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VI. Drittwirkung der Freizeichnung
Eine Drittwirkung der Freizeichnung874 kann bei Forschungs- und Entwicklungsverträgen im Wege der ergänzenden Auslegung nach §§ 133, 157 für die Arbeitnehmer der Parteien bejaht werden. Dies gilt grundsätzlich jedoch nicht für eingeschaltete Subunternehmer, da in Forschungs- und Entwicklungsverträgen, anders als z.B. in der Speditionsbranche, die Einschaltung von Subunternehmern
nicht einer typischen Vorgehensweise oder gar einer entsprechenden Verkehrssitte entspricht, die Einbeziehung von Subunternehmern in den Wirkungsbereich
der Freizeichnungsklausel daher nicht ohne Weiteres für den Auftraggeber erkennbar ist. Etwas anderes gilt dann, wenn beiden Parteien bekannt ist, dass für
einen Teilbereich ein Subunternehmer eingeschaltet werden soll.
Für die Vertragsgestaltung ist es ratsam, die Einbeziehung des Subunternehmers
explizit in die Freizeichnungsklausel aufzunehmen, um Auslegungsstreitigkeiten
zu vermeiden. Mindestens sollte jedoch aus dem Vertragstext erkennbar werden,
dass ein Subunternehmer für ein Teilarbeitspaket eingesetzt wird.
VII. Freizeichnung durch Individualverträge
Im Rahmen der Gestaltung von Freizeichnungsklauseln durch Individualvertrag
sind die Parteien weitestgehend frei.875 Gewisse Grenzen gesetzt werden der Gestaltungsfreiheit freilich auch hier. Neben gesetzlichen Verboten wie z.B. aus
§ 14 ProdHaftG und besonderen berufsrechtlichen Bestimmungen sind hier insbesondere die durch die Vorschriften der §§ 276 Absatz 3, 202 Absatz 1, 639, 444
vorgegebenen Grenzen zu beachten. Danach sind auch individualrechtlich vereinbarte Freizeichnungen bei Vorsatz, arglistigem Verschweigen eines Mangels sowie Abgabe einer Garantie unwirksam. Ferner muss sich die Freizeichnung im
Rahmen der §§ 138, 242 bewegen. Eine danach gegebene Sittenwidrigkeit oder
ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Sinne einer gestörten Vertragsparität
kann aber nur unter sehr engen und außergewöhnlichen Umständen bejaht werden, so z.B. bei Ausnutzen einer Monopolstellung, einer wirtschaftlichen Machtstellung oder Notlage. Diese Fallgruppen dürften jedoch bei Forschungs- und
Entwicklungsverträgen nur äußerst selten vorkommen. Die Parteien sind mithin
weitestgehend frei, durch Individualvertrag ihre Haftung auszuschließen oder zu
beschränken.
Letztlich stellt aufgrund der Gestaltungsfreiheit die individualvertragliche Vereinbarung von Freizeichnungsklauseln die sicherste und effektivste Möglichkeit
874 Siehe zu diesem Punkt die näheren Ausführungen zur Wirkung von Haftungsfreizeichnungsklauseln zugunsten Dritter unter § 4 D.
875 Siehe hierzu die Ausführungen zu den Wirksamkeitsgrenzen von Freizeichnungsklauseln
durch Individualvertrag unter § 5.
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dar, die Vertragsrisiken zu begrenzen und damit das Risiko kalkulierbar zu machen. Dies kann neben einem vertraglichen Haftungsausschluss oder einer Haftungsbeschränkung auch durch die Gestaltung der Leistungsbeschreibung geschehen. Hier können durch die Präzisierung und Einschränkung von Leistungspflichten die Risiken schon im Vorfeld begrenzt werden, so dass nicht erst die
Haftung beschränkt werden muss, sondern es dadurch letztlich schon gar nicht
zum Haftungsfall kommt.
VIII. Freizeichnung durch AGB
Die Grenzen der Freizeichnung durch AGB sind im Geschäftsverkehr zwischen
Unternehmern durch § 307 vorgegeben.876 Die §§ 308, 309 sind weder unmittelbar noch analog anwendbar noch ist ihnen eine generelle Indizwirkung zuzuschreiben. Allenfalls dienen die Wertungen der §§ 308, 309 hier als Orientierungspunkte.
Der Inhaltskontrolle unterliegen nur solche Bestimmungen, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Auch die Einschränkung des Pflichtenprogramms ist als mittelbare Haftungsfreizeichnung der Inhaltskontrolle unterworfen, sofern diese den kontrollfreien Bereich des Leistungskerns verlässt. Kontrollfrei dagegen ist der Leistungskern des Vertrages, also die Bestimmung des
Leistungsgegenstandes, dessen Umfang und Güte, die Bestimmung der Vertragsparteien, des Vertragspreises und der Beschaffenheit. Auch der Vertragszweck als
solches ist kontrollfrei.
Zur Beurteilung der wesentlichen Rechte und Pflichten nach § 307 Absatz 2 Nr.
2 ist beim Forschungs- und Entwicklungsvertrag auf seine besondere, oft langfristig angelegte Natur abzustellen, nach der beide Parteien zur Erreichung des
Ergebnisses auf gegenseitige Information, Unterrichtung, Vertrauen und Vertraulichkeit in einer Weise angewiesen sind, wie dies kaum ein anderes Vertragsverhältnis kennzeichnet. Dieser besondere Charakter ist bei der Bestimmung der wesentlichen Rechte und Pflichten zu berücksichtigen. Hiernach sind neben der
mangelfreien Herstellung des Werkes insbesondere Mitteilungs-, Berichts- und
Informationspflichten, Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten, die
Durchführung von Patentrecherchen, das Sicherstellen der technischen Ausführbarkeit und Brauchbarkeit einer Erfindung sowie die Einhaltung des allgemeinen
Standes von Wissenschaft und Technik als wesentliche Pflichten im Sinne des
§ 307 Absatz 2 Nr. 2 einzuordnen.
876 Siehe zu diesem Punkt die näheren Ausführungen zu den Wirksamkeitsgrenzen von Freizeichnungsklauseln in AGB unter § 6 A. bis C.
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References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.