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schuldners zur Lieferung und der Eigentumsübergang waren. Der Eigentumsübergang veranschaulichte die beabsichtigte Endgültigkeit der Überlassung der Sache.
S. 2 (1) SGA wies auf die Verpflichtung des Sachgläubigers zur Zahlung eines Entgelts hin.
III. Herstellungsverträge
Das englische Recht kannte auch einen „contract of sale“ über zukünftige Sachen.426
So konnten auch Verträge über die endgültige Überlassung herzustellender beweglicher Sachen gegen ein Entgelt als „contract of sale“ eingeordnet werden. Im Übrigen
war es zur Ausbildung weiterer Vertragstypen gekommen, welche die in Frage stehenden Sachleistungsverträge erfassen konnten. Es existierte eine, wenn auch nicht
immer einheitlich verwendete, Terminologie.427 Gebräuchlich waren die Bezeichnungen „contract for work and materials“, „contract for hire of work and labour“
oder „contract for supply of services“.428 Diese Verträge hatten eine eigene, wenn
auch im Verhältnis zum „contract of sale“ vergleichsweise fragmentarische429 und
abstrakte430 Regelung erfahren. Ihre Beachtung und dogmatische Durchdringung
führte im Vergleich zum „contract of sale“ ein Schattendasein, was eine Darstellung
erschwert.431
Der „Supply of Goods and Services Act“ von 1982 (im Folgenden auch „SGSA“)
erfasste die Herstellungsverträge, welche nicht als „contract of sale“ einzuordnen
426 S. o. unter II.
427 Zur Uneinheitlichkeit der Terminologie s. v. Beseler/Jacobs-Wüstefeld, D-E, S. 1794 f.
428 In Grenzbereichen fiel eine exakte Aufteilung naturgemäß schwer und es kam zur überlappenden Anwendung der Bezeichnungen. Verträge, bei denen der Materiallieferung des Sachschuldners größere Bedeutung zukam, wurden eher als „contract for work and materials“ bezeichnet. Überwog die Materiallieferung durch den Sachgläubiger wurde eher der Begriff
„contract for hire of work and labour“ bzw. „supply of services“ gewählt; s. Sealy, in: Benjamin’s (2002), Rn. 1-041; The Digest Vol. 3 (2), Rn. 1; McKendrick, in: Chitty Bd. 2 (1999),
Rn. 33-062; Miller, S. 117 f.; Bader, S. 80 ff.; A. Sandrock, S. 15; Lorenz, in: IECL, Rn. 5;
Wellenreuther, S. 1 f.
429 Die Rechtsbehelfe des Sachgläubigers wegen Beschaffenheitsabweichungen beispielsweise
waren im SGSA nicht eigens geregelt. Ebenso mangelte es an einer eigenen Ausformung der
Regelungen über die Gefahrtragung und den Eigentumsübergang.
430 Mit höherem Grad an Abstraktion ist an dieser Stelle Folgendes gemeint: Es handelte sich um
derart allgemein gehaltene Normen, dass eine Vielzahl von Verträgen erfasst wurden, die sowohl nach deutschem als auch nach französischem Verständnis eine jeweils eigene Typisierung erfahren hatten. Als Beispiel dafür ist Part II des SGSA anzuführen. Aufgrund des offenen Wortlauts von s. 12 erfasste er eine große Anzahl verschiedener Formen von geschuldeter
Arbeit.
431 Anderes gilt aufgrund seiner besonderen wirtschaftlichen Bedeutung für das Bauvertragsrecht. Zum Teil werden in der Folge daher gelegentlich auch herstellungsvertragliche Grundsätze in die Betrachtung mit einfließen, die dem Bauvertragsrecht entstammten.
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waren432: Wie der SGA regelte auch der SGSA Verträge, deren Objekte „goods“
waren. Der Begriff der „goods“ entsprach seiner Legaldefinition in s. 18 (1) nach
praktisch dem des SGA. Der SGSA betraf somit Verträge über bewegliche Sachen.
S. 1 (1) SGSA ging von einer Pflicht des Sachschuldners zur Eigentumsverschaffung aus. Phänotypisch zeigte sich so die beabsichtigte Endgültigkeit der Sachüberlassung. Part II des SGSA setzte in s. 13 die Verpflichtung des Sachschuldners zur
Ausführung einer bestimmten Tätigkeit voraus und verpflichtete ihn zur Beachtung
von „reasonable care and skill“. In der Regelung zeigte sich, dass Verträge über die
Herstellung einer Sachleistung erfasst wurden. Die Entgeltlichkeit des Vertrags ergab sich aus s. 15 SGSA.433 Sofern die gesetzlichen Regelungen nicht eingriffen
bzw. ausfüllbedürftig waren, richtete sich die rechtliche Behandlung nach dem Fallrecht. Bedeutung erlangte dies besonders bei Herstellungsverträgen, bei denen der
Sachgläubiger das für die Herstellung benötigte Material stellte. Part I des SGSA
konnte in diesen Fällen nicht einschlägig sein, denn eine Übereignung der Sachleistung an den Sachgläubiger war typischerweise nicht vorgesehen oder möglich.434
IV. Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Vertragstypen
Wie in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen bestand eine Nähe der durch
die Vertragstypen verkörperten Lebenssachverhalte im Typenkontinuum, wenn die
Sachleistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht existierte.435 In diesen
Fällen wurde die Zuordnung des Vertrags zu einem der Vertragstypen erforderlich.
In der Folge werden die dazu verwendeten Abgrenzungskriterien skizziert. Das Bedürfnis einer Zuordnung nahm während des letzten Jahrhunderts erheblich ab, weil
sich die rechtliche Ausgestaltung beider Vertragstypen stark annäherte.436
432 Guest, in: Chitty Bd. 1, Rn. 13-029; nur der auf die Materiallieferung bezogene Teil des Vertrags konnte aus dem Anwendungsbereich des SGSA herausfallen. Dies geschah beispielsweise dann, wenn ein Eigentumsübergang an den Sachgläubiger nicht Vertragsgegenstand
war, denn Part I setzte den Eigentumsübergang voraus (s. u.).
433 Woodroffe, Rn. 6.40.
434 Palmer, S. 926, bemerkt dazu: „Thirdly, the English legislation applies only to contracts for
the transfer of property in goods. In general terms, therefore, it cannot apply to a contract, under which the supplier of a service uses defective material...without conveying any property
in those materials”.
435 Sealy, in: Benjamin’s (2002), Rn. 1-041; Woodroffe, Rn. 3.04; Hyundai Shipbuilding and
Heavy Industries Co Ltd. v. Papadopoulos [1980] 2 All E.R., 29; Civ.P.B. 2005, 66, 67 f.
436 Sealy, in: Benjamin’s (2002), Rn. 1-041; wie sich noch zeigen wird, bestand zwar ein weitgehender Gleichlauf im Bereich der Haftung des Sachschuldners für Beschaffenheitsabweichungen, aber im Einzelfall konnte die Einordnung des Vertrags in das System der Schuldverhältnisse dennoch von großer Bedeutung sein, s. unter B. II. 3., III. 7. und C. II. 4., III. 6.
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References
Zusammenfassung
Herstellungs- und Veräußerungsverträge spielen im Wirtschaftsalltag eine überragende Rolle. Mithilfe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der europäische Gesetzgeber starken Einfluss auf den Kernbereich der mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen ausgeübt und bisher überwiegend eigenständige Vertragstypen einheitlichen Regelungen unterworfen.
Der Autor setzt sich rechtsvergleichend mit der Frage auseinander, inwiefern die vorgesehene Gleichbehandlung der Verträge rechtlich und wirtschaftlich möglich ist und ob die Umsetzung der Richtlinie einen Gleichlauf des Vertragsrechts tatsächlich bewirkt hat. Dazu untersucht er die Gewährleistung bei Herstellungs- und Veräußerungsverträgen in den Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Frankreichs vor und nach der Umsetzung der Richtlinie. Abweichungen und Unterschiede hinterfragt er in ihrem wirtschaftlichen Kontext, wobei er sich auch mit Aspekten der ökonomischen Analyse des Zivilrechts auseinandersetzt.