304
vorformulierten Klauseln ein erheblicher Unterschied besteht, muss der griechische Gesetzgeber eine besondere Kontrollmöglichkeit auch für gegenüber
Nichtverbrauchern (nach der griechischen Definition) verwendete AGB bedenken. (Kapitel VIII)
Die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit bei beiderseitigen Handelskäufen
(§ 377 HGB) wurde am Ende durch die neuen Regressvorschriften nicht abgeschafft. § 478 Abs. 6 BGB stellt dies ausdrücklich klar. Die Beibehaltung dieser
Lasten ist weder richtlinienwidrig noch unsachgemäß. Mit Recht gibt das deutsche Recht im Handelsverkehr der schnellen Abwicklung der Verhältnisse und
der Rechtssicherheit Vorrang. Im griechischen Recht besteht jedoch keine solche
Obliegenheit. Nur unter besonderen Umständen kann sie vom Grundsatz von
Treu und Glauben abgeleitet werden. (Kapitel IX)
Obwohl keine diesbezügliche europarechtliche Verpflichtung bestand, da sich
Art. 4 der Verbauchsgüterkaufrichtlinie auf den Regress des Letztverkäufers
beschränkt, haben sowohl der deutsche (§§ 478 Abs. 5 und 479 Abs. 3 BGB) als
auch der griechische Gesetzgeber (Art. 561 AK) die Regressprivilegien auf alle
Rechtsverhältnisse der Lieferkette ausgedehnt. Dadurch wird die Weiterleitung
der Haftung bis zu dem für den Mangel verantwortlichen Glied ermöglicht.
Ansonsten wäre das Regressproblem lediglich um eine Stufe der Kette verschoben.
2. Fazit/Ausblick
Nach dem Nebeneinanderstellen der deutschen und griechischen Regressvorschriften liegt eine Erkenntnis auf der Hand. Während die deutsche Regelung eine
Detailgenauigkeit aufweist und mehrere Seiten der Regressnahme berücksichtigt,
trägt das griechische Gesetz nur einem Aspekt des Regresses, der drohenden Verjährungsfalle, Rechnung.Trotzdem ist es ihm nicht gelungen, eine reibungslose
Regelung dieses Problems zu liefern. Art. 560 AK hat eine Schwachstelle, das
Fehlen einer Maximalfrist.
Die griechische Regressregelung ist von einer gesetzgeberischen „Sparsamkeit“ geprägt. Der griechische Gesetzgeber wollte diesen Fragenkomplex durch
ausführliche Vorschriften nicht verumständlichen. Wohl ging er auch davon aus,
dass die schon bestehenden allgemeinen – nicht nur kaufrechtlichen – Vorschriften eine angemessene Lösung der beim Regress auftauchenden Probleme
bieten oder dass nicht das Gesetz, sondern der Markt selbst die Regressfragen
305
regeln kann.1133 Natürlich ist die Schlichtheit des Gesetzes immer erwünscht.
Detaillierte Regelungen können gleichzeitig sehr kompliziert sein. Wo aber in der
Praxis dieselben Probleme häufig und in typisierbarer Weise vorkommen, ist es
Aufgabe des Gesetzes, eine sachgemäße Lösung zu liefern. Die Tatsache, dass bei
der Auseinandersetzung mit den Regressfragen nach dem griechischen Recht
mehrmals auf allgemeine AK-Klauseln zurückgegriffen werden sollte, ist nicht
positiv zu bewerten. Die allgemeinen Klauseln sind kein Allheilmittel. Wo in der
Praxis konkrete Probleme bestehen, sollte das Recht, eine durchdachte Regelung
zur Verfügung zu stellen, auch wenn die Parteien durch entsprechende Abreden
eine Lösung finden könnten. Das Fehlen einer Obergrenze in Art. 560 AK ist nur
eine der Fehlleistungen des griechischen Gesetzgebers.
Charakteristisch ist, dass der griechische Gesetzgeber – auch erforderliche –
Unterscheidungen meidet. Nicht alle Käufer und Verkäufer sind gleich. Erfreulich ist, dass die Rückgriffsregelung nicht in verbraucherspezifischer Weise
umgesetzt wurde. Die Voraussetzung der Unternehmereigenschaft des Rückgriffsschuldners hätte aber eingeführt werden müssen. Auf die mangelnde Unterscheidung zwischen den verschiedenen Käufern kann auch das Fehlen einer
Untersuchungsverpflichtung im griechischen Recht zurückgeführt werden. Die
„monistische Käuferfreundlichkeit“ des griechischen Gesetzgebers übersieht,
dass nicht alle Käufer gleichermaßen schutzwürdig sind. Es gibt geschäftskundige und nichtgeschäftskundige Käufer. Den ersten könnte eine Untersuchungslast im Rahmen des Tunlichen auferlegt werden. Ebenso sind nicht nur Letztempfänger gegenüber missbräuchlichen AGB-Klauseln schutzwürdig. Hoffentlich
wird der griechische Gesetzgeber diese Unterscheidungen bald vornehmen.
Aber auch die detaillierte deutsche Regelung ist nicht perfekt. Neben dem
misslungenen Abstellen auf die Verbrauchereigenschaft des Endkäufers, ist § 478
Abs. 4 BGB eine Vorschrift, in der über das erforderliche Maß hinausgegangen
wurde. Die Kettenglieder werden da fast wie Verbraucher behandelt. Die Platzierung der Regressvorschriften im Abschnitt über den Verbrauchsgüterkauf erlangt
dadurch eine zusätzliche Rechtfertigung. Nicht nur handelt es sich dabei um mittelbaren Verbraucherschutz – was aber m.E. nicht entscheidend für die Regressregelung und seine systematische Allokation im Gesetz sein darf –, sondern im
Ergebnis werden durch §§ 478 f. BGB die Unternehmer-Kettenglieder den Verbauchern gleichgestellt. In einigen Punkten geht der Letztverkäufer- und Kettengliederschutz über den Verbraucherschutz hinaus. Statt zweijährig ist die Verjährung der Mängelrechte des Letztverkäufers und der anderen Kettenglieder im
1133 Zu bemerken ist, dass es bisher, soweit ersichtlich, weder in Deutschland noch in Griechenland veröffentlichte Rechtsprechung zu den Regressvorschriften gibt. Bedauernd
Lorenz, NJW 2007, 1 (8); dazu auch Büchel, in: Zwischen Markt und Staat, S. 33 (35).
Eine Ausnahme bildet die hier merhfach erwähnte Entscheidung des BGH NJW 2006, 47,
die jedoch §§ 478, 479 BGB nicht direkt betrifft, sondern sich mit einer Verbandsklage
auf Unterlassung von AGB-Klauseln befasst. Wenn man das Fehlen von Gerichtsentscheidungen zu den Regressvorschriften sechs Jahre nach dem In-Kraft-Treten des neuen Kaufrechts bedenkt, ist der Gedanke der „Selbstregulierung des Marktes“, von dem der griechische Gesetzgeber wohl asugegangen ist, vielleicht zutreffend.
306
Ergebnis fünfjährig, statt sechs Monate dauert die Vermutungsfrist von § 475
BGB im Verkehr zwischen den – potentiellen – Regressparteien viel länger. Diese
zwei Merkmale sind jedoch sachgemäß; ihr Sinn liegt im Schutz vor der Verjährungs- und der Beweisfalle. Die Regelung von § 478 Abs. 4 BGB ist aber merkwürdig, da sie durch die Voraussetzung des „gleichwertigen Ausgleichs“ und die
Erfassung von Individualabreden weit über die Ausschaltung etwaiger Regressfallen hinausgeht. Individualvereinbarungen mit Verbauchern unterliegen ohnehin nur der Kontrolle der allgemeinen BGB-Klauseln.
Anschließend lässt sich feststellen, dass trotz der prinzipiellen Wahl desselben
Regresssystems, nämlich der Stufenlösung, sich die deutsche und griechische
Regressregelung erheblich voneinander unterscheiden. Der Wettbewerb zwischen den nationalen Regeln ist also nicht zu verhindern.1134 Eine Vereinheitlichung der nationalen Rechte im europäischen Raum erscheint immer noch illusorisch. Nicht nur Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, welcher den Mitgliedstaaten einen sehr weiten Gestaltungsspielraum überlasst, sodern die Richtlinien im Allgemeinen sind ungeeignet, eine Rechtsvereinheitlichung zu bewirken. Die bestehenden Unterschiede zwischen dem deutschen und dem griechischen Kaufrecht sind jetzt größer als vor der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Vor der Kaufrechtsreform waren die Abweichungen winzig; die
wichtigsten lagen in dem vorausgesetzten Verschuldensgrad für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und der Verjährungsfrist beim Immobilienkauf. Der breite Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten in Verbindung mit
dem in den meisten Richtlinien enthaltenen Mindeststandardsprinzip führt zu solchen Umsetzungen der jeweiligen Richtlinienvorgaben, die offensichtlich versuchen, eine der Sicht und den Wertungen jedes Mitgliedstaates gerechte Lösung zu
erreichen. Fraglich ist, ob die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen und ein
intensiveres Funktionieren des Binnenmarktes auf diesem Weg bewirkt werden
kann, wie von der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beabsichtigt war.
Mit Spannung wurde im Schrifttum auf den Bericht der Kommission zur
Anwendung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gewartet, der nach deren Art. 12
bis zum 7. Juli 2006 dem Rat und dem Parlament vorzulegen war. Nach Art. 12
S. 2 der Richtlinie sollte in diesem Bericht unter anderem überprüft werden, ob
Veranlassung besteht, auf europäischer Ebene eine unmittelbare Haftung des Herstellers einzuführen. Die am 24.04.2007 veröffentlichte Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament1135, die sich nach ihrem Titel u.a.
„mit einer Analyse zur Frage der Zweckmäßigkeit der Einführung einer unmittelbaren Produzentenhaftung“ befasst, zieht jedoch in dieser Frage keine endgültigen Schlüsse. Die Kommission stellt fest, dass die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelte Produzentenhaftung ein potentielles Problem für den Binnenmarkt darstelle und dass noch nicht genügend gesicherte Erkenntnisse zur
1134 Nach einer Untersuchung der Umsetzung von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in
Deutschland, Österreich und England gelangt Bittner, Der Regress des Letztverkäufers,
S. 235 f. zu demselben Ergebnis.
1135 KOM (2007) 210 endg.
307
Beantwortung der Frage vorliegen, ob sich das Fehlen einer EU-Regelung zur
unmittelbaren Produzentenhaftung auf das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt ausgewirkt habe. Darum sehe sie „beim derzeitigen Stand der Dinge“
von der Vorlage von Vorschlägen zu einer diesbezüglichen EU-Regelung ab und
wolle die Problematik im Rahmen der mit dem Grünbuch zum Thema „Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz“1136 initiierten
Diskussion weiter verfolgen.1137 Die eventuelle Einführung einer Direkthafung
des Herstellers für nicht vertragsgemäße Waren wird die Rechtsverhältnisse in
der Lieferkette tiefgreifend ändern und je nach deren Ausgestaltung die Notwendigkeit des Händlerregresses minimieren oder vielleicht gar beseitigen, da der
Verbraucher dann in der Regel den Hersteller in Anspruch nehmen wird. Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsproblem des Warenvertriebs über Absatzketten
ist also nach der Umsetzung von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie alles
andere als abgeschlossen.
1136 KOM (2006) 744 endg.
1137 a.a.O. (Fn. 1135), S. 15.
308
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der den Rückgriff des Letztverkäufers im Fall einer von ihm nicht verursachten Mangelhaftigkeit der Sache gewährleisten will, überlässt den Mitgliedstaaten einen weiten Umsetzungsspielraum. Dies reizt zu einer rechtsvergleichenden Untersuchung, da das Optionenspektrum für die Ausgestaltung des Rückgriffs sehr breit ist. Wie der deutsche und griechische Gesetzgeber die genannte Richtlinienvorschrift ins nationale Recht umsetzten, ist Gegenstand dieses Werkes. Die Verfasserin stellt die Rückgriffsregelungen des BGB und des griechischen ZGB (AK) nebeneinander und gelangt zu interessanten Ergebnissen bezüglich ihrer Richtlinienkonformität und rechtspolitischen Richtigkeit.