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Kapitel VI:
Inhalt und Umfang des Rückgriffs
1. Nach dem deutschen Recht: Zweispuriges Regresssystem
a. § 478 Abs. 2 BGB (verschuldensunabhängiger
Aufwendungsersatzanspruch)
Wie schon erwähnt ist das deutsche Regresssystem als ein Mischsystem bezeichnet worden, da es neben der Modifizierung der allgemein geltenden Gewährleistungsansprüche auch einen eigenständigen Anspruch enthält. Dieser wird dem regressnehmenden Unternehmer von § 478 Abs. 2 BGB gewährt. Entsprechend dieser Vorschrift kann der Letztverkäufer gegen seinen Lieferanten einen vom Verschulden unabhängigen699 Anspruch auf Ersatz der nach § 439 Abs. 2 BGB gegenüber dem Verbraucher zu tragenden Nacherfüllungsaufwendungen geltend
machen.700 Es handelt sich dabei um eine eigenständige Anspruchsgrundlage701;
wenn sie nicht eingeführt worden wäre, könnten diese Aufwendungen nur im
Rahmen (verschuldensabhängiger) Schadensersatzansprüche geltend gemacht
werden.702 Die Norm von § 478 Abs. 2 BGB ist darum im Vergleich zu derjenigen
von § 478 Abs. 1 BGB logisch vorrangig und aus diesem Grund wird sie hier als
erste dargelegt. Nach § 439 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer sämtliche Kosten der
699 Anders als der Aufwendungsersatzanspruch von § 284 BGB, der verschuldensabhängig ist.
700 Nach der „Dominoeffekt-Vorschrift“ von § 478 Abs. 5 BGB findet diese Regelung auch
auf die Ansprüche des Lieferanten und der übrigen Käufer in der Lieferkette gegen die
jeweiligen Verkäufer entsprechend Anwendung. Nach § 478 Abs. 5 BGB ist offensichtlich
gemeint, dass den vorgeschalteten Gliedern der Lieferkette ein entsprechender Aufwendungsersatzanspruch zustehen soll. Häufig wird aber der Lieferant keine Nacherfüllungsaufwendungen haben, da er nicht nacherfüllt, sondern die Nacherfüllungskosten seines
Abnehmers (des Letztverkäufers) ersetzt. Diese Zahlung stellt keine Maßnahme der Nacherfüllung nach § 439 dar; § 478 Abs. 2 BGB setzt aber Aufwendungen nach § 439 Abs. 2
BGB voraus. Die h.M. in der Literatur geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass der
Lieferant und die übrigen Kettengleider nicht nur die eigenen echten Nacherfüllungsaufwendungen geltend machen können, sondern auch die gegenüber ihrem Abnehmer gemäß
§ 478 Abs. 2 BGB ersetzten Kosten. Sonst würde der Regress bereits beim Lieferanten
stecken bleiben. Vgl. Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1395).
701 Zur dogmatischen Einordnung dieses Anspruches s. Kelwing, Die Mängelhaftung des
Letztverkäufers, S. 213 f.; Schultze-Melling, Der Rückgriff, S. 78 f.; Dauner-Lieb, in:
Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestalung, S. 89 (105).
702 Vgl. RegBegr zu § 478 Abs. 2, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 878. Der
Anspruch aus § 478 Abs. 2 BGB schließt allerdings andere Anspüche keineswegs aus.
Wenn der Lieferant schuldhaft gehandelt hat, steht dem Letztverkäufer zusätzlich Schadensersatz auf Ersatz der Nacherfüllungskosten zu. Natürlich darf er aber diese Kosten
nur einmal ersetzt bekommen.
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Nacherfüllung zu tragen; § 478 Abs. 2 BGB sorgt dafür, dass diese Aufwendungen an die höheren Kettenglieder weitergegeben werden können, so dass sie
das für den Mangel verantwortliche Glied erreichen. Dadurch wird also die Allokation der Gewährleistungskosten beim Mangelverursacher angestrebt; gleichzeitig geht es aber auch um Schutz vor der Regressfalle, die durch das fehlende
Verschulden des Lieferanten herbeigeführt werden könnte.703 Wenn § 478 Abs. 2
BGB nicht eingeführt worden wäre, hätten die Nacherfüllungsaufwendungen
nämlich nur über einen – verschuldensabhängigen – Schadensersatzanspruch ersetzt werden können. Träfe den Lieferanten kein Verschulden, blieben also die
Nacherfüllungsaufwendungen beim Letztverkäufer stecken.704 Außer den allgemeinen, schon erörterten Regressvoraussetzungen fordert § 478 Abs. 2 BGB eine
Rechtspflicht des Unternehmers zur Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher.
Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, nach dem sie nur solche Aufwendungen erfasst, die der Unternehmer im Verhältnis zum Verbraucher nach
§ 439 Abs. 2 BGB zu tragen hatte. Nacherfüllungsmaßnahmen aus bloßer Kulanz
bzw. Kundenfreundlichkeit begründen demnach keinen Anspruch aus § 478 Abs.
2 BGB.705 Da die Aufwendungen bereits getätigt sein müssen, hat der Letztverkäufer (und die anderen Kettenglieder) weder einen Anspruch auf Vorschuss noch
einen Befreiungsanspruch gemäß § 257 S. 1 BGB.706
aa. Nach § 478 Abs. 2 BGB regressfähige Aufwendungen
Nach § 478 Abs. 2 können zunächst die im konkreten Fall für die Herstellung des
vertragsgemäßen Zustandes anfallenden Aufwendungen erstattet werden. Zu diesen zählen die in § 439 Abs. 2 BGB explizit genannten Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten. Dabei geht es jedoch um keine abschließende, sondern
um eine beispielhafte Aufzählung, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ eindeutig ergibt. Dies bedeutet, dass der Aufwendungsersatzanspruch auch andere Kosten erfassen kann.
703 a.A. Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestalung, S. 89 (99); s. auch
Tröger, ZGS 2003, 296 (297).
704 Vgl. Höpker, Verkäuferregress, S. 157, der dieses Risiko als „Verschuldensfalle“ bezeichnet.
705 Allgemeine Meinung; RegBegr zu § 478 Abs. 2 BGB, in: Canaris, Schuldrechtsreform
2002, S. 878; Böhle, Der Rückgriff, S. 49; Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 160;
Schultze-Melling, Der Rückgriff, S. 63 und 79 f.; Nguyen, Der Rückgriff des Unternehmers, S. 159 f.; Kelwing, Die Mängelhaftung des Letztverkäufers, S. 212; Höpker, Verkäuferregress, S. 140.
706 MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 27; Nguyen, a.a.O., S. 154; für einen Anspruch auf Kostenvorschuss analog § 637 Abs. 3 BGB aber Schumacher, a.a.O, S. 176. Eingehend zu der Einführung eines speziellen Befreiungsanspruchs Höpker, a.a.O., S. 159.
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i) Die Handlingkosten
Eine für die Praxis sehr wichtige Frage und einen Streitpunkt zwischen Herstellern und Zwischenhändlern stellt die Erstattungsfähigkeit der sog. „Handlingkosten“ über § 478 Abs. 2 BGB dar.707 Als „Handlingkosten“ sind solche Kosten zu
verstehen, die bei der Abwicklung von Gewährleistungsfällen neben den Aufwendungen für Ersatzteile und Reparatur im Betrieb des Letztverkäufers entstehen. Es handelt sich dabei um anteilige unternehmerische Gemeinkosten, z.B. anteilige Personalkosten der Mitarbeiter, die Reklamationen entgegennehmen, Organisationskosten, wie Telefonkosten für Anrufe beim Kunden zur Abwicklung
der Gewährleistung usw. Der Kern des Problems liegt darin, dass die Einrichtungen, die Geräte und das Personal, die der Letztverkäufer für die Durchführung
der Nacherfüllung einsetzt, oft auch zu anderen Zwecken verwendet werden. Die
Hersteller halten deswegen die „Handlingkosten“ für „Ohnehin-“ oder „Sowieso-
Kosten“708, die nicht ersatzfähig seien.709 Nicht alle Handlingkosten sind aber Sowieso- (und somit nicht ersatzfähige) Kosten. Eine solche Pauschalbetrachtung
ist sehr vereinfachend und übersieht den bestehenden inneren Zusammenhang
zwischen diesen Kosten und der Nacherfüllungsleistung.710
Daher sind geeignete Zuordnungskriterien zur Erstattungsfähigkeit der
?andlingkosten zu bestimmen. Ein Vorschlag in der Literatur711 hält nur solche
Kosten für erstattungsfähig über § 478 Abs. 2 BGB, die auch bei einer direkten
Abwicklung durch den Hersteller angefallen wären. Ziel dieses Ansatzes ist, dass
der Hersteller nicht schlechter (aber auch nicht besser) stehe, als er bei Selbstabwicklung der Gewährleistung gestanden hätte. Auch in diesem Fall wären beispielsweise Kosten für die Vorhaltung einer Werkstatt und eines Raums zur
Reklamationsentgegennahme beim Hersteller entstanden. Die Berechnung der
beim Hersteller anfallenden Kosten ist aber hypothetisch und daher sehr schwierig. Es hängt sowieso von unternehmerischen Entscheidungen eines jeden Herstellers ab, wie er die Abwicklung der Gewährleistungsfälle organisiert und wel-
707 Die erste Auseinandersetzung mit dieser Frage stammt von Marx, BB 2002, 2566 ff.; dann
Tröger, ZGS 2003, 296 (297); Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 89 ff.
708 Dieser Begriff geht auf die Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht zurück; zuerst wurde
er im Rahmen des Baurechts entwickelt. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Werkunternehmer, der einen Mangel beseitigt, keinen Anspruch auf Übernahme derjenigen Kosten
durch den Besteller, um die das Werk bei ordnungsmäßiger Ausführung von vornherein
teurer gewesen wäre. Dazu BGH NJW 1984, 2457; BGHZ 91, 206 (211); OLG Nürnberg
BauR 2001, 961; Staudinger-Peters, § 634, Rn. 20 m.w.N.; eingehend Tomic, Sowieso-
Kosten – Mängelbeseitigung und Kostenteilung bei beschränktem Leistungsumfang.
709 Vgl. die von Marx, BB 2002, 2566 (2568), Schultze-Melling, Der Rückgriff, S. 80 und
Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 89 (91) zitierte Meinung des Zentralverbandes der Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V. (ZVEI) vom
28.6.2002.
710 So auch Nguyen, Der Rückgriff des Unternehmers, S. 157.
711 Schmidt, in: Dauner-Lieb u.a. (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 427 (436 f.,
443).
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che Höhe die damit zusammenhängenden Kosten erreichen. Die Folgen dieses
Ansatzes für die Ersetzbarkeit der Handlingkosten sind somit nicht klar.712
Die Abgrenzung könne sich nach einer anderen Ansicht daran orientieren, ob
die anteilig geltend gemachten Kosten auch ohne den Einsatz bei der Gewährleistungsabwicklung in gleicher Höhe angefallen wären.713 Entscheidend sei demnach die Kausalität714 zwischen dem Gewährleistungsfall und den gemachten
Aufwendungen. Nach dieser Auffassung könne ein Teil der Handlingkosten vom
§ 478 Abs. 2 BGB erfasst werden. Erstattungsfähig seien beispielsweise auch
Personalkosten. Der Mitarbeiter, der eine defekte Sache beim Kunden abholen
muss, stehe für die dafür notwendige Zeit dem Unternehmen nicht für andere
Gewinn erzielende Arbeiten zur Verfügung.715 Ein anderes Beispiel, das die
Abgrenzung zwischen über § 478 Abs. 2 BGB erstattungs- und nichterstattungsfähigen Aufwendungen verdeutlicht, sei folgendes: Die Telefongebühren aus der
Abwicklung eines Gewährleistungsfalls (d.h. aufgrund von Anrufen beim Kunden) wären ohne den bestimmten Fall nicht angefallen und sind demnach regressfähig. Die Kosten für die Telekommunikationsanlage selbst und die monatliche
Grundgebühr seien dagegen nicht erstattungsfähig, denn sie fallen mit und ohne
den Gewährleistungsfall in gleicher Höhe an. Sie stellen also echte „Sowieso-
Kosten“ dar.
Nach Böhle716 sei bei dieser Abgrenzung darauf abzustellen, ob die kostenverursachende Leistung in der Nacherfüllung aufgehe. Über § 478 Abs. 2 BGB sind
nur die Kosten ausgleichbar, die der Nacherfüllung primär dienen. Die eingesetzte Ressource müsse während der Nacherfüllung verbraucht werden. Kosten,
die der Erhaltung der Betriebsfähigkeit dienen, oder Aufwendungen für die allgemeine Geschäftsausstattung seien demnach nicht regressfähig, da sie nicht auf
dem primären Zweck der Nacherfüllung beruhen. Unter die nichterstattungsfähigen Kosten fallen nach Böhle auch die Kosten zur Anschaffung eines neuen
Werkzeuges, da es zwar bei der Nachbesserung genutzt, aber nicht „verbraucht“
werde, so dass es objektiv primär dem Ausbau der Geschäftsausstattung diene.717
Dauner-Lieb718 lehnt eine Kausalität zwischen konkretem Gewährleistungsfall
und Handlingkosten ab, da diese Kosten (z.B. Miete für Räume, Personalkosten)
712 Im Ergebnis ebenso Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung,
S. 89 (108).
713 Marx, BB 2002, 2566 (2568); ihm tendenziell folgend Schultze-Melling, Der Rückgriff,
S. 81 f.; Tröger, ZGS 2003, 296 (297) .
714 Ausdrücklich von der Voraussetzung der „Kausalität“ spricht Marx, a.a.O.
715 Vgl. aber Ernst, MDR 2003, 4 (6 f.), nach dem der Gewinn unerheblich ist, da der Aufwendungsbegriff entgangenen Gewinn nicht einschließt. Die Berechnung erfolge zeitlich
anteilig daran, wieviel ein Angestellter in der entsprechenden Position in dieser Zeit verdient hätte.
716 Der Rückgriff, S. 59 ff.
717 a.A. Schultze-Melling, Der Rückgriff, S. 81, nach dem die Anschaffungskosten für ein
Werkzeug, das notwendig ist, um die Nachbesserung ordnungsgemäß auszuführen, nicht
als Sowieso-Kosten zu betrachten, sondern über § 478 Abs. 2 BGB zu erstatten seien.
718 in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 89 (110, 114).
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entstehen, bevor es zu dem konkreten Fall komme, dessen Nacherfüllungskosten
der Letztverkäufer über § 478 Abs. 2 BGB abwickeln wolle. Eine Ausnahme
macht sie aber für Telefonkosten, die sie für ersatzfähig hält. Nachdem sie auf die
Möglichkeit eingeht, Prinzipien der Rechtsprechung zu § 476 a BGB a.F. sowie
des allgemeinen Schadensrechts auf § 478 Abs. 2 zu übertragen, um die Frage der
Ersatzfähigkeit von Handlingkosten zu beantworten, und sie am Ende ablehnt,
vertritt sie eine auf systematischen Überlegungen beruhende Abgrenzung zwischen ersatzfähigen und nicht ersatzfähigen Aufwendungen im Rahmen von
§ 478 Abs. 2 BGB. Unter Heranziehung von § 478 Abs. 1 BGB nimmt sie folgende Abgrenzung vor: Nicht ersatzfähig seien Kosten, die auch im Zusammenhang mit einer Abwicklung gemäß § 478 Abs. 1 BGB anfallen könnten719, dort
aber mangels Anspruchsgrundlage regelmäßig nicht erstattungsfähig seien. § 478
Abs. 2 BGB sei auf diejenigen Kosten zu begrenzen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nacherfüllung anfallen und auch nur dort anfallen könnten. Dieser Betrachtungsweise ist aber nicht zu folgen. Es ist erstaunlich, dass ein viel kritisiertes Problem (nämlich die Nichtersetzbarkeit von Abwicklungskosten im
Falle von § 478 Abs. 1 BGB)720 als Argument zur Lösung der Frage der Ausgleichbarkeit von Handlingkosten über § 478 Abs. 2 BGB herangezogen wird.
Das angeführte Kriterium ist außerdem ungeeignet, denn beim Ausschluss jeglicher Kosten, die auch im Rahmen von § 478 Abs. 1 BGB anfallen könnten, sollten
z.B. auch die (in § 439 Abs. 2 BGB explizit als ersatzfähig genannten) Transportkosten nicht ersetzt werden. Transportkosten sind aber auch zur Abwicklung des
Rücktritts durchaus denkbar.
Außerdem wird von Dauner-Lieb auf § 377 HGB zurückgegriffen. Daraus
ergebe sich noch ein systematisches Argument gegen die Erstattungsfähigkeit
von Handlingkosten. Die Untersuchung der Sache erfolge im Eigeninteresse des
Händlers, da er sonst seine Rechte gegenüber seinem Lieferanten verliere. Deswegen bestehe kein Grund, die Kosten der Untersuchung weiterzugeben. Unklar
bleibt aber, warum dies für alle Handlingkosten gelten soll, denn Handlingkosten
entstehen nicht nur im Rahmen der Untersuchung, sondern auch bei der Durchführung der Nachbesserung und eine Abgrenzung zwischen den „Untersuchungshandlingkosten“ und den sonstigen Handlingkosten ist entgegen der Meinung von
Dauner-Lieb721 möglich.
Nach dieser tour d’ horizon erscheint die auf die Kausalität abstellende Meinung die plausibelste zu sein. Sie versucht nicht, die Erstattungsfähigkeit
bestimmter Kostenblöcke schon im Voraus und pauschal auszuschließen und
kann daher den Umständen jedes konkreten Falls am besten entsprechen. Natürlich wird hier nicht übersehen, dass die Beurteilung der Kausalität nicht immer
einfach ist. Die anlässlich eines Gewährleistungsfalls angeschafften Werkzeuge,
die jedoch weiterhin in der Firma bleiben, sind nur ein Beispiel, welches jedoch
die Schwierigkeit deutlich macht.
719 Genannt wird das Beispiel der Kosten für die Bearbeitung der Reklamation.
720 Dazu unten unter c.
721 in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 89 (117).
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ii) Sonstige Kosten
Die Untersuchungskosten sind nur dann über § 478 Abs. 2 BGB zu ersetzen, wenn
die Untersuchung positiv ausfällt, da für den Regress ein Mangel vorausgesetzt
ist. Die Untersuchung stellt den „ersten Schritt“722 zur Beseitigung des Mangels
dar. Wenn die Untersuchung ergibt, dass ein Mangel vorliegt, aber die Nacherfüllung unmöglich oder mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist und daher
keine Nacherfüllung stattfindet, ist fraglich, ob die Kosten der Untersuchung über
§ 478 Abs. 2 BGB übergewälzt werden können. Wenn man die Untersuchung bereits als ersten Schritt zur Behebung des Mangels begreift, dann sind ihre Kosten
nichts anderes als erfolglose Nacherfüllungskosten und können unter denselben
Voraussetzungen wie diese nach § 478 Abs. 2 BGB ersetzt werden.723
Die Kosten erfolgloser Nacherfüllungsversuche sind im buchstäblichen Sinne
nicht „erforderlich“, wie nach § 478 Abs. 2 i.V.m. § 439 Abs. 2 BGB vorausgesetzt wird. Es ist aber unbillig, wenn der für den Mangel nicht verantwortliche
Letztverkäufer auf diesen Kosten sitzen bleibt. Für ihre Ersetzbarkeit können die
zu § 670 BGB entwickelten Grundsätze herangezogen werden.724 Diese Vorschrift
betrifft den Ersatz von auftragsrechtlichen Aufwendungen und die diesbezüglichen Wertungen können auf das Erforderlichkeitskriterium725 von § 478 Abs. 2
i.V.m. § 439 Abs. 2 BGB übertragen werden.726 Auch nach § 478 Abs. 2 BGB können demnach erfolglose Nacherfüllungsaufwendungen geltend gemacht werden,
wenn und soweit der Letztverkäufer sie aus der ex-ante-Sicht für erforderlich halten durfte.727 Soweit er aber die Untauglichkeit der Aufwendungen schuldhaft
verkannt hat, wird ein Anspruch aus § 478 Abs. 2 BGB ausscheiden.
Die Kosten eines Gewährleistungsprozesses sind nach § 478 Abs. 2 BGB nicht
ersatzfähig.728 Von „zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen“ im Sinne von § 439 Abs. 2 BGB kann in diesem Fall nicht gesprochen
werden. Ein Ausnahmefall könnte aber vorliegen, wenn die Rechtsverfolgungskosten konkret zur Ermittlung des Mangels bzw. der möglichen Art der Mangelbeseitigung erforderlich waren. Dies stellt eine Übertragung der bisherigen
722 Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 174.
723 Ausführlicher dazu Schumacher, a.a.O., S. 175.
724 So auch Schumacher, a.a.O., S. 166 ff.
725 Vgl. Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 89 (106 f.),
nach der Aufwendungen dann als erforderlich und damit ersatzfähig zu beurteilen seien,
wenn sie aus der Sicht eines vernünftigen Dritten als angemessen angesehen werden
könnten.
726 Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 168.
727 Im Ergebnis ebenso Bamberger/Roth-Faust, § 478, Rn. 25; vgl. auch Schmidt-Kessel, ÖJZ
2000, 668 (671).
728 Allgemeine Meinung; s. Tröger, ZGS 2003, 296 (298); Schmidt, in: Dauner-Lieb u.a.
(Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 427 (441); Matthes, NJW 2002, 2505
(2509).
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Rechtsprechung zu § 476 a BGB a.F. dar, die davon ausging, dass die Nachbesserung voraussetze, dass die Ursache des Mangels überhaupt feststehe.729
Die Frage, ob der Letztverkäufer die Kosten einer nicht aus eigenen Ressourcen erfolgten Nacherfüllung nach § 478 Abs. 2 BGB verlangen kann, ist besonders brisant. Die Antwort hängt grundsätzlich davon ab, ob eine Verpflichtung
des Letztverkäufers zur Einbindung des Lieferanten in die Nacherfüllung gegen-
über dem Verbraucher besteht. Wenn der Letztverkäufer imstande ist, die Nacherfüllung selbst vorzunehmen, besteht nach der h.M. im Schrifttum730 keine
Pflicht zur Einschaltung vorgelagerter Kettenglieder. Bei der Kollision zwischen
dem Recht des Letztverkäufers zur zweiten Andienung, nämlich dem Recht, die
vom Verbraucher geforderte Nacherfüllung persönlich vorzunehmen, und eben
diesem Recht des Lieferanten gegenüber dem Letztverkäufer, ist ersterem der
Vorzug zu geben. Dies wird – mit Recht – damit begründet, dass der Letztverkäufer meist für den Mangel nicht verantwortlich ist und außerdem ein Interesse
daran hat, seinen Kunden (den Verbraucher) selbst zu bedienen, um sein durch die
Mangelhaftigkeit der Sache erschüttertes Vertrauen wieder zu gewinnen.731 Eine
generelle Einbindungspflicht des Lieferanten steht außerdem in Widerspruch zur
Funktion des § 478 Abs. 2 BGB; sie macht ihn sogar gegenstandslos. Wenn der
Vormann immer einzubinden wäre, würden beim Letztverkäufer keine Kosten
(bis auf Reklamationskosten) entstehen.
Wenn aber der Letztverkäufer selbst nicht zur Nacherfüllung in der Lage ist,
muss er zunächst seinem Lieferanten Gelegenheit zur Nacherfüllung geben,
bevor er einen dritten Unternehmer mit der Nacherfüllung beauftragt.732 Gäbe
man dem Letztverkäufer das Recht, ohne Weiteres einen Dritten einzuschalten
und dann die auf diese Weise entstandenen Kosten vom Lieferanten nach § 478
Abs. 2 BGB zu verlangen, so müsste Letzterer den Geschäftsgewinn des dritten
Unternehmers – nämlich i.d.R. eines seiner Konkurrenten – finanzieren.733
Dadurch würde der Regress erheblich verteuert. Die Verpflichtung zur Einbindung des Lieferanten führt außerdem dazu, dass die Sache durch die Lieferkette
zum Hersteller zurückkommt. Dies entspricht der im Handel üblichen Praxis,
mangelhafte Waren an den Hersteller zurückzuschicken.
729 Vgl. Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 165, Fn. 319; Nguyen, Der Rückgriff des
Unternehmers, S. 155 m.w.N. auf Rechtsprechung und Kommentierungen zum § 476 a
BGB a.F.
730 Böhle, Der Rückgriff, S. 53 f.; Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 181 f.; vgl. aber
Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 89 (120).
731 So Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 181.
732 Nach MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 30 ist der Unternehmer nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, auch die Interessen des Lieferanten zu wahren.
733 Aus Gründen des mittelbaren Verbraucherschutzes durch die verbesserten Rückgriffsmöglichkeiten hält Bartelt, Der Rückgriff des Letztverkäufers, S. 138 für billig, den Lieferanten mit der Handelsspanne seines Konkurrenten zu belasten, da er durch verbesserte
Warenausgangskontrollen selbst Einfluss darauf nehmen könne, ob eine Regresssituation
entstehe.
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Diese Verpflichtung des Letztverkäufers findet jedoch ihre Grenzen, wo sie mit
den mängelrechtlichen Vorgaben aus dem Verhältnis Letztverkäufer/Verbraucher
nicht vereinbar ist. Wenn z.B. der Verbraucher eine Nachfrist setzt, innerhalb
deren der Lieferant die Nacherfüllung nicht leisten kann, ist der Letztverkäufer
(im Verhältnis zu seinem Lieferanten) berechtigt und (gegenüber seinem Abnehmer) verpflichtet, einen Dritten in die Nacherfüllung einzuschalten. Dasselbe gilt
auch, wenn der Lieferant die Nacherfüllung von vornherein verweigert oder die
ihm gesetzte Nacherfüllungsfrist erfolglos hat ablaufen lassen.
Aus der oben angenommenen Konstruktion ergibt sich noch die Frage der
eventuellen Sanktion des Letztverkäufers für die Verletzung seiner Pflicht, dem
Lieferanten vor der Einschaltung eines dritten Unternehmers Gelegenheit zur
Nacherfüllung zu geben. Ist in diesem Fall der Letztverkäufer dadurch zu „bestrafen“, dass ihm der Regressweg nach § 478 Abs. 2 BGB gesperrt wird, so dass ihm
lediglich seine allgemeinen Rechte aus §§ 437 ff. BGB zustehen?734 Oder kann
der Letztverkäufer trotz der Pflichtverletzung nach § 478 Abs. 2 BGB vorgehen
– mit der Maßgabe, dass sein Anspruch auf denjenigen Betrag beschränkt wird,
der beim Lieferanten durch eine eigene Nacherfüllung entstanden wäre?735 Die
zweite Lösung scheint sachgemäßer zu sein. Sonst besteht die Gefahr, dass der
Letztverkäufer auf den Kosten der Mangelhaftigkeit der Sache sitzen bleibt,
obwohl er für sie nicht verantwortlich ist. Dieses Ergebnis ist außerdem auch für
den Lieferanten nicht unbillig, denn der Anspruch wird der Höhe nach auf denjenigen Aufwand beschränkt, der bei ihm entstanden wäre, wenn der Letztverkäufer ihm Gelegeneheit geboten hätte, die Nacherfüllung selbst zu leisten. Den
Geschäftsgewinn des dritten Unternehmers muss er in diesem Fall nicht ersetzen.736
Eine weitere praxisrelevante Frage ist, ob der Letztverkäufer im Falle einer
von ihm erbrachten Nacherfüllung Ersatz seines eigenen Geschäftsgewinns von
seinem Lieferanten verlangen kann.737 Wenn diese Möglichkeit bejaht würde,
stünde der Letztverkäufer so, als habe er die Reparatur für einen Verbraucher
außerhalb eines gesetzlichen Gewährleistsungsfalls im Rahmen eines Werkvertrages ausgeführt. Der Lieferant stünde so, als hätte der Letztverkäufer einen
Dritten mit der Reparatur beauftragt. Da es aber Sinn und Zweck der Regressregelung ist, den Letztverkäufer vor den Regressfallen zu schützen und eine effiziente Risikoallokation zu erreichen, nicht aber, den Händlern neue Gewinnchan-
734 s. AnwKomm(2002)-Bündenbender, § 478, Rn. 12 ff. (18); vgl. AnwKomm(2005)-Büdenbender, § 478, Rn. 50; Maultzsch, JuS 2002, 1171 (1173); Böhle, Der Rückgriff, S. 55 ff.
(57).
735 Vgl. Tröger, ZGS 2003, 296 (299); ähnlich Erman-Grunewald, § 478, Rn. 15.
736 Vgl. Schubel, ZIP 2002, 2061 (2068).
737 Dafür offensichtlich Marx, BB 2002, 2566 (2568). Zu den für die Ersatzfähigkeit des
Geschäftsgewinns sprechenden Argumenten s. Schumacher, Der Lieferantenregress,
S. 163 f.
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cen auf Kosten ihrer Vormänner zu eröffnen, hat der Letztverkäufer nach richtiger
Meinung738 keinen Anspruch auf Ersatz eines Gewinnanteils.
bb. Das Verhältnis von § 478 Abs. 2 zu § 439 Abs. 3 BGB
Ein weiteres Poblem im Rahmen von § 478 Abs. 2 BGB ist, ob und wenn ja, inwieweit der Letztverkäufer einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 478 Abs.
2 BGB geltend machen kann, wenn er nacherfüllt hat, obwohl der dafür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch war und er die Nacherfüllung daher nach
§ 439 Abs. 3 BGB hätte verweigern können. Die Unverhältnismäßigkeitseinrede
erlangt im Rahmen des Verkäuferregresses eine weitere Bedeutung. Sie wirkt sich
nicht nur als gewünschte Entlastung des Letztverkäufers aus, sondern kann sich
umgekehrt als „Haftungsfalle“ erweisen.739 Ist ein Letztverkäufer ohne Weiteres
bereit, die Nacherfüllung – auch trotz überobligatorischen Aufwands – zu besorgen, könnte dies die Weiterleitung seiner Nacherfüllungsaufwendungen hindern.
Umgekehrt wird durch eine „großzügige“ Geltendmachung der Einrede von § 439
Abs. 3 BGB seine Beziehung zu seinem Kunden, dem Verbraucher, gefährdet. Die
schwierige Rechtslage der Verkäufer als Zwischenglieder zwischen Lieferanten
und Verbrauchern wird hier noch einmal bestätigt.
Falls der Letztverkäufer die Unverhältnismäßigkeit der gewählten Art der
Nacherfüllung (§ 439 Abs. 3 S. 1 BGB) oder der Nacherfüllung insgesamt (§ 439
Abs. 3 S. 3 BGB) nicht einwendet und nacherfüllt, stellt sich die Frage, wie der
Letztverkäufer in einem solchen Fall überhaupt Rückgriff gegen seinen Lieferanten nehmen soll. Die unverhältnismäßigen Aufwendungen hatte der Letztverkäufer nicht zu tragen. Die Gesetzesmaterialien weisen darauf hin, dass der Letztverkäufer in diesem Fall nicht den Ersatz des vollen, unverhältnismäßigen Aufwandes verlangen kann.740 Ist aber dann § 478 Abs. 2 BGB insgesamt oder nur
der Betrag der überhöhten Aufwendungen ausgeschlossen?
Vorgeschlagen wird, dem Letztverkäufer den Rückgriff nach § 478 Abs. 2
unter Beschränkung der Aufwendungen auf die verhältnismäßige Höhe zu erlauben.741 In diesem Fall habe er denjenigen Aufwand selbst zu tragen, der die
Grenze überschreite und ihn zur Erhebung der Einrede aus § 439 Abs. 3 BGB
berechtigte. Die Gegenauffassung nimmt an, dass der Letztverkäufer im Fall
einer Nacherfüllung mit überobligatorischem Aufwand nach § 478 Abs. 2 BGB
738 Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 163 f.; Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB
und Vertragsgestaltung, S. 89 (107 f.); Schmidt, in: Dauner-Lieb u.a. (Hrsg.), Das neue
Schuldrecht in der Praxis, S. 427 (437); Tröger, ZGS 2003, 296 (297).
739 So auch Höpker, Verkäuferregress, S. 141; vgl. auch Matthes, NJW 2002, 2505 (2509),
der diese Problematik auch im Zusammenhang mit der Frage der Ersetzbarkeit der Rechtsverfolgungskosten erörtert.
740 RegBegr zu § 478 Abs. 2 BGB, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 878.
741 s. Matthes, NJW 2002, 2505 (2507); Westermann, NJW 2002, 241 (252); vgl. auch Tröger,
ZGS 2003, 296 (299 f.).
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überhaupt nicht vorgehen darf.742 Der Gesetzgeber scheint von der ersten Lösung
ausgegangen zu sein. In der Regierungsbegründung heißt es: „Übernimmt der
Letztverkäufer etwa zur Kundenpflege aus Kulanz darüber hinaus Kosten, die
ihn an sich zur Verweigerung der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 2 RE berechtigen würden, so kann er diese auch nicht nach § 478 Abs. 2 S. 1 RE von seinem
Lieferanten ersetzt verlangen.“ Und diese Auffassung ist auch die sachgerechtste.
Nur der über die Grenzen von § 439 Abs. 3 BGB hinausgehende Aufwand hatte
der Letztverkäufer nicht zu tragen. Nur er ist einer Kulanzreparatur oder –nacherfüllung vergleichbar und deswegen vom Anwendungsbereich der §§ 478 f.
BGB ausgeschlossen. Der Aufwand, der bei der Schwelle von § 439 Abs. 3 BGB
liegt, ist also über 478 Abs. 2 BGB ersetzbar.
b. § 478 Abs. 1 BGB (Verzicht auf das Fristsetzungserfordernis)
Im Gegensatz zu § 478 Abs. 2 sieht § 478 Abs. 1 BGB keinen eigenständigen Anspruch vor, sondern erleichtert die Geltendmachung der Ansprüche, die der Verkäufer ohnehin gegen seinen Lieferanten hat. Die Gewährleistungsrechte des
Letztverkäufers werden von § 478 Abs. 1 BGB vorausgesetzt; bei ihrer Geltendmachung bedarf es aber der sonst erforderlichen Fristsetzung nicht.743 Der Nacherfüllungsvorrang wird somit im Regressfall preisgegeben und das Recht des Lieferanten zur zweiten Andienung beseitigt. Das bedeutet aber nicht, dass dem regressnehmenden Unternehmer nur die Preisminderung, der Rücktritt und der
Schadensersatz zustehen. Er kann im Regressweg offenbar auch die Nacherfüllung verlangen.744 In der Regel wird dies aber seinen Interessen nicht entsprechen.745 Der Gesetzgeber wollte durch diese Regelung dem Interesse des Letztverkäufers Rechnung tragen, unmittelbar nach Rücknahme der mangelhaften Sache seinerseits vom Kaufvertrag mit seinem Lieferanten zurückzutreten, ohne
diesem noch eine Gelegenheit zu einer in dieser Situation zumeist sinnlosen
Nacherfüllung geben zu müssen.746 Ziel der Vorschrift sei es, dass der Letztverkäufer die Sache möglichst problemlos an seinen Lieferanten „durchreichen“,
742 Jud, ZfRV 2001, 201 (213).
743 § 478 Abs. 1 BGB beschreibt also neben §§ 440, 323 Abs. 2 und 281 Abs. 2 BGB einen
weiteren Fall, in dem die Nachfristsetzung entbehrlich ist. In der Literatur gibt es Stimmen,
die meinen, § 478 Abs. 1 BGB sei überflüssig, da sein Regelungsgehalt im Wege der Auslegung der bereits genannten, allgemeinen Vorschriften sich ergeben könne. So Westermann, JZ 2001, 530 (540); dem zustimmend Tonner/Crellwitz/Echtermeyer, in: Micklitz
u.a. (Hrsg.), Schuldrechtsreform und Verbraucherschutz, S. 293 (354); auch Schumacher,
Der Lieferantenregress, S. 122.
744 Vgl. Jud, ZfRV 2001, 201 (210); Haas, in: Haas u.a. (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, S. 274;
Schultze-Melling, Der Rückgriff, S. 73; Kelwing, Die Mängelhaftung des Letztverkäufers,
S. 210.
745 Vgl. Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 122; Canaris, Schuldrechtsreform 2002, Einführung, S. XXXI; Haas, a.a.O. (wie oben).
746 Gegen den Fristverzicht von § 478 Abs. 1 BGB Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1398).
190
also weitergeben könne.747 Wenn der Verbraucher die Sache zurückgegeben hat
oder den Kaufpreis gemindert hat, braucht der Letztverkäufer sich vom Lieferanten nicht eine neue Sache aufdrängen zu lassen, was ihn dazu zwänge, zum
zweiten Mal einen Käufer zu finden.748
Der Umstand, dass der Letztverkäufer die Sache weiterverkauft und die Mängelrechte seines Abnehmers befriedigt hat, verbessert also seine Rechtsposition.
Hätte er nämlich den Mangel vor dem Weiterverkauf entdeckt, hätte er dem Lieferanten eine „zweite Chance“ einräumen müssen und sich nicht sofort vom
Kaufvertrag lösen können.749
aa. Die Voraussetzungen
Für die Anwendung von § 478 Abs. 1 BGB sind zunächst die schon erörterten Regressvoraussetzungen erforderlich. Außerdem wird von dieser Vorschrift gefordert, dass der Unternehmer die Sache als Folge ihrer Mangelhafttigkeit zurücknehmen musste oder der Verbraucher den Kaufpreis minderte.
i) Rücknahme der Sache
§ 478 Abs. 1 BGB geht ausdrücklich von einer Rücknahmepflicht des Letztverkäufers aus. Erfasst sind die Fälle, in denen er die Sache zurücknehmen musste.
Das heißt, dass diese Vorschrift nicht gilt, wenn der Letztverkäufer die Sache aus
Kulanz – zum Beispiel im Rahmen eines in der Praxis üblichen Umtausches – zurückgenommen hat. Da darüber hinaus maßgeblich ist, dass die Rücknahme als
Folge der Mangelhaftigkeit erfolgt, sind von § 478 Abs. 1 BGB auch solche Fälle
ausgeschlossen, in denen der Vertrag aus anderen Gründen rückabgewickelt wird,
z.B. wegen eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts oder wegen der Aus-
übung eines Widerrufsrechts.750 Die Ausübung dieser Rechte stellt ein Risiko allein des Letztverkäufers und nicht seiner Vorleute in der Lieferkette dar.751
Eine Rücknahmepflicht des Verkäufers infolge der Mangelhaftigkeit der Sache
kommt bei Geltendmachung der Nachlieferung, des Rücktritts oder eines großen
Schadensersatzes durch den Verbraucher in Betracht. Trotz der expliziten Erwähnung der Nachlieferung in den Erläuterungen des Gesetzgebers zu § 478 Abs. 1
747 RegBegr zu § 478 Abs. 1, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 876.
748 Vgl. MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 4.
749 Ebenso Jud, ZfRV 2001, 201 (211).
750 So die RegBegr zu § 478 Abs. 1, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 876.
751 So auch Haas, in: Haas u.a. (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, Rn. 485.
191
BGB werde die Nachlieferung nach einer Literaturstimme752 von § 478 Abs. 1
BGB nicht erfasst, weil Abs. 1 und Abs. 2 von § 478 BGB in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander stünden und die Folgen der Nachlieferung durch den
Verkäufer zu Lasten des Lieferanten allein unter Abs. 2 fallen sollten. Nur in Fällen eines Rücktritts, eines großen Schadensersatzanspruchs oder einer Minderung
sei der Letztverkäufer nach dieser Ansicht vor einem Fortbestand des Nacherfüllungsrechts seines Lieferanten schutzwürdig.
Dieser Meinung schließt sich auch Schumacher an, obwohl er nicht ausdrücklich auf das Exklusivitätsverhältnis zwischen § 478 Abs. 1 und 2 abstellt.753 Wenn
der Letztverkäufer dem Verbraucher eine fehlerfreie Sache nachgeliefert und die
mangelhafte Ware zurückgenommen habe, dann werde der entstandene Gewährleistungsaufwand nach seiner Auffassung gerade durch eine Nacherfüllung des
Lieferanten ausgeglichen. Erhalte er im Wege der Nachlieferung von seinem Lieferanten eine mangelfreie Ware desselben Typs, stehe er da, als wäre es zu dem
Gewährleistungsfall im Verhältnis zum Verbraucher nie gekommen. Dasselbe
gelte, wenn er von seinem Letztverkäufer Nachbesserung der zurückgenommenen, mangelhaften Sache fordere. Beseitige sein Lieferant den Mangel, so
habe er wie vor dem Gewährleistungsfall ein mangelfreies Gerät, welches er an
einen Dritten weiterverkaufen könne.
Einen neuen Abnehmer finden zu müssen, ist aber gerade eine der Komplikationen, die der Gesetzgeber durch die Einführung von § 478 Abs. 1 BGB ausschalten wollte. Die Schwierigkeiten des erneuten Warenabsatzes, die auch Schumacher an anderer Stelle754 erkennt, erhöhen sich darüber hinaus maßgeblich,
wenn es sich um eine nachgebesserte Sache handelt. Mithin ist die Sachlage bei
Geltendmachung der Nachlieferung durch den Verbraucher vergleichbar mit derjenigen bei Geltendmachung von Minderung, Rücktritt oder großem Schadensersatz.755 Nicht nur der Wille des Gesetzgebers steht dem Exklusivitätsverhältnis
zwischen § 478 Abs. 1 und 2 BGB entgegen, sondern auch rechtspolitische Gründe. Eine alternative Anwendung – und somit ein Wahlrecht des Letztverkäufers
– ist flexibler und kann den individuellen Gegebenheiten Rechnung tragen. Der
Ausschluss der Nachlieferung vom – eindeutigen – Tatbestandsmerkmal des
„Zurücknehmen-Müssens“ des § 478 Abs. 1 BGB ist demnach abzulehnen.
752 AnwKomm-Büdenbender, § 478, Rn. 30 ff.; ders., in: Dauner-Lieb u.a. (Hrsg.), Das neue
Schuldrecht in der anwaltlichen Praxis, § 8, Rn. 87; ders., in: Dauner-Lieb u.a. (Hrsg.),
Das neue Schuldrecht, Ein Lehrbuch, § 8, Rn. 87; ihm folgend auch v.Westphalen, in: Henssler/v. Westphalen (Hrsg.), Praxis der Schuldrechtsreform, § 478, Rn. 4.
753 Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 133.
754 Schumacher, a.a.O., S. 122.
755 Im Ergebnis ebenso Böhle, Der Rückgriff, S. 109.
192
ii) Preisminderung
Neben der Rücknhahme der Sache erfasst § 478 Abs. 1 BGB ausdrücklich noch
die Geltendmachung der Minderung durch den Verbraucher. Auch in diesem Fall
bedarf es keiner Fristsetzung für die Geltendmachung der Rechte des Letztverkäufers gegenüber seinem Lieferanten. Im Gegensatz zu der Voraussetzung der
Rücknahmepflicht des Letztverkäufers, von der explizit in § 478 Abs. 1 BGB ausgegangen wird („zurücknehmen musste“), stellt das Gesetz nicht ausdrücklich
darauf ab, ob der Verbraucher den Kaufpreis berechtigt oder unberechtigt gemindert hat. Alles spricht aber dafür, dass die Fristsetzung nur dann nach § 478 Abs.
1 BGB entbehrlich ist, wenn der Verbraucher den Preis berechtigt mindert.756
Der kleine Schadensersatz ist der Minderung wirtschaftlich vergleichbar.757 In
beiden Fällen behält der Verbraucher die mangelhafte Sache und befriedigt sein
Leistungsinteresse durch eine Geldleistung. Für eine absichtliche Nichtberücksichtigung des kleinen Schadensersatzanspruches in § 478 Abs. 1 BGB durch den
Gesetzgeber lassen sich außerdem keine Anhaltspunkte finden. Da auch § 478
Abs. 2 BGB den kleinen Schadensersatz nicht erfasst, besteht eine planwidrige
Regelungslücke bei einer vergleichbaren Interessenlage. § 478 Abs. 1 BGB ist
deswegen auf den Fall des als „funktionalen Äquivalents“758 der Minderung
bezeichneten kleinen Schadensersatzanspruchs analog anzuwenden.759
iii) Analoge Anwendung auf die Nachbesserung?
Der Fall, in dem der Letztverkäufer dem Verbraucher Gewähr in Form der Nachbesserung geleistet hat, ist vom Wortlaut des § 478 Abs. 1 BGB nicht erfasst, denn
dann liegt weder eine Rücknahme der Sache noch eine Minderung vor. Im Schrifttum wird jedoch eine entsprechende Anwendung von § 478 Abs. 1 im Fall der
Nachbesserung im letzten Vertragsverhältnis mittels Analogie zum Teil befürtwortet.760 Eine vergleichbare Interessenlage liegt in diesem Fall vor. Ein Bedürfnis, die Sache an den Lieferanten „durchzureichen“, besteht zwar nicht, da der
Letztverkäufer in diesem Fall die Sache nicht zurücknimmt. Ein Interesse an der
Nacherfüllung hat er aber auch hier nicht. Eine Nachbesserung durch seinen Vormann kommt sowieso nicht in Betracht, weil der Lieferant nicht nachbessern
756 Bereska, ZGS 2002, 59 (60); v. Westphalen, in: Henssler/v. Westphalen (Hrsg.), Praxis der
Schuldrechtsreform, § 478, Rn. 9 f. spricht von „der strikten Verpflichtung zur Rücknahme
oder Minderung“, deren Nachweis man in der Praxis nur dann als gegeben ansehen dürfe,
wenn ein rechtskräftiges Urteil zwischen dem Letztverkäufer und seinem Käufer (dem Verbraucher) vorliege.
757 s. Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 4, Rn. 93.
758 s. Böhle, Der Rückgriff, S. 64, mit vielen w.N. in Fn. 197.
759 Ebenso Böhle, Der Rückgriff, S. 63, Fn. 195 und S. 102.
760 So Canaris, Schuldrechtsreform 2002, Einleitung, S. XXXI; vgl. auch Jud, ZfRV 2001,
201 (214).
193
kann, wenn die Nachbesserung schon vom Letztverkäufer erfolgt ist. Nacherfüllen kann der Lieferant also in diesem Fall nur durch Ersatzlieferung. Die Lieferung einer neuen Sache zieht aber dieselben Nachteile (nämlich einen neuen Abnehmer finden zu müssen usw.) wie in den Fällen der Rücknahme der Sache oder
der Preisminderung im letzten Vertragsverhältnis nach sich. Eine für eine Analogie erforderliche vergleichbare Interessenlage könnte demnach wohl angenommen werden. Eine planwidrige Regelungslücke liegt jedoch nicht vor.761 Für den
Fall der Nachbesserung hat der Gesetzgeber § 478 Abs. 2 BGB eingeführt. Natürlich kann hier eingewendet werden, dass § 478 Abs. 2 auch den Fall der Nachlieferung erfasst, der aber auch vom Wortlaut des § 478 Abs. 1 BGB abgedeckt
wird. Es soll jedoch nicht übersehen werden, dass zwischen Nachbesserung und
Nachlieferung trotz der Vergleichbarkeit der Fälle ein Unterschied besteht. Nach
der Nachlieferung bekommt der Letztverkäufer die mangelhafte Sache zurück,
die er in der Regel „loswerden“ will. Er hat also ein viel dringenderes Interesse
daran, sich vom Vertrag mit dem Lieferanten zu lösen, als der Letztverkäufer, der
die Sache nachgebessert hat. In diesem Fall liegt keine Rücknahme der Sache vor
und der Letztverkäufer hat die Möglichkeit, die Nachteile der Gewährleistung
(nämlich die Nachbesserungskosten) über § 478 Abs. 2 auszugleichen. Demnach
lässt sich feststellen, dass § 478 Abs. 2 BGB dem Letztverkäufer, der gegenüber
dem Verbraucher nachgebessert hat, einen ausreichenden Schutz bietet. Eine analoge Anwendung von § 478 Abs. 1 BGB auf den Fall der Nachbesserung ist also
abzulehnen.762
iv) Die vom Letztverkäufer selbst zu vertretende Regresslage
Eine weitere Frage im Rahmen von § 478 Abs. 1 BGB ist, ob die Fristsetzung
auch dann entbehrlich ist, wenn die Entstehung der Regresssituation in der Verantwortungssphäre des Letztverkäufers liegt, d.h. wenn die Möglichkeit des Verbrauchers, den Kaufpreis zu mindern, zurückzutreten oder Schadensersatz zu verlangen, dadurch begründet worden ist, dass der Letztverkäufer seiner Nacherfüllungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Bevor diese Frage beantwortet
wird, sollte jedoch ermittelt werden, wann vom Scheitern der Nacherfüllung in
zurechenbarer Weise gesprochen werden kann.763 Die Beurteilung, ob das Fehlschlagen der Nacherfüllung als schuldhaft bezeichnet werden kann, erweist sich
in vielen Fällen als besonders schwierig.
Eine grundlose Verweigerung der Nacherfüllung durch den Letztverkäufer ist
natürlich ihm zuzurechnen und als schuldhaft zu betrachten. Dasselbe gilt, wenn
der Letztverkäufer eine zu kurze Nacherfüllungsfrist annimmt oder sich bereit
761 So auch Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 136; im Ergebnis ebenso MüKo-Lorenz,
§ 478, Rn. 18, der in § 478 Abs. 2 BGB eine vorrangige Regelung sieht; a.A. Böhle, Der
Rückgriff, S. 120 f.
762 Ebenso Tröger, AcP 204 (2004), 115 (127).
763 Vgl. dazu Böhle, Der Rückgriff, S. 93 f.
194
erklärt, die Sache nachzubessern, obwohl er weiß, dass ihm die Sachkenntnis oder
die Mittel zur ordnungsgemäßen Durchführung der Nachbesserung fehlen.
Manchmal ist aber sehr schwierig zu beurteilen, ob von einer selbst zu vertretenden Regresslage gesprochen werden kann. Dies liegt beispielsweise vor, wenn
der Letztverkäufer versucht, nachzubessern oder nachzuliefern, ihm dies aber
nicht gelingt. Das Scheitern der Nachlieferung ist offenbar dem Letztverkäufer
vorzuwerfen, wenn er eine mangelhafte Ware nachliefert, deren Mangelhaftigkeit
auf sein Verhalten (z.B. auf falsche Lagerung) zurückzuführen ist. Wenn der
Letztverkäufer aber versucht, die Sache nachzubessern und die Behebung des
Mangels ihm nicht gelingt, lässt sich sein Verschulden nicht so leicht bejahen.
Geht das Fehlschlagen der Nachbesserung auf die Erheblichkeit des Mangels
zurück, für den nicht er, sondern ein anderes Kettenglied verantwortlich ist, dann
ist ihm nichts vorzuwerfen. Die Nichtbehebung des Mangels kann aber auch
damit zusammenhängen, dass der Letztverkäufer nicht über die modernsten
Geräte verfügt, die den Mangel beseitigen könnten, oder dass seine Mitarbeiter
keine Erfahrung bei der Reparatur solcher Sachen haben. Fraglich ist, ob in solchen Fällen von zu vertretendem Fehlschlagen der Nacherfüllung gesprochen
werden kann.
Die Heranziehung der in Bezug auf die Ersetzbarkeit der Kosten einer fehlgeschlagenen Nacherfüllung nach § 478 Abs. 2 BGB erwähnten Kriterien kann auch
hier helfen. Ist dem Letztverkäufer die Nachbesserung nicht gelungen und war
dies aus der ex-ante-Sicht nicht vorhersehbar, ist ihm nichts vorzuwerfen und die
Anwendung von § 478 Abs. 1 BGB ist durchaus gerechtfertigt. Auch Fälle, in
denen der Letztverkäufer die Nacherfüllung auf nicht so hohen Standards im Vergleich zu denjenigen unternimmt, die dem Lieferanten bei Selbstvornahme der
Nacherfüllung zur Verfügung stünden (etwa weil seine Maschinen moderner und
sensibler sind oder seine Angestellten über größere Erfahrung verfügen), sind
vom § 478 Abs. 1 BGB zu erfassen. Der Letztverkäufer hat das Recht, die Nacherfüllung mit den bei ihm vorhandenen Mitteln zu leisten, solange das aus der exante-Sicht für möglich gehalten werden darf. Fehler bei der Ausführung der
Nachbesserung, wie z.B. die Verwendung einer falschen Substanz, die nicht
wirkt, oder das Problem noch verschlimmert, sind aber dem Letztverkäufer zuzuschreiben – nach § 278 S. 1 BGB auch dann, wenn sie von seinen Mitarbeitern
begangen werden.
Wo ein schuldhaftes Fehlschlagen der Nacherfüllung angenommen wird,
ergibt sich die Frage, ob für den Letztverkäufer die Möglichkeit besteht, mit der
Erleichterung von § 478 Abs. 1 BGB, Regress zu nehmen. Nach einer Ansicht
wird die Antwort auf dieses Problem schon vom Wortlaut des § 478 Abs. 1 BGB
gegeben. In diesen Fällen musste der Letztverkäufer nicht die Sache zurücknehmen, wie von § 478 Abs. 1 BGB vorausgesetzt wird.764 Deswegen kann er bei der
Geltendmachung seiner Rechte gegenüber seinem Vormann auf die Fristsetzung
nicht verzichten.
764 AnwKomm(2002)-Büdenbender, § 478, Rn. 33; vgl. AnwKomm(2005)-Büdenbender,
§ 478, Rn. 13 f.
195
Dieser Auffassung ist in den Fällen der sofortigen Rücknahme der Sache oder
des Akzeptierens der Minderung trotz des Bestehens des Letztverkäuferrechts zur
zweiten Andienung zuzustimmen. Nimmt der Letztverkäufer die Sache sofort
zurück, obwohl er das Recht hatte, den Verbraucher durch Nacherfüllung zu
befriedigen, ist der Fall nicht anders als eine Kulanz zu beurteilen. Eine Rücknahmepflicht besteht hier nicht, und darum soll dem Letztverkäufer die Fristersparnis von § 478 Abs. 1 BGB nicht zugestanden werden. Eine solche Erleichterung auch in diesem Fall würde natürlich zur Effektivität des Regresses beitragen
und mittelbar auch dem Verbraucherschutz dienen, aber gleichzeitig den Lieferanten mit den Kosten einer zur Kundenpflege getroffenen Entscheidung des
Letztverkäufers belasten, was nicht gerechtfertigt ist. Die sofortige Rücknahme
der Sache ist in Deutschland keine Pflicht des Letztverkäufers gegenüber dem
Verbraucher. Wenn sie der Letztverkäufer freiwillig akzeptiert, geht es um eine
Entscheidung aus Gründen der Kundenpflege. Das deutsche Regresssytem – so
wie es konzipiert ist – bezweckt, den Letztverkäufer lediglich von den Nachteilen
des verbesserten Verbraucherschutzes zu entlasten. Die sofortige Geltendmachung des Rücktritts oder der Minderung gehört aber in Deutschland (anders als
in Griechenland) grundsätzlich nicht zu den Verbraucherrechten. In diesem Fall
führt der Letztverkäufer die bestimmte Regresssituation selbst herbei, um von der
Kulanz gegenüber dem Verbraucher zu profitieren. Darum darf er sich im
Regressweg nicht auf § 478 Abs. 1 BGB stützen können, da diese Vorschrift erfordert, dass die Rücknahme oder die Minderung Folge der Gewährleistungshaftung
des Letztverkäufers ist.
Auch wenn mit der oben beschriebenen Konstellation verwandt, ist der Fall, in
dem der Letztverkäufer auf die Nacherfüllung nicht verzichtet, sondern sie ihm
in zu vetretender Weise nicht gelingt, nicht selbstverständlich gleich zu behandeln. Gegen eine Anwendung von § 478 Abs. 1 BGB sprechen zwar auch hier
viele Gründe. Zuerst erscheint als nicht gerecht, wenn der Lieferant den Preis für
eine fehlgeschlagene Nacherfüllung bezahlt, die der Letztverkäufer zu vertreten
hat. Auch Verbraucherschutzüberlegungen sprechen für eine Beschränkung von
§ 478 Abs. 1 BGB auf nicht vom Letztverkäufer selbst zu vertretende Rückgriffsfälle. Weiß er nämlich, dass er nach § 478 Abs. 1 BGB nicht vorgehen darf, wenn
ihm die Nacherfüllung nicht gelingt, dann ist er motiviert, dem Verbraucher
gegenüber die Nacherfüllung ordnungsgemäß auszuführen.765 Einer Gleichbehandlung dieses Falles mit den oben genannten Kulanzfällen steht jedoch der
Wortlaut von § 478 Abs. 1 BGB entgegen. Hier kann nicht gesagt werden, dass
der Letztverkäufer die Sache nicht zurücknehmen oder die Minderung nicht
akzeptieren musste. Auch wenn er das Fehlschlagen der Nacherfüllung zu vertreten hat, muss er die mangelhafte Sache zurücknehmen.766
Obwohl dieser Fall vom Wortlaut der Vorschrift erfasst ist, könnte man jedoch
annehmen, dass dieses Ergebnis sachwidrig ist und dass der Schutz des Letztverkäufers nach § 478 Abs. 1 BGB – beispielsweise mittels teleologischer Reduktion
765 Vgl. dazu Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 127.
766 Ebenso Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 128; Böhle, Der Rückgriff, S. 96 f.
196
oder einer anderen Konstruktion – in Fällen einer schuldhaften Nichterfüllung der
Nacherfüllungspflicht ausgeschaltet werden soll. Natürlich wäre es für den Letztverkäufer äußerst unbillig, wenn ihm der Schutz aus § 478 Abs. 1 BGB in jedem
Fall entzogen würde, in dem er seiner Nacherfüllungspflicht nicht nachgekommen ist. Dies würde sogar der Regelung von § 478 Abs. 1 BGB jeglichen Anwendungsbereich entziehen. Wenn aber ein Verschulden des Letztverkäufers bejaht
werden kann, ist die Anwendung von § 478 Abs. 1 BGB (vor allem für die Interessen seines Vormannes) nicht gerecht.
Wenn der Letztverkäufer beispielsweise die Nacherfüllungsfrist des Verbrauchers sogar vorsätzlich verstreichen lässt, entspricht es keinem Gerechtigkeitsgedanken, ihn durch eine erleichterte Rückgriffsnahme zu kompensieren. Dies lässt
sich weder mit dem Schutz des Verbrauchers noch mit den Interessen des Lieferanten vereinbaren. Solche Vorgehensweisen des Letztverkäufers, die Indizien
von Unzuverlässigkeit darstellen, sind als treuwidrig einzustufen. Dem Lieferanten ist dann der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB
zuzuerkennen.767 Diese Lösung hat im Vergleich zu einer generellen Reduktion
von § 478 Abs. 1 BGB auf Fälle einer nicht zu vertretenden Regresslage den Vorteil, dass der Lieferant die Beweislast für die Umstände, die zur Missbräuchlichkeit der Rechtsausübung führen, zu tragen hat.
bb. Die Rechtsfolge
i) Entbehrlichkeit der Fristsetzung bei der Geltendmachung sonst
fristgebundener Rechte
Wenn die Voraussetzungen von § 478 Abs. 1 BGB vorliegen, hat der Letztverkäufer die Möglichkeit, gegenüber seinem Lieferanten die in § 437 bezeichneten
Rechte ohne die sonst erforderliche Fristsetzung geltend zu machen. In § 478
Abs. 1 BGB wird von den Rechten des § 437 BGB gesprochen; gemeint sind aber
offenbar die Rechte des Rücktritts, der Minderung und des Schadensersatzes statt
der Leistung, da es für die Geltendmachung dieser Rechte nach §§ 323, 281 und
441 BGB einer Fristsetzung bedarf. Die Nacherfüllung und der Schadensersatz
neben der Leistung sind schon nach den allgemeinen Vorschriften fristfreie
Rechte, so dass kein Grund besteht, sie vom Fristerfordernis zu befreien. Da § 478
Abs. 1 BGB keinen neuen Anspruch des Letztverkäufers einführt, sondern lediglich die Geltendmachung der sonst fristgebundenen Rechte durch die Fristersparnis erleichtert, ist nicht notwendig, auch die Nacherfüllung oder den Schadensersatz neben der Leistung der Regelung von § 478 Abs. 1 BGB zu unterwerfen. Di-
767 Vgl. die Meinung von MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 19 über die Anwendbarkeit des Mitverschuldens (§ 254 BGB) bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den
Letztverkäufer; so auch Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1396), die § 254 auch im Falle der
Minderung und des Rücktritts des Unternehmers gegenüber dem Lieferanten analog
anwenden wollen.
197
ese Rechte können ohnehin ohne Fristsetzung geltend gemacht werden. Wenn
aber die Nacherfüllung und der kleine Schadensersatz vom Anwendungsbereich
des § 478 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden, übt dies eine Wirkung auch auf
die Anwendbarkeit von § 478 Abs. 3 BGB aus. Die Vermutung von § 476 BGB
findet nämlich über § 478 Abs. 3 BGB in den Fällen von § 478 Abs. 1 und 2 BGB
entsprechende Anwendung. Auf die Rechte aus § 437 BGB verweist diese Vorschrift nicht. Wenn also der Letztverkäufer z.B. die Nacherfüllung nach § 437
BGB und nicht eines der fristbewehrten Rechte gemäß § 478 Abs. 1 BGB geltend
macht, bedeutet dies, dass ihm die Beweislastumkehr von § 476 BGB nach dem
Wortlaut von § 478 Abs. 3 BGB nicht zu Gute kommt.
Um dieses Problem zu lösen, ist aber nicht notwendig, alle Mängelrechte als
von § 478 Abs. 1 BGB erfasst anzusehen, so dass die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr auch im Fall der ohnehin fristfreien Rechte sichergestellt wird.768 Dies
wäre ein absurdum, da die fristfreien Rechte auch ohne die Regelung von § 478
Abs. 1 BGB ohne Fristsetzung geltend gemacht werden können. Das Problem,
dass § 476 über § 478 Abs. 3 BGB nicht zur Anwendung kommt, wenn der Letztverkäufer nach § 437 BGB vorgeht, ist durch die Annahme der Anwendbarkeit
von § 478 Abs. 3 BGB – mittels teleologischer Auslegung – auch im Falle eines
Vorgehens nach § 437 BGB und nicht durch die unnötige Erfassung der sowieso
fristunabhängigen Rechte von der Fristersparnis des § 478 Abs. 1 BGB zu bewältigen. Es ist nicht ersichtlich, warum alle Vorschriften, die eine Regresserleichterung einführen (nämlich § 478 Abs. 4, § 479 Abs. 2 BGB), auch auf die Rechte
von § 437 BGB verweisen, aber § 478 Abs. 3 BGB nicht. Die Anwendbarkeit von
§ 478 Abs. 3 BGB auf die ohnehin fristfreien Rechtsbehelfe ist demnach durch
entsprechende Ausdehnung dieser Vorschrift auf sämtliche Rechte des § 437
BGB zu gewährleisten und nicht durch ein Verständnis des § 478 Abs. 1 BGB in
dem Sinne, dass auch die sowieso fristfreien Rechte von dem Fristsetzungserfordernis befreit werden.
Unabhängig von der bereits behandelten Frage hat der im § 478 Abs. 1 BGB
enthaltene Verweis auf sämtliche Rechte von § 437 BGB eine weitere Bedeutung.
Dadurch wird auch klargestellt, dass dem regressnehmenden Unternehmer alle
Gewährleistungsrechte zustehen, unabhängig davon, was der Verbraucher verlangt hat. Der Wortlaut von § 478 Abs. 1 BGB bietet also ein Argument gegen die
Meinung, dass die Regressansprüche auf das „reine Regressinteresse“ zu
beschränken sind oder (m.a.W.) den eigenen Aufwand des Rückgriffsgläubigers
nicht übersteigen dürfen.769 Eine Einschränkung besteht jedoch de facto, wenn
der Verbraucher Nachbesserung oder Preisminderung verlangt hat. In diesem Fall
scheitert die Nachbesserung durch den Lieferanten an der Unmöglichkeit.770
768 So aber Böhle, Der Rückgriff, S. 76.
769 Dazu eingehend unter ii).
770 s. auch Jud, ZfRV 2001, 201 (210).
198
ii) Notwendigkeit einer Einschränkung dieser Rechtsfolge?
Die Regelung von § 478 Abs. 1 BGB ist auf heftige Kritik gestoßen. Manche
Stimmen in der Literatur haben den Fristverzicht von § 478 Abs. 1 BGB für gänzlich unangemessen gehalten, da er über das Ziel eines effektiven Regresses hinausgehe.771 Andere Autoren haben ihre Kritik insbesondere darauf konzentriert,
dass nach dem Wortlaut von § 478 Abs. 1 BGB nicht gefordert wird, dass der
Letztverkäufer genau denselben Rechtsbehelf wie der Verbraucher geltend
macht.772 Dadurch werde der Letztverkäufer nach ihrer Ansicht überschießend
privilegiert. Deswegen befürworten sie eine Einschränkung dieser Vorschrift. Die
Erleichterung bei der Geltendmachung der Rechte des Letztverkäufers solle im
Wege teleologischer Reduktion das sogenannte „reine Regressinteresse“773 bzw.
den eigenen Aufwand774 des Letztverkäufers nicht überschreiten. Die Fristersparnis von § 478 Abs. 1 BGB scheint nach Oetker/Maultzsch nur dann gelten zu sollen, wenn der Unternehmer gegenüber seinem Lieferanten dasselbe Recht wie
sein Abnehmer geltend macht. In Anlehnung an diesen Vorschlag vertritt auch
Böhle die Ansicht, dass die Modifikationen von § 478 Abs. 1 (und 3) BGB dem
Letztverkäufer für einen das Regressinteresse übersteigenden Betrag nicht zu
Gute kommen. Der Letztverkäufer dürfe nach einer Preisminderung durch den
Verbraucher über § 478 Abs. 1 BGB nur Nacherfüllung oder fristlose Minderung
und nach dem Rücktritt des Verbrauchers die fristlose Minderung und den fristlosen Rücktritt bzw. Nacherfüllung verlangen. Bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch den Verbraucher unterscheidet Böhle775 folgende Fälle: träfe den Lieferanten kein Verschulden, dann könne der Letztverkäufer nach
seiner Inanspruchnahme auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur bezüglich des Rücktritts Regress nehmen; beruhe aber die Schadensersatzhaftung des
Letztverkäufers auf einem dem Lieferanten vorwerfbaren Verhalten, bestünden
keine Bedenken, dem Letztverkäufer den Regress mit einem fristlosen Schadensersatzanspruch zu gestatten; liege aber seitens des Letztverkäufers ein vom Verschulden des Lieferanten unabhängiges schuldhaftes Verhalten vor, dann sei der
Letztverkäufer durch Rücktritt bzw. Minderung über § 478 Abs. 1 BGB zu schützen, seinen Schadensersatzanspruch habe er jedoch nach dem allgemeinen Gewährleistungsrecht geltend zu machen.
Außer dem Einwand, dass die Geltendmachung der Nacherfüllung seitens des
Letztverkäufers nicht nach § 478 Abs. 1 BGB – wie Böhle anführt – erfolgen soll,
771 So Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1394, 1397 f.); Kritik daran von Böhle, Der Rückgriff,
S. 76 ff.; Schmidt, in: Dauner-Lieb u.a. (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 427
(434). Gegen die Fristersparnis auch Westermann, JZ 2002, 530 (540).
772 Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 220.
773 Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 221; Maultzsch, JuS 2002, 1171
(1173); Böhle, Der Rückgriff, S. 83 ff; Nguyen, Der Rückgriff des Unternehmers, S. 147;
vgl. auch die Meinung von v. Westphalen, in: Henssler/v. Westphalen, § 478, Rn. 5, nach
der der Schadensersatz nicht Gegenstand des Regresses gemäß § 478 Abs. 1 BGB sei.
774 Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 151 ff.
775 Der Rückgriff, S. 91 f.
199
da diese Vorschrift die Nacherfüllung nicht erfasst776, ist dieser Vorgehensweise
auch aus anderen Gründen nicht zu folgen. Weder die Reduktion von § 478 Abs.
1 BGB in dem Sinne, dass der Letztverkäufer nur dasselbe Recht wie sein Abnehmer mit der Erleichterung von § 478 Abs. 1 BGB geltend machen darf, noch diejenige von Böhle, führen zu einer sachgerechten Lösung. Die Konstruktion von
Böhle ist jedoch – trotz ihrer Umständlichkeit – in gewissem Maße angemessener,
da die Beschränkung ausschließlich auf das vom Verbraucher ausgeübte Recht zu
äußerst unbilligen Ergebnissen führen kann. Wenn man beispielsweise den Letztverkäufer auf den großen Schadensersatz beschränkt, da sein Abnehmer dieses
Recht ausgeübt hat, verhindert man die Geltendmachung der Minderung oder des
Rücktritts, welche für den Lieferanten „freundlicher“ wären. Noch unbilliger ist
diese Beschränkung, wenn der Letztverkäufer mangels Verschuldens seines Lieferanten ganz ohne erleichterten Rückgriff bleibt.777
Unklar bleibt auch, wie die von Böhle vorgeschlagene „Aufspaltung“ beispielsweise des großen Schadensersatzes in fristfreie Geltendmachung von Minderung oder Rücktritt und nebenbei Verlangen vom Schadensersatz nach den allgemeinen Vorschriften (somit also nach Fristsetzung) erfolgen soll.778 Unverständlich ist, welchen Sinn die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
nach Fristsetzung hat, wenn der Letztverkäufer gleichzeitig mindert oder zurücktritt und daher eine Nacherfüllung durch den Lieferanten gar nicht in Betracht
kommen kann. Eher meint aber Böhle, wenn er von einem „sich nach dem allgemeinen Gewährleistungsrecht richtenden kleinen Schadensersatzanspruch“
spricht779, dass keine der Modifikationen der §§ 478 f. BGB (und nicht nur der
Fristverzicht) bei der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs Anwendung
finden sollen. Dies führt aber zu dem Ergebnis, dass z.B. die Beweislastumkehr
des 478 Abs. 3 BGB dem Letztverkäufer bei der Geltendmachung der Minderung
zu Gute kommt, beim Schadensersatzanspruch jedoch nicht. Es geht aber in beiden Fällen um denselben Mangel, der in demselben Moment aufgetaucht ist, und
um dieselben Vertragspartner. So eine Verumständlichung der Abwicklung des
Gewährleistungsfalls ist keinesfalls sachgemäß.
Ob eine überschießende Privilegierung des Letztverkäufers überhaupt vorliegt,
wenn er das Gewährleistungsrecht seiner Wahl unabhängig vom Vorgehen des
Verbrauchers geltend machen kann, ist m.E. zu bezweifeln. Nach § 478 Abs. 1
BGB kann nämlich der Letztverkäufer ohne Fristsetzung den Kaufpreis mindern,
vom Kaufvertrag mit seinem Vormann zurücktreten oder Schadensersatzanspruch
verlangen. Wegen der Relativität der Schuldverhältnisse orientieren sich sowohl
die Minderung als auch der Rücktritt an dem vom Letztverkäufer an seinen Lieferanten bezahlten Kaufpreis ohne Rücksicht auf das, was der erste seinem Käu-
776 s. bereits oben; Böhle, Der Rückgriff, S. 76 vertritt jedoch die Gegenmeinung, nach der
§ 478 Abs. 1 BGB auch die ohnehin fristlosen Rechte erfasst.
777 Vgl. Höpker, Verkäuferregress, S. 127.
778 So S. 92; dieselbe Konstruktion schlägt er aber auch für den Fall eines Rücktritts durch
den Verbraucher vor (S. 91).
779 S. 92.
200
fer schuldete. Das bedeutet bei der Minderung, dass der Kaufpreis gemindert
wird, den der Letztverkäufer bezahlt hat. Der Betrag aber, den der Verbraucher
nach Geltendmachung der Minderung bekommt, wird in der Regel viel höher
sein, da er von der Höhe des von ihm bezahlten Kaufpreises abhängt. Entsprechendes gilt auch für den Rücktritt. Wenn der Letztverkäufer zurücktritt,
bekommt er den von ihm bezahlten Kaufpreis zurückerstattet. In beiden Fällen
verliert er also seine Handelsspanne teilweise oder sogar vollständig780; er muss
sie als durch die Mangelhaftigkeit der Sache entstandenen Schaden tragen,
solange seinen Vertragspartner kein Verschulden trifft. Und diese – auch in Hinsicht der Richtlinienkonformität von § 478 Abs. 1 BGB wohl nicht unproblematische781 – Folge ist unabhängig davon, welchen Rechtsbehelf der Verbraucher
geltend gemacht hat. Auch wenn der Verbraucher „lediglich“ mindert und der
Letztverkäufer zurücktritt, verliert er seinen Gewinn.
Eine in dieser Hinsicht schon problematische Regelung braucht also nicht
durch eine eventuelle Reduktion auf das reine Regressinteresse noch bedenklicher zu werden. Es kann außerdem keinesfalls von einer übermäßigen Privilegierung des Letztverkäufers gesprochen werden. Dies erkennen sogar Autoren,
die im Ergebnis die Reduktion von § 478 Abs. 1 BGB befürworten.782 Die sofortige Geltendmachung des Rücktritts verletzt lediglich das Recht des Lieferanten
zur zweiten Andienung und teilweise auch den favor-contractus-Grundsatz, die
durch den Vorrang der Nacherfüllung im allgemeinen Gewährleistungsrecht zum
Ausdruck kommen. Im Regressfall aber hat der Gesetzgeber auf das Recht des
Lieferanten zur zweiten Andienung bewusst verzichtet. Das Erfordernis der
Erheblichkeit des Mangels, das einen weiteren Ausdruck des favor-contractus-
Grundstatzes darstellt, bleibt jedoch auch in diesem Fall für die Geltendmachung
des Rücktritts bestehen.
Schon nach dem allgemeinen Kaufrecht, also ohne die Regresserleichterungen,
kann der Verkäufer nach erfolgloser Fristsetzung frei zwischen Minderung,
Rücktritt und Schadensersatz wählen – natürlich wenn die Voraussetzungen jedes
Rechtsbehelfs erfüllt sind.783 Durch die Regressvorschriften war bezweckt, dem
Letztverkäufer die Geltendmachung dieser Rechte zu erleichtern. Der Fristverzicht wurde eingeführt, da der Vorrang der Nacherfüllung im Regressfall als
unangemessen erachtet wurde. Ziel des Gesetzgebers war, die Regressnahme zu
erleichtern und nicht zu erschweren; damit lässt sich die Beschränkung auf das
reine Regressinteresse mit dem Ergebnis, dass der Letztverkäufer nicht frei zwi-
780 Vgl. Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1395).
781 Dazu unten unter c.bb.
782 Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 149 ff. kommt anhand mehrerer Fälle zu dem
Schluss, dass auch bei der Geltendmachung vom Rücktritt durch den Letztverkäufer nach
Minderung des Verbrauchers oder vom Schadensersatz nach Rücktritt oder Minderung des
Verbrauchers keine überschießende Privilegierung droht. Vgl. auch Böhle, Der Rückgriff,
S. 83, nach dem sich die vom Lieferanten beim Rücktritt bzw. Schadensersatz zu erstattende Summe dem Minderungsbetrag annähere.
783 Z.B. Erheblichkeit des Mangels beim Rücktritt und großem Schadensersatz, Verschulden
des Verkäufers beim Schadensersatz.
201
schen Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz wählen kann, was nach erfolgloser Fristsetzung nach dem allgemeinen Kaufrecht möglich ist, nicht vereinbaren.
Den Interessen des Letztverkäufers entspricht am besten der Schadensersatzanspruch. Nur bei seiner Geltendmachung kann er sogar seinen entgangenen
Gewinn erhalten. In diesem Fall kann vielleicht eine weiter gehende Privilegierung des Letztverkäufers festgestellt werden, trotzdem kann sie aber nicht als
überschießend und einzuschränkend betrachtet werden. Es ist nicht zu übersehen,
dass der Schadensersatzanspruch an das Verschuldenserfordernis des Schuldners
gebunden ist. Demnach ist es nicht ungerecht, wenn die Ansprüche des Letztverkäufers in diesem Fall über sein Regressinteresse hinausgehen, da sein Lieferant
seinen Leistungspflichten schuldhaft nicht nachgekommen ist.
Bis auf den Fall des Schadensersatzanspruchs kann also nicht von einer so
weitgehenden Privilegierung des Letztverkäufers ausgegangen werden, die sogar
eine teleologische Reduktion der Regelung von § 478 Abs. 1 BGB rechtfertigt.
Der Meinung von Schumacher, der trotz der prinzipiellen Ablehnung einer überschießenden Privilegierung nach § 478 Abs. 1 BGB eine Begrenzung des
erleichterten Regresses auf den eigenen Aufwand vertritt784, ist ebenfalls nicht zu
folgen. Die von ihm angeführten Beispiele, nach denen der Regress nach § 478
Abs. 1 BGB unter bestimmten Umständen den eigenen Aufwand des Letztverkäufers überschreiten kann, auch wenn er denselben Rechtsbehelf wie der Verbraucher geltend macht, sind marginal, da sie sich auf die Einigung einer geringen
Preisminderung wegen Verhandlungsgeschickes des Letztverkäufers785 oder die
in der Praxis nur ausnahmsweise auftretende „vente à perte“ beziehen.
Sowohl der klare Wortlaut als auch die ratio von § 478 Abs. 1 BGB sprechen
m.E. gegen eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift auf das reine Regressinteresse oder die Höhe des eigenen Aufwands des Letztverkäufers.786 Die Fälle,
in denen sich diese Regelung, statt dem Schutz des Letztverkäufers vor der
Regressfalle zu dienen, in ein Mittel zur Gewinnzunahme wandeln kann, sind
jedenfalls selten. Zu beachten ist außerdem, dass der österreichische Gesetzgeber
die Beschränkung des besonderen Regresses mit der Höhe des eigenen Aufwands
ausdrücklich eingeführt hat.787 Aus der Nichtübernahme dieses Punktes im deutschen Recht trotz der Tatsache, dass die österreichische Regressregelung der
784 Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 151 ff.
785 So auch das Beispiel von Jud, ZfRV 2001, 201 (211).
786 So auch MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 22; Tröger, AcP 204 (2004), S. 115 (131) mit dem zutreffenden Argument, dass sich die Aufgabe eines effizienten Regresses nicht im Weiterreichen des auf der ersten Gewährleistungsebene gewählten Rechtsbehelfs erschöpfe, sondern in der Zuweisung sämtlicher negativer Auswirkungen der mangelbedingten Äquivalenzstörung liege.
787 s. § 933 b Abs. 1 S. 3 ABGB; und dazu Jud, ZfRV 2001, 201 (211); Faber, IHR 2004, 177
(184).
202
deutschen als Vorbild gedient hat, kann man schließen, dass der deutsche Gesetzgeber diese Einschränkung nicht wollte.788
c. Gesamtbetrachtung von § 478 Abs. 1 und 2 BGB
aa. Möglichkeit einer Kombination
Wie schon erläutert, sieht § 478 Abs. 1 BGB lediglich eine Modifikation der in
§ 437 BGB vorgesehenen Rechte vor, während Abs. 2 eine eigene Anspruchsgrundlage für den Ersatz der Nacherfüllungsaufwendungen enthält. Fraglich ist,
wie sich diese Absätze zueinander verhalten und ob der Letztverkäufer zwischen
ihnen wählen oder sie sogar kombinieren kann.
Wenn der Verbraucher Nachlieferung verlangt hat oder Minderung, Rücktritt
oder großen Schadensersatz geltend gemacht hat, kommt § 478 Abs. 1 BGB zur
Anwendung. § 478 Abs. 2 BGB erfasst die Nacherfüllungsaufwendungen und ist
demnach bei Nachlieferung und Nachbesserung denkbar. Dies bedeutet, dass der
Letztverkäufer zwischen Abs. 1 und 2 frei wählen kann, wenn er dem Verbraucher
eine neue Sache geliefert hat.789 Ansosten darf er entweder nach § 478 Abs. 1 oder
nach § 478 Abs. 2 vorgehen, je nach dem, welches Recht sein Abnehmer ausgeübt
hat.
Zu klären bleibt aber noch die Frage, ob § 478 Abs. 1 und 2 BGB auch zu kombinieren sind. Dies wäre zuerst bei der Ersatzlieferung denkbar, denn in diesem
Fall liegen sowohl nach § 478 Abs. 2 BGB ersetzbare Nacherfüllungsaufwendungen als auch eine Rücknahme im Sinne von § 478 Abs. 1 BGB vor. Die Kombination wäre wohl möglich, da sich aus dem Wortlaut von § 478 Abs. 1 und 2
BGB kein Ausschlussverhältnis dieser Vorschriften ergibt. Das Nebeneinander-
Greifen von Abs. 1 und 2 wäre natürlich für den Letztverkäufer besonders vorteilhaft, denn er könnte in dem o.g. Fall seine Handelsspanne behalten, die durch
ein Vorgehen nur nach § 478 Abs. 1 BGB in der Regel verloren geht. Die Parallelität von Abs. 1 und 2 BGB ist jedoch bedenklich, da darin die Gefahr besteht,
dass der Letztverkäufer einen Gewinn erzielt, der über seine Handelsspanne und
788 So auch Höpker, Verkäuferregress, S. 129; a.A. Schumacher, Der Lieferantenregress,
S. 152 f.
789 a.A. Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 134 f.; im Falle einer Nachlieferung an den
Verbraucher greife nach seiner Ansicht § 478 Abs. 1 BGB trotz des eindeutig entgegenstehenden Wortlauts der Vorschrift nicht. Der dem Letztverkäufer gegen den Lieferanten
zustehende Nacherfüllungsanspruch gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB in Verbindung mit
§ 478 Abs. 2 BGB stelle in dieser Situation eine ausreichende Rückgriffsmöglichkeit dar.
§ 478 Abs. 1 BGB sei daher in diesem Sinne teleologisch zu reduzieren. Im Antipoden
dazu äußert sich Kompaktkommentar-Tonner, § 478, Rn. 19 für den Fall der Ersatzbeschaffung sogar gegen das Wahlrecht des Letztverkäufers. Nach seiner Ansicht müssten
bei der Ersatzlieferung sowohl Abs. 1 als auch Abs. 2 angewandt werden. Nur so lasse
sich das Schicksal des zurückgegebenen mangelhaften Gegenstandes angemessen bewältigen.
203
Aufwendungen hinausgeht.790 So könnte es z.B. passieren, wenn der Letztverkäufer, der gegenüber dem Verbraucher nachgeliefert hat, seine Nachlieferungsaufwendungen nach § 478 Abs. 2 BGB geltend machen könnte und gleichzeitig
gegenüber seinem Vormann den Kaufpreis mindern oder vom Vertrag zurücktreten könnte. In diesem Szenario könnte er durch den Gewährleistungsfall einen
zusätzlichen Gewinn erzielen, denn seine Handelsspanne bliebe ihm sowieso
durch das Weiterbestehen des Vertrages mit dem Verbraucher erhalten, die Nacherfüllungskosten würden nach § 478 Abs. 2 BGB ersetzt und zusätzlich könnte er
mindern oder zurücktreten. Damit wäre er wirklich ungerechtfertigt privilegiert.
Deswegen ist eine parallele Anwendung von § 478 Abs. 1 und 2 BGB grundsätzlich abzulehnen. § 478 Abs.1 und § 478 Abs. 2 BGB schließen sich im Prinzip
gegenseitig aus.
Eine Ausnahme davon muss jedoch für den Fall der erfolglosen Nacherfüllung
gemacht werden, nach welcher der Verbraucher Minderung, Rücktritt oder Schadensersatzanspruch geltend macht.791 Wie gesagt, erfasst § 478 Abs. 2 BGB auch
die vergeblichen Nacherfüllungsaufwendungen. In diesem Fall würde eine
Regressnahme lediglich nach § 478 Abs. 1 oder nach Abs. 2 den Interessen des
Letztverkäufers zuwiderlaufen, denn diese Konstellation unterscheidet sich
merklich von derjenigen der erfolgreichen Ersatzlieferung. Hier entwickelt sich
die Gewährleistung in zwei Phasen. Zuerst versucht der Letztverkäufer die Sache
zu reparieren. Dadurch entstehen natürlich Kosten. Die Reparatur gelingt ihm
jedoch nicht und deswegen übt der Verbraucher ein anderes Recht aus, z.B. tritt
er vom Kaufvertrag zurück. Damit kommt der mangelhafte Gegenstand in die
Hände des Letztverkäufers zurück und er hat natürlich ein Interesse daran, ihn
weiterzugeben. Wenn er auch vom Vertrag mit dem Lieferanten zurücktritt, erhält
er lediglich den von ihm bezahlten Kaufpreis zurück. Die Kosten der fehlgeschlagenen Nachbesserung werden jedoch nicht berücksichtigt. Daher besteht in diesem Fall die Notwendigkeit, dass der Letztverkäufer den Anspruch aus § 478 Abs.
2 BGB mit der privilegierten Geltendmachung eines anderen Gewährleistungsrechts nach § 478 Abs. 1 BGB kombiniert.792 Dies soll indes nur möglich sein,
wenn der Letztverkäufer das Fehlschlagen der Nacherfüllung nicht zu vertreten
hat.793
bb. Richtlinienkonformität der Regelung von § 478 Abs. 1 und 2 BGB
Es wurde schon festgestellt, dass der Letztverkäufer bei einem Vorgehen nach
§ 478 Abs. 1 BGB deutlich schlechter steht als bei Regressnahme nach § 478 Abs.
790 Vgl. Höpker, Verkäuferregress, S. 133; MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 32.
791 Als erster hat Westermann, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform,
S. 109 (129) diese Frage aufgeworfen.
792 Im Ergebnis ebenso MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 34 in fine; Höpker, Verkäuferregress, S. 162.
793 Zu der Frage, wann ein schuldhaftes Misslingen der Nachlieferung vorliegt, s. die Überlegungen unter VI.1.b.aa.iv).
204
2 BGB. Dies hängt damit zusammen, dass er im Fall eines Regresses nach § 478
Abs. 1 BGB seine Handelsspanne nur dann nicht verliert, wenn er einen Schadensersatz bekommt, der aber vom Verschulden des Lieferanten abhängt. Bei Ersatzlieferung gegenüber dem Verbraucher bleibt der Vertrag mit ihm und auch der
Handelsgewinn erhalten; letzterer aber nur theoretisch, denn durch die gemachten
Nachlieferungsaufwendungen geht die Handelsspanne auch in diesem Fall (wenn
auch mittelbar) zumindest teilweise verloren. Bis auf den Schadensersatz geht
also die Handelsspanne nach einen Regress gemäß § 478 Abs. 1 BGB vollständig
oder teilweise verloren.
Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich der Inhalt der Gewährleistungsrechte
an dem Vertrag zwischen den jeweiligen Vertragspartnern orientiert. Der Verbraucher bekommt also beim Rücktritt den von ihm bezahlten Kaufpreis zurück,
der in der Regel höher ist als derjenige, den der Letztverkäufer seinem Lieferanten erstattet hat und den er dann auch im Falle seines Rücktritts vom Kaufvertrag erhält. Jeder Händler verkauft die Produkte normalerweise teurer, als er sie
selbst erwirbt. Der eigentliche Sinn des Handels liegt darin, dass die Differenz
zwischen den Verkaufspreisen als Gewinn beim Händler verbleibt. Gerade dieser
Handelsgewinn geht aber beim Regress nach § 478 Abs. 1 BGB verloren. Nach
dieser Vorschrift verliert der Letztverkäufer nicht nur seine Handelsspanne, sondern er kann auch die Kosten der Bearbeitung der Reklamation und der Abwicklung des Gewährleistungsfalles von seinem Vormann nicht verlangen, da es in
diesem Fall (außer dem verschuldensabhängigen Schadensersatz) an einer
Anspruchsgrundlage für den Ersatz dieser Kosten fehlt.
Beim Regress nach § 478 Abs. 2 BGB kann aber der Letztverkäufer seine Aufwendungen in vollem Umfang auf seinen Lieferanten überleiten. Gleichzeitig
behält er seinen Handelsgewinn, da der Vertrag mit dem Verbraucher beibehalten
wird. Im Fall der Nachlieferung gegenüber dem Verbraucher wird der Letztverkäufer in der Regel einen Regress nach § 478 Abs. 2 BGB vorziehen, denn nur
so kann er einen Ersatz für seine Nacherfüllungsaufwendungen erhalten. Über
einen Regress nach § 478 Abs. 1 BGB verliert er seine Handelsspanne zwar nicht,
da bei Nachlieferung der Vertrag mit dem Verbraucher weiterbesteht, seine Aufwendungen kann er jedoch nicht verlangen, solange seinen Vertragspartner kein
Verschulden trifft. Darin besteht der Unterschied zwischen § 478 Abs. 1 und 2
BGB. Obwohl § 478 Abs. 2 BGB keinen verschuldensunabhängigen Anspruch
auf Ersatz der Handelsspanne gewährt, bewirkt er die Beibehaltung der Handelsspanne, da der Vertrag zwischen Letztverkäufer und Verbraucher nicht aufgehoben wird und die Nacherfüllungsaufwendungen des Letztverkäufers ersetzt werden.
Diese Differnezierung zwischen § 478 Abs. 1 und 2 BGB hinsichtlich der
Erfassung der Handelsspanne ist im Schrifttum auf heftige Kritik gestoßen.794
Mehrere Autoren haben aber auch versucht, Rechtfertigungsgründe für diese Diskrepanz zu finden. Diese können darin liegen, dass der Letztverkäufer bei Nach-
794 s. Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1395 f.), nach denen die drohende „Haftungsfalle“ je nach
den Umständen des Falles durchaus gerade im Verlust der Handelsspanne liegen kann.
205
erfüllung einen zusätzlichen, „aktiven“ Aufwand „aus eigener Tasche“ erbringt,
den er bei ordnungsgemäßer Erfüllung nicht hätte tätigen müssen. Bei Rücktritt
oder Minderung durch den Verbraucher hat er auf der anderen Seite keine zusätzliche Leistung zu erbringen. Für die Unterscheidung zwischen § 478 Abs. 1 und
Abs. 2 hinsichtlich der Erfassung der Handelsspanne können auch Verbraucherschutz-Überlegungen sprechen. Wird die Handelsspanne des Letztverkäufers nur
im Falle der Nacherfüllung erhalten, so wird sich dieser um die ordnungsgemäße
Durchführung der Nachbesserung oder der Nachlieferung bemühen.795 Die Entscheidung des Gesetzgebers könnte insoweit für sachgerecht gehalten werden.
Letzteres beantwortet jedoch nicht die Frage, ob die Nichterfassung der Handelsspanne durch § 478 Abs. 1 BGB den Vorgaben von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entspricht. Wenn diese Vorschrift die Weiterreichung der gesamten wirtschaftlichen Last und somit auch den Ersatz der Handelsspanne in den
Fällen verlangt, in denen sie wegen des Gewährleistungsfalles verloren geht,
dann stellt die Vorschrift von § 478 Abs. 1 BGB eine richtlinienwidrige Lücke im
deutschen Regresssystem dar. Während ein Teil der Autoren dem Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Verbindung mit dem effet-utile-Grundsatz eine
europarechtliche Verpflichtung zum Ersatz der Handelsspanne entnimmt, da auch
der Verlust der Handelsspanne den Letztverkäufer in eine Haftungsfalle bringe796,
wird diese von anderen Literaturstimmen stark bezweifelt.797 Gegen eine europarechtliche Verpflichtung eines Regresses „in vollem Umfang“ werden insbesondere zwei Argumente angeführt: Einerseits würden in den Materialien zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie die Haftungsausschlüsse und die kürzeren Verjährungsfristen als Gründe entstehender Regressfallen genannt, nicht aber, dass die
vertraglichen Ansprüche zu einem unzureichenden Ersatz führen. Außerdem
ergäbe sich aus der Verpflichtung zum Ersatz der Handelsspanne die Konsequenz,
dass die Haftung der Vormänner nicht mehr kalkulierbar wäre, da die verschiedenen Letztverkäufer oft unterschiedliche Verkaufspreise erzielen.798
M.E. bietet der Wortlaut von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass die entgangene Handelsspanne muss über einen
Regressanspruch liquidiert werden können. Die Formulierung von Art. 4 sowie
795 Jud, ZfRV 2001, 201 (213); der folgend Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 154 –
beide Autoren bezweifeln jedoch im Ergebnis, ob diese Argumente die Differenzierung
zwischen § 478 Abs. 1 und 2 BGB hinsichtlich der Handelsspanne wirklich rechtfertigen.
Vgl. aber Höpker, Der Verkäuferregress, S. 130 ff. (132); Kompaktkommentar-Tonner,
§ 478, Rn. 13 und 18, die diese Gründe für überzeugend halten.
796 So Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1396); Lehmann, JZ 2000, 280 (290); Schmidt-Kessel,
ÖJZ 2000, 668 (671); Roth, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und
Schuldrechtsreform, S. 225 (253 f.); ders., in: Grundmann u.a. (Hrsg.), Europäisches
Kaufgewährleistungsrecht, S. 113 (136); Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 155 f.
797 Jud, ZfRV 2001, 201 (211 f.); dies., ÖJZ 2000, 661 (663 f.); Kompaktkommentar-Tonner,
§ 478, Rn. 13; Höpker, Verkäuferregress, S. 131 ff.
798 Dazu bereits unter II.2.d.cc.iv); a.A. Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 155 f., nach
dem der Hersteller in der typischen, von ihm organisierten Absatzkette in der Regel
abschätzen kann, zu welchem Preis seine Ware an den Verbraucher verkauft wird.
206
der den Mitgliedstaaten überlassene Gestaltungsspielraum erlaubt keine Schlussfolgerungen in diese Richtung. Der Effektivitätsgrundsatz, dessentwegen auch
hier angenommen wurde, dass Art. 4 die Schaffung eines effektiven Regresses
fordert, führt auch nicht zwingend dazu, dass die Handelsspanne ersetzt werden
muss. Ein Regress, der den Letztverkäufer nicht vom gesamten wirtschaftlichen
Nachteil der Gewährleistungshaftung befreit, ist nicht unbedingt uneffektiv.799
Sinn und Zweck von Art. 4 RL ist, dass der Letztverkäufer nicht in einer Regressfalle stecken bleibt, indem er die Gewährleistungshaftung wegen eines von ihm
nicht verursachten Mangels nicht weiterleiten kann. Nach § 478 Abs. 1 BGB passiert dies jedoch nicht, denn auch diese Vorschrift gibt ihm die Möglichkeit,
erleichterten Regress zu nehmen. Nur einen Ersatz für seinen entgangenen
Gewinn erhält er in diesem Fall grundsätzlich nicht. Es soll jedoch nicht übersehen werden, dass auch § 478 Abs. 2 BGB keinen Anspruch auf Ersatz der Handelsspanne vorsieht, sondern „lediglich“ die Nacherfüllungsaufwendungen
ersetzt. Da aber der Kaufvertrag mit dem Verbraucher wegen der erfolgten Nacherfüllung unberührt bleibt, verbleibt dem Letztverkäufer automatisch die Handelsspanne. Dasselbe passiert auch bei § 478 Abs. 1 BGB, solange der Letztverkäufer nachgeliefert hat. Wenn er aber nach § 478 Abs. 1 BGB vorgeht, kann er
seine Aufwendungen nicht verlangen.
Da § 478 Abs. 1 BGB nicht die einzige Regressvorschrift darstellt und dem
Letztverkäufer auch die Möglichkeit zur Regressnahme nach § 478 Abs. 2 BGB
zusteht, solange er sich um die Ausführung einer ordnungsgemäßen Nacherfüllung bemüht, kann die Effektivität des Regresses nach dem deutschen Recht
bejaht werden. Eine Richtlinienwidrigkeit des § 478 Abs. 1 BGB liegt m.E. nicht
vor, da Art. 4 RL keinen lückenlosen Letztverkäuferschutz gewährleisten
wollte.800 Eine vollständige Erfassung der Handelsspanne wäre im deutschen
Recht durch die Einführung eines verschuldensunabhängigen Anspruchs auf
Ersatz sämtlicher Gewährleistungsaufwendungen (wohl in Form eines verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruchs801) möglich. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie befasst sich aber mit Schadensersatzansprüchen nicht und außerdem will sie „die Bestimmungen und Grundsätze des innerstaatlichen Rechts
über die Regelung der vertraglichen und außervertraglichen Haftung nicht
beeinträchtigen“.802
Die Frage, ob Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie einen Regress in vollem
Umfang verlangt, wird aber letztlich vom EuGH zu entscheiden sein.803 Falls er
799 Vgl. v. Sachsen Gessaphe, RIW 2001, 721 (726 und 733 f.), nach dem die Kommission
eine völlige Vermeidung von Regressfallen nicht beabsichtigt hatte.
800 So auch Höpker, Verkäuferregress, S. 132 f. und 158.
801 Dies befürwortet Lehmann, JZ 2000, 280 (289 f.) de lege ferenda.
802 So der Erwägungsgrund 6; dazu bereits unter II.2.d.cc.iv). Zu Recht merkt darüber hinaus
Tröger, ZGS 2003, 296 (298) an, dass die Verschuldensabhängigkeit des gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzes eine weit über den Regress hinausgehende rechtspolitische
Frage ist, die nicht mit dem verengten Blick auf die Rückgriffsproblematik entschieden
werden sollte.
803 So auch Jud, ZfRV 2001, 201 (212).
207
eine solche Auslegung von Art. 4 annimmt, ist § 478 Abs. 1 BGB in dieser Hinsicht richtlinienwidrig und der deutsche Staat könnte Staatshaftungsansprüchen
von Letztverkäufern, die in den Fällen von § 478 Abs. 1 BGB ihre Handelsspanne
verlieren, ausgesetzt sein.804 Bei einem solchen Verständnis von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie droht eine Haftung um so mehr dem griechischen
Staat, da sich der Inhalt des Regresses nach dem griechischen Recht ausschließlich an den allgemeinen Gewährleistungsrechten orientiert, wie gleich unter b.
festgestellt wird.
2. Nach dem griechischen Recht: Geltung der allgemeinen
Gewährleistungsrechte
a. Das Wahlrecht des Letztverkäufers zwischen den Mängelrechten
Wie schon mehrfach erwähnt, orientiert sich der Regress des Letztverkäufers und
der übrigen Kettenglieder nach dem griechischen Recht an den Gewährleistungsrechten, die für jeden Kauf gelten. Die einzige Erleichterung für den Regressfall
liegt in dem unterschiedlichen Verjährungsbeginn, der die Verkäufer der Absatzkette vor der Regressfalle schützen soll. Der griechische Gesetzgeber hat keine
weitere spezielle Regelung für den Regressfall eingeführt. Die Rechte aller Käufer und somit auch der weiterverkaufenden – also der Kettenglieder – werden dem
Art. 540 AK entnommen. Demnach ist der Käufer im Falle der Haftung des Verkäufers für Sachmängel oder für das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft berechtigt, nach seiner Wahl 1. Nachbesserung oder Ersatzlieferung ohne seine Belastung zu verlangen, es sei denn, dass eine solche Handlung unmöglich ist oder
unverhältnismäßige Aufwendungen erfordert, 2. den Kaufpreis zu mindern,
3. vom Vertrag zurückzutreten, es sei denn, es handelt sich um einen unerheblichen Mangel.
Wegen der Gleichrangigkeit der Rechtsbehelfe im griechischen Recht wäre
eine dem § 478 Abs. 1 BGB entsprechende Regelung dort überflüssig. Das im
deutschen Recht vorgesehene Fristsetzungserfordernis existiert im griechischen
Recht nicht; deswegen braucht nicht speziell für den Regress darauf verzichtet zu
werden. Jeder Käufer hat in Griechenland das Recht, frei zwischen allen Mängelrechten zu wählen (ius variandi), was bedeutet, dass er auch sofort den Kaufpreis
mindern oder vom Vertrag zurücktreten kann.805 Dies gilt auch für den regressnehmenden Verkäufer, so dass nach dem griechischen Recht – ohne die Einführung einer bestimmten Regelung – die Schwierigkeiten bei der Durchreichung der
804 Vgl. Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 156.
805 So ausdrücklich der Begründungsbericht zum Gesetz 3043/2002, Kodex NoB 50, S. 1608
(1612); s. auch Georgiades, Schuldrecht, BT, Bd. I, § 9, Rn. 127; Doris, Digesta 2003,
123 (128); Roussos, in: Papanikolaou u.a., Das neue Recht der Verkäuferhaftung, Rn. 555;
vgl. aber Pouliadis, Die Haftung des Verkäufers, S. 121 ff., der im Weg einer teleologischsystematischen Auslegung die Rangordnung der Käuferrechte auch im Rahmen des grie-
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Zusammenfassung
Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der den Rückgriff des Letztverkäufers im Fall einer von ihm nicht verursachten Mangelhaftigkeit der Sache gewährleisten will, überlässt den Mitgliedstaaten einen weiten Umsetzungsspielraum. Dies reizt zu einer rechtsvergleichenden Untersuchung, da das Optionenspektrum für die Ausgestaltung des Rückgriffs sehr breit ist. Wie der deutsche und griechische Gesetzgeber die genannte Richtlinienvorschrift ins nationale Recht umsetzten, ist Gegenstand dieses Werkes. Die Verfasserin stellt die Rückgriffsregelungen des BGB und des griechischen ZGB (AK) nebeneinander und gelangt zu interessanten Ergebnissen bezüglich ihrer Richtlinienkonformität und rechtspolitischen Richtigkeit.