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3. Ergebnis zu den Haftungsvoraussetzungen
Der Sachschuldner eines Kaufvertrags musste eine Sachleistung liefern, deren Beschaffenheit und Verwendungstauglichkeit mit der Parteivereinbarung übereinstimmte. Subsidiär schuldete er die üblicherweise zu leistende Beschaffenheit und
Verwendungseignung. Eine nur einseitig kundgetane Erwartung des Sachgläubigers
beeinflusste den Inhalt der sachschuldnerischen Pflicht grundsätzlich nicht. In Ausnahmefällen war eine Abschwächung des Konsenserfordernisses aber möglich.
Nicht jede Beschaffenheitsabweichung löste die Haftung des Sachschuldners aus.
Vielmehr war erforderlich, dass die Abweichung Wert oder Tauglichkeit der Sachleistung mehr als unerheblich minderte. Anderes galt aber, wenn der Sachschuldner
eine entsprechende Zusicherung abgegeben hatte. In diesem Fall durfte die Sachleistung nicht einmal geringfügig vom geschuldeten Soll abweichen. In zeitlicher Hinsicht war der Gefahrübergang maßgeblich für das Vorliegen einer Beschaffenheitsabweichung.
III. Haftungsfolgen – Die Rechtsbehelfe des Sachgläubigers
Nachdem die wesentlichen Voraussetzungen der Haftung des Verkäufers für Beschaffenheitsabweichungen aufgezeigt worden sind, wird im Folgenden das System
der Rechtsbehelfe des Sachgläubigers dargestellt.
1. Das Recht zur Auswahl des Rechtsbehelfs
Das Recht zur Auswahl des Rechtsbehelfs wies das BGB a. F. in den §§ 462, 463,
480 BGB grundsätzlich dem Sachgläubiger zu. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsbehelfe vorlagen, waren die Gerichte an seine Wahl gebunden.317
2. Die Rechtsbehelfe der Nachlieferung oder Nachbesserung
Welche nacherfüllenden Rechtsbehelfe dem Sachgläubiger eines Kaufvertrags zustanden, lässt sich nicht einheitlich beantworten. Dies richtete sich danach, ob der
Vertrag als Spezies- oder Gattungskauf einzuordnen war. Beim Spezieskauf bestand
die Pflicht des Sachschuldners zur Lieferung einer mangelfreien bzw. nicht abweichenden Sachleistung nicht eindeutig.318 Das BGB a. F. sah die Rechtsbehelfe der
317 Huber, in: Soergel, § 462, Rn. 3 u. § 480, Rn. 15.
318 An dieser Stelle ist erneut auf die Kontroverse zwischen Erfüllungs- und Gewährleistungstheorie zu verweisen, s. dazu o. unter II.; zur insoweit (fehlerhaften) Rezeption römischen
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Nachbesserung und Nachlieferung nicht vor.319 Daher wurde ein Rechtsbehelf des
Sachgläubigers auf Herstellung der Mangelfreiheit durch Nacherfüllung von einigen
als systemwidrig empfunden.320 Ferner erschien, zumindest bei einer individualisierten Schuld, ein Nachlieferungsanspruch vielen als Widerspruch in sich.321 So wurde
das Bestehen von nacherfüllenden Rechtsbehelfen zugunsten des Sachgläubigers
überwiegend abgelehnt.322
Der Gattungskauf zeichnete sich demgegenüber durch einen wesentlichen Unterschied aus. Für den Fall der Mangelhaftigkeit der gelieferten Sachleistung gewährte
das Gesetz in § 480 I Satz 1 BGB a. F. dem Sachgläubiger einen Nachlieferungsanspruch.323 Im Umkehrschluss ließ sich auf die Pflicht des Schuldners zur Lieferung
einer Sachleistung schließen, die dem Soll entsprach.324 So existierte jedenfalls insoweit das logische Fundament für einen Nachbesserungsanspruch des Sachgläubigers.325 Jedoch wurde aufgrund der gesetzlichen Typik des Kaufvertrags überwiegend davon ausgegangen, dass den Sachschuldner keine Herstellungspflicht traf.326
Der Nachbesserungsanspruch des Sachgläubigers wurde nicht als Minus, sondern als
Aliud gegenüber dem Nachlieferungsanspruch angesehen.327 In der Vertragspraxis
hingegen kam es sehr häufig zu einer Vereinbarung, wonach dem Sachgläubiger
beide auf Nacherfüllung gerichteten Rechtsbehelfe zustehen sollten. Dies geschah
Rechts durch den deutschen Gesetzgeber und den Einfluss der Rechtsgeschäftslehre s. Harke,
AcP 205 (2005), 67, (71 ff.).
319 Der historische Gesetzgeber hatte entsprechend abweichende Vorschriften wie die §§ 325 f.
ALR durchaus vor Augen, s. Mugdan, S. 125; Schürholz, S. 24.
320 Huber, in: Soergel, § 462, Rn. 74, m. w. N.
321 Huber, Vor § 459, Rn. 147 ff., m. w. N.
322 Larenz, S. 69; Fikentscher (1997), Rn. 697; Westermann, in: MüKo (1995), § 462, Rn. 9;
G. Walter, S. 139 f.; Huber, in: Soergel, § 462, Rn. 74; Honsell, in: Staudinger (1995),
§ 462, Rn. 13; Herberger, S. 75 ff.; Rust, S. 119 ff.; Dylakiewicz, S. 126; a. A. Peters, JZ
1978, 92 (94 ff.).
323 Der Anspruch wurde überwiegend als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch verstanden, Fikentscher (1997), Rn. 727; Putzo, in: Palandt (2002), § 480, Rn. 4; BGH NJW 1999, 2884;
BGH NJW 1961, 117.
324 Huber, in: Soergel, § 480, Rn. 2 und 16 ff.; Büdenbender, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring,
§ 8, Rn. 6; Reinicke/Tiedke (1997), Rn. 520; Köhler, JZ 1984, 393 (394 f.); Schubel, ZIP
1994, 1330 (1331); Grunewald, in: Grundmann/Medicus/Rolland, S. 7; s. auch Mugdan,
S. 676.
325 Peters, JZ 1978, 92 (96); Rust, S. 119.
326 Das galt selbst dann, wenn die Sachleistung noch herzustellen war und über § 651 I Satz 2
BGB a. F. Kaufvertragsrecht zur Anwendung gelangte, BGHZ 48, 118, 121; Peters, in: Staudinger (2000), § 651, Rn. 24.
327 Huber, in: Soergel, § 462, Rn. 74; Köhler, JZ 1984, 393 (396); Honsell, in: Staudinger
(1995), § 462, Rn. 13; Putzo, in: Palandt (2002), § 480, Rn. 4; Larenz, S. 67; Reinicke/Tiedke
(1997), Rn. 493; Rust, S. 120 f.; Fikentscher (1997), Rn. 697; BGH NJW 1990, 901; a. A. Peters, JZ 1978, 92 (94 ff.).
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unabhängig davon, ob es sich bei der Sachleistung nach den Vorschriften des BGB
um eine Speziesschuld handelte.328
Die Frage nach der inhaltlichen Ausgestaltung des Rechtsbehelfs der Nachlieferung stellte sich somit nur bei Vorliegen eines Gattungskaufs. In bestimmten Konstellationen wurde das Recht des Sachgläubigers aus sachschuldnerschützenden Erwägungen eingeschränkt.
Für den Fall der Unmöglichkeit der Nachlieferung entfiel der Anspruch des Sachgläubigers.329 Existierte die nachzuliefernde Sachleistung zwar, konnte der Sachschuldner diese aber nicht beschaffen, richtete sich das Bestehen eines Nachlieferungsanspruchs nach den Wertungen des § 279 BGB a. F. Standen die mit der Nacherfüllung für den Sachschuldner verbundenen Folgen im Vergleich zum Erfüllungsinteresse des Sachgläubigers in einem krassen Missverhältnis, konnte sein Erfüllungsverlangen vor dem Hintergrund von Treu und Glauben als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Als Referenzpunkte für die Feststellung eines krassen Missverhältnisses dienten regelmäßig finanzielle Gesichtspunkte. Lag ein solches Missverhältnis vor, musste der Sachgläubiger auf die weiteren ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausweichen.330
3. Der Rechtsbehelf der Minderung
Das Kaufrecht des BGB alter Fassung kannte laut § 462, 2. Variante BGB a. F.
ebenfalls den eigenständig ausgeformten Rechtsbehelf des Sachgläubigers auf Minderung des Entgelts. Vorbild des Rechtsbehelfs war die römisch-rechtliche „actio
quanti minoris“.331 Problematischer Weise war der Rechtsbehelf der Minderung gesetzlich nicht als Gestaltungsrecht ausgeformt.332
Rechtsfolge einer durchgeführten Minderung war gemäß § 472 BGB a. F. die Herabsetzung der Gegenleistung des Sachgläubigers im Verhältnis zur Abweichung der
Beschaffenheit vom geschuldeten Soll. Der Anspruch des Sachschuldners auf die
328 S. auch § 11 Nr. 10b AGBG a. F., § 476a BGB a. F.; G. Walter, S. 140; BMJ Abschlußbericht, S. 25; Ball, ZGS 2002, 49; Reinicke/Tiedke (1997), Rn. 494; Huber, in: Soergel, § 462,
Rn. 73; Dylakiewicz, S. 114.
329 Huber, in: Soergel, § 433, Rn. 276b m. w. N.; Reinicke/Tiedke (1997), Rn. 519; BGH NJW
1974, 943 (944); BGH NJW 1972, 152.
330 Huber, in: Soergel, § 480, Rn. 34 i. V. m. § 433, Rn. 276 f.; ferner BGH NJW 1988,
699 (700) und BGHZ 62, 388 (393 f.) - beide unter Zugrundelegung finanzieller Erwägungen.
331 Fikentscher (1997), Rn. 698; Huber, in: Soergel, Vor 459, Rn. 6.
332 Nach § 465 BGB a. F. war Voraussetzung der Minderung die Einverständniserklärung des
Sachschuldners, damit der anspruchsbegründende Minderungsvertrag entstehen konnte. Das
führte im Streitfalle dazu, dass der Sachgläubiger zweimal klagen musste. Aus praktischen
Erwägungen wurde aber auch die sofortige Klage auf Minderung zugelassen, s. zu den Wandlungstheorien Huber, in: Soergel, § 462, Rn. 62 und 48 ff.; Honsell, in: Staudinger (1995),
§ 465, Rn. 2; Reinicke/Tiedke (1997), Rn. 355 ff.; Larenz, S. 53 ff.; Herberger, S. 123 ff.; Fikentscher, Rn. 722.
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Zahlung des Preises entfiel in der entsprechenden Höhe bzw. es entstand ein entsprechender Rückzahlungsanspruch. Als Bezugsgrößen dienten zur Berechnung des
Minderwerts zum einen der Sollwert, den die Sachleistung ohne die Abweichung
gehabt hätte; zum anderen wurde der Realwert berücksichtigt, also der tatsächliche
Wert der Sachleistung mit der vorliegenden Abweichung.333 Das durch den Vertrag
festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wurde berücksichtigt. Ein
abgeschlossener Vertrag blieb damit günstig oder ungünstig für die jeweilige Vertragspartei.334
Im alten deutschen Kaufrecht bestand nach überwiegender Meinung die Abwendungsbefugnis nur bis zu dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs.335 Beim Stückkauf
wurde argumentiert, dass ein Recht des Sachschuldners zu einer zweiten Andienung
durch Nachlieferung systematisch schon nicht denkbar sei. Seine Schuld beschränke
sich auf die bestimmte Sachleistung. Für beide Kaufarten wurde ferner auf das Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift verwiesen. Vor allem aber seien
nach Gefahrübergang die Gewährleistungsansprüche des Sachgläubigers entstanden.
Dogmatisch sei nicht zu begründen, wenn diese Rechte durch eine einseitige Handlung des Sachschuldners wieder genommen werden könnten.336 Etwas anderes konnte sich nur in Ausnahmefällen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242
BGB a. F. und dem Schikaneverbot des § 226 BGB a. F. ergeben.337 Voraussetzung
dafür war, dass sowohl Ursache als auch Behebbarkeit des Mangels leicht zu erkennen waren und sich der Sachschuldner zur Vornahme der erforderlichen Handlung
ohne weiteres bereit erklärte.338 In der Praxis bestand für die Sachschuldner sowohl
das wirtschaftliche Bedürfnis als auch die Übung, den Nacherfüllungsanspruch des
Sachgläubigers zu vereinbaren und zu einer Abwendungsbefugnis zu verdichten.
Dies hatte der Gesetzgeber auch erkannt und grundsätzlich für legitim erklärt.339
333 Der für die Berechnung maßgebliche Zeitpunkt war der Moment des Vertragsschlusses, Huber, in: Soergel, § 472, Rn. 5; Fikentscher (1997), Rn. 723; BReg., BT-Drucks. 14/6040,
S. 267.
334 Huber, in: Soergel, § 472, Rn. 1 ff.; Fikentscher (1997), Rn. 723; Putzo, in: Palandt (2002),
§ 472, Rn. 7; Schwartze, S. 229 ff.
335 Köhler, JZ 1984, 393 f.; Schürholz, S. 29 f.; G. Walter, S. 179; Rust, S. 106 ff.; Honsell, in:
Staudinger (1995), § 462, Rn. 9 ff.; BGH NJW 1986, 843.
336 Köhler, JZ 1984, 393 f.; Huber, in: Soergel, Vor § 459, Rn. 13; Grunewald, in: Erman (2000), Vor § 459, Rn. 63; Schürholz, S. 30; Dylakiewicz, S. 140; BGH NJW 1967, 33;
RGZ 91, 110 (112).
337 Grunewald, in: Erman (2000), Vor § 459, Rn. 63; Hohoff, S. 56 ff.; BGH NJW 1971, 1382 f.;
a. A. Köhler, JZ 1984, 393 (394).
338 Huber, in: Soergel, § 462, Rn. 73 m. w. N.; Honsell, in: Staudinger (1995), § 462, Rn. 11 f.;
BGH WM 1971, 1382 f. Eine Abwendungsbefugnis kam jedenfalls dann nicht in Betracht,
wenn der Sachgläubiger durch die Maßnahme im Gebrauch der Sache erheblich beeinträchtigt wurde, Huber a. a. O, § 462, Rn. 73; Honsell, a. a. O., § 480, Rn. 7; RGZ 91, 110 (112).
339 Vgl. § 11 Nr. 10 b) AGBG; Heinrichs, in: Palandt (2002): Grunewald, in: Erman (2000), Vor
§ 459, Rn. 64 m. w. N.
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4. Der Rechtsbehelf der Vertragsauflösung
Schließlich sah das BGB alter Fassung die Möglichkeit des Sachgläubigers vor, den
Vertrag gem. § 462 BGB a. F. wegen einer Abweichung der Sachbeschaffenheit
vom geschuldeten Soll zu „wandeln“. Der Terminus „Wandelung“ stand für die
Rückgängigmachung des Vertrags. Als Vorbild des Rechtsbehelfs hatte dem historischen Gesetzgeber die römisch-rechtliche „actio redhibitoria” gedient.340
Durch die vollzogene Wandelung wurde das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet. Dieses war auf die Herstellung des status quo ante gerichtet und verpflichtete die Parteien zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen.341 Wie der Rechtsbehelf der Minderung war die Wandelung in § 465 BGB
a. F. als Vertrag konzipiert. Sie setzte daher unpraktischerweise das Einverständnis
des Sachschuldners voraus.342
a) Die Abwendungsbefugnis des Sachschuldners
Eine Abwendungsbefugnis des Sachschuldners gegenüber dem Wandelungsbegehren seines Vertragspartners sah das BGB alter Fassung nicht vor. Der Grundsatz von
Treu und Glauben und das Schikaneverbot der §§ 226, 242 BGB a. F. konnten sich
zwar auf das Recht zur Wandelung auswirken. Nur in Ausnahmefällen aber ergab
sich eine Abwendungsbefugnis. Diesbezüglich und in Bezug auf die sachgläubigerschützenden Beschränkungen der Befugnis kann entsprechend auf die Ausführungen
zum Nacherfüllungsanspruch des Sachgläubigers verwiesen werden.343
b) Das Erfordernis der Wesentlichkeit der Abweichung
Der Rechtsbehelf der Vertragsauflösung setzte gemäß § 462 BGB a. F. selbst keine
besondere Wesentlichkeit der Abweichung oder besondere Bedeutung der verletzten
Pflicht voraus. Allerdings ist in funktionaler Hinsicht daran zu erinnern, dass aufgrund des Bestehens der tatbestandlichen Geringfügigkeitsschwelle eine Haftung
des Sachschuldners bei Bagatellen ohnehin nicht bestand.344
340 Fikentscher (1997), Rn. 698; Huber, in: Soergel, § 462, Rn. 1.
341 Fikentscher (1997), Rn. 722; G. Walter, S. 189.
342 S. o. unter 3.
343 Honsell, in: Staudinger (1995), § 462, Rn. 9; Huber, in: Soergel, § 462, Rn. 73; s. o. unter 3.
344 S. o. unter B. II. e).
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5. Verschuldenserfordernis der Rechtsbehelfe
Die dargestellten Rechtsbehelfe wegen Abweichungen der Beschaffenheit der Sachleistung setzten ein Verschulden des Verkäufers nicht voraus.345 Das Tatbestandserfordernis des Vertretenmüssens in § 462 BGB a. F. bezog sich auf die Norm des
§ 460 BGB a. F.346
6. Ergebnis zu den Haftungsfolgen
Der Sachgläubiger eines Kaufvertrags konnte im Falle einer Beschaffenheitsabweichung selbst entscheiden, welcher Rechtsbehelf anzuwenden war. An seine Wahl
waren die Gerichte gebunden. Die Herstellung der geschuldeten Beschaffenheit der
Sachleistung im Wege der Nachbesserung konnte er nicht verlangen. Nur wenn ein
Kaufvertrag über eine nur ihrer Gattung nach bestimmten Sachleistung vorlag,
konnte er die Nachlieferung fordern. Dieses Recht war aber durch die Möglichkeit
und Verhältnismäßigkeit der Nachlieferung begrenzt. Unabhängig von der Unterscheidung zwischen Gattungs- und Stückkauf konnte der Sachgläubiger die Minderung des Preises durchsetzen. Ebenso konnte er, ohne dass gegenüber den tatbestandlichen Voraussetzungen der anderen Rechtsbehelfe qualifizierte Anforderungen
erfüllt sein mussten, den Vertrag auflösen. Eine Abwendungsbefugnis stand dem
Sachschuldner nicht zu. Die Rechtsbehelfe des Sachgläubigers bestanden unabhängig von einem Verschulden des Sachschuldners.
Hinsichtlich eines hierarchischen Verhältnisses der Rechtsbehelfe lässt sich festhalten, dass ein Vorrang der nacherfüllenden Rechtsbehelfe nicht bestand, da der
gesetzliche Regelfall einen Nacherfüllungsanspruch nicht vorsah. Weder existierte
eine Abwendungsbefugnis des Sachschuldners, noch war das Vorliegen einer besonderen Intensität der Beschaffenheitsabweichung gesonderte Tatbestandsvoraussetzung der Vertragsauflösung.
345 Fikentscher (1997), Rn. 698.
346 Putzo, in: Palandt (2002), § 462, Rn. 11.
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C. Die Haftung des Sachschuldners eines Werkvertrags
Nach der Betrachtung des Veräußerungsvertragsrechts wird die Haftung des Sachschuldners für Beschaffenheitsabweichungen im Herstellungsvertragsrecht untersucht. Die Kodifikation des Werkvertragsrechts zeichnete ein hohes Abstraktionsniveau aus.347 Die Voraussetzungen und Folgen der Haftung für Beschaffenheitsabweichungen waren jedoch im BGB a. F. detailliert ausgeführt. Zunächst wird einleitend umrissen, nach welchen Vorschriften sich die rechtliche Bewertung der Fälle
der Schlechtleistung richtete.
I. Die systematische Behandlung von Fällen der Schlechtleistung
Ähnlich der Situation im alten Kaufrecht konnte sich die rechtliche Behandlung einer Beschaffenheitsabweichung der Sachleistung im alten deutschen Werkvertragsrecht sowohl nach Nichterfüllungs- als auch nach Gewährleistungsrecht richten. Da
der Sachschuldner abweichend vom Kaufrecht unstreitig die Mängelfreiheit schuldete, bot sich die Anwendung allgemeiner Nichterfüllungsregeln zu jedem Zeitpunkt
der Vertragsabwicklung an. Anders als im Kaufrecht mangelte es an einer klaren
zeitlichen Schwelle, die für die Fälle der qualitativen Beschaffenheitsabweichungen
den Eintritt in das spezielle Gewährleistungsrecht markierte, wie es § 459 I Satz 1
BGB a. F. tat.348 Das Konkurrenzverhältnis zwischen der speziellen Mängelgewährleistung und dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht bzw. die daraus entstehenden
Konflikte haben die Motive nicht entschieden, vielleicht auch in ihrer Schärfe nicht
erkannt.349 So ergaben sich teilweise erhebliche Schwierigkeiten der Abgrenzung
der Anwendungsbereiche. Die im Rahmen der Untersuchung bedeutsame Einstandspflicht des Sachschuldners wegen qualitativer Abweichungen im erfassten
Vertragsabwicklungsstadium richtete sich im Wesentlichen nach dem Gewährleistungsrecht.350 Die Gewährleistungshaftung des Werkunternehmers nach den
§§ 633 ff. BGB a. F. wird daher für die Betrachtung herangezogen.
347 Weyers, AcP 182 (1982), 60 ff.; ders., S. 1122; Keilholz, in: FS für Korbion, S. 208; Soergel,
in: MüKo (1997), § 631, Rn. 1.
348 „Die nirgends gestellte Frage ist nur, von wann ab man sagen kann, dass das Werk mangelhaft ist. Das ist die Frage, zu der man gelangt, wenn man nur den Geltungsbereich der
§§ 633 ff. von demjenigen der allgemeinen Vorschriften abzugrenzen versucht”, so Jakobs,
in: FS für Beitzke, S. 74; Teichmann, in: Soergel (1997), Vor § 633, Rn. 32; s. u. unter II. 3.
349 So Teichmann, in: Soergel (1997), Vor § 633, Rn. 1; Jakobs, JuS 1974, 341; ähnlich schon
Oertmann, DJR 1935, 353; s. Mugdan, S. 268 - „praktische Zweckmäßigkeit“.
350 Im Hinblick auf die Abgrenzungsschwierigkeiten ist beispielsweise das Verhältnis der gewährleistungsrechtlichen Mängelbeseitigungsansprüche zu dem ursprünglichen Herstellungsanspruch zu nennen. Den entstehenden systematischen Problemen versuchte man dadurch zu
begegnen, dass man das System der Rechtsbehelfe des Sachgläubigers chronologisch fließend
verstand; vertiefend Blaese, S. 3 ff.; vgl. ferner Jakobs, in: FS für Beitzke, S. 67 ff. m. w. N.,
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References
Zusammenfassung
Herstellungs- und Veräußerungsverträge spielen im Wirtschaftsalltag eine überragende Rolle. Mithilfe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der europäische Gesetzgeber starken Einfluss auf den Kernbereich der mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen ausgeübt und bisher überwiegend eigenständige Vertragstypen einheitlichen Regelungen unterworfen.
Der Autor setzt sich rechtsvergleichend mit der Frage auseinander, inwiefern die vorgesehene Gleichbehandlung der Verträge rechtlich und wirtschaftlich möglich ist und ob die Umsetzung der Richtlinie einen Gleichlauf des Vertragsrechts tatsächlich bewirkt hat. Dazu untersucht er die Gewährleistung bei Herstellungs- und Veräußerungsverträgen in den Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Frankreichs vor und nach der Umsetzung der Richtlinie. Abweichungen und Unterschiede hinterfragt er in ihrem wirtschaftlichen Kontext, wobei er sich auch mit Aspekten der ökonomischen Analyse des Zivilrechts auseinandersetzt.