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Kapitel 2 – Das Recht in Deutschland vor Umsetzung der Richtlinie
In Kapitel 2 wird das deutsche Recht vor Umsetzung der Richtlinie abgebildet. Zunächst wird eine Skizze erstellt, ob und in welcher Weise die Verträge, die durch das
Sachleistungsvertragskonzept der Richtlinie betroffen sind, im alten deutschen
Schuldrecht eine eigene Typisierung erfahren hatten. Im Anschluss daran werden
die Voraussetzungen und Folgen der Sachschuldnerhaftung untersucht.
A. Die Vertragstypik der Sachleistungsverträge in Deutschland
I. Einleitung zur Vertragstypik in Deutschland
Im Vergleich zu den Rechtsordnungen Englands und Frankreichs verfolgte das BGB
a. F. energisch den Ansatz, unterschiedliche Lebenssachverhalte in unterschiedliche
Vertragstypen zu fassen. Der historische Gesetzgeber hatte bei der Schaffung des
BGB die zum damaligen Zeitpunkt wichtigen Verträge des täglichen Lebens nach
Geschäftszwecken geordnet. Er hatte sie in eigenständigen Vertragstypen mit divergierenden Regelungsregimen, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, verhältnismäßig ausführlich ausgeformt.274 So existierte ein relativ fein ausgestalteter Besonderer Teil des Schuldrechts.
II. Veräußerungsverträge
Verträge über die endgültige und entgeltliche Überlassung einer bestehenden Sachleistung waren in den §§ 433 ff. BGB a. F. dem Kaufvertragsrecht zugeordnet worden. § 433 I BGB a. F. sah die Verpflichtung der einen Partei zur Übergabe und
Übereignung der Sache vor. Aus der Normierung einer Übergabepflicht auf Seiten
des Verkäufers ergab sich die Erfassung von Verträgen, bei denen eine Sache überlassen werden sollte. Die Übereignungspflicht verdeutlichte die Intention einer gewissen Endgültigkeit der Überlassung.275 Dazu im Einklang stehend, sah das Gesetz
eine Rückgabepflicht des Sachschuldners für die Fälle der unproblematischen Abwicklung des Kaufvertrags nicht vor. § 433 II BGB a. F. verpflichtete den Sachgläubiger zur Zahlung eines Preises, worin sich die Entgeltlichkeit der Sachüberlassung
verdeutlichte.
274 Larenz, S. 2.
275 G. Walter, S. 1.
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References
Zusammenfassung
Herstellungs- und Veräußerungsverträge spielen im Wirtschaftsalltag eine überragende Rolle. Mithilfe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der europäische Gesetzgeber starken Einfluss auf den Kernbereich der mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen ausgeübt und bisher überwiegend eigenständige Vertragstypen einheitlichen Regelungen unterworfen.
Der Autor setzt sich rechtsvergleichend mit der Frage auseinander, inwiefern die vorgesehene Gleichbehandlung der Verträge rechtlich und wirtschaftlich möglich ist und ob die Umsetzung der Richtlinie einen Gleichlauf des Vertragsrechts tatsächlich bewirkt hat. Dazu untersucht er die Gewährleistung bei Herstellungs- und Veräußerungsverträgen in den Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Frankreichs vor und nach der Umsetzung der Richtlinie. Abweichungen und Unterschiede hinterfragt er in ihrem wirtschaftlichen Kontext, wobei er sich auch mit Aspekten der ökonomischen Analyse des Zivilrechts auseinandersetzt.