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Kapitel VIII:
Die Abdingbarkeit
1. Allgemeines
Nach der Erörterung des Inhalts der Regressansprüche und der Auseinandersetzung mit der Frage ihrer Verjährung ist noch zu untersuchen, inwieweit diese Regelungen von den Parteien abbedungen werden können. Diese Problematik ist
wohl für die Praxis die am meisten relevante. Die sehr kleine Anzahl von Gerichtsurteilen im Bereich des Regresses (schon nach dem alten Recht) ist ein Indiz
dafür, dass die Glieder der Kette die in diesem Bereich auftauchenden Fragen
durch entsprechende Abreden selbst zu lösen versuchen. Die Interessenlage der
– potentiellen – Regressparteien sieht im Moment des Vertragsabschlusses folgendermaßen aus: Auf der einen Seite steht der Händler, der im Fall einer eventuellen Gewährleistungshaftung in den Genuss der Regresserleichterungen kommen will; auf der anderen Seite ist der Hersteller, der den ihn belastenden Rückgriff und seine Folgen so weit wie möglich ausschließen oder wenigstens unter
Kontrolle halten will.939 Beim Vertragsabschluss bemühen sich beide Parteien um
die Sicherstellung ihrer Interessen. Der Letztverkäufer will in der Regel die gesetzlichen Regressprivilegien klarstellen oder sogar erweitern, während der Hersteller die Regresserleichterungen auszuschließen oder einzuschränken versucht.
Dies kann theoretisch sowohl durch Standardklauseln als auch im Wege individueller Vereinbarungen erfolgen. Das Gesetz sieht jedoch Schranken vor, die
manchen solcher Abreden im Wege stehen.
2. Nach dem deutschen Recht: § 478 Abs. 4 BGB
a. Vorbemerkung
Der deutsche Gesetzgeber hat bezüglich der Abdingbarkeit der Regressvorschriften den Weg einer überschießenden Umsetzung von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie eingeschlagen, indem er die Vertragsfreiheit der Kettenglieder erheblich eingeschränkt hat, obwohl dies von der Richtlinie gar nicht gefordert war. Nach Erwägungsgrund 9 der Richtlinie wird der Verzicht auf den Regress zugestanden, und dort wird auch klargestellt, dass die Richtlinie den Grundsatz der Vertragsfreiheit in den Beziehungen zwischen dem Verkäufer, dem Hersteller, einem früheren Verkäufer oder einer anderen Zwischenperson nicht berührt. Damit hat der Richtliniengeber der privatautonomen Vertragsgestaltung
939 Bellinghausen, in: Abels/Lieb (Hrag.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 71 (74).
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Vorrang vor dem sicheren Rücklauf der Haftung bis zum Verursacher des Mangels eingeräumt.940 Die nationalen Gesetzgeber waren also frei, die Regressregelungen dispositiv auszugestalten, so dass die Vertragsparteien den Rückgriff einschränken oder gar abbedingen können.941
Die Regelung von § 478 Abs. 4 BGB schränkt jedoch die Vertragsfreiheit der
Unternehmer erheblich ein und schützt den Letztverkäufer vor abweichenden
Vereinbarungen im Verhältnis zu seinem Lieferanten vor Mitteilung des Mangels.
Diese Vorschrift steht in Widerspruch zum Grundsatz der prinzipiellen Selbstverantwortlichkeit, der im kaufmännischen Verkehr prägend ist.942 Außerdem lässt
sich diese Option des deutschen Gesetzgebers schwerlich mit seiner Aussage vereinbaren, nach der er die Direkthaftung des Herstellers – oder im Allgemeinen des
verantwortlichen Gliedes der Lieferkette – nicht eingeführt habe, um den Parteien
die privatautonome Rückgriffsgestaltung zu erlauben.943 Als Grund der Einschränkung der Abdingbarkeit in § 478 Abs.4 BGB führt der Gesetzgeber den
Schutz der meist schwächeren Händler an.944 Das umgekehrte Bild, nämlich das
einer marktmächtigen Einzelhandelskette gegenüber einem kleinen, marktschwächeren Lieferanten, ist jedoch – wie hier wiederholt bemerkt – durchaus vorstellbar. Nach dem deutschen Gesetzgeber soll aber verhindert werden, dass Vereinbarungen einseitig zu Lasten des Einzelhändlers ausfallen, etwa indem die
Regressansprüche vollständig ausgeschlossen werden oder die Verjährung der
Ansprüche des Einzelhändlers einseitig unangemessen reduziert wird.
Allerdings bezeichnet der Gesetzgeber die Rückgriffsrechte als grundsätzlich
dispositiv und steht auf dem Standpunkt, dass vertragliche Vereinbarungen im
unternehmerischen Bereich weiter möglich bleiben sollten, damit den Besonderheiten der jeweiligen Situation angemessene Rechnung getragen werden könne.945 Nach der Darstellung des Inhalts von § 478 Abs. 4 BGB wird sich aber diese
Aussage der Begründung des RegE als eine Beschönigung erweisen. Durch diese
Regelung und insbesondere durch das Erfordernis eines „gleichwertigen Ausgleichs“ erhalten die Regressvorschriften im wirtschaftlichen Ergebnis zwin-
940 Vgl. aber die Entstehungsgeschichte von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie im Kapitel II; das Europäische Parlament plädierte für eine Synchronisierung des Regressrechts
mit den Verbraucherrechten. Gemäß seinem Vorschlag zu Art. 3 Abs. 5 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie konnten die Unternehmer sich der Haftung nicht entziehen, der sich
der Letztverkäufer gegenüber dem Verbraucher nicht rechtmäßig entziehen kann.
941 Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1401).
942 Matusche-Beckmann, BB 2002, 2561 (2563); zum Grundsatz der erhöhten Privatautonomie der Kaufleute vgl. Canaris, Handelsrecht, § 1, Rn. 17.
943 s. hierzu oben unter IV.1.; kritisch – wie hier – Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB
und Vertragsgestaltung, S. 89 (100 f.); Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 207.
944 RegBegr, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 879.
945 RegBegr, a.a.O.
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genden Charakter946, so dass mit Recht von deren „weitgehender Unabdingbarkeit“947 gesprochen werden kann.
b. Der Inhalt der Vorschrift
Nach § 478 Abs. 4 S. 1 BGB kann sich der Lieferant auf eine vor Mitteilung des
Mangels getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Unternehmers von den
§§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 sowie von § 478 Abs. 1 bis 3 und § 479 abweicht,
nicht berufen, wenn dem Rückgriffsgläubiger kein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wird. Von dieser Regelung werden Schadensersatzansprüche – unbeschadet des § 307 BGB – ausgeschlossen (S. 2). § 478 Abs. 4 BGB erfasst sowohl
AGB-Klauseln, die ohnehin auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr der
Kontrolle von § 307 BGB unterliegen, als auch Individualvereinbarungen. Er ähnelt einem Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit, bezogen aber auch auf Individualvereinbarungen.948 Die Rückgriffsregelung ist demnach „weder in vollem
Umfang disponibel noch in vollem Umfang zwingend“.949 Abweichungen sind
möglich, nur wenn dem Unternehmer ein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt
wird. Das Gesetz regelt allerdings nicht, was einen gleichwertigen Ausgleich darstellen kann. Im Hinblick auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einzelner
Klauseln ergibt sich aus § 478 Abs. 4 BGB ein großes Maß an Rechtsunsicherheit.
Die Gleichwertigkeit unterliegt gerichtlicher Inhaltskontrolle.950 Liegen die Voraussetzungen für einen gleichwertigen Ausgleich nicht vor, wird dem Lieferanten
die Berufung auf die abweichenden Vereinbarungen versagt.
§ 478 Abs. 4 BGB geht demnach in doppelter Hinsicht über § 307 BGB hinaus.
Einerseits ist nicht nur eine unangemessene Benachteiligung zu verhindern (wie
bei § 307 BGB), sondern es soll ein gleichwertiger Ausgleich gewährt werden.951
Andererseits erfasst § 478 Abs. 4 BGB auch Individualvereinbarungen, was – mit
Recht – als eine im rein unternehmerischen Verkehr systemwidrige Beschneidung
der Privatautonomie betrachtet wird.952 Die Einzelhändler könnten vor unangemessenen Benachteiligungen durch AGB mit § 307 BGB geschützt werden. Die
Klauselverbote der §§ 308 und 309 BGB sind im unternehmerischen Verkehr
946 MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 38; Nobis, Missbräuchliche Vertragsklauseln in Deutschland
und Frankreich, S. 347.
947 Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1401).
948 Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, § 15, Rn. 39; Roloff, NotBZ 2001, Beilage
Schuldrechtsreform, 3 (9).
949 Haas, in: Haas u.a. (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, S. 276.
950 Buck, in: Westermann (Hrsg.), Das Schuldrecht 2002, S. 177.
951 v. Westphalen, in: Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, § 478, Rn. 27
und 29; Böhle, Der Rückgriff, S. 131.
952 Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1401 f.); v. Sachsen Gessaphe, RIW 2001, 721 (733); ders.,
in: FS Sonnenberger, S. 99 (112).
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nicht unmittelbar anwendbar953, ihre Wertungen – sowie die im Handelsverkehr
geltenden Gewohnheiten und Gebräuche (§ 310 Abs. 1 BGB) – werden aber von
der Rechtsprechung im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB
berücksichtigt. Die Klauselverbote entfalten somit eine gewisse Ausstrahlungswirkung für das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung, wenn sich aus
den Besonderheiten des Handelsverkehrs nichts Anderes ergibt.954 Da das Kaufrecht im Verbrauchsgüterkauf – bis auf die Schadensersatzansprüche – durch das
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (halb)zwingend ausgestaltet wurde (§ 475
BGB), wurde den kaufrechtsrelevanten Klauselverboten von §§ 308 f. BGB der
unmittelbare Anwendungsbereich praktisch genommen. Deswegen wurde in der
Theorie vertreten, dass ihre Bedeutung als Wertungsmaßstab für die Inhaltskontrolle von im B2B-Verkehr verwendeten AGB wachsen werde.955 Dies lässt sich
aber für die Verhältnisse der Regressparteien aufgrund von § 478 Abs. 4 BGB
nicht bestätigen, da diese Vorschrift sowohl AGB als auch Individualvereinbarungen erfasst; sie gilt lediglich nicht für Schadensersatzansprüche.
Dass kein umfassender Schutz bestünde, sofern Individualvereinbarungen von
§ 478 Abs. 4 BGB nicht erfasst wären956, kann m.E. nicht behauptet werden. Individualvereinbarungen und AGB-Klauseln unterscheiden sich erheblich voneinander. Wenn der – meist geschäftskundige – Unternehmer (z.B. der Letztverkäufer) eine Klausel mit seinem Vertragspartner individuell ausgehandelt und letztendlich vereinbart hat, ist nicht eindeutig, warum er auch vor dieser Individualabrede – also vor sich selbst – geschützt werden soll. Natürlich garantiert eine im
Individualvertrag erfolgte Abbedingung nicht immer eine freie und bewußte Entscheidung des Einzelnen.957 Wenn es aber Indizien gäbe, dass die Abbedingung
nicht auf einem freien Entschluss des Käufers beruhe, könnten die fraglichen
Klauseln an den allgemeinen Klauseln des BGB gemessen werden. Insoweit
bewirkt § 478 Abs. 4 BGB eine rechtspolitisch fragwürdige Einschränkung der
Privatautonomie958, welche durch die Schwierigkeit bei der Beantwortung der
Frage, wann ein gleichwertiger Ausgleich vorliegt, weitgehend verschärft
wird.959 Der Ausschluss oder die Einschränkung der Lieferantenhaftung war zwar
einer der erheblichsten Gründe von Regressfallen nach dem alten Recht, wenn
aber der Letztverkäufer sie durch Idividualabreden akzeptiert, ist die Suche nach
einem nicht nur angemessenen, sondern gleichwertigen Ausgleich zu „paterna-
953 Zum „abgestuften Schutzinstrumentarium“ der deutschen AGB-Vorschriften s. Nobis,
Missbräuchliche Vertragsklauseln in Deutschland und Frankreich, S. 120 ff.
954 s. v. Sachsen Gessaphe, in: FS Sonnenberger, S. 99 (101) mit Verweisen auf die bisherige
Rechtsprechung zum AGBG.
955 s. v. Sachsen Gessaphe, in: FS Sonnenberger, S. 99 (103), s. aber auch S. 116 und 122.
956 Böhle, Der Rückgriff, S. 134 f.
957 Vgl. dazu Kähler, in: Witt u.a. (Hrsg.), Die Privatisierung des Privatrechts, S. 181 (200 f.).
958 Vgl. Roth, JZ 2001, 475 (483), der die Beschränkung der Privatautonomie auch bei Verbraucherverträgen für rechtspolitisch fragwürdig hält.
959 Vgl. Höpker, Verkäuferregress, S. 214 („Die nach § 478 IV noch verbleibende Vertragsfreiheit wird durch die Ungewissheit über den jeweils zu gewährenden „gleichwertigen
Ausgleich“ faktisch weiter abgewertet.“)
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listich“. Damit wird der Letztverkäufer grundsätzlich ähnlich geschützt wie der
Verbraucher.960 Hier sei darauf hingewiesen, dass Eingriffe in die Privatautonomie oft im Schrifttum für „unvertretbar“ gehalten werden, auch wenn die Einführung zwingenden Rechts zum Zwecke des Verbraucherschutzes erfolgt.961
c. Gleichwertiger Ausgleich
aa. Allgemeine Kriterien der Gleichwertigkeit
Um sich von der Regressnahme seines Abnehmers zu befreien oder um diese einzuschränken, muss der Hersteller oder der Zwischenhändler ihm nach § 478 Abs.
4 BGB einen „gleichwertigen Ausgleich“ einräumen. Dieser Ausdruck stellt einen völlig neuen Rechtsbegriff im deutschen Recht dar.962 Darunter lässt sich verstehen, dass das Übel der Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften ausgeglichen werden muss und dieser Ausgleich gleichwertig mit dem Schutz sein
muss, der durch die beseitigte Regelung gewährleistet war. Der Gesetzgeber
wollte allerdings keine konkreten Vorgaben dazu machen, was ein gleichwertiger
Ausgleich ist.963 In der Gesetzesbegründung werden pauschale Abrechnungssysteme als ein Fall gleichwertigen Ausgleichs genannt. Durch diese werden zwar
Einzelansprüche der Händler ausgeschlossen, insgesamt wird aber den berechtigten Interessen des Handels Rehnung getragen. Wann ein Abrechnungssystem
den Interessen des Handels Rechnung trägt, wird offen gelassen, ist aber ebenso
schwierig zu beantworten wie die allgemeine Frage nach einem gleichwertigen
Ausgleich. Beide Begriffe sind von der Rechtssprechung zu konkretisieren.
Die wesentlichen Kriterien eines gleichwertigen Ausgleichs scheinen kommerzieller Natur zu sein. Für die Beurteilung, ob der eingeräumte Ausgleich
gleichwertig ist, ist der konkrete Einzelfall entscheidend. Eine Auslegung in dem
Sinne, dass jedes Risiko für den Lieferanten ausgeschlossen sein muss, wäre
kaum sinnvoll. Ein Ersatz von Gewinnansprüchen wird jedenfalls nicht gefordert.964 Für die Beantwortung der Frage, ob ein gleichwertiger Ausgleich vorliegt,
muss der vom Lieferanten eingeräumte Vorteil (das Kompensationsmittel) mit
den ausgeschlossen Rechten des Letztverkäufers (also seinem Rechtsnachteil)
verglichen werden.965 Wenn das festgestellte Verhältnis unangemessen ist, kann
960 Ebenso Höpker, Verkäuferregress, S. 214; Richter, AcP 206 (2006), 3 (14).
961 Vgl. statt vieler die Darlegung dieser Meinungen bei Repgen, Kein Abschied von der Privatautonomie, S. 18 ff.
962 Vgl. Westermann, JZ 2001, 530 (541).
963 “Um der Vielgestaltigkeit der Vertragsbeziehungen Rechnung zu tragen, sollen keine ins
Einzelne gehenden Vorgaben gemacht werden” (RegBegr zum RegE, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 879).
964 a.A. MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 43, nach dem auch der Gewinn aus der Weiterveräußerung
der Sache gesichert werden soll.
965 Ebenso Klose, Risikoallokation beim Lieferantenregress, S. 312.
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der Ausgleich nicht als gleichwertig betrachtet werden. Dasselbe gilt, wenn die
gewährten Vorteile nichts mit der mangelhaften Leistung zu tun haben, sondern
z.B. durch Wettbewerb erzwungene generelle Rabatte sind.966
Für die Beurteilung der Gleichwertigkeit des Ausgleichs ist auch entscheidend,
wie relevant der (erleichterte) Händlerregress ist. Dies wiederum hängt davon ab,
ob die Kaufsache am Ende bei einem Verbraucher landet. Dies ist jedoch oft nicht
leicht abzuschätzen. Bei bestimmten Waren ist es häufig dem Zufall überlassen,
ob am Ende der Kette ein Verbraucher stehen wird oder nicht. Falls der Endkunde
als Verbraucher handelt, droht jedem Lieferanten – egal an welcher Stelle in der
Kette – die Regresshaftung nach §§ 478 f. BGB. Um sich hiervon zu befreien,
müssen die Kettenglieder ihrem Abnehmer einen gleichwertigen Ausgleich einräumen. Oft weiß aber nicht einmal der Letztverkäufer selbst, ob die Ware am
Ende als Privatsache oder in betrieblichen Zusammenhängen gekauft wird. So ist
es dem Hersteller und den Zwischenhändlern zu empfehlen, für solche Fälle in
ihre Verträge alternative Klauseln einzubeziehen, da ihre Haftung je nach dem,
ob der Endkunde Verbraucher ist oder nicht, unterschiedlich ist. Von einer Ausdehnung der Rückgriffserleichterungen von §§ 478 f. BGB auch auf Fälle, in
denen kein Verbrauchsgüterkauf am Ende der Lieferkette steht, ist nunmehr abzuraten, da der BGH in seinem Urteil vom 5. Oktober 2005967 judiziert hat, dass eine
diesbezügliche Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhält.
Diese Haltung des BGH ist aber zu bedauern. Wie wiederholt betont, stellt das
Regressproblem kein verbraucherspezifisches Problem dar; der BGH hat es
jedoch genau als solches gewertet und die Verbraucheranbindung der Regressvorschriften als gesetzgeberischen Grundgedanken betrachtet. Der Gesetzgeber habe
die Rückgriffsregelung allein für den Verbrauchsgüterkauf vorgesehen, um spezifisch verbraucherschutzrechtliche Nachteile des Einzelhandels beim Verbrauchsgüterkauf auszugleichen. Durch dieses Urteil nimmt also der BGH den
Parteien die Möglichkeit ab, ein gesetzgeberisches Versagen – das Abstellen von
§§ 478 f. BGB auf einen Verbrauchsgüterkauf am Ende der Lieferkette – durch
entsprechende Abreden zu korrigieren.
bb. Denkbare gleichwertige Ausgleiche
i) Pauschale Abrechnungssysteme
Das einzige vom Gesetzgeber erwähnte Beispiel eines gleichwertigen Ausgleichs
ist dasjenige der pauschalen Abrechnungssysteme.968 Durch sie kann ein kommerzielles Äquivalent für die Abweichung von der gesetzlichen Regelung er-
966 s. Ernst, MDR 2003, 4 (7).
967 BGHZ 164, 196=BGH NJW 2006, 47=BGH ZGS 2006, 26.
968 RegBegr zum RegE, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 879.
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reicht werden. Für ihre Zulässigkeit spricht der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers.
Unter „pauschale Abrechnungssysteme“ können unterschiedliche Vorgehensweisen fallen. Ein erstes denkbares System sind Gewährleistungspauschalen.
Dabei wird auf statistischer Basis ein bestimmter Betrag festgelegt, der pro auftretendem Gewährleistungsfall dem Abnehmer gutgeschrieben wird, ohne dass es
auf den Nachweis seines tatsächlichen Aufwandes ankommt. Diese Pauschale
muss jedoch denjenigen Kosten entsprechen, die bei einem Gewährleistungsfall
durchschnittlich anfallen. Bei neuen Artikeln ist ihre Berechnung demnach
schwierig. Ebenso ist es, wenn zwischen den Parteien keine langfristige Vertragsbeziehung besteht oder um so mehr, wenn es sich um einen einmaligen Vertragsabschluss handelt, bei dem kein Vergleich zu ähnlichen Reklamationen gezogen
werden kann. In solchen Fällen ist wegen der fehlenden Abschätzbarkeit der
Gewährleistungskosten und der mit ihr einhergehenden Schwierigkeit bei der
Festsetzung der Höhe des „gleichwertigen Ausgleichs“ eine Abbedingung der
Regressrechte in der Praxis sehr schwierig.969
Falls sich die Pauschalen im Nachhinein nicht als gleichwertig erweisen,
besteht die Gefahr einer gerichtlichen Verwerfung der Klauseln. Um das Abrechungssystem kontrollfest zu machen, soll also den Unternehmern – nicht nur in
den o.g. fraglichen Fällen, sondern im Allgemeinen – der Nachweis über die Pauschalisierung hinausgehender Aufwendungen möglich bleiben. 970
ii) Andere denkbare Ausgleiche
Einen weiteren gleichwertigen Ausgleich können pauschale Kaufpreisrabatte
darstellen. Für den Verzicht des Abnehmers auf den Regress wird nämlich ein bestimmter Betrag von dem Entgelt für die Warenlieferung abgezogen. Die Schätzung dieser prozentualen Pauschale erfolgt in der Regel auf Erfahrungsbasis.
Selbstverständlich muss der gleichwertige Ausgleich nicht durch gegenläufige
Maßnahmen, z.B. Preiserhöhungen, vereitelt werden. Die Kontrolle solcher Vereinbarungen kann nur dann erfolgen, wenn im Vertrag die Berechnungsparameter
für den Rabatt enthalten sind, so dass jederzeit festegestellt werden kann, ob es
sich um einen wirtschaftlich gleichwertigen Ausgleich handelt. Es ist daher zu erwarten, dass die Gerichte eine gewisse Transparenz der Rabattkalkulation erfordern, um solche Abreden zu billigen.971
Denkbar sind außerdem Vereinbarungen der Parteien, nach denen der Hersteller oder der Lieferant berechtigt ist, den nach § 478 Abs. 2 BGB geschuldeten
Aufwendungsersatz nicht in Geld, sondern durch Warengutschrift zu leisten. Ein
969 s. Kelwing, Die Mängelhaftung des Letztverkäufers, S. 220.
970 Ebenso MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 43; Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 214.
971 Vgl. Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 214; Bellinghausen, in: Abels/Lieb (Hrsg.),
AGB und Vertragsgestaltung, S. 71 (83).
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Teil der Literatur hält solche Abreden für zulässig.972 Der Händler hat aber nicht
immer ein Interesse an derartigen Gutschriften. Unproblematisch erscheinen sie,
wenn zwischen dem Händler und seinem Lieferanten eine dauerhafte Geschäftsbeziehung besteht. Solange die Gutschriften so berechnet werden, dass sie dem
geschuldeten Aufwendungsersatz in Geld entsprechen, stellen sie nichts Anderes
als eine Verrechnung des Aufwendungsersatzanspruchs aus § 478 Abs. 2 BGB
mit den Zahlungsansprüchen aus ohnehin bereits geplanten Käufen dar, die problemlos als gleichwertiger Ausgleich anzusehen ist. Dies gilt insbesondere dann,
wenn der Händler die mangelhafte Sache nicht repariert, sondern dem Verbraucher eine vom Lieferanten erhaltene Ersatzware herausgibt, so dass er keinen weiteren Abnehmer für die neu gelieferte Sache finden muss. Wenn aber keine dauerhafte Geschäftsbeziehung zwischen Händler und Lieferanten vorliegt und der
erste gegenüber dem Verbraucher nicht nachliefert, bedeutet die Vereinbarung
von Warengutschriften eine Belastung für den Händler. Er trägt das Verkaufsrisiko und bekommt die Kosten des Gewährleistungsfalls nur ersetzt, wenn es ihm
gelingt, die zusätzlichen Waren zu verkaufen. In diesem Fall ist demnach zweifelhaft, ob eine Warengutschrift ein gleichwertiger Ausgleich ist.973
Außerhalb dieser Systeme kann die Praxis natürlich auch weitere Ausgleichsysteme gestalten. Möglich ist, dass die Parteien nicht den Regress insgesamt,
sondern einzelne Regresserleichterungen ausschließen. Dabei wird aber die Entscheidung, ob ein gleichwertiger Ausgleich vorliegt, noch schwieriger sein, denn
die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes einer einzelnen Regelung ist
schwerer als die der Regressmöglichkeit insgesamt.974 Einen gleichwertigen Ausgleich für den Ausschluss bestimmter Regresserleichterungen kann wohl die
Gewährung anderer Privilegien seitens des Herstellers darstellen, wie z.B.
Beweiserleichterungen oder Klauseln zur Reduzierung des Prozessrisikos.975
Ein wirksamer Ausgleich kann auch der Vorbehalt der Selbstvornahme in Form
eines direkten Produktservices des Lieferanten gegenüber dem Verbraucher sein.
In diesem Fall kann der Verbraucher den Lieferanten in Anspruch nehmen, ohne
mit dem Letztverkäufer in Berührung zu kommen. Beim Händler entstehen demnach mangels anfallender Nachbesserungsaufwendungen keine Gewährleistungskosten, so dass ein gleichwertiger Ausgleich darin gesehen werden kann.976
Für die Bearbeitung des Gewährleistungsfalles können jedoch beim Händler sog.
Handlingkosten entstehen. Einem vollständigem Ausschluss von Regressrechten
steht demnach § 478 Abs. 4 S. 1 BGB, auch im Falle eines Service-Netzes des
Lieferanten entgegen. Den Anspruch auf Ersatz eventueller – kausaler977 – Handlingkosten muss der Händler jedenfalls behalten.978
972 Matthes, NJW 2002, 2505 (2509).
973 Ebenso Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 216; Bellinghausen, in: Abels/Lieb
(Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 71 (85).
974 Ebenso Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 217.
975 Vgl. Böhle, Der Rückgriff, S. 157 ff.
976 s. Wind, Der Lieferanten- und Herstellerregress, S. 140 f.
977 s. oben unter VI.1.a.aa.i).
978 s. Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 215.
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d. Die Ausnahme der Schadensersatzansprüche
Gemäß § 478 Abs. 4 S. 2 BGB gilt Satz 1 dieser Vorschrift unbeschadet des § 307
BGB nicht für den Ausschluss oder die Beschränkung des Anspruchs auf Schadensersatz.979 Dabei handelt es sich um eine Übertragung des Rechtsgedankens
von § 475 Abs. 3 BGB auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr und die Beziehungen der Regressparteien. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erfasst Schadensersatzansprüche nicht; deswegen hat sie auch § 475 nicht der Unabdingbarkeit unterworfen, wie er für die übrigen Verbraucherrechte gemacht hat. Dies bedeutet, dass der Letztverkäufer seine Schadensersatzhaftung gegenüber dem Verbraucher in den Grenzen von §§ 307-309 BGB begrenzen kann. Deswegen hat der
Gesetzgeber auch die Abdingbarkeit der Schadensersatzansprüche des Letztverkäufers durch § 478 Abs. 4 S. 2 BGB zugelassen. Solange er die Schadensersatzansprüche seines Abnehmers beschränken kann, droht ihm insoweit keine Regressfalle, vor der er geschützt werden muss.
Die Beschränkung der Schadensersatzansprüche ist jedoch nicht schrankenlos.
Wenn sie durch AGB-Klauseln erfolgt, unterliegen diese der Kontrolle von § 307
BGB, der auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr Anwendung findet. Der
Letztverkäufer muss demnach nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen benachteiligt werden. Der Kontrollmaßstab ist hier nicht so streng
wie derjenige von § 478 Abs. 4 S. 1 BGB, wo ein gleichwertiger Ausgleich vorausgesetzt ist.980 Dies bedeutet, dass die Gestaltungsmöglichkeiten der Kettenglieder hinsichtlich der Schadensersatzansprüche weitreichender sind. Eine
unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Voraussetzungen eines konkretisierenden Tatbestandes des § 307 Abs. 2 BGB vorliegen.
Dessen Nr. 1 stellt auf die Unvereinbarkeit der AGB mit dem Grundgedanken der
Regelung ab, von der sie abweichen (sog. gesetzliches Leitbild), während Nr. 2
die Einschränkung der sich aus der Natur des Vertrages ergebenden wesentlichen
Rechte oder Pflichten erfasst, durch welche die Erreichung des Vertragszwecks
gefährdet ist (sog. Kardinalpflichtenverletzung). In diesem Zusammenhang hat
der BGH die Vorschriften von § 309 Nr. 7 lit. a (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit) und b (Haftungsausschluss bei grobem Verschulden) sowie § 309 Nr. 8 lit b BGB (Mängel) auch im unternehmerischen
Geschäftsverkehr berücksichtigt. Über § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB entfalten
sie eine Ausstrahlungswirkung auf die Verhältnisse zwischen Gewerbetreibenden.981 In mehreren Entscheidungen – vor allem in seiner sog. „Kardinalpflichtenrechtsprechung“ – hat der BGH die Möglichkeit wirksamer Haftungsbegrenzungen in Verträgen zwischen Unternehmern sogar im Bereich der leichten
979 Zu den Schadensersatzansprüchen im Sinne dieser Regelung zählt auch der Anspruch auf
Ersatz von Aufwendungen nach § 437 Nr. 3 i.V.m. § 284 BGB, da er nur an Stelle von
Schadensersatzanspruch möglich ist und die gleichen Voraussetzungen hat.
980 Vgl. Wind, Der Lieferanten- und Herstellreregress, S. 135 und 143.
981 Vgl. dazu Ostendorf, ZGS 2006, 222 ff.; Stölting, ZGS 2005, 299 (300 f.); Tettinger, AcP
205 (2005), 1 ff.
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Fahrlässigkeit äußerst restriktiv beschnitten982, was im Schrifttum zu heftiger Kritik führte.983
Individualvereinbarungen über die Beschränkung der Schadensersatzansprüche unterliegen den allgemeinen Grenzen von §§ 134, 138 und 242 BGB. Außerdem ist die Vorschrift von § 444 BGB zu beachten, nach welcher sich der arglistige Verkäufer nicht auf einen Haftungsausschluss berufen kann. Dem kommt
neben § 276 Abs. 3 BGB, der es jedem Schuldner verwehrt, seine Haftung wegen
Vorsatzes auszuschließen, kaum eigenständige Bedeutung zu.984 Wichtiger ist,
dass § 444 BGB einen Haftungssauschluss auch ausschließt, wenn der Verkäufer
eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Dies wäre ein
„venire contra factum proprium“.
e. Das Umgehungsverbot
aa. Inhalt der Vorschrift
Zur Absicherung der Regelung von § 478 Abs. 4 S. 1 BGB enthält § 478 Abs. 4
S. 3 BGB ein Umgehungsverbot. Danach finden die in S. 1 bezeichneten Vorschriften auch dann Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Welche indirekte Einschränkungen der Rückgriffsrechte als Umgehungen qualifiziert werden können, ist für die Parteien eine Frage von besonderer praktischer Bedeutung.
bb. Mögliche Umgehungen
i) Einschaltung ausländischer Kettenglieder
Eine Umgehung des gesamten deutschen Kaufrechts und damit auch der Regressvorschriften von §§ 478 f. BGB könnte erstens durch einen Verkauf der Sache
über ausländische Zwischenhändler oder ausländische Niederlassungen erfolgen.
In einem solchen Fall würde je nach zwischengeschaltetem Staat und entsprechender Vereinbarung entweder CISG oder die nationale Regelung eines anderen
Staates zur Anwendung gelangen.985 CISG kennt keine den §§ 478 f. BGB vergleichbare Regelung zu Gunsten des Letztverkäufers. Wenn das eingeschaltete
Kettenglied aus einem anderen EU-Staat kommt, kann die Anwendung des dortigen Rechts auch eine Entlastung des Lieferanten bedeuten, da die Rückgriffs-
982 BGH NJW 2002, 673.
983 s. Ostendorf, ZGS 2006, 222 (225 f.).
984 s. Tettinger, AcP 205 (2005), 1 (5).
985 Böhle, Der Rückgriff, S. 135; Bellinghausen, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 71 (76).
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systematik und damit der Schutz des Letztverkäufers in den verschiedenen Mitgliedstaaten wegen des von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie belassenen
Umsetzungsspielraums sehr unterschiedlich ist.986 Dies liegt durch das Nebeneinanderstellen der deutschen und der griechischen Regressregelung in dieser Abhandlung bereits klar auf der Hand.
Eine Einschaltung ausländischer Zwischenhändler ist aber nicht immer als eine
nach § 478 Abs. 4 S. 3 BGB unzulässige Umgehung einzustufen. Letzteres kann
nur angenommen werden, wenn gravierende Umstände des Einzelfalles dafür
sprechen, wie z.B. wenn ein ausländischer Zwischenhändler in eine deutsche Lieferkette eingeschaltet wird, obwohl die Sache Deutschland tatsächlich nie verlässt.987 Wie die Gerichte auf derartige Vorgehensweisen reagieren werden, ist
schwer zu prognostizieren. Es ist demnach von der Einschaltung ausländischer
Kettenglieder zum Zwecke der Aushebelung von §§ 478 f. BGB abzuraten.
ii) Verbot des Weiterverkaufs an Verbraucher
Eine weitere Umgehung von §§ 478, 479 BGB könnte die Vereinbarung darstellen, nach welcher der Händler nicht an Verbraucher weiterverkaufen darf. Solche
Klauseln sind auch im Schrifttum als eine – erwägenswerte – Lösung zum Ausschluss von § 478 f. BGB vorgeschlagen worden.988 Da die deutschen Rückgriffsregeln die Verbrauchereigenschaft des Endkäufers voraussetzen, greifen sie ohne
einen Verbrauchsgüterkauf am Ende der Lieferkette nicht. Durch eine derartige
Abmachung wird zwar der Regress nach §§ 478, 479 BGB nicht direkt ausgeschlossen, aber, wenn es zu einem Regress kommen sollte, stünde dem Lieferanten die Einrede des „dolo agit“ nach § 242 BGB entgegen, da der Weiterverkauf an Verbraucher oder an Händler, die an Verbraucher verkaufen, unzulässig
wäre. Durch eine solche Klausel werden also die Rechte aus §§ 478 f. BGB –
wenn auch mittelbar – beschränkt. Deswegen ist sie als eine Umgehung zu qualifizieren. Die Weitergabe der Sache an Verbraucher soll keine Pflichtverletzung
begründen. Anders könnte dies nur bei Produkten (z.B. Spezialwerkzeugen oder
Laborgeräten) zu beurteilen sein, die aufgrund ihrer Beschaffenheit praktisch nie
an Verbraucher verkauft werden.989
986 Ebenso Bellinghausen, wie oben, S. 76; Böhle, Der Rückgriff, S. 136; Gruber, NJW 2002,
1180 (1181); Matthes, NJW 2002, 2505 (2508).
987 v.Westphalen, in: Henssler/v. Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, § 478, Rn. 33;
Bellinghausen, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 71 (76); Böhle,
Der Rückgriff, S. 136.
988 Sester/Schultze-Melling, PHi 2003, 82 (88); Matthes, NJW 2002, 2505 (2508).
989 Bellinghausen, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 71 (77); MüKo-
Lorenz, § 478, Rn. 48; Matthes, NJW 2002, 2505 (2508).
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iii) Bindung der Kettenglieder an autorisierte Werkstätten oder
Servicestellen
Eine in der Praxis übliche Klausel in den Verkaufsbedingungen von Herstellern
ist diejenige, die vorschreibt, dass die Nachbesserung der mangelhaften Sache
nur in von ihm autorisierten Werkstätten oder Servicestellen durchgeführt werden
darf. Dies hat den Vorteil, dass die Nachbesserungskosten direkt beim Hersteller
oder in seiner Sphäre anfallen, so dass beim Händler keine über §§ 478 f. BGB
(insbesondere § 478 Abs. 2 BGB) geltend zu machenden Reparaturkosten entstehen. Im Ergebnis wird also der Regress auch in diesem Fall ausgeschlossen. Genauer betrachtet handelt es sich jedoch dabei um keinen Entzug des Regresses,
sondern lediglich um die Tatsache, dass eine Regressnahme in diesen Fällen praktisch nicht erforderlich ist, da es nicht der Händler ist, der gegenüber dem Verbraucher nachbessert. Durch eine derartige Abmachung entgeht dem Händler
nicht die Möglichkeit der Regressnahme, sondern sein Recht zur zweiten Andienung. Dies ist jedoch in Bezug auf das Umgehungsverbot von § 478 Abs. 4 S. 3
BGB nicht erheblich, so dass es hier nicht eingreift. Die Geltendmachung von
Handlingkosten (z.B. für den Transport oder die Entgegennahme der Reklamation) darf jedoch dem Händler nicht abgenommen werden. Auch § 478 Abs. 4 S.
1 BGB steht – wie schon erwähnt – solchen Klauseln nicht entgegen; der dort erforderte „gleichwertige Ausgleich“ kann in der Wegnahme der Regressnotwendigkeit gesehen werden, denn der Letztverkäufer verliert zwar sein Recht zur
zweiten Andienung, bei ihm entstehen aber keine Nacherfüllungskosten und deswegen droht ihm keine Regressfalle.
Vergleichbar ist die Interessenlage auch bezüglich der Klauseln des Herstellers, nach denen eine vom Verbraucher geforderte Nachlieferung nur durch den
Hersteller selbst oder die von ihm autorisierten Zwischenhändler vorgenommen
werden darf. Auch dies kann nicht als Umgehung der Regressvorschriften
betrachtet werden. Es kann jedoch Fälle geben, in denen solche Klauseln gegen
das Interesse des Verkäufers verstoßen, die Ersatzlieferung aus seinem Lagerbestand vorzunehmen. Auch in diesen Fällen kann aber keine Umgehung im Sinne
von § 478 Abs. 4 S. 3 BGB, sondern wohl eine unangemessene Benachteiligung
gemäß 307 BGB angenommen werden, solange die Klausel in den AGB des Herstellers enthalten ist. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Nachbesserung, wenn
der Händler über eine eigene Werkstatt verfügt, wo die Reparatur schnell und
unkompliziert erfolgen kann.
iv) Herstellergarantie
Wenn der Hersteller eine Garantie einräumt, ermöglicht er es dem Verbraucher,
bei Mangelhaftigkeit der Sache direkt gegen ihn vorzugehen. Dadurch kann der
Hersteller die Regresshaftung nach §§ 478, 479 BGB vermeiden, er haftet aber
gegenüber dem Verbraucher. Die Herstellergarantie beseitigt jedoch nicht die ge-
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setzlichen Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers.990 Er kann trotz des Bestehens der Garantie gegen seinen Verkäufer vorgehen, was bedeutet, dass die
Herstellergarantien die Rückgriffsproblematik nicht lösen, sondern lediglich mildern.991 Die Einräumung von Herstellergarantien kann demnach nicht als Umgehung im Sinne von § 478 Abs. 4 S. 3 BGB gewertet werden. Durch die Garantie
sinkt lediglich die Wahrscheinlichkeit der Regressnahme, da sich der Verbraucher
in der Regel gegen den Garanten wendet, so dass der Letztverkäufer ihm keine
Gewähr leistet und damit keine Gewährleistungskosten erleidet, die er weiterleiten will. Völlig ausgeschlossen wird der Regress jedoch nicht.992
f. Schlussfolgerungen
Es lässt sich also feststellen, dass § 478 Abs. 4 BGB zu einer weitgehenden Einschränkung der Vertragsfreiheit in Rechtsverhältnissen zwischen Unternehmern
führt. Dass dies auch bei Individualvereinbarungen passiert, kann im Hinblick auf
die Grundsätze des Handelsrechts (insbesondere diejenigen der erhöhten Privatautonomie und der Selbstverantwortung der Händler) als systemwidrig bezeichnet werden.993 Die Bezugnahme auf die klauselartige, konturlose Voraussetzung
eines „gleichwertigen Ausgleichs“ birgt außerdem eine große Rechtsunsicherheit
in sich. Die letzte Entscheidung über die Angemessenheit eventueller Abreden
liegt nicht mehr bei den Parteien, sondern beim Gericht. Dies ist vor allem deswegen zu bedauern, weil es sich bei den Regressparteien in der Regel um geschäftserfahrene und geschäftsgewandte Kontrahenten handelt.994 Wo dies ausnahmsweise nicht zutrifft, könnten die bisherigen Kontrollmechanismen (nämlich die AGB-Kontrolle und die allgemeinen Klauseln von §§ 134, 138 und 242
BGB) einen ausreichenden Schutz bieten. Es ist nicht zu vergessen, dass die Haltung der Rechtsprechung, die im Wege einer „Ausstrahlungswirkung“ der Klauselverbote von §§ 10, 11 AGBG (nunmehr §§ 308, 309 BGB) die – nach § 24 Abs.
1 AGBG (jetzt § 310 BGB) eingeschränkte – Kontrollmöglichkeit von AGB im
unternehmerischen Geschäftsverkehr den Maßstäben der Inhaltskontrolle bei
Verbraucherverträgen angenähert hat, im Schrifttum alles Andere als Beifall gefunden hat.995 Durch § 478 Abs. 4 BGB werden aber die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Unternehmern noch weitergehend unnötig erschwert. Es bleibt
zu hoffen, dass sich die Rechtsprechung als liberal erweisen wird, so dass den
Vertragsparteien das Recht einer flexiblen Gestaltung ihrer Verträge je nach der
990 Obwohl dies einen der Irrtümer der Verbraucher darstellt, wie Studien der EG gezeigt
haben; s. dazu Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, S. 17.
991 Ebenso Böhle, Der Rückgriff, S. 138.
992 Böhle, Der Rückgriff, S. 139; Bellinghausen, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 71 (79 f.).
993 v. Sachsen Gessaphe, RIW 2001, 721 (733).
994 s. Wind, Der Lieferanten- und Herstellerregress, S. 143.
995 s. statt vieler Wolf, in: 50 Jahre BGH, Bd. I, S. 111 (119, 122).
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konkreten Situation (nämlich der bestimmten Branche, den besonderen Marktverhältnissen usw.) nicht völlig genommen wird.996
3. Nach dem griechischen Recht
a. Unabdingbarkeit von Art. 560 AK
Der griechische Gesetzgeber hat keine spezielle Regelung bezüglich der Abdingbarkeit des Regressprivilegs von Art. 560 AK eingeführt. Da es sich dabei um
eine Vorschrift über den Verjährungsbeginn handelt, wäre eine besondere Beschränkung ihrer Disposivität überflüssig. Wie schon erwähnt, sind nach Art. 275
AK Rechtsgeschäfte, welche die Verjährung ausschließen oder eine kürzere oder
längere Dauer der gesetzlichen Verjährungsfrist bestimmen oder im Allgemeinen
die Verjährungsbedingungen erschweren oder erleichtern, nichtig. Die Bestimmung eines von Art. 560 AK abweichenden Verjährungsbeginns, z.B. dass die
Verjährung immer mit der Lieferung der Sache beginnt, oder die ausdrückliche
Ausschaltung von Art. 560 AK bewirkt im Ergebnis eine kürzere Dauer der Frist
und stellt jedenfalls eine Modifizierung der Verjährungsbedingungen dar. All das
ist nach Art. 275 AK unzulässig. Dies bedeutet also für die Kettenglieder, dass
sie der längeren Haftungsdauer nach Art. 560 AK weder durch AGB-Klauseln
noch durch Individualvereinbarungen entfliehen können. Die Verjährungsregelungen stellen im griechischen Recht ius cogens dar und Art. 560 AK ist eine Verjährungsregelung – genauer gesagt eine Regelung des Verjährungsbeginns von
Regressansprüchen.
Es muss jedoch angenommen werden, dass die Vertragsparteien durch eine
Vereinbarung die Lücke von Art. 560 AK, nämlich das Nichtvorhandensein einer
Obergrenze, schließen können. Das gesetzgeberische Versagen in diesem Punkt
wurde schon verdeutlicht. Die Vereinbarung einer Maximalfrist ist also nicht
unzulässig, sondern aus Gründen der Rechtssicherheit und der unternehmerischen Kalkulierbarkeit äußerst ratsam. Die Länge der Frist unterliegt selbstverständlich der Kontrolle der allgemeinen Klauseln von Artt. 178 und 281 AK. Für
die Beurteilung, ob eine solche Abrede der Kontrolle standhält, sollen die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden. Dabei ist auf die Art der Sache
(z.B. langlebiges Konsumgut oder leicht empfindliche Sache), die Handelsbranche und ihre Bräuche sowie die konkrete Beziehung zwischen den bestimmten
Vertragsparteien (Lieferanten und Händler) abzustellen.
996 Ebenso Richter, AcP 206 (2006), 3 (14); Lorenz, NJW 2005, 1889 (1896).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der den Rückgriff des Letztverkäufers im Fall einer von ihm nicht verursachten Mangelhaftigkeit der Sache gewährleisten will, überlässt den Mitgliedstaaten einen weiten Umsetzungsspielraum. Dies reizt zu einer rechtsvergleichenden Untersuchung, da das Optionenspektrum für die Ausgestaltung des Rückgriffs sehr breit ist. Wie der deutsche und griechische Gesetzgeber die genannte Richtlinienvorschrift ins nationale Recht umsetzten, ist Gegenstand dieses Werkes. Die Verfasserin stellt die Rückgriffsregelungen des BGB und des griechischen ZGB (AK) nebeneinander und gelangt zu interessanten Ergebnissen bezüglich ihrer Richtlinienkonformität und rechtspolitischen Richtigkeit.