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Leistungsstörungsrechts Anwendung finden. Das Zusammenrücken von allgemeinem Leistungsstörungsrecht und Sachmängelrecht ist in Deutschland stärker
und deutlicher, da der Gesetzgeber auf viele spezielle Vorschriften im Rahmen
des Kaufrechts verzichtet hat und ausdrücklich auf die Regeln des allgemeinen
Leistungsstörungsrechts verweist.424 Zweitens kann der Käufer nunmehr die
Annahme einer mangelhaften Sache verweigern und gegenüber dem Zahlungsanspruch des Verkäufers die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erheben (Artt.
349, 376 AK; § 320 BGB), da die Lieferung einer mangelhaften Sache keine
Erfüllung mehr darstellt. Als Ausfluss der gesetzlichen Statuierung der Nichterfüllungstheorie ist darüber hinaus die Einführung des Nacherfüllungsanspruchs
als gesetzlicher Rechtsbehelf anzusehen.
In Griechenland bleibt – wie schon erwähnt – die Kategorie der zugesicherten
Eigenschaften noch erhalten. Sie stellt aber lediglich einen konkretisierenden
Unterfall der Vertragswidrigkeit dar.425 Entscheidend für die Bejahung der Verkäuferhaftung ist die Vertragswidrigkeit; diese liegt aber grundsätzlich vor, wenn
die Sache entweder einen Mangel aufweist oder ihm eine zugesicherte Eigenschaft fehlt. Ein praktischer Unterschied zwischen diesen Anspruchsgrundlagen
besteht bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Im Falle einer
fehlenden zugesicherten Eigenschaft ist die Schadensersatzhaftung verschuldensunabhängig (Art. 543 S. 1 AK). Das Fehlen zugesicherter Eigenschaften ist der
RL zwar nicht als eigenständiger Tatbestand bekannt, wird jedoch von ihr wegen
der prinzipiellen Annahme des subjektiven Fehlerbegriffs erfasst. In Deutschland
ist diese in §§ 459 Abs. 2, 463 BGB a.F. enthaltene Kategorie gestrichen worden,
sie taucht aber bei der Frage des Vertretenmüssens (s. § 276 BGB: verschärfte
Einstandpflicht des Verkäufers wegen einer von ihm übernommenen „Garantie“)
wieder auf426 und das Ergebnis – verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch – ist praktisch identisch mit dem in Griechenland, obwohl man über einen
anderen Weg zu ihm gelangt.
3. Der Fehlerbegriff
a. Die Kriterien der Vertragsmäßigkeit bzw. -widrigkeit
§ 434 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB und Art. 535 AK setzen Art. 2 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie um. Im Gegensatz aber zu der RL und der deutschen Vorschrift, in denen beschrieben wird, wann die Kaufsache frei von Sachmängeln ist,
ist die griechische Regelung negativ formuliert und legt fest, wann die Sache
nicht vertragsgemäß ist. Mit dieser Regelungstechnik verfolgt der griechische
Gesetzgeber ein Ziel. Er will klarstellen, dass es sich nicht um Vermutungen der
424 s. vor allem § 437 BGB.
425 Georgiades, ChrID 2004, 5 (7).
426 Vgl. dazu MüKo–Grundmann, § 276, Rn. 175; Westermann, NJW 2002, 241 (247); Lorenz/
Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn. 537.
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Vertragsmäßigkeit handelt, die der Käufer zu entkräften hat. Es reicht aus, wenn
der Käufer das Vorliegen eines der vier – negativen – Kriterien nachweist, um die
Nichterfüllung seitens des Verkäufers nachzuweisen. Darüber hinaus kann er die
Vertragswidrigkeit nachweisen, auch wenn keines der Vertragswidrigkeitskriterien erfüllt ist, weil es sich nur um Regelbeispiele (vgl. das Wort „/?"“ = „insbesondere“ in Art. 535 AK) und nicht um eine abschließende Aufzählung handelt.427 Und da durch diese Regelungstechnik der Verbraucher besser steht, was
nach Art. 8 Abs. 2 RL zulässig ist, ist der griechische Umsetzungsweg in diesem
Punkt, trotz der Nichteinführung der vier Kriterien von Art. 2 Abs. 2 RL als widerlegbare Vermutungen der Vertragsmäßigkeit428, in Hinsicht auf seine Richtlinienkonformität unbedenklich.429
Sowohl in der deutschen als auch in der griechischen Regelung ist die Vertragsmäßigkeit der Kaufsache nach dem Vorblid von Art. 2 §§ 1 und 2 RL das vorrangige Kriterium der Verkäuferhaftung. Erstens werden der Parteiwille und eine
(eventuelle) Beschaffenheitsvereinbarung berücksichtigt. Das Abstellen auf die
Beschreibung der Sache durch den Verkäufer und auf die Eignung für den Zweck
des konkreten Kaufvertrags spiegelt dies deutlich wider (Art. 535 Nr. 1, 2 AK, §
434 Abs. 1 S.1 und S. 2 Nr.1 BGB). Danach folgen aber auch objektive Kriterien
(z.B. Eignung für die bei Sachen gleicher Art gewöhliche Verwendung).430 Unter
denen stellt die – auf der RL beruhende – Erweiterung der Verkäuferhaftung auf
Folgerungen aus öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers und
seines Vertreters (in Griechenland) oder Gehilfen (in Deutschland) eine sehr
wichtige Neuheit dar, die von den meisten Stimmen in der Literatur – trotz der
punktuellen Bedenken – begrüßt wurde und als eine Berücksichtigung der – heutzutage entscheidenden – Rolle der Werbung und der aus ihr stammenden Probleme betrachtet wurde. Aus Art. 535 AK und § 434 BGB ergibt sich also, dass
der subjektiv-objektive Fehlerbegriff weiterlebt, wobei der subjektive Vertragsmäßigkeitsbegriff den Vorrang hat.431
427 Begründungbericht zum Gesetz 3043/2002, Kodex NoB 50, 1608 (1611); Georgiades,
ChrID 2004, 5 (9); Maurommatis, Armenopoulos 2003, 1378 (1379); Kastrisios, ChrID
2003, 689 (691 f.); Pouliadis, Die Haftung des Verkäufers, § 28, S. 105.
428 Im Schrifttum ist sowieso strittig, ob es sich in Art. 2 Abs. 2 RL um richtige Vertragsmä-
ßigkeitsvermutungen handelt, obwohl Erwägungsgrund 8 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie von widerlegbaren Vermutungen der Vertragsmäßigkeit spricht.
429 Mansel, AcP 204 (2004), 396 (418).
430 Chelidonis, ChrID 2005, 200 (201); Nikolopoulos, in: 5. Tagung des Zivilrechtlerverbandes, S. 127 f.
431 Westermann, NJW 2002, 241 (243); Doris, Digesta 2003, 123 (132); Georgiades, ChrID
2004, 5 (10); ders., Schuldrecht, BT, Bd. I, §9, Rn. 43; vgl. jedoch Mansel, AcP 204 (2004),
396 (418 f.), der ausgehend von einem Verständnis der Vorschriften von Art. 2 RL, 535
AK und § 434 BGB als gesetzliche Auslegungsregeln die Kodifikation objektiver Bezugselemente ablehnt und die Annahme eines subjektiv-objektiven Fehlerbegriffs (schon nach
dem alten Recht) für überflüssig hält.
110
b. Die IKEA-Klausel
So wie in Deutschland wurde die Bestimmung von Art. 2 Abs. 5 RL über die unsachgemäße Montage und die mangelhaften Montageanleitungen (sog. IKEA-
Klausel) auch in das griechische Zivilgesetzbuch (AK) eingeführt. Im Gegensatz
zu § 434 BGB ist die Regelung über Montagefehler nicht in Art. 535 AK, sondern
getrennt im nächsten Artikel (536 AK) als ein besonderer Fall der Vertragswidrigkeit vorgesehen. Der griechische Art. 536 AK blieb dem Richtlinientext treu
und stellt nichts mehr als eine fast wörtliche Übernahme der Regelung von Art.
2 Abs. 5 RL dar. Trotzdem (oder vielleicht auch gerade deshalb) ist die griechische Vorschrift über die IKEA-Klausel nicht unproblematisch. Ihr sind eine
Reihe von – auch regressrelevanten – Problemen immanent432, die der deutsche
Gesetzgeber durch den Verzicht auf die Voraussetzung, dass die Montage schon
vom Käufer erfolgt sein muss, vermieden hat. Die griechische IKEA-Klausel beschränkt sich nämlich – so wie die RL – auf Sachen, die der Käufer bereits montiert hat. Der deutsche Gesetzgeber auf der anderen Seite hat diese Beschränkung
auf die Montage durch den Käufer – mit Recht – aufgegeben, denn er wollte dem
Käufer die Mühe ersparen, die Sache trotz offensichtlich fehlerhafter Montageanleitungen erst fehlerhaft zusammenbauen zu müssen, um seine Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können. In Griechenland aber, wo das Gesetz
von der „Fehlerhaftigkeit der vom Käufer vorgenommenen Montage“ spricht,
scheint dieses Paradoxon vorausgesetzt zu sein. Diese Bedingung ist aber lediglich für die Anwendung des Art. 536 AK vorausgesetzt. Wenn der Käufer hingegen die Unrichtigkeit der Anleitungen sofort feststellt und darum überhaupt nicht
erst versucht, die Sache zusammenzubauen, kann Art. 535 Nr. 3 AK angewandt
werden, weil die Sache ohne die richtigen Montageanleitungen unbrauchbar und
daher „nicht für die Verwendung geeignet ist, für die Sachen der gleichen Art gewöhnlich bestimmt sind“ (so Art. 535 Nr. 3 AK).
Die Bestimmung von Art. 536 S. 2 AK wirkt sich auch auf die Verhältnisse
innerhalb der Absatzkette und die Regressfrage aus. Der Zwischenhändler, der
die Sache in den meisten Fällen nicht selbst zusammenbaut, sondern verpackt und
unmontiert weiterverkauft, bleibt nach dem Wortlaut von Art. 536 AK – sowie
nach der Richtlinienbestimmung – schutzlos. In Deutschland auf der anderen
Seite, wo vorgesehen wird, dass ein Mangel vorliegt, wenn die Montageanleitung
mangelhaft ist, wird sichergestellt, dass dieser Mangel auch im Verhältnis des
Letztverkäufers zu seinem Vormann geltend gemacht werden kann, obwohl die
Sache nicht vom Letztverkäufer montiert wurde.433 Dem Zwischenhändler, der
die Sache mit dem – ausdrücklichen – Ziel kauft, sie weiter zu verkaufen, kommt
jedoch in Griechenland Art. 535 Nr. 2 zur Hilfe, nach dem die Sache dem Vertrag
nicht entspricht, wenn sie für den Zweck des konkreten Vertrages und insbesondere für die mit diesem Zweck übereinstimmende spezielle Verwendung ungeeignet ist. Der Zweck des Vertrages zwischen dem Zwischenhändler und seinem Vor-
432 Dies wurde bereits oben unter II. 1. c. bb. angedeutet.
433 Westermann, NJW 2002, 241 (244).
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mann ist der Weiterverkauf der Sache, und er wird durch das Fehlen der richtigen
Montageanleitungen vereitelt, weil eine zu montierende Sache mit mangelhaften
Anleitungen zum Weiterverkauf ungeeignet ist.434
Trotz des oben genannten Vorteils der deutschen Regelung über die fehlerhaften Montageanleitungen weist der Haftungsausschlussgrund von § 434 Abs. 2
S. 2 in fine einige Gefahren auf. Da wird vorgesehen, dass kein Mangel vorliegt,
wenn die Sache trotz mangelhafter Anleitung fehlerfrei montiert worden ist. Der
Grund für die Einführung dieser Ausnahme war, dass die fehlerfreie Montage den
Mangel beseitige. Dieser Haftungssausschluss geht jedoch mit Risiken für den
Verbraucher und den – vor allem privaten – Zwischenverkäufer einher. Es ist an
einen Käufer zu denken, der eine Sache mit mangelhafter Montageanleitung fehlerfrei montiert. Durch seine Geschicklichkeit verliert die Sache ihre Mangelhaftigkeit. Sie kann aber diese wieder erwerben, wenn der erste Käufer die Sache
auseinandernimmt und weiterverkauft und sich der neue Käufer als nicht so
begabt erweist.435 Der Letztkäufer kann natürlich seine Gewährleistungsansprüche geltend machen, der erste kann sich jedoch nicht gegen seinen Vormann wenden, weil die Sache ihm gegenüber nicht mangelhaft ist. Die Richtlinienkonformität dieser „Haftung für Sonderwissen“ ist besonders fraglich.436
c. Aliud- und Minuslieferung
Im Gegensatz zu § 434 Abs. 3 BGB437, in dem die Lieferung einer anderen Sache
oder einer zu geringen Menge einem Sachmangel gleichgestellt wird, ist in Griechenland weder die Aliud- noch die Zuweniglieferung ausdrücklich geregelt. Die
Beantwortung dieser Fragen und die schwierige Abgrenzung zwischen Mangel
und minus oder aliud ist dort der Theorie und der Praxis überlassen.438 Die Einbeziehung der Aliud- und Minuslieferung in den Sachmangelbegriff bedeutet in
Deutschland die Anwendbarkeit der kaufrechtlichen Gewährleistungsbehelfe auf
diese Fälle mit der Folge ihrer kurzen Verjährung nach § 438 BGB (statt §§ 195,
199 BGB). Fraglich ist jedoch, ob diese Gleichstellung in jedem Fall passt. Bei
offensichtlichen Abweichungen (insbesondere bei der Lieferung eines Identitäts-
434 Diese Lösung schlägt auch Kastrisios, ChrID 2003, 689 (698) vor. Nach a.A. ist auch in
diesem Fall Art. 536 S. 2 anzuwenden; dazu Kornilakis, Besonderes Schuldrecht, Bd. I,
S. 236; Vathrakokoilis, in: ERNOMAK, Art. 536, S. 347, Nr. 7.
435 Beispiel von Brand, ZGS 2003, 96 (100). Ein anderes Beispiel, das wegen des möglichen
Verlusts und dann Zurückgewinnens der Mangelhaftigkeit der Kaufsache Zweifel an dem
Ausnahmetatbestand von § 434 Abs. 2 S. 2 a.E. erweckt, nennt Westermann, NJW 2002,
241 (245).
436 Vgl. die Überlegungen von Brand, ZGS 2003, 96 (100).
437 Die a.F. des BGB enthielt keine Regelung über die Aliud- und die Zuweniglieferung. Diese
Fälle waren aber in dem (jetzt aufgehobenen) § 378 HGB für den Handelskauf geregelt.
438 Nach Karampatzos, RIW 2004, 676 (678) bleibt diese Frage offen und der griechische
Gesetzgeber hätte sich vielleicht hier kühner zeigen und den Weg des deutschen Reformgesetzgebers einschlagen sollen.
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aliud im Falle eines Stückkaufs) sollte man erwägen, nicht Mängelrechte, sondern das Recht der Nichterfüllung anzuwenden.439
In der griechischen Theorie wird die Einordnung der Aliud- und Minuslieferung in den Begriff des Sachmangels teilweise für gerechtfertigt gehalten, da für
die Bejahung eines Mangels nach Art. 535 AK auf die Vertragswidrigkeit abgestellt wird.440 Die Lieferung einer anderen als der vereinbarten Sache oder einer
geringen Menge ist natürlich vertragswidrig. Auch die Aliud- und Minuslieferung können also als Vertragswidrigkeitsfälle im Sinne von Art. 535 AK behandelt werden, was praktisch die Folge nach sich zieht, dass der Käufer nicht den
ursprünglichen Leistungsanspruch hat, für den die allgemeine zwanzigjährige
Verjährungsfrist gilt, sondern die Ansprüche aus Art. 540 AK, die der kürzeren
Verjährung von Art. 554 AK unterliegen.441 Die Einbeziehung der Aliud- und
Minusfälle insgesamt in den Sachmangelbegriff ist jedoch zu vereinfachend –
und auch dogmatisch nicht stichhaltig. Wenn nur eine geringere Menge geliefert
wird, handelt es sich um eine teilweise Erfüllung (Art. 316 AK), solange die qualitativen Eigenschaften der Sache und ihre Funktionsfähigkeit durch die Zuweniglieferung nicht beeinflusst werden, und der Käufer behält seinen ursprünglichen Erfüllungsanspruch für den fehlenden Teil.442 Die besonderen kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche – und ihre kürzere Verjährungsfrist – sollen
hier keine Anwendung finden. So wie die herrschende Meinung in der deutschen
Theorie annimmt, wird auch in Griechenland bei Identitätsaliud im Falle eines
Stückkaufs die Anwendung der allgemeinen Vorschriften für richtig gehalten.443
Beim Stückkauf betrifft die Vereinbarung die bestimmte Sache; wenn eine andere
Sache geliefert wird, ist die Pflicht des Verkäufers nicht erfüllt.444 Beim Gattungskauf, wo als Abgrenzungskriterium die Kategorie dient, zu der die Sache nach der
Verkehrsanschauung gehört, muss die Parteivereinbarung mit der tatsächlichen
Kategorie der Sache verglichen werden, um festzustellen, ob die Sache der Vereinbarung entspricht aber trotzdem mangelhaft ist, oder ob es um ein aliud geht.
Freilich ist diese Abgrenzung diffizil.
439 Medicus, Schuldrecht II, BT, § 74, Rn. 51; Westermann, NJW 2002, 241 (246); Altmeppen/
Reichard, in: FS Huber, S. 73 (80ff.).
440 Die h.M. im alten Recht hat zwischen aliud und Sachmangel unterschieden; s. Doris, in:
AK Georgiades/Stathopoulos, Artt. 534-535, Rn. 14.
441 So Bechlivanis, DEE 2003, 620 (623); Kastrisios, ChrID 2003, 689 (692); Karakostas,
Einführung in das griechische Privatrecht, S. 57. Georgiades, Schuldrecht, BT, Bd. I, § 9,
Rn. 31 und 33, geht von einer Nichterfüllung (beim aliud) bzw. teilweisen Erfüllung (bei
minus) aus, hält jedoch die Einordnung dieser Fälle in den Vertragswidrigkeitsbegriff von
Art. 535 AK und somit die Geltendmachung der besonderen kaufrechtlichen Gewährleistungsbehelfe für möglich; ebenso Triantos, Der Kauf nach dem AK, S. 173.
442 Roussos, in: Papanikolaou u.a., Das neue Recht der Verkäuferhaftung, Rn. 500 f.; Pouliadis, Die Haftung des Verkäufers, § 34, S. 140 f.; ders., in: 5. Tagung des Zivilrechtlerverbands, S. 49 (59).
443 Pouliadis, in: FS Georgiades, S. 889 (899).
444 Roussos, a.a.O., Rn. 503.
113
d. Verkäuferhaftung nicht nur für erhebliche Mängel
Sowohl der deutsche als auch der griechische Reformgesetzgeber haben die Regelung von Art. 3 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in das nationale Recht
eingeführt (§§ 433, 434 BGB und Art. 534 i.V.m. 535 AK), allerdings nicht im
Wege einer eins-zu-eins Umsetzung. Bei allen Kaufarten – und nicht nur dem Verbrauchsgüterkauf – haftet der Verkäufer nicht nur für erhebliche, sondern für alle
Mängel. Die Voraussetzung des alten Rechts, dass die Fehler den Wert oder die
Tauglichkeit der Sache aufheben oder wesentlich mindern (§ 459 Abs. 1 S. 2 BGB
a.F. und Art. 534 AK a.F.), wurde gestrichen.445 Eine Unterscheidung zwischen
erheblichen und unerheblichen Mängeln besteht nunmehr nur im Rahmen der
Rechtsbehelfe. Entsprechend der Vorschrift von Art. 3 Abs. 6 der RL446 ist der
Rücktritt bei geringfügigen Sachmängeln ausgeschlossen. In Griechenland wird
dies in Art. 540 AK vorgesehen, wo die Rechte des Käufers aufgelistet werden.
Am Ende von dessen Nr. 3 wird vorgeschrieben, dass der Käufer nicht berechtigt
ist, vom Vertrag zurückzutreten, wenn es sich um einen unerheblichen Sachmangel handelt. Die Nichterwähnung des Fehlens zugesicherter Eigenschaften in diesem Ausnahmetatbestand wird damit begründet, dass die Zusicherung einer Eigenschaft vom Verkäufer mit der Übernahme einer „Garantie“ vergleichbar ist
und damit bei ihrem Fehlen die Geltendmachung des Rücktrittsrechts vom Käufer
gerechtfertigt ist, auch wenn dieses Fehlen als unerheblich bezeichnet werden
kann.447
In Deutschland auf der anderen Seite ergibt sich der Ausschluss des Rücktritts
bei unerheblichen Mängeln aus dem allgemeinen Schuldrecht, und zwar aus § 323
Abs. 5 BGB, wo im Allgemeinen geregelt wird, dass der Gläubiger vom Vertrag
nicht zurücktreten kann, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. Dieser Ausschluss des Rücktritts ist ein Ausdruck des favor-contractus-Grundsatzes, nach
dem die Vertragsauflösung erschwert werden soll. Dieses Prinzip spiegelt sich im
445 Vgl. Begründungsbericht zum Gesetz 3043/2002, Kodex NoB 50, S. 1610.
446 s. dazu bereits oben unter II.1.c.gg.
447 So die herrschende Meinung; a.A. Koumanis, Armenopoulos 2003, 1560 (1574 ff.), der
die Unterscheidung zwischen Sachmängeln und zugesicherten Eigenschaften bei dem
Ausschluss des Rücktritts für ungerechtfertigt hält, da beide Fälle eine Vertragswidrigkeit
darstellen, und darum die analoge Anwendung des Ausschlussgrundes von Art. 540 Abs.
1 Nr. 3 a.E. auf das Fehlen unerheblicher zugesicherter Eigenschaften vorschlägt. M.E.
ist fraglich, ob es eine unerhebliche zugesicherte Eigenschaft überhaupt geben kann, da
die Tatsache ihrer Zusicherung vom Verkäufer bedeutet, dass der Käufer nach ihr gefragt
hat, was zeigt, dass sie für ihn erheblich ist. Da das subjektive Kriterium gerade vorrangig
ist, kann das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft nie unerheblich sein und dementsprechend soll der Rücktritt in solchen Fällen immer zugelassen sein. Ähnlich argumentiert
Roussos, in: Papanikolaou u.a., Das neue Recht der Verkäuferhaftung, Rn. 573. Nicht zu
vergessen ist außerdem, dass der Schadensersatzanspruch beim Fehlen zugesicherter
Eigenschaften gerade wegen des ausgedrückten Versprechens (der Zusicherung) seitens
des Verkäufers verschuldensunabhängig ist. Aufgrund des Vorliegens einer besonderen
Vereinbarung ist der Verkäufer weniger schutzwürdig, wenn er eine bestimmte Eigenschaft
zugesichert hat und diese fehlt.
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griechischen Recht auch in Art. 542 AK wider. Nach dieser Vorschrift kann das
Gericht, obwohl der Käufer das Rücktrittsrecht geltend gemacht hat, nur die Minderung des Kaufpreises gewähren oder Ersatzlieferung anordnen, wenn der Rücktritt seinem Ermessen nach unter den konkreten Umständen nicht gerechtfertigt
ist. Ob es sich dabei um eine Möglichkeit des Gerichts, die dieses auch von Amts
wegen ausüben kann448, oder um ein Recht des Verkäufers handelt, dessen Geltendmachung einen entsprechenden Antrag beim Gericht voraussetzt449, ist
Gegenstand einer lebhaften Debatte.
In Deutschland findet man noch eine Begrenzung der Geltendmachung der
Rechtsbehelfe in § 281 Abs. 1 S. 3 BGB. Entsprechend dieser Vorschrift ist bei
unerheblichen Pflichtverletzungen auch der Schadensersatz statt der ganzen Leistung (sog. großer Schadensersatz) ausgeschlossen. In Griechenland auf der anderen Seite gibt es keine ausdrückliche Regelung bezüglich des Ausschlusses des
großen Schadensersatzanspruchs bei geringfügig mangelhaften Sachen. Es wird
aber von einem Teil der Lehre450 versucht, dieses Ergebnis im Wege einer Analogie aus Art. 540 S. 1 Nr. 3 AK zu erreichen, da der große Schadensersatz praktisch
die gleichen Rechtsfolgen wie der Rücktritt entfaltet. Nach einer anderen Meinung ist die Geltendmachung des großen Schadensersatzanspruches nur dann
möglich, wenn der Käufer beweist, dass er wegen der Mangelhaftigkeit der Sache
kein Interesse daran hat, sie zu behalten.451
e. Die Beweislastumkehr
Art. 5 Abs. 3 RL452, in dem die Vermutung etabliert wird, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden,
bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist
mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar453, wurde
in Art. 537 Abs. 2 AK umgesetzt. Im Gegensatz zu dem deutschen Recht, in dem
448 So die wohl h.M.; s. AP 754/1984 EllDni 1985, 30; Berufungsgericht Athen 108/1998 Ell-
Dni 1998, 1682; vgl. Roussos, in: Papanikolaou u.a., Das neue Recht der Verkäuferhaftung,
Rn. 601 mit Nachweisen auf die Rechtsprechung über den alten Art. 542 AK, der dem
Gericht die gleiche Möglichkeit gab, aber von „Wandelung“ sprach und den damals nicht
existierenden Behelf der Ersatzlieferung nicht erwähnte; ebenso Triantos, Der Kauf nach
dem AK, S. 201.
449 Panagopoulos, Digesta 2003, 147 ff.
450 s. Pouliadis, Die Haftung des Verkäufers, § 29, S. 111.
451 Kornilakis, Besonderes Schuldrecht, Bd. I, S. 291.
452 s. dazu unter II.1.c.ee.
453 Gerade mit diesen Ausnahmstatbeständen hat sich die neueste Rechtsprechung in Deutschland mehrmals befasst. Es zeigt sich, dass § 476 BGB eine der zentralsten Vorschriften
des Verbrauchsgüterkaufrechts ist. Vgl. BGH, Urteil vom 2.6.2004-VIII ZR 329/03, NJW
2004, 2299=ZGS 2004, 309; OLG Stuttgart, Urteil vom 17.11.2004-19 U 130/04, ZGS
2005, 35; OLG Stuttgart, Urteil vom 31.01.2005- 5 U 153/04, ZGS 2005, 156; sowie Kieselstein, ZGS 2005, 338 ff.
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die Beweislastumkehr auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt ist (§ 476 BGB),
gilt sie in Griechenland für jede Kaufart. Durch § 478 Abs. 3 BGB wird jedoch
auch in Deutschland ihre Anwendbarkeit zugunsten des regressnehmenden Unternehmers ausgedehnt. Der Unterschied, dass nach § 476 BGB die sechsmonatige Frist vom Zeitpunkt des Gefahrübergangs, während nach Art. 537 Abs. 2 AK
vom Zeitpunkt der Lieferung zu laufen beginnt, ist für die meisten Fälle unerheblich.454 In den Fällen aber, in denen die Gefahr ausnahmsweise vor der Lieferung
der Sache übergeht (z.B. beim Versendungskauf, Art. 524 AK455), hilft die Vermutung des Vorliegens der Vertragswidrigkeit zum Zeitpunkt der Lieferung dem
Käufer nicht, denn für die Verkäuferhaftung wird das Bestehen der Vertragswidrigkeit zum – hier vorausgehenden – Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorausgesetzt. Deswegen wird von griechischen Autoren vorgeschlagen, (wenigstens) in
den Fällen, in denen der Gefahrübergang der Lieferung vorausgeht, für den Beginn der sechsmonatigen Frist von Art. 537 Abs. 2 AK auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs abzustellen.456
4. Die Rechtsfolgen
a. Die Gleichrangigkeit der Käuferrechte in Griechenland
So wie in Deutschland stehen dem Käufer auch in Griechenland im Falle der Haftung des Verkäufers für Sachmängel (oder für das Fehlen zugesicherter Eigenschaften) folgende Rechte zu: Nachbesserung oder Ersatzlieferung, Minderung,
Rücktritt (Art. 540 AK) und Schadensersatz – ausdücklich auch kumulativ neben
den anderen Rechten (Art. 543 AK). Im Gegensatz zum deutschen Recht besteht
aber in Griechenland kein Rangverhältnis zwischen den Rechtsbehelfen.457 Art.
540 AK sieht vor, dass der Käufer berechtigt ist, das Recht seiner Wahl geltend
454 Vgl. Karampatzos, RIW 2004, 676 (678).
455 Im griechischen Recht geht die Gefahr beim Versendungskauf zum Zeitpunkt der Auslieferung der Sache zur Ausführung der Versendung über, auch wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Dort wurde keine der Vorschrift von § 474 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung eingeführt, was vom Schrifttum kritisiert wird; s. Pouliadis, Die Haftung
des Verkäufers, § 30, S. 115 f.
456 Bechlivanis, Armenopoulos 1999, 1660 (1674); Kastrisios, ChrID 2003, 689 (700); Spyridakis, in: 5. Tagung des Zivilrechtlerverbands, S. 15 (20); nicht zustimmend Christodoulou, in: Papanikolaou u.a., Das neue Recht der Verkäuferhaftung, Rn. 770.
457 Im Gegensatz zu der Rangordnung der Gewährleistungsrechte in der RL sah der Kommissionsentwurf ein freies Wahlrecht des Verbrauchers zwischen den Behelfen vor; s. dazu
Jud, in: Das neue Schuldrecht, S. 205 (206).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Art. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der den Rückgriff des Letztverkäufers im Fall einer von ihm nicht verursachten Mangelhaftigkeit der Sache gewährleisten will, überlässt den Mitgliedstaaten einen weiten Umsetzungsspielraum. Dies reizt zu einer rechtsvergleichenden Untersuchung, da das Optionenspektrum für die Ausgestaltung des Rückgriffs sehr breit ist. Wie der deutsche und griechische Gesetzgeber die genannte Richtlinienvorschrift ins nationale Recht umsetzten, ist Gegenstand dieses Werkes. Die Verfasserin stellt die Rückgriffsregelungen des BGB und des griechischen ZGB (AK) nebeneinander und gelangt zu interessanten Ergebnissen bezüglich ihrer Richtlinienkonformität und rechtspolitischen Richtigkeit.