35
linie bestehende Reformbedürfnisse in erfreulicher Weise befriedigen und sich als
überfällige Erneuerung des Rechts erweisen.22
Für die Beantwortung der zweiten Frage wird der gegenwärtige Stand der Haftung des Sachschuldners nach der Umsetzung der Richtlinie untersucht. Richtlinien
sind bereits oft als „Arbeitspferd der Rechtsangleichung“ in Erscheinung getreten.23
Daher ist möglich, dass nach der Umsetzung der Richtlinie der Sachschuldner für
Beschaffenheitsabweichungen einzelstaatlich und grenzüberschreitend nach einheitlichen Regeln haftet. Auf der anderen Seite sieht Art. 8 II der Richtlinie lediglich das
Bestehen eines Mindeststandards an Verbraucherrechten vor. Oberhalb des garantierten Schutzniveaus könnten einzelstaatliche Unterschiede fortbestehen oder erst
geschaffen worden sein.24 Pinna schreibt dazu: „...en effet les aléas d’un processus
de transposition et les possibilités offertes au législateur national sont nombreux.“25
Eine Vereinheitlichung des Rechts muss sich daher nicht ergeben haben. Die Umsetzung der Richtlinie könnte sogar den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden
Handel im Ergebnis noch erschwert haben.
III. Gang der Untersuchung
Der Beantwortung der ersten Frage sind die ersten fünf Kapitel der Arbeit gewidmet. In Kapitel 1 erfolgt eine Darstellung des Sachleistungsvertragskonzepts der
Richtlinie. Um im Rahmen des späteren Rechtsvergleichs „falschen Freunden“26
bzw. Begriffs- und Systemunterschieden in den einzelnen Rechtsordnungen angemessen begegnen zu können27, wird anhand der Richtlinie eine funktionale Matrix
des Sachleistungsvertragskonzepts erarbeitet. Es wird untersucht, welche Lebenssachverhalte durch die Richtlinie erfasst werden. Im Anschluss daran werden der
Kernbereich der Voraussetzungen und die Folgen der Haftung des Sachschuldners
für Beschaffenheitsabweichungen beleuchtet. In den darauf folgenden Kapiteln 2 bis
4 wird die entwickelte Matrix im Rahmen einzelner Länderberichte auf die jeweiligen Rechtsordnungen übertragen. Zu Beginn jedes Länderberichts wird skizziert,
welche Vertragstypen das einzelstaatliche Recht bisher für die Lebenssachverhalte
vorgesehen hatte, die von der Richtlinie erfasst werden. So ergibt sich der zu betrachtende Rechtsbereich. Im Anschluss wird die Haftung des Sachschuldners für
Beschaffenheitsabweichungen geprüft. Als Rechtsquellen28 finden neben dem Ge-
22 Stoffels, S. 626 f.; Baldus/Schmidt-Kessel, GPR 2005, 157; Viney, JCP 2002, 1501; Rondey,
RD 2005, 562.
23 So Großfeld/Bilda, ZfRV 1992, 421 (422); Mansel, JZ 1991, 529 (531).
24 Paisant, JCP 2005, 1167 (1175).
25 Pinna, ERPL 2001, 223 (224).
26 So Großfeld, S. 21.
27 Zweigert/Kötz, S. 33 f.; Baldus, GPR 2003-2004, 225.
28 In Bezug auf die einzelstaatlich zu konsultierenden Rechtsquellen ist Folgendes zu beachten:
Den möglichen Erscheinungsformen des Rechts wird in den Einzelstaaten auch vor dem Hin-
36
wohnheitsrecht und dem Gesetz auch weitere Erscheinungsformen des Rechts, wie
die wissenschaftliche Doktrin und das Richterrecht, Berücksichtigung.29
Die Ergebnisse der Kapitel 1 bis 4 nutzt Kapitel 5 für einen Rechtsvergleich und
die Beurteilung der Tragfähigkeit des Sachleistungsvertragskonzepts in der Form
der Richtlinie. Dazu werden die Länderberichte zunächst daraufhin untersucht, ob
gemeinsame länder- und vertragstypenübergreifende Haftungsprinzipien bestanden.
Anschließend werden die Ergebnisse mit den Regeln verglichen, die das Sachleistungsvertragskonzept der Richtlinie jeweils vorsieht. Das Sachleistungsvertragskonzept in der Form der Richtlinie ist tragfähig, wenn es einzelstaatlich und länderübergreifend bereits vohandene Prinzipien übernommen hat. Wurde eine Regel auf alle
untersuchten Sachleistungsverträge in allen untersuchten Rechtsordnungen bisher
gleichermaßen angewendet, spricht das für ihre Eignung. Zweifel an der Tragfähigkeit des Sachleistungsvertragskonzepts ergeben sich dagegen, wenn der Vergleich
mit den Länderberichten Abweichungen zu Tage treten lässt. Die Abweichungen
werden deshalb im Anschluss auf ihre Erforderlichkeit hin untersucht. Dazu werden
die vorzufindenden Abgrenzungskriterien unter Berücksichtigung der denkbaren
wirtschaftlichen Interessenlagen hinterfragt.
Der Beantwortung der zweiten Frage, ob sich das Sachleistungsvertragskonzept
nach der Umsetzung der Richtlinie tatsächlich durchgesetzt hat, sind die Kapitel 6
bis 9 gewidmet. Die Kapitel 6 bis 8 stellen dar, in welcher Weise der Sachschuldner
für Beschaffenheitsabweichungen der Sachleistung in den untersuchten Rechtsordnungen nach der Umsetzung der Richtlinie haftet. Kapitel 9 nutzt die gewonnenen
Erkenntnisse für eine abschließende Bewertung, ob der Sachschuldner für Beschaffenheitsabweichungen nicht nur einzelstaatlich, sondern auch grenzüberschreitend
nach denselben Regeln haftet.
tergrund divergierender verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht im gleichen Maße Beachtung
geschenkt, s. Zweigert/Kötz, S. 34; Kaltenborn, Rechtstheorie 2003, 459 (477); zur Hierarchie
der Rechtsquellen im europäischen und anglo-amerikanischen Rechtskreis s. Constantinesco,
S. 206 ff., zu den Rechtsquellen der römisch-germanischen Rechtsfamilie und des Common
Laws s. Grasmann/Will, Rn. 81 ff. und 341 ff.; zum monistischen deutschen Ansatz s. Flessner, JZ 2002, 14 (15 f.).
29 S. dazu Zweigert/Kötz, S. 34; Flessner JZ 2002, 14 (16); Berger, ZEuP 2001, 4 (24); Ebert,
S. 150; Kaltenborn, Rechtstheorie 2003, 459 (460); Riesenhuber, in: System, S. 32.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Herstellungs- und Veräußerungsverträge spielen im Wirtschaftsalltag eine überragende Rolle. Mithilfe der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hat der europäische Gesetzgeber starken Einfluss auf den Kernbereich der mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen ausgeübt und bisher überwiegend eigenständige Vertragstypen einheitlichen Regelungen unterworfen.
Der Autor setzt sich rechtsvergleichend mit der Frage auseinander, inwiefern die vorgesehene Gleichbehandlung der Verträge rechtlich und wirtschaftlich möglich ist und ob die Umsetzung der Richtlinie einen Gleichlauf des Vertragsrechts tatsächlich bewirkt hat. Dazu untersucht er die Gewährleistung bei Herstellungs- und Veräußerungsverträgen in den Rechtsordnungen Deutschlands, Englands und Frankreichs vor und nach der Umsetzung der Richtlinie. Abweichungen und Unterschiede hinterfragt er in ihrem wirtschaftlichen Kontext, wobei er sich auch mit Aspekten der ökonomischen Analyse des Zivilrechts auseinandersetzt.