann der Sachgläubiger sofort die Minderung verlangen oder sich vom
Vertrag lösen. Der Rechtsbehelf der Vertragsauflösung setzt tatbestandlich nicht
voraus, dass die Beschaffenheitsabweichung eine besondere Intensität aufweist. Insoweit ist das englische Recht verbraucherfreundlicher als die Richtlinie ausgestaltet
und die sekundären Rechtsbehelfe der Minderung und der Vertragsauflösung stehen
auf derselben Stufe.
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C. Die Haftung des Sachschuldners eines Herstellungsvertrags
Für den Bereich des Herstellungsvertragsrechts hat sich der englische Normgeber
ebenfalls entschieden, in den ss. 11M ff. SGSA ein weiteres Haftungsregime neben
die bisherigen Bestimmungen treten zu lassen.1269 Da das alte Regime der Haftung
für „breach of contract“ praktisch unverändert fortgilt, muss für die Darstellung der
Neuerungen des Herstellungsvertragsrechts lediglich das neu eingefügte Haftungsregime herangezogen werden.1270 Anzumerken ist, dass der bereits vor Umsetzung
der Richtlinie bestehende Gleichlauf von SGSA und SGA sich auch in der Umsetzungsmaßnahme fortsetzt. Große Teile der „regulations“ für SGA und SGSA decken
sich beinahe wortwörtlich, überwiegend sind nur die Nummerierungen der „sections“ entsprechend verändert worden.1271 Daher kann in weiten Bereichen der folgenden Darstellung auf die Erläuterungen verwiesen werden, die sich mit der Umsetzung der Richtlinie in das Veräußerungsvertragsrecht des SGA befassen. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die Struktur des neuen Haftungstatbestands bzw. die systematische Verortung der Fälle der Schlechtleistung gegeben. Im
Anschluss daran werden die Voraussetzungen und Folgen der neu eingefügten Einstandspflicht des Sachschuldners für „conformity with the contract“ dargestellt.
I. Die systematische Behandlung von Fällen der Schlechtleistung
Wie im Veräußerungsrecht richtete sich im Herstellungsvertragsrecht die Haftung
des Sachschuldners für Beschaffenheitsabweichungen auch weiterhin nach der monistisch strukturierten Haftung für „breach of contract“.1272 Der Haftungstatbestand
des neuen in den SGSA eingefügten Haftungsregimes macht sich, insoweit im
Gleichlauf zum SGA, durch die Verweisung in s. 11S (1)(a) SGSA auf die ss. 3-5
SGSA und die vereinbarten „express terms“ die bestehende Struktur zueigen. Er erfasst die Fallgruppen der Aliud-Lieferung, Quantitäts- sowie die Qualitätsabweichung.
II. Haftungsvoraussetzungen
Bevor im Folgenden die Haftungsvoraussetzungen inhaltlich dargestellt werden,
wird auf den Bezugspunkt der durch das neue Haftungsregime geschaffenen Sach-
1269 Miller, in: Benjamin’s Suppl., Rn. 1-241.
1270 Die Veränderungen des alten Haftungsrechts beschränken sich auf das Hinzufügen der Einstandspflicht des Sachschuldners für öffentliche Äußerungen im Sinne des Art. 2 II d) der
Richtlinie, s. „regulation“ Nr. 8 bzw. s. 11D (3) (a)-(c) SGSA.
1271 Twigg-Flesner, GPR 2003, 12 (19); Yeoman-Clark, L.T. 38 (2004), 248 (251); Vorpeil,
ZVglRWiss 103, 432 (436).
1272 S. Kap. 3 C. I.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Herstellungs- und Veräußerungsverträge spielen im Wirtschaftsalltag eine überragende Rolle. Mithilfe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der europäische Gesetzgeber starken Einfluss auf den Kernbereich der mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen ausgeübt und bisher überwiegend eigenständige Vertragstypen einheitlichen Regelungen unterworfen.
Der Autor setzt sich rechtsvergleichend mit der Frage auseinander, inwiefern die vorgesehene Gleichbehandlung der Verträge rechtlich und wirtschaftlich möglich ist und ob die Umsetzung der Richtlinie einen Gleichlauf des Vertragsrechts tatsächlich bewirkt hat. Dazu untersucht er die Gewährleistung bei Herstellungs- und Veräußerungsverträgen in den Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Frankreichs vor und nach der Umsetzung der Richtlinie. Abweichungen und Unterschiede hinterfragt er in ihrem wirtschaftlichen Kontext, wobei er sich auch mit Aspekten der ökonomischen Analyse des Zivilrechts auseinandersetzt.