173
bei Gefahrübergang zulässt, ist der BGH in seinem Urteil v. 14.9.2005674 der Gegenmeinung mit der Begründung gefolgt, dass der mit der Regelung von § 476
BGB intendierte Verbraucherschutz durch eine derartige Einengung der Beweislastumkehr weitgehend ausgehöhlt würde.
In der – deutschen – Gesetzesbegründung wurden gebrauchte Sachen als ein
weiteres Beispiel der Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art der Sache
genannt.675 Die Gerichte haben aber wiederholt angenommen, dass § 476 BGB
auch bei gebrauchten Sachen Anwendung findet, denn auch bei gebrauchten
Sachen liegt dann ein Sachmangel vor, wenn dieser über den normalerweise zu
erwartenden Verschleiß hinausgeht. Dann ist es auch konsequent, einen solchen
Mangel der Vermutungswirkung von § 476 BGB zu unterwerfen.676 Gebrauchte
Sachen sind also keineswegs generell dem Ausnahmetatbestand der Unvereinbarkeit mit der Art der Sache zu unterstellen. Bei ihnen ist vielmehr eine Gesamtschau beider Vermutungsausschlussgründe vorzunehmen. Maßgeblich ist, ob der
konkrete Mangel bei der bestimmten Kaufsache mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Rückschluss auf sein Vorliegen zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (bzw. der Sachübergabe im griechischen Recht) zulässt.677
4. Insbesondere beim Regress
a. § 478 Abs. 3 BGB
Der deutsche Gesetzgeber, der § 476 BGB als Erschwernis für den Letztverkäufer
empfunden hat, hat vorgesehen, dass § 476 BGB auf den Rückgriff nach § 478
Abs. 1 und 2 BGB678 mit der Maßgabe Anwendung findet, dass die Frist mit dem
Übergang der Gefahr auf den Verbraucher beginnt. Damit wird im Verhältnis zwischen Unternehmern die Frist von § 476 BGB erheblich ausgedehnt. Dieser Regelung liegt die Überlegung zu Grunde, dass der Letztverkäufer, der gegenüber
dem Verbraucher die Vermutung von § 476 BGB schon nicht habe entkräften können, in aller Regel auch gegenüber seinem Lieferanten nicht den Nachweis erbringen könnte, dass der Mangel schon bei der Lieferung an ihn vorlag. Damit
674 BGH 8. Zivilsenat v. 14.9.2005, VIII ZR 363/04, Nr. 34 f. = WM 2005, 2293.
675 RegBegr zu § 476 BGB, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 872; s. auch Huber/
Faust, Schuldrechtsmodernisierung, § 5, Rn. 21.
676 OLG Stuttgart v. 31.01.2005, ZGS 2005, 156; OLG Stuttgart v. 17.11.2004 – 19 U 130/
04, ZGS 2005, 35; BGH v. 2.6.2004 – VIII ZR 329/03, ZGS 2004, 309=NJW 2004, 2299;
AG Bremen v. 28.4.2004 4 C 0102/03, 4 C 102/03; OLG Köln ZGS 2004, 40 mit Anmerkung von Wietoska, ZGS 2004, 8 ff.; vgl. auch Westermann, NJW 2002, 241 (244); Erman-
Grunewald, § 476, Rn. 7.
677 Ebenso MüKo-Lorenz, § 476, Rn. 16.
678 Zur Tatsache, dass § 478 Abs. 3 BGB nur ein Vorgehen nach dessen Abs. 1 und 2 und nicht
die Geltendmachung der Rechte aus 437 BGB ohne Inanspruchnahme der Privilegien von
§ 478 Abs. 1 und 2 BGB erfasst, s. unten unter VI.1.b.bb.i), wo dieses Problem mittels
teleologischer Auslegung gelöst wird.
174
bliebe er in einer „doppelten Beweisfalle“679 stecken. Deshalb müsse in dem Umfang, in dem der Verbraucher von der Beweislastumkehr des § 476 BGB profitiere, diese auch dem Letztverkäufer zu Gute kommen.680 Durch § 478 Abs. 3 wird
also die Beweislast im Regressverhältnis mit der im Verhältnis zwischen Letztverkäufer und Verbraucher synchronisiert.
Damit ist die sechsmonatige Frist für den Letztverkäufer und die übrigen Verkäufer in der Lieferkette681 keine sechsmonatige Frist mehr, sondern kann je nach
den Umständen des Falles auf mehrere Jahre anwachsen. Da eine besondere Zeitgrenze für die Beweislastumkehr nicht vorgesehen ist, kann die sechsmonatige
Frist der Beweislastumkehr 5 Jahre nach Lieferung der Sache ablaufen, weil die
Ablaufhemmung der Verjährung spätestens zu diesem Zeitpunkt endet (§ 479
Abs. 2 BGB). Nach einer Ansicht sei die Rechtfertigung einer so weitgehenden
Beweislastumkehr mehr als zweifelhaft, weil der Letztverkäufer es selbst in der
Hand habe, sein Beweisrisiko zu minimieren. Die Effektivität des Rückgriffs
werde nicht durch erfüllbare Obliegenheiten gehindert. Deswegen wird vorgeschlagen, § 478 Abs. 3 BGB durch eine Bindung der Beweislastumkehr an einen
Weiterverkauf der Sache innerhalb von sechs Monaten einzuschränken.682 Diese
Meinung scheint jedoch zu übersehen, dass kein Verkäufer die Waren gerne im
Lager behält. Wenn eine Sache nicht sofort weiterverkauft wird, heißt es nicht,
dass der Verkäufer es nicht will oder sich darum nicht bemüht. Lange Lagerzeiten
von Waren sind in der Regel nicht absichtlich, sondern hängen normalerweise mit
einer mangelnden Qualität des Produkts oder der fehlenden Reputation der Marke
zusammen.683
Will der Lieferant die Vermutung entkräften, dann muss er beweisen, dass der
Mangel durch ein Verhalten des Letztverkäufers oder des Verbrauchers oder auf
jeden Fall nach Gefahrübergang an den Letztverkäufer irgendwie entstanden ist.
Wenn § 478 Abs. 3 nicht eingeführt worden wäre, hätte der Letztverkäufer darlegen müssen, dass der Mangel beim Gefahrübergang an ihn vorhanden war und
nicht erst später entstanden ist. Der Letztverkäufer wird also durch § 478 Abs. 3
BGB wesentlich entlastet. Zu beachten ist aber, dass die Regelung von § 478 Abs.
3 BGB nicht auf gebrauchte Sachen anwendbar ist. Obwohl sie von § 476 BGB
grundsätzlich nicht ausgeschlossen sind684, ergibt sich im Regressweg diese Einschränkung, da § 478 Abs. 3 einen Regress nach § 478 Abs. 1 oder 2 voraussetzt
679 s. Höpker, Verkäuferregress, S. 163.
680 RegBegr, in: Canaris, Sculdrechtsreform 2002, S. 877; nach Büchel, in: Zwischen Markt
und Staat, S. 33 (37) werde die Position des Verbrauchers durch § 476 BGB und damit
auch des Letztverkäufers durch § 478 Abs. 3 BGB nur geringfügig gestärkt.
681 § 478 Abs. 5 BGB dehnt den Anwendungsbereich auch von § 478 Abs. 3 auf die Ansprüche
aller Käufer in der Lieferkette gegen die jeweiligen Verkäufer aus.
682 Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1397); vgl. auch Matthes, NJW 2002, 2505 (2509 f.), der
eine Rücknahme von § 476 BGB in den AGB des Herstellers für die Fälle unverhältnismäßig langer Lagerung vorschlägt. Die Ausschlussfrist für die Beweislastumkehr müsse
produkt- und branchengerecht ermittelt werden.
683 Höpker, Verkäuferregress, S. 175.
684 s. bereits oben in diesem Kapitel unter 3.
175
und diese Vorschriften nur auf den Verkauf neu hergestellter Sachen Anwendung
finden.
Nach den Gesetzeserläuterungen sei die Verlängerung der Vermutung im
Regressweg auch deswegen gerechtfertigt, weil der Rückgriff nach § 478 BGB
nur für neu hergestellte Sachen besteht, so dass eine Benutzung der Sache durch
den Letztverkäufer, die zur Mangelhaftigkeit geführt haben könnte, ausscheidet.685 Diesem Argument ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Mangel nicht nur
durch die Benutzung der Sache, sondern z.B. auch durch falsche Lagerung oder
beim Transport entstehen kann. Widersprüchlich erscheint außerdem, dass die
Unternehmer im Regressweg in den Genuss der Beweislastumkehr kommen,
obwohl diese in der Gesetzesbegründung als eine Regelung mit verbraucherschützendem Charakter erachtet und darum nicht in das allgemeine Kaufrecht
übernommen wurde.686 Auch die Gerichtsurteile haben die verbraucherschützende Funktion der Beweislastumkehr mehrfach betont und sie als eine Regelung
bezeichnet, der verbraucherspezifische Erwägungen zugrunde liegen.687
Die Tatsache, dass die 6-Monats-Frist mit dem Gefahrübergang an den Verbraucher beginnt, trägt aber dem beim Warenvertrieb über Lieferketten geltenden
Umstand Rechnung, dass die Kettenglieder die Sache nicht benutzen, sondern
bloß weiterverkaufen, während sich die Mängel i.d.R. bei der Ingebrauchnahme
der Sache zeigen. Dieser erfolgt aber erst in der Sphäre des Verbrauchers. Und da
normalerweise auch bei einer kurzen Zwischenlagerung die sechs Monate nach
Gefahrübergang auf den Letztverkäufer schon vergangen sein dürfen, wenn der
Mangel beim Verbraucher offenbar wird, hat die Verschiebung des Beginns der
6-Monats-Frist der Beweislastumkehr zu Gunsten des Letztverkäufers auf den
Gefahrübergang an den Verbraucher insoweit Sinn. Wenn die Vermutung von
§ 476 BGB auf die Regressverhältnisse ohne den unterschiedlichen Fristbeginn
übertragen worden wäre, dann würde die Beweislastumkehr für sechs Monate
nach Gefahrübergang auf den Letztverkäufer gelten. Bei zum Weiterverkauf
bestimmten Sachen würde dies den Letztverkäufer jedoch nicht besser stellen,
denn innerhalb der ersten sechs Monate ab Gefahrübergang auf den Letztverkäufer mag die Sache noch im Lager liegen und den Verbraucher nicht erreicht haben.
b. Die Rechtslage in Griechenland
Die griechische Regelung der Beweislastumkehr, die nicht auf den Verbrauchsgüterkauf zugeschnitten, sondern für jede Kaufart konzipiert ist, brauchte zunächst nicht durch eine besondere Vorschrift auf die Verhältnisse zwischen den
Regressparteien übertragen zu werden. Art. 537 Abs. 2 AK kommt jedem Käufer
685 RegE 585 (586); vgl. auch Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 184 f.
686 So auch Jud, ZfRV 2001, 201 (208).
687 s. OLG Stuttgart v. 17.11.2004 – 19 U 130/04, Nr. 57 mit Kurzkommentar von Reinking
in EwiR 2005, 107; BGH v. 14.9.2005 – VIII ZR 363/04, Nr. 35 = WM 2005, 2293 = ZGS
2005, 434; BGH v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05, NJW 2006, 47 (49), Nr. 22.
176
– also auch dem Regressnehmenden (Unternehmer oder nicht) – bei einer Mangeloffenbarung innerhalb von sechs Monaten nach der Lieferung der Sache an ihn
zu Gute. Fraglich ist jedoch, ob auch in Griechenland die Einführung eines speziellen Beginns der Vermutungsfrist für den Fall des Weiterverkaufs der Sache
und der damit zusammenhängenden Regressnahme erforderlich wäre.
Zuerst muss geprüft werden, ob Art. 4 RL die Mitgliedstaaten zur Einführung
von Beweiserleichterungen zu Gunsten des Regressnehmenden verpflichtet. In
der deutschen Literatur gibt es Stimmen, die § 478 Abs. 3 BGB aus europarechtlicher Sicht für zwingend erforderlich halten. Es wird eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Vermeidung der „Beweisfalle“ aus dem effet utile von Art. 4 RL hergeleitet.688 Mangels einschlägiger Anhaltspunkte in Art. 4 RL und der ausdrücklichen Überlassung der Bestimmung der Regressmodalitäten an die Mitgliedstaaten ist eine Verpflichtung der nationalen Gesetzgeber in dem o.g. Sinne abzulehnen.689 Die Tatsache, dass Art. 4 RL die Sicherstellung eines effektiven Regresses
verlangt, bedeutet nicht, dass er den Letztverkäufer von jeder Last (wie der
Beweislast) oder Obliegenheit befreien will.690
Obwohl die Ausdehnung der Beweislastumkehr auf das Verhältnis der
Regressparteien und zwar mit der Maßgabe einer Verschiebung des Beginns der
sechsmonatigen Frist in europarechtlicher Hinsicht nicht zwingend erforderlich
ist, ist sie wohl der Sache nach geboten. Wenn eine Sache gekauft und dann weiterverkauft wird und vor allem, wenn sie originalverpackt ist, kann der Verkäufer,
der sie verkauft, ohne sie benutzt zu haben, nur schwer einen Mangel feststellen,
so dass er später sein Vorliegen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs auch nicht
beweisen kann; oft kann er die Sache überhaupt nicht untersuchen.691 Und da sich
viele Mängel erst bei der Benutzung der Sache zeigen, werden sie entdeckt, wenn
die Sache in Gebrauch genommen wird. Und dies erfolgt in der Regel beim Letzterwerber der Sache. Wie bereits im Rahmen der Erörterung von § 478 Abs. 3
BGB bemerkt wurde, hat die Beweislastumkehr beim Verkauf von Sachen über
Lieferketten oft keinen Sinn, wenn die Frist sechs Monate nach Lieferung an den
jeweiligen Käufer/Weiterverkäufer abläuft, denn der Mangel bleibt in vielen Fällen während dieser Zeit unentdeckt. Die Sache liegt oftmals noch im Regal oder
im Lager des Verkäufers. Aus rechtspolitischen Gründen gebietet sich also auch
in Griechenland, die sechsmonatige Frist von Art. 537 Abs. 2 AK beim Weiterverkauf der Sache – ohne vorige Ingebrauchnahme – erst zum Zeitpunkt der Lieferung an den Letztkäufer beginnen zu lassen. Wenn dies der deutsche Gesetzgeber bestimmt hat, der vom verbraucherschützenden Charakter der Beweislastumkehr ausging, dann muss es um so mehr in Griechenland gelten, wo die Mängel-
688 Roth, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform,
S. 225 (254); Magnus, in: FS Siehr, S. 429; Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 185.
689 Ebenso Jud, ZfRV 2001, 201 (208).
690 Vgl. dazu Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1397); Wind, Der Lieferanten- und Herstellerregress, S. 281.
691 Zur Tatsache, dass es im griechischen Recht grundsätzlich keine Untersuchungslast gibt,
s. unten unter Kapitel IX.
177
vermutung von Anfang an ins allgemeine Kaufrecht eingeführt wurde. Der
Gesetzgeber hat diese Notwendigkeit übersehen. Für die Fälle des Weiterverkaufs
der Sache hat er keine spezielle Vorschrift bezüglich der Beweislast eingeführt
und es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte, dass er dieses Problem überhaupt in
Betracht gezogen hat. Deswegen weist das griechische Recht in diesem Punkt
eine Lücke auf, die gefüllt werden sollte. Nach den Wertungen des geltenden
Rechts sollte zu dieser Frage eine spezielle Vorschrift vorliegen, die jedoch
fehlt.692 Aus diesem Grund wird die Regelung von Art. 537 Abs. 2 AK in den
meisten Fällen des Weiterverkaufs in der Praxis vereitelt.
Art. 560 AK sieht vor, dass die Verjährung der Letztverkäuferrechte bei aufeinanderfolgenden Käufen zum Zeitpunkt der Befriedigung der Rechte des Letztkäufers beginnt. Diese Regelung will vermeiden, dass der Letztverkäufer in eine
Regressfalle gerät, weil er die Sache nicht sofort an den Verbraucher weiterver-
äußert. Die Gefahr einer Regressfalle besteht aber auch, wenn der Letztverkäufer
das Vorliegen des Mangels bei der Lieferung an ihn nicht beweisen kann und die
sechs Monate nach der Lieferung, binnen denen die Beweislastumkehr von Art.
537 Abs. 2 AK gilt, schon verstrichen sind. Die Beweislastumkehr wurde im griechischen Recht in nicht-verbraucherspezifischer Weise umgesetzt. Sie gilt auch
zu Gunsten professioneller Käufer/Weiterverkäufer. Außerdem scheint der griechische Gesetzgeber nicht davon ausgegangen zu sein, dass der Händler es in der
Hand hat, die Waren schnellstmöglich zu verkaufen. Sonst hätte er ihm das Risiko
der Zwischenlagerung der Sachen nicht durch Art. 560 AK abgenommen. Es versteht sich also nicht, warum die Beweislastumkehr von Art. 537 Abs. 2 AK zu
Gunsten der weiterverkaufenden Käufer de facto vereitelt werden soll.
Die innere Systematik des griechischen Rechts spricht für eine Verschiebung
des Beginns der Vermutungsfrist von Art. 537 Abs. 2 AK bei aufeinanderfolgenden Verträgen. Die Notwendigkeit, die hinter Art. 560 AK steckt, nämlich die
Gefahr abzuwenden, dass der Letztverkäufer seine Rechte nicht mehr geltend
machen kann, weil er die Sache – und zwar nachdem er sie gewisse Zeit gelagert
hatte – weiterverkauft hat, besteht auch hinsichtlich der Beweislastumkehr. Da
sich der Mangel in der Regel beim Letztabnehmer der Sache zeigt, muss die Frist
der Beweislastumkehr nach Art. 537 Abs. 2 AK erst mit der Sachübergabe an ihn
beginnen. Die deutsche Regelung von § 478 Abs. 3 BGB bietet ein gutes Vorbild
in diese Richtung.693 Der Weiterverkauf hindert den Letztverkäufer und jeden
anderen Zwischenverkäufer, den Mangel zu entdecken und rechtzeitig geltend zu
machen. Aus diesem Grund wurde Art. 560 AK eingeführt und deswegen muss
692 Und dies ist per Definiton eine Gesetzeslücke; zur Lückendefinition s. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 16 f., 31 ff. (39); Larenz/Canaris, Methodenlehre der
Rechtswissenschaft, S. 191 ff.; Papanikolaou, Methodologie des Privatrechts und Auslegung der Rechtsgeschäfte, S. 232 ff.; Doris, ChrID 2003, 577 (586) m.w.N.
693 Die zunehmende Bedeutung der rechtsvergleichenden bzw. –harmonisierenden Auslegung
innerhalb der EU sollte nicht übersehen werden. Vgl. dazu Odersky, ZEuP 1994, 1 ff.
178
auch der Beginn der sechsmonatigen Frist von Art. 537 Abs. 2 AK (mutatis
mutandis analog zu Art. 560 AK694) verlegt werden.
Im griechischen Schrifttum wird die Ablaufhemmung der Vermutungsfrist von
537 Abs. 2 BGB im Fall des Weiterverkaufs der Sache (auch analog zu Art. 560
AK695) vorgeschlagen.696 Nach Christodoulou hemme der Weiterverkauf den
Ablauf der Frist von Art. 537 Abs. 2 AK, wenn der Käufer/Weiterverkäufer den
Mangel nicht entdecken konnte, weil er die Sache binnen sechs Monaten weiterverkauft habe. Dann bleibt die Vermutung, dass der Mangel bei der Übergabe an
den Verkäufer vorhanden war, gültig, wenn der Letztabnehmer ihn binnen sechs
Monaten ab Lieferung an ihn entdeckt. Der Voraussetzung, dass die Sache innerhalb von sechs Monaten weiterverkauft werden muss, ist m.E. nicht zu folgen.
Auch wenn die Sache z.B. nach sieben Monaten weiterverkauft wird, mag der
Letztverkäufer den Mangel nicht entdeckt haben, weil sie originalverpackt ist
oder weil es sich um einen solchen Mangel handelt, der sich erst beim Gebrauch
der Sache offenbart. Auch wenn die Bedingung des Weiterverkaufs binnen sechs
Monaten als gerechtfertigt erscheint, da der Verkäufer es in der Hand habe, seine
Waren möglichst schnell zu verkaufen697, trifft dies nicht immer zu, denn kein
Verkäufer lässt mit Absicht die Waren im Lager altern. Die Einschränkung der
Verlegung der sechsmonatigen Frist von Art. 537 Abs. 2 BGB nur auf Weiterverkäufe der Sache innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe an den Verkäufer ist m.E. – ebenso wie die bereits dargestellten vergleichbaren Vorschläge in
Deutschland – abzulehnen. Der Gesetzgeber war offenbar auch nicht dieser Meinung; sonst hätte er die Gefahr aus langen Lagerzeiten nicht berücksichtigt. Und
gerade das hat er durch Art. 560 AK getan und zwar ohne die Voraussetzung, dass
die Sache innerhalb der normalen (zweijährigen Verjährungsfrist) weiterverkauft
werden soll.
Die Regelung von Art. 537 Abs. 2 BGB erfasst auch gebrauchte Sachen. Der
Ausnahmetatbestand der Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art der Sache
kann in bestimmten Fällen von gebrauchten Sachen die Anwendbarkeit der Vermutung ad hoc ausschließen, dies ist jedoch nicht generell für den Verkauf
gebrauchter Sachen anzunehmen, wie auch die deutschen Gerichte für die entsprechende Norm von § 476 BGB schon judiziert haben. Bei aufeinanderfolgenden Verträgen soll jedoch angenommen werden, dass die hier vorgeschlagene
Geltung der Beweislastumkehr mit der Maßgabe des Beginns ihrer Frist zum
Zeitpunkt der Lieferung an den Letztabnehmer ausgeschlossen werden soll, wenn
der Verkäufer die Sache vor dem Weiterverkauf benutzt hat. Zu diesem Ergebnis
sind wir auch im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen von
694 Dabei handelt sich um einen offenbaren Fall der Gegenseitigkeit zwischen Lückenfeststellung und –füllung, da dieselbe Vorschrift, aus deren Wertungen (ratio) sich die Erkennung der Lücke ergab, zur Füllung letzterer beiträgt.
695 Fraglich ist jedoch ob es bei der Vorschrift von Art. 560 AK um eine Ablaufhemmung und
nicht um einen neuen, speziellen Verjährungsbeginn geht. Dazu ausführlich unter VII.2.b.
696 Christodoulou, in: Papanikolaou u.a., Das neue Recht der Verkäuferhaftung, Rn. 925.
697 s. schon oben über den ähnlichen Vorschlag von Ernst/Gsell zur Einschränkung von § 478
Abs. 3 BGB.
179
Art. 560 AK unter entsprechender Auslegung des Merkmals „Aufeinanderfolgen
der Kaufverträge“ gelangt.698 Bei Benutzung der Sache durch den Verkäufer
besteht der Rechtfertigungsgrund für die Verlegung der Frist der Beweislastumkehr (genauso wie für den späteren Verjährungsbeginn nach Art. 560 AK), nämlich die Unmöglichkeit der Entdeckung des Mangels wegen des Weiterverkaufs
und der Nichtbenutzung der Sache, nicht. Außerdem ist nicht unwahrscheinlich,
dass der Mangel erst durch den Gebrauch der Sache entsteht. Deswegen muss die
Beweislast trotz des Weiterverkaufs der Sache in diesem Fall ohne die Verlegung
des Fristbeginns gelten.
Das bei Art. 560 AK bestehende Problem der fehlenden Obergrenze, das unter
dem Abschnitt zur Verjährung der Regressrechte dargestellt wird, taucht auch im
Rahmen der Anwendung von Art. 537 Abs. 2 AK im Regressweg mit der hier vorgeschlagenen Maßgabe auf. Zu ihrer Bewältigung gelten die Überlegungen, die
zur Bewältigung der Ungereimtheiten von Art. 560 AK unter VII.2.b. zu finden
sind.
698 s. bereits unter IV.2.e.bb.
180
Kapitel VI:
Inhalt und Umfang des Rückgriffs
1. Nach dem deutschen Recht: Zweispuriges Regresssystem
a. § 478 Abs. 2 BGB (verschuldensunabhängiger
Aufwendungsersatzanspruch)
Wie schon erwähnt ist das deutsche Regresssystem als ein Mischsystem bezeichnet worden, da es neben der Modifizierung der allgemein geltenden Gewährleistungsansprüche auch einen eigenständigen Anspruch enthält. Dieser wird dem regressnehmenden Unternehmer von § 478 Abs. 2 BGB gewährt. Entsprechend dieser Vorschrift kann der Letztverkäufer gegen seinen Lieferanten einen vom Verschulden unabhängigen699 Anspruch auf Ersatz der nach § 439 Abs. 2 BGB gegenüber dem Verbraucher zu tragenden Nacherfüllungsaufwendungen geltend
machen.700 Es handelt sich dabei um eine eigenständige Anspruchsgrundlage701;
wenn sie nicht eingeführt worden wäre, könnten diese Aufwendungen nur im
Rahmen (verschuldensabhängiger) Schadensersatzansprüche geltend gemacht
werden.702 Die Norm von § 478 Abs. 2 BGB ist darum im Vergleich zu derjenigen
von § 478 Abs. 1 BGB logisch vorrangig und aus diesem Grund wird sie hier als
erste dargelegt. Nach § 439 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer sämtliche Kosten der
699 Anders als der Aufwendungsersatzanspruch von § 284 BGB, der verschuldensabhängig ist.
700 Nach der „Dominoeffekt-Vorschrift“ von § 478 Abs. 5 BGB findet diese Regelung auch
auf die Ansprüche des Lieferanten und der übrigen Käufer in der Lieferkette gegen die
jeweiligen Verkäufer entsprechend Anwendung. Nach § 478 Abs. 5 BGB ist offensichtlich
gemeint, dass den vorgeschalteten Gliedern der Lieferkette ein entsprechender Aufwendungsersatzanspruch zustehen soll. Häufig wird aber der Lieferant keine Nacherfüllungsaufwendungen haben, da er nicht nacherfüllt, sondern die Nacherfüllungskosten seines
Abnehmers (des Letztverkäufers) ersetzt. Diese Zahlung stellt keine Maßnahme der Nacherfüllung nach § 439 dar; § 478 Abs. 2 BGB setzt aber Aufwendungen nach § 439 Abs. 2
BGB voraus. Die h.M. in der Literatur geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass der
Lieferant und die übrigen Kettengleider nicht nur die eigenen echten Nacherfüllungsaufwendungen geltend machen können, sondern auch die gegenüber ihrem Abnehmer gemäß
§ 478 Abs. 2 BGB ersetzten Kosten. Sonst würde der Regress bereits beim Lieferanten
stecken bleiben. Vgl. Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389 (1395).
701 Zur dogmatischen Einordnung dieses Anspruches s. Kelwing, Die Mängelhaftung des
Letztverkäufers, S. 213 f.; Schultze-Melling, Der Rückgriff, S. 78 f.; Dauner-Lieb, in:
Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestalung, S. 89 (105).
702 Vgl. RegBegr zu § 478 Abs. 2, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 878. Der
Anspruch aus § 478 Abs. 2 BGB schließt allerdings andere Anspüche keineswegs aus.
Wenn der Lieferant schuldhaft gehandelt hat, steht dem Letztverkäufer zusätzlich Schadensersatz auf Ersatz der Nacherfüllungskosten zu. Natürlich darf er aber diese Kosten
nur einmal ersetzt bekommen.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der den Rückgriff des Letztverkäufers im Fall einer von ihm nicht verursachten Mangelhaftigkeit der Sache gewährleisten will, überlässt den Mitgliedstaaten einen weiten Umsetzungsspielraum. Dies reizt zu einer rechtsvergleichenden Untersuchung, da das Optionenspektrum für die Ausgestaltung des Rückgriffs sehr breit ist. Wie der deutsche und griechische Gesetzgeber die genannte Richtlinienvorschrift ins nationale Recht umsetzten, ist Gegenstand dieses Werkes. Die Verfasserin stellt die Rückgriffsregelungen des BGB und des griechischen ZGB (AK) nebeneinander und gelangt zu interessanten Ergebnissen bezüglich ihrer Richtlinienkonformität und rechtspolitischen Richtigkeit.