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Zur Angemessenheit kann auch beitragen, wenn eine Haftungsfreizeichnung
zugunsten des Auftragnehmers in einer direkten, konnexen und äquivalenten
Wechselbeziehung zu Kontroll- und Kündigungsrechten des Auftraggebers steht,
da sich mit zunehmender Kontroll- und Lösungsmöglichkeit des Auftraggebers
die Risikobeherrschung vom Auftragnehmer auf den Auftraggeber verlagern
kann.
Verschuldensbezogen soll nach überwiegender Meinung ein Ausschluss der Haftung nur im Falle einfacher Fahrlässigkeit bei der Verletzung nicht wesentlicher
Pflichten zulässig sein. Im Bereich der einfachen Fahrlässigkeit des Verwenders
selbst sowie der groben Fahrlässigkeit von Erfüllungsgehilfen im Zusammenhang
mit der Verletzung wesentlicher Pflichten wird eine Begrenzung der Haftung auf
den vorhersehbaren, typischen Schaden überwiegend für zulässig gehalten.
Da der vorhersehbare, typische Schaden bei Forschungs- und Entwicklungsverträgen aufgrund der sehr unterschiedlichen Vertragsgegenstände und zugrunde
liegenden Sachverhalte kaum zu bestimmen ist, sollte eine vertragliche Begrenzung auf eine bestimmte Summe vermieden und stattdessen möglichst die Formulierung »vorhersehbarer, typischer Schaden« verwendet werden. Ansonsten ist
das Risiko der Unwirksamkeit einer Freizeichnung zu groß.
IX. Transparenzgebot
Die Verwendung des Begriffs der »Kardinalpflicht« in AGB ist entsprechend der
Definition der BGH-Rechtsprechung zu erläutern, um eine Unwirksamkeit wegen
Verstoßes gegen das Transparenzgebot877 zu verhindern. Gleiches empfiehlt sich
für den Begriff der »wesentlichen Rechte und Pflichten«.
Die Verwendung salvatorischer Klauseln sollte grundsätzlich vermieden werden, da man hier die Unwirksamkeit der gesamten Klausel riskiert. Im Übrigen
ist auf eine klare und übersichtliche Darstellung zu achten. Auch die systemwidrige Unterbringung von Freizeichnungsklauseln in verschiedenen Abschnitten
oder verwirrende Verweise können zur Intransparenz führen. Hier ist z.B. darauf
zu achten, dass die Haftung für Schadensersatzansprüche aus Gewährleistung
sich auch unter dem Punkt »Gewährleistung« befindet und von der allgemeinen
Haftungsklausel »Haftung« getrennt ist.878
877 Siehe hierzu die Ausführungen zur Transparenzkontrolle von Freizeichnungsklauseln
unter § 6 D.
878 Siehe auch Wendler in: Nicklisch, der Subunternehmer bei Bau- und Anlagenverträgen im
In- und Auslandsgeschäft, S. 67, der die Vorteile einer Einzelregelung zusätzlich zur
Gesamthaftungsklausel auch darin sieht, dass nicht schon ein erfolgreicher Angriff auf
eine Haftungsbegrenzung zugleich den Untergang aller Haftungsfreizeichnungen nach
sich zieht.
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B. Fazit
Im Ergebnis sind die Grenzen der Freizeichnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen so eng gesetzt, dass sie den Bedürfnissen nach Risikoabfederung in
dem besonders durch unkalkulierbare Gefahren und ein hohes Innovationsrisiko
gekennzeichneten Bereich von Forschung und Entwicklung nicht gerecht werden
können.
Demzufolge ist daher der Weg über individualrechtliche Freizeichnungsklauseln
selbstredend der empfehlenswerteste Weg, um zu einer verlässlichen Risikoabdeckung zu kommen. Das dafür nötige Aushandeln ist in der Praxis allerdings
hauptsächlich in Bezug auf die Leistungsbeschreibung gegeben. Da sich diese bei
Forschungs- und Entwicklungsprojekten oft unterscheidet, werden die einzelnen
Leistungen in aller Regel individuell gestaltet und mit dem Auftraggeber ausgehandelt. Hier liegt ein großes Potential darin, bereits im Vorfeld solche Leistungsmodalitäten vom Leistungskatalog auszunehmen, die mit besonderem Risiko behaftet sind, oder den relevanten Sorgfaltsmaßstab entsprechend einzuschränken.
Hier kann schon im Vorfeld bereits eine Einschränkung von einer Vielzahl möglicher Haftungsfälle erreicht werden.
Etwas anderes gilt für das Vertragswerk an sich. Zur Abwicklung der Vielzahl von
Verträgen in der Praxis ist der Weg individuellen Aushandelns oft schwierig und
aufgrund der eng gesetzten Fristen auch häufig nicht möglich. Hier werden auch
im Bereich von Forschung und Entwicklung oftmals auf AGB im klassischen
Sinne oder in Form von Standardverträgen zurückgegriffen. Hier kann nur empfohlen werden, auf jeden Fall die Freizeichnungsklausel offen zu diskutieren und
zu verhandeln. Vermieden werden sollte in jedem Falle der Hinweis des Verwenders darauf, er sei aufgrund seines öffentlich-rechtlichen Status oder aus sonstigen Gründen gezwungen, Haftungsbegrenzungen zu vereinbaren. Dies gibt dem
Verwendungsgegner im Streitfall ein hervorragendes Argument, das Tatbestandsmerkmal des »Aushandelns« zu widerlegen.
Angesichts des Umstands, dass eben der konkrete Vertrag tatsächlich in vielen
Fällen unter das AGB-Recht fällt, mag ein anderer Hebel aber noch gewisse Wirksamkeit versprechen. Dies ist das Merkmal der Vertragszweckgefährdung, das separat zu prüfen ist und bei dessen Fehlen von einer Unangemessenheit nicht auszugehen ist. Wie gesehen ist der Vertragszweck als solcher der Inhaltskontrolle
der §§ 307 ff. entzogen, das heißt, die Parteien sind hier weitestgehend frei, diesen selbst zu bestimmen und festzulegen. Der Vertragszweck als die zentrale, berechtigte Leistungserwartung des Kunden kann sich neben der Natur des Vertrags
auch aus besonderen Zweckvereinbarungen der Parteien ergeben. Als geeignete
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References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.