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Kapitel IV:
Die Rückgriffsvoraussetzungen im BGB und AK
1. Überblick über die deutsche und griechische Rückgriffsregelung
Wie schon im Kapitel II. erörtert wurde, wird dem Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie eine Pflicht der nationalen Gesetzgeber zur Schaffung eines effektiven Regresses entnommen, dessen konkrete Ausgestaltung den Mitgliedstaaten
freigestellt ist. Weder das BGB noch der AK kannten bislang eine eigene Regressbestimmung. Der Rückgriff des Letztverkäufers richtete sich, wie bereits erwähnt, nach den vertraglichen Beziehungen zu seinem Vormann. Die Reformgesetzgeber in Deutschland und Griechenland waren bezüglich des Regresses mit
vielen Grundentscheidungen konfrontiert. Die erste Frage, die sie zu beantworten
hatten, war, ob die Durchgriffslösung, d.h. die Direkthaftung des verantwortlichen Gliedes, oder der Rückgriff innerhalb der jeweiligen Vertragsbeziehungen
entlang der Absatzkette eingeführt werden sollte. Die Stufenlösung genügt zwar
den Anforderungen der Richtlinie, Art. 4 lässt aber auch die Option einer unmittelbaren Haftung des Herstellers oder des verantwortlichen Zwischengliedes offen.539 Sowohl der deutsche als auch der griechische Umsetzungsgesetzgeber haben sich gegen die Durchgriffslösung entschieden. Beiden Regressregelungen
liegt die Überlegung eines Rückgriffs gegen den jeweiligen Vertragspartner zugrunde.540 Im Schrifttum war jedoch die Schaffung eines Direktanspruchs gegen
den Mangelverursacher teilweise gefordert worden.541 Eine entscheidende Rolle
gegen die Einführung einer Direkthaftung des Herstellers gegenüber dem Letztverkäufer hat in Deutschland das Argument gespielt, dass ein gesetzlicher Anspruch zwischen Personen, die keinen Vertrag geschlossen haben, vertragliche
Vereinbarungen hinsichtlich der Ausgestaltung des Rückgriffs unmöglich ma-
539 Vgl. dazu oben unter II. 2. d. cc. i)
540 In der Konsolidierten Fassung des deutschen Diskussionsentwurfs hatte jedoch die Forderung des Schrifttums auf die Einführung eines Direktanspruchs Gehör gefunden; s. §
476 Abs. 2 S. 2 DiskE-KF, der einen Direktanspruch des Letztverkäufers gegen den Hersteller auf Ersatz der Nacherfüllungsaufwendungen vorsah. Dazu Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 92 f.; Westermann, JZ 2001, 530 (540 f.). Zur Entstehungsgeschichte
von §§ 478 f. BGB s. Schumacher, a.a.O., S. 89 ff.; Schultze-Melling, Der Rückgriff, S. 60
ff.; Höpker, Verkäuferregress, S. 41 ff.
541 Ehmann/Rust, JZ 1999, 853 (863); Reich, NJW 1999, 2397 (2403); Schmidt-Kessel, ÖJZ
2000, 668 (673); Schulz, Die französische action directe, S. 287 ff.; Lehmann, JZ 2000,
280 (290 f.) hat die Schaffung eines unmittelbaren Anspruchs gegen den Hersteller vor
allem für den Bereich der Haftung für öffentliche Äußerungen vorgeschlagen. In Griechenland leitete Kontogianni, KritE 2002/2, 145 (184) von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie eine Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers zur Schaffung eines Direktanspruchs gegen das verantwortliche Glied ab.
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chen würde. Solche vertraglichen Vereinbarungen seien aber gerade wegen der
Vielfalt der Vertriebsformen sinnvoll.542 Natürlich war dies nicht der einzige
Grund für den Verzicht auf den Direktanspruch.543 Die Überlegung, dass er mit
der deutschen und griechischen Haftungsordnung schwer zu vereinbaren wäre,
dürfte ebenfalls gravierend gewesen sein.544
Nach der Entscheidung für die Rückgriffsregelung stellte sich die Frage, ob der
Regress innerhalb der ohnehin bestehenden Gewährleistungsansprüche erfolgen
oder ein spezieller Rückgriffsanspruch geschaffen werden sollte. Innerhalb des
ersten Vorschlags für einen Rückgriff duch Ausübung der gewöhnlichen Rechtsbehelfe variierten auch die Meinungen. Es gab Stimmen, die die schon bestehenden Käuferrechte für ausreichend hielten545, während andere eine Erleichterung
der Geltendmachung dieser Rechte für die regressnehmenden Kettenglieder forderten546, damit die Regressfallen vermieden würden. Auch bezüglich der Schaffung eines selbständigen Regressanspruches gab es zwei Tendenzen. Zum Teil
wurde vorgeschlagen, für den Rückgriffsfall neben den allgemeinen Gewährleistungsrechten einen Aufwendungsersatzanspruch zu schaffen, über den die
Gewährleistungskosten bis zum Mangelverursacher weitergeleitet werden konnten.547 In Griechenland wurde auch als Option bedacht, einen einheitlichen, auf
die Rückgriffsproblematik zugeschnittenen Anspruch (wohl in der Form eines
542 RegBegr, Vorb. zu § 478 BGB, in: Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 875.
543 Vgl. auch die Überlegungen von Tröger, AcP 204 (2004), 115 (118 f.).
544 So (in Bezug auf das deutsche Recht) Schumacher, Der Lieferantenregress, S. 87; Schultze-
Melling, Der Rückgriff, S. 61. Zu den Nachteilen eines Direktanspruchs gegen den Hersteller ausführlich Ernst/Gsell, ZIP 2000, 1410 (1421); v. Sachsen Gessaphe, RIW 2001,
721 (730). Christodoulou, in: Papanikolaou u.a., Das neue Recht der Verkäuferhaftung,
Rn. 893 bezeichnet eine eventuelle Einführung der action directe in Griechenland als eine
tiefgreifende Reform, die der Gesetzgeber nicht bedacht haben müsse. Wenn man aber nur
auf den Wortlaut von Artt. 560 f. AK abstelle, in dem keine bestimten Artikel enthalten
seien, sondern vom Vorgehen gegen „einen vorigen Verkäufer“ (560 AK) und nicht „den
vorigen Verkäufer“ sowie „gegen jeden früheren Verkäufer“ die Rede sei, sei seiner Meinung nach die Einführung einer Direkthaftung jedes Verkäufers in der Absatzkette gegen-
über allen späteren Verkäufern derselben Sache nicht auszuschließen. Auf eine derartige
Durchbrechung des Relativitätsprinzips hätte jedoch der Gesetzgeber – wenigstens im
Begründungsbericht – ausdrücklich hingewiesen. Im Ergebnis so wie hier Nikolopoulos,
Der Rücktritt im Kaufrecht, S. 289.
545 Vor allem Schmidt-Räntsch, ZIP 1998, 849 (850); Staudenmayer, NJW 1999, 2393 (2396);
Ehmann/Rust, JZ 1999, 853 (862); Rieger, VuR 1999, 287 (291); Tonner, BB 1999, 1769
(1772 f.); vgl. auch MüKo-Lorenz, § 478, Rn. 2. Ursprünglich hatte auch das deutsche Justizministerium keinen Umsetzungsbedarf von Art. 4 RL gesehen; der DiskE vom
04.08.2000 enthielt daher keine Rückgriffsregelung.
546 Vgl. § 477a („Rückgriffsrechte beim Verbrauchsgüterkauf“) des Alternativentwurfs eines
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von Kirchner/Richter, abrufbar im Internet unter
www.jura.uni-passau.de (über die Homepage vom Lehrstuhl Altmeppen), sowie den
Gesetzesvorschlag von Jud, ÖJZ 2000, 661 (668), den der österreichische Gesetzgeber fast
wörtlich übernommen hat.
547 So Ernst/Gsell, ZIP 2000, 1410 (1421); Roth, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 225 (253 f.).
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Schadensersatzanspruchs) zu gewähren, auf den sich der Regressnehmende
immer beschränken müsste.548 Im Regressweg könnte nämlich der Käufer nur diesen bestimmten Anspruch geltend machen; die allgemeinen Gewährleistungsrechte kämen nicht in Betracht.
In Deutschland schließlich hat sich der Gesetzgeber für ein Mischsystem549
entschieden. Der Regress erfolgt grundsätzlich mittels der ohnehin bestehenden
Mängelrechte, deren Geltendmachung zugunsten der regressnehmenden Unternehmer in mehrfacher Hinsicht erleichtert wird und die durch einen auf den
Regressfall beschränkten Anspruch auf Ersatz der Nacherfüllungsaufwendungen
ergänzt werden. Insgesamt enthalten die deutschen Regressvorschriften von
§§ 478, 479 BGB fünf Abweichungen von dem allgemeinen Gewährleistungsrecht, welche die Erleichterung des Letztverkäufers und der anderen Kettenglieder bei der Geltendmachung ihrer Rechte bezwecken. § 478 BGB regelt die
Voraussetzungen und den Inhalt der Regressansprüche; § 479 BGB ihre Verjährung. In § 478 Abs. 1 BGB wird auf das Erfordernis der Nachfristsetzung für die
Geltendmachung der Mängelrechte im Fall der Regressnahme verzichtet. Dem
Letztverkäufer steht außerdem die Beweislastumkehr von § 476 BGB mit der
Besonderheit zu, dass die 6-Monats-Frist mit dem Gefahrübergang auf den Verbraucher beginnt. In § 479 Abs. 2 BGB wird des Weiteren eine „Ablaufhemmung“ der Verjährung vorgesehen, die den Letztverkäufer vor der Regressfalle
schützen soll. Eine Sicherstellung des Regresses wird auch durch § 478 Abs. 4
BGB beabsichtigt. Diese Vorschrift schränkt die Vertragsfreiheit für den Fall des
Regresses ein. Für ihre Einführung war an die Freizeichnungsklauseln als Gründe
für eine Regressfalle gedacht; die Rechtfertigung eines so weitgehenden Ausschlusses der Dispositivität im Rechtsverhältnis zwischen Gewerbetreibenden ist
jedoch zweifelhaft. All diese Besonderheiten bei der Regressnahme mittels der
üblichen Gewährleistungsrechtsbehelfe werden außerdem durch die Einführung
des speziellen Aufwendungsersatzanspruches von § 478 Abs. 2 BGB ergänzt.
Der griechische Reformgesetzgeber auf der anderen Seite folgt dem Regelungsansatz der Orientierung des Regresses an den bestehenden Käuferrechten.
Er belässt den Rückgriff innerhalb des generell gültigen Gewährleistungsrechts
und sieht lediglich eine Erleichterung vor. Diese besteht in der Statuierung eines
548 Dass auch diese Möglichkeit in Betracht gezogen wurde, ist mir vom Mitglied der Rechtskommission, die das Gesetz 3043/2002 überarbeitete, Herrn Ass. Prof. M. Augoustianakis
während eines Gesprächs im Dezember 2003 mitgeteilt worden.
549 Von einem „hybriden“ Regelungsmodell spricht Schumacher, Der Lieferantenregress,
S. 88; dem folgend auch Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, S. 89 (98).
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unterschiedlichen Verjährungsbeginns.550 Aus der Beschränkung der griechischen Umsetzung von Art. 4 auf die Einführung eines besonderen Verjährungsbeginns für die Ansprüche der Regressnehmenden ergibt sich, dass der griechische Gesetzgeber lediglich die Verjährungsfalle ausschalten wollte.551 Auch
die griechischen Autoren betrachten die Verjährung als das Grundproblem des
Regresses.552 Die vom deutschen Gesetzgeber gewährten Erleichterungen schützen jedoch die Regressgläubiger auch vor anderen Gefahren. Z.B. die durch § 478
Abs. 3 BGB bewirkte Synchronisierung der Beweislast im Regressverhältnis mit
derjenigen beim Verbrauchsgüterkauf mit der Maßgabe, dass die 6-Monats-Frist
zugunsten des Regressnehmenden mit dem Übergang an den Verbaucher beginnt,
dient dem Schutz des Letztverkäufers vor einer Beweisnot, die zum Steckenbleiben des Regresses führen kann. Die Ausdehnung der Beweislastumkehr auf den
Regressfall war zwar in Griechenland nicht erforderlich, da die Vermutung der
Vertragswidrigkeit (Art. 537 Abs. 2 AK) dort für jeden Kauf und nicht nur den
Verbrauchsgüterkauf gilt, das Vorsehen eines unterschiedlichen Zeitpunkts für
den Beginn der 6-Monats-Frist zu Gunsten des Regressnehmenden wäre jedoch
auch im griechischen Recht zweckmäßig. So wie durch den abweichenden Verjährungsbeginn würde auch dadurch dem Umstand Rechnung getragen, dass zwischen der Übergabe der Sache an den Letztverkäufer und der Weiterlieferung an
den Verbraucher erhebliche Zeit vergehen kann. Der griechische Gesetzgeber hat
jedoch diese Notwendigkeit nicht berücksichtigt.
Eine weitere Grundentscheidung, die die Reformgesetzgeber zu treffen hatten,
war, ob sie die Regressbestimmungen auf den Fall beschränken würden, dass am
Ende der Absatzkette ein Verbrauchsgüterkauf steht, oder ob sie die Regresser-
550 Die griechischen Regressvorschriften lauten: „Art. 560. Rückgriff: Im Falle aufeinanderfolgender Kaufverträge und der Haftung des Endverkäufers wegen eines Sachmangels
oder des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft beginnt die Verjährung der Rechte des
Endverkäufers wegen des Mangels oder des Fehlens der Eigenschaft gegen einen vorigen
Verkäufer zu dem Zeitpunkt, in dem der Käufer Befriedigung erlangt hat, es sei denn, dass
ein rechtskräftiges Gerichtsurteil gegen den Endverkäufer vorausgegangen ist, so dass die
Verjährung mit der Rechtskraft des Urteils beginnt. Im Übrigen finden in Bezug auf die
Verjährung die Vorschriften der Artt. 554 bis 558 Anwendung.
Art. 561. Die Vorschriften des obigen Artikels finden auch im Falle des Rückgriffs gegen
jeden früheren Verkäufer derselben Sache entsprechende Anwendung.“
551 Begründungsbericht zum Gesetz 3043/2002, Kodex NoB 50 (2002), S. 1608 (1613); s.
auch Roussos, ZEuP 2005, 322 (333): „Die Problematik der Regressansprüche des Endverkäufers gegen seine Vorlieferanten für die Sachmängelhaftung gegenüber dem Käufer
ist als Teil der Verjährungsregeln konzipiert“.
552 s. Augoustianakis, in: 5. Tagung des Zivilrechtlerverbands, S. 23 (24 und 46 f.); Pouliadis,
KritE 2000/1, 61 ff.; Christodoulou, in: Papanikolaou u.a., Das neue Recht der Verkäuferhaftung, Rn. 900; Doris, Digesta 2003, 123 (135); dens., in: Das neue Recht der Sachmängel, S. 11 (33 f.); Pantelidou, ChrID 2004, 769 (771); Papanikolaou, in: Papanikolaou
u.a., Das neue Recht der Verkäuferhaftung, Rn. 179 geht auch auf die Gefahr des Steckenbleibens des Regresses wegen der Nichtberührung der Vertragsfreiheit durch Art. 4 RL
ein, hält jedoch eine Regressregelung, die lediglich vor der Verjährungsfalle schützt, für
ausreichend.
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leichterungen unabhängig von der Verbrauchereigenschaft des Letztabnehmers
gewähren würden. Durch die erste Option wird natürlich den Anforderungen von
Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der zum Schutz des an Verbraucher verkaufenden Unternehmers konzipiert ist, Genüge getan. Die Frage war aber, ob die
nationalen Gesetzgeber den Weg einer eins-zu-eins Umsetzung beschreiten würden oder ob sie auch hier – wie für die meisten Richtlinienvorschriften – eine
überobligatorische Umsetzung vorziehen würden. Während in Deutschland der
erste Weg eingeschlagen und der Regress im Abschnitt über den Verbrauchsgüterkauf vorgesehen wurde, ist die Regressregelung in Griechenland nunmehr Teil
des allgemeinen Kaufrechts und der dort etablierte abweichende Verjährungsbeginn gilt für jeden Regressfall unabhängig davon, ob ein Verbraucher am Ende der
sich in Regresskette gewandelten Absatzkette steht.
Obwohl Art. 4 RL die Vertragsfreiheit unberührt lässt, was in Erwägungsgrund
9 ausdrücklich klargestellt wird, gab es auch Stimmen, die eine Einschränkung
der Abdingbarkeit für den Regressfall forderten. Diese haben sich in Deutschland
durchgesetzt, wie sich aus § 478 Abs. 4 ergibt, nach dem sich der Lieferant auf
von den §§ 433-435, 437, 439, 443 sowie von § 478 Abs. 1 bis 3 und § 479 abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Unternehmers nicht berufen kann,
wenn dem Rückgriffsgläubiger kein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wird.
Dieser Eingriff in die Privatautonomie von Gewerbetreibenden ist um so mehr
erstaunlich, da er von der Richtlinie nicht verlangt wird. Außerdem lässt er sich
mit dem Gebot der rechtsgeschäftlichen Gestaltbarkeit des Regresses, das in den
Gesetzesmaterialien wiederholt betont und als Grund für die Nichteinführung der
Durchgriffslösung erwähnt wird, schwerlich vereinbaren.553 Die Vorschrift des
§ 478 Abs. 4 BGB wolle jedoch verhindern, dass Vereinbarungen einseitig zu
Lasten des Einzelhändlers ausfallen, etwa indem seine Ansprüche vollständig
ausgeschlossen würden oder die Verjährung der Ansprüche des Einzelhändlers
einseitig unangemessen reduziert werde.554 Der griechische Gesetzgeber auf der
anderen Seite hat seine von der RL belassene Freiheit, die Regressregelungen dispositiv auszugestalten, genutzt. Die griechischen Regressvorschriften sind nämlich abdingbar. Der Beschränkung oder dem Ausschluss des Regresses stehen
lediglich die allgemeinen Regeln, wie die Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit
oder das Rechtsmissbrauchsverbot im Wege. Ansosten hat das griechische Recht
– so wie der Richtliniengeber – der privatautonomen Vertragsgestaltung Vorrang
vor dem sicheren Rücklauf der Haftung bis zum Mangelverursacher eingeräumt.
Bei der Beantwortung der Frage, ob lediglich der Regress des Letztverkäufers
oder der eines jeden Gliedes der Absatzkette erleichtert werden soll, haben sich
sowohl der deutsche als auch der griechische Gesetzgeber trotz des entgegenstehenden Wortlauts von Art. 4 RL für die zweite Möglichkeit entschieden. §§ 478
Abs. 5 und 479 Abs. 3 BGB sowie Art. 561 AK dehnen die Anwendbarkeit der
553 Vgl. Dauner-Lieb, in: Abels/Lieb (Hrsg.), AGB und Vertragsgestaltung, 89 (100f.).
554 So RegBegr zu § 478 BGB, in: Canaris, Schuldechtsreform 2002, S. 879.
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Regressvorschriften auf alle Vertragsverhältnisse der Absatzkette aus555, was eine
sachlogische Entscheidung darstellt und dem Verantwortungsprinzip entspricht.
Nur so kann die Weiterleitung der Haftung bis zu dem für die Vertragswidrigkeit
Verantwortlichen sichergestellt werden.
Während also der deutsche Gesetzgeber ein zweigliedriges Regresskonzept
geschaffen hat, orientiert sich der Regress in Griechenland ausschließlich an den
allgemeinen Gewährleistungsrechten, und nur ihr Verjährungsbeginn wird für
den Regressfall modifiziert, um den Letztverkäufer und die anderen Kettenglieder vor der Regressfalle zu schützen. Auch die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Regresserleichterungen unterscheiden sich in Deutschland und
Griechenland. Der wichtigste Unterschied besteht in der Voraussetzung der Verbrauchereigenschaft des Letztabnehmers, die in Deutschland, aber nicht in Griechenland gefordert wird. Des Weiteren sind die Regressbestimmungen von
§§ 478, 479 BGB nur beim Verkauf neu hergestellter Sachen anwendbar. Diese
Beschränkung besteht aber im griechischen Recht nicht. An dieser Stelle soll
jedoch klargestellt werden, dass diese Voraussetzungen lediglich für ein Vorgehen nach §§ 478, 479 BGB erfüllt werden müssen. Das heißt, dass z.B. die Verbrauchereigenschaft des Letztkäufers nur erforderlich ist, wenn der Letztverkäufer oder ein anderes Kettenglied die Erleichterungen von §§ 478, 479 BGB genie-
ßen will, z.B. wenn er ohne Fristsetzung zurücktreten oder nach Ablauf der normalen kaufrechtlichen Verjährungsfrist seine Ansprüche geltend machen will.
Ansosten kann er wie jeder Käufer die üblichen Mängelrechte – ohne die auf den
Regressfall zugeschnittenen Erleichterungen – ausüben. Dasselbe gilt natürlich
auch in Griechenland; dort aber nicht bezüglich des Bestehens eines Verbrauchsgüterkaufs am Ende der Absatzkette, da dieser für den besonderen Regress nicht
gefordert wird, sondern hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen des besonderen
Regresses. Damit die Verjährung der Ansprüche des Letztverkäufers zu dem
geänderten Zeitpunkt nach Art. 560 AK beginnt, ist z.B. nach Art. 560 AK vorausgesetzt, dass er die Ansprüche seines Abnehmers schon befriedigt hat.
Im Folgenden (unter 2.) wird zunächst auf die Voraussetzungen des Regresses
– und damit ist der besondere Regress mit den vorgesehenen Erleichterungen
gemeint – in Deutschland und Griechenland eingegangen. Zweitens wird der
Inhalt der Rückgriffsansprüche dargelegt, der in Griechenland identisch mit den
Ansprüchen eines jeden Käufers ist, in Deutschland aber durch einen eigenständigen Anspruch und weitere Erleichterungen bei der Geltendmachung der allgemeinen Mängelrechte ergänzt wird (Kapitel VI). Welches der beiden Regelungskonzepte den Interessen des Letztverkäufers und den Kettengliedern am besten
entspricht und ob wegen der „moderaten“ griechischen – im Vergleich zu der
recht detaillierten deutschen – Lösung Lücken bei dem Aufrollen der Haftung in
der Absatzkette weiter bestehen und wie diese zu füllen sind, wird Gegenstand
der Untersuchung sein.
555 In Deutschland wird vorausgesetzt, dass der jeweilige Rückgriffsschuldner Unternehmer
ist. Dazu eingehend unter IV.2.d.aa.
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2. Die Voraussetzungen des Rückgriffs nach §§ 478, 479 BGB und Artt. 560,
561 AK
a. Allgemeine Gewährleistungsvoraussetzungen
Für den Regress nach §§ 478 f. BGB und Artt. 560 f. AK ist – neben den besonderen Voraussetzungen, die in der Regressregelung vorgesehen werden – das Vorliegen der allgemeinen Gewährleistungsvoraussetzungen erforderlich, die von
den Regressvorschriften nicht modifiziert werden. Neben einem wirksamen
Kaufvertrag zwischen Regressnehmenden und –schuldner muss ein Mangel bestehen. Natürlich darf kein Gewährleistungsausschluss erfolgt sein. Nach dem
deutschen Recht ist jedoch letzterer wegen § 478 Abs. 4 BGB nur sehr beschränkt
möglich.
Fraglich ist, ob die Regressregelungen auch Rechtsmängelfälle erfassen.
Sowohl § 478 BGB als auch Art. 560 AK bezwecken die Entlastung des Letztverkäufers von der endgültigen Haftung für einen Mangel der Sache. Ausdrücklich vorausgesetzt ist, dass die Kaufsache mangelhaft ist. Die deutsche Regelung
spricht von der „Mangelhaftigkeit“ der Sache, während sich Art. 560 AK auf
einen Sachmangel oder das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft bezieht. Die
griechische Regelung ist somit klarer, denn sie schließt den erleichterten Regress
im Falle von Rechtsmängeln ausdrücklich aus. Dies wird auch in Deutschland
von einem Teil der Literatur mit dem Argument angenommen, dass § 478 BGB
der Umsetzung von Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dient, deren Normen
sich ausschließlich auf Sachmängel beziehen.556 Art. 2 der RL, in dem die Vertragswidrigkeit definiert wird, erfasst lediglich Sachmängelfälle. Ein Gegenargument für die Anwendbarkeit der §§ 478 f. BGB auf Rechtsmängel wäre aber die
Gleichbehandlung der Sach- und Rechtsmängel im neuen deutschen Kaufrecht.
Auch im Abschnitt über den Verbrauchsgüterkauf, d.h. über den Verkauf von
beweglichen Sachen von Unternehmern an Verbraucher, ist nur die Norm von §
476 BGB (Beweislastumkehr) ausdrücklich auf Sachmängelfälle beschränkt. Es
ist also anzunehmen, dass §§ 478 f. BGB im Gegensatz zu Artt. 560 f. AK zur
Anwendung kommen, auch wenn die vom Letztverkäufer verkaufte Sache einen
Rechtsmangel aufweist.557 Das Vorliegen eines Rechtsmangels bei einer Sache,
die über eine organisierte Absatzkette zum Verbraucher kommt, ist natürlich sehr
selten im Vergleich zum Vorliegen von Sachmängeln.
In Griechenland, wo der Tatbestand des Fehlens zugesicherter Eigenschaften
beibehalten ist, wird neben den Sachmängeln auch dieser von der Regressregelung erfasst. Aber wegen der weiteren Voraussetzung, dass für die Weiterleitung
der Haftung, die Vertragswidrigkeit in jeder Vertragsstufe vorliegen soll (s. dazu
unten unter g.), wird der Regress beim Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft
556 Hierzu Ernst/Gsell, ZIP 2000, 1410 (1411); Roth, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 238; Jud, ÖJZ 1997, 441 (442) in Bezug
auf den Richtlinienentwurf.
557 So auch Matthes, NJW 2002, 2505; Höpker, Verkäuferregress, S. 103 (106).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der den Rückgriff des Letztverkäufers im Fall einer von ihm nicht verursachten Mangelhaftigkeit der Sache gewährleisten will, überlässt den Mitgliedstaaten einen weiten Umsetzungsspielraum. Dies reizt zu einer rechtsvergleichenden Untersuchung, da das Optionenspektrum für die Ausgestaltung des Rückgriffs sehr breit ist. Wie der deutsche und griechische Gesetzgeber die genannte Richtlinienvorschrift ins nationale Recht umsetzten, ist Gegenstand dieses Werkes. Die Verfasserin stellt die Rückgriffsregelungen des BGB und des griechischen ZGB (AK) nebeneinander und gelangt zu interessanten Ergebnissen bezüglich ihrer Richtlinienkonformität und rechtspolitischen Richtigkeit.