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Für den sachlichen Anwendungsbereich der Umsetzungsmaßnahme folgt aus ihrer Allokation in den SGA bzw. SGSA die Beschränkung auf Verträge über bewegliche Sachen („goods“).1213 Eine überobligatorische Umsetzung des Sachleistungsvertragskonzepts der Richtlinie liegt daher insoweit weder in persönlicher noch in
sachlicher Hinsicht vor.1214
III. Die Auswirkungen auf die bereits zuvor bestehenden Grenzen der Vertragstypen
Die Untersuchung der Rechtslage vor Umsetzung der Richtlinie hatte aufgezeigt,
dass auch das englische Recht eine Typisierung bestimmter Lebenssachverhalte in
unterschiedlichen Vertragsarten vorsah, auch wenn die Typisierung wenig auf Vollständigkeit angelegt und zudem teilweise schwach konturiert war.1215 Anders als in
Deutschland und teilweise auch in Frankreich hat man sich in England nicht dafür
entschieden, die bestehenden Grenzen der Anwendungsbereiche der Vertragstypen
zu verschieben.1216 Stattdessen versuchte man, alle durch die Richtlinie betroffenen
Vertragstypen durch die „amendments“ jeweils entsprechend anzupassen. So modifizieren die „regulations“ 3-6 den SGA, die „regulations“ 7-12 verändern den
SGSA.1217
IV. Das Verhältnis des neuen und des alten Haftungsregimes
Die Vorschriften der „regulations“ bzw. das neue Haftungsregime treten nicht an die
Stelle der bereits bekannten Einstandspflicht. Stattdessen kann sich der Sachgläubiger entscheiden, aus welchem Haftungsregime er seine Ansprüche herleiten möchte.1218 Somit besteht eine Konkurrenz zwischen der bisherigen Haftung für „breach
of contract“ und den neuen Regelungen.
Kaum geklärt hat der englische Normgeber das genaue Verhältnis des alten und
des neuen Haftungsregimes zueinander. Die einzige Restriktion des ansonsten
scheinbar freien Wahlrechts des Sachgläubigers findet sich in s. 48D SGA. Dort
1213 Kap. 3 A. II. und III.; Vorpeil, ZVglRWiss 103, 432 (436).
1214 Willet/Morgan-Taylor/Naidoo, J.Bus.L. 2004, 94; Vorpeil, ZVglRWiss 103, 432; Mansel,
AcP 204 (2004), 396 (447); ergänzend hinzuweisen ist auf die Modifikation der mietrechtlichen Vorschriften des SGSA durch „regulation“ Nr. 10 f. und des Supply of Goods Act 1973
durch „regulation“ Nr. 13, Twigg-Flesner, N.L.J. 2001, 91 (100 f.).
1215 S. Kap. 3 A. I.-IV.
1216 S. Kap. 6 u. 8, jeweils A. III.
1217 Sobich, RIW 2003, 740 (741).
1218 S. 48D (2) (a) SGA; Reynolds, in: Benjamin’s (2006), Rn. 12-071, 12-090, 12-118;
Guest/Reynolds/Harris, in: Chitty Bd. 2 (2004), Rn. 43-129; Miller, in: Benjamin’s Suppl.,
Rn. 1-160 ff. u. 1-195 ff.; s. auch die jeweiligen Überschriften von Part 5A SGA bzw. 1B
SGSA („additional rights“); Vorpeil, ZVglRWiss 103, 432; Mansel, AcP 204 (2004),
396 (447); Lindner, ZfRV 2005, 3 (9); Sobich, RIW 2003, 740 (743); Sivesand, S. 43.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Herstellungs- und Veräußerungsverträge spielen im Wirtschaftsalltag eine überragende Rolle. Mithilfe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der europäische Gesetzgeber starken Einfluss auf den Kernbereich der mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen ausgeübt und bisher überwiegend eigenständige Vertragstypen einheitlichen Regelungen unterworfen.
Der Autor setzt sich rechtsvergleichend mit der Frage auseinander, inwiefern die vorgesehene Gleichbehandlung der Verträge rechtlich und wirtschaftlich möglich ist und ob die Umsetzung der Richtlinie einen Gleichlauf des Vertragsrechts tatsächlich bewirkt hat. Dazu untersucht er die Gewährleistung bei Herstellungs- und Veräußerungsverträgen in den Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Frankreichs vor und nach der Umsetzung der Richtlinie. Abweichungen und Unterschiede hinterfragt er in ihrem wirtschaftlichen Kontext, wobei er sich auch mit Aspekten der ökonomischen Analyse des Zivilrechts auseinandersetzt.