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daher nicht ausmachen.790 In der Literatur finden sich daher unterschiedliche Ansätze zum Zusammenspiel der Angemessenheitskriterien. So wird auch vertreten,
die Angemessenheitskriterien in eine Art bewegliches System einzuordnen, so
dass letztlich umso eher von der Angemessenheit einer Freizeichnung ausgegangen werden kann, je weniger diese gegen den Ausgleichsgedanken verstößt, je geringer der Präventionseffekt der Haftung in den von der Freizeichnung berührten
Fällen tangiert wird, je schwankender und unvorhersehbarer die Schäden sind und
je einfacher und genauer sich der Geschädigte anstatt des Schädigers zu versichern vermag.791
Teilweise wird auch eine Art Rangfolge aufgestellt. Entscheidendes Kriterium
bei der Angemessenheitsprüfung sei die Beherrschbarkeit der Schadensentstehung und/oder des Schadensverlaufs, von nachgeordneter, wenngleich zu beachtender Bedeutung auch die Versicherbarkeit eines Risikos und die Branchenüblichkeit der Freizeichnung.792
Letztlich ist aber nicht aufgrund eines einzelnen Kriteriums die Angemessenheit
zu bewerten, sondern das Zusammenspiel aller oder der im Einzelfall relevanten
Kriterien ist Beurteilungsgrundlage für die Angemessenheit von Freizeichnungsklauseln. So spielen Kriterien wie das der besseren Schadensprävention auch in
andere Kriterien mit hinein. Im Falle der Risikobeherrschung ist dieses sogar untrennbar verbunden. Da letztlich in den wenigsten Fällen alle Angemessenheitskriterien einschlägig sind, sich einige sogar überschneiden, stehen diese zueinander nicht in Alternativität, sondern in gleichberechtigter Kumulation. Je mehr Angemessenheitskriterien einschlägig und je mehr von ihnen zu Lasten des AGB-
Verwenders zu werten sind, desto eher ist die jeweilige Freizeichnung unangemessen.
VI. Freizeichnung bei grober Fahrlässigkeit einfacher Erfüllungsgehilfen
Wie bereits dargestellt, beschränkt sich die Frage der Wirksamkeit einer Haftungsfreizeichnung bei grober Fahrlässigkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr nach § 307 auf die Frage, inwieweit der Verwender sich für grob fahrlässiges Verhalten einfacher Erfüllungsgehilfen freizeichnen kann.
790 So auch Koller ZIP 1986, 1089, 1097.
791 Koller ZIP 1986, 1089, 1097.
792 Meier S. 230, 231.
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1) Generelle Unwirksamkeit der Freizeichnung
Ob die Haftungsfreizeichnung im Falle grober Fahrlässigkeit einfacher Erfüllungsgehilfen im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern für andere als wesentliche Pflichten generell unwirksam ist, hat der BGH bislang offen gelassen.793
Das Gesetz gibt insoweit keinen Anhaltspunkt für das generelle Verbot der Freizeichnung bei grober Fahrlässigkeit einfacher Erfüllungsgehilfen. Es ist damit
weiter zu untersuchen, in welchen besonderen Fällen eine solche Freizeichnung
möglich ist.
2) Haftungsfreizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr
Nach der Rechtsprechung kann die Haftung für jedes Verschulden einfacher Erfüllungsgehilfen des Klauselverwenders auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht formularmäßig ausgeschlossen werden, wenn sich der Haftungsausschluss auf die Verletzung von sogenannten »Kardinalpflichten« oder auch auf
die Verletzung von Nebenpflichten wie z.B. Schutzpflichten bezieht, sofern bei
diesen die Freizeichnung die angemessene Risikoverteilung empfindlich stören
würde.794
Vereinzelt finden sich Urteile, die eine völlige Freizeichnung bei grober Fahrlässigkeit von Erfüllungsgehilfen als wirksam ansehen. So hielt das OLG Hamburg eine Freizeichnungsklausel in den Allgemeinen Bedingungen der Hafenfrachtschifffahrt betreibenden Firmen des Hafens Hamburg (Hafenfrachtschifffahrtsbedingungen), nach der ein Haftungsausschluss für grob fahrlässiges Verhalten von Erfüllungsgehilfen vorgesehen war, für wirksam.795 Begründet wurde
dies im Wesentlichen damit, dass dem die Haftung ausschließenden Betrieb
geringe Möglichkeiten der Gefahrabwendung offen standen, solche Freizeichnungen seit langem branchenüblich waren und die Verwendergegenseite sich
durch den Abschluss von entsprechenden Transportversicherungen gegen die
Risiken solcher Freizeichnungen abzusichern pflegte. Zudem handelte es sich bei
der verletzten Pflicht um eine Nebenpflicht, die nicht als »Kardinalpflicht« einzuordnen war.
793 BGH BB 1984, 1449, 1450; BGHZ 103, 316, 328; 95, 170, 183; 89, 363, 367; anders BGH
ZIP 1985, 687, 689.
794 Ständige Rechtsprechung, siehe hierzu BGHZ 83, 301, 308; BGHZ 89, 363, 366; BGH
NJW 1985, 3016, 3018; BGH NJW 1988, 1785, 1786; NJW 1991, 2630, 2632; offengelassen, ob dies grundsätzlich auch für grobe Fahrlässigkeit generell gilt, in BGH NJW
1985, 914, 916.
795 OLG Hamburg VersR 1985, 57; ähnlich auch BGHZ 103, 316, 328 für einen Haftungsausschluss in den Dock- und Reparaturbedingungen einer Seeschiffswerft, allerdings mit
Hinblick auf die besondere konkrete Fallgestaltung; der BGH selbst hält aber diese Rechtsprechung für nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmen, vgl. BGH NJW-RR 2001, 342,
343; ähnlich auch BGH NJW-RR 1996, 783, 788.
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Ähnlich ist auch die Entscheidung zum Haftungausschluss in einem Werftwerkvertrag zu werten.796 Hier wurde ein Haftungsausschluss für grobes Verschulden einfacher Erfüllungsgehilfen, allerdings mit Hinweis auf die besondere
Fallgestaltung beim Werftwerkvertrag, für wirksam befunden. Abgehoben wurde
auf die Branchenüblichkeit eines praktisch lückenlosen Kaskoversicherungsschutzes für Schiffe sowie die Mitbeherrschungsmöglichkeit des Kunden in
Bezug auf die von gefahrgeneigten Arbeiten am Schiff typischerweise ausgehenden Risiken.
Auch in einigen weiteren Fällen wurde ein Haftungsausschluss für grob fahrlässiges Fehlverhalten einfacher Erfüllungsgehilfen gegenüber Kaufleuten im
Umschlagsgeschäft eines Kaibetriebes797 bzw. im Rahmen eines Bewachungsvertrages798 ebenfalls für wirksam gehalten.
Diese Fälle sind jedoch vor dem Hintergrund ihrer branchentypischen Besonderheiten zu sehen und so auf andere Fälle nicht übertragbar.799
Es ist also davon auszugehen, dass ein Ausschluss der Haftung im Falle grober
Fahrlässigkeit eines Erfüllungsgehilfen im Regelfall auch im unternehmerischen
Geschäftsverkehr nicht wirksam ist, es sei denn, es lägen branchentypische Besonderheiten vor, bei denen im Ausnahmefall durch das Vorliegen verschiedener,
die Risikoverteilung ausgleichender Faktoren eine unangemessene Benachteiligung der anderen Partei zu verneinen wäre.
Beim Forschungs- und Entwicklungsvertrag dürfte aber eine solche Ausnahmesituation selten gegeben sein. Eine brancheninterne Übung kann es insofern
schon nicht geben, als dass der Vertragsgegenstand von Forschungs- und Entwicklungsverträgen zu stark divergiert, um hier von einer Branche sprechen zu
können. Auch bei der Betrachtung einzelner Bereiche von Forschung und Entwicklung, wie z.B. der Gentechnik, ist eine allgemeine brancheninterne Übung,
grundsätzlich Freizeichnungsklauseln zu verwenden, nicht zu erkennen. Hinzu
kommen müsste dann ja auch die entsprechende Mitbeherrschungsmöglichkeit
durch den Auftraggeber sowie eine umfassende Versicherungsdeckung, die die
Risiken weitestgehend abdeckt. Auch das kann nicht pauschal bejaht werden. Es
ist also daher im Grundsatz davon auszugehen, dass ein Haftungsausschluss bei
grober Fahrlässigkeit einfacher Erfüllungsgehilfen auch bei Forschungs- und
Entwicklungsverträgen durch AGB nicht wirksam vereinbart werden kann. Aus-
796 BGH NJW 1988, 1785, 1788.
797 OLG Bremen VersR 1987, 772.
798 BGH NJW 1968, 1718, 1720, hier wurde der Ausschluss der Haftung für den Verlust von
Handelsware aus einem auf einem bewachten Parkplatz abgestellten PKW sogar bei grober
Fahrlässigkeit des Bewachungspersonals für wirksam gehalten, da ansonsten dem Unternehmer ein unübersehbares und wirtschaftlich nicht tragbares Risiko aufgebürdet würde,
der Kunde dagegen sich versichern oder die Ware aus dem PKW nehmen könne.
799 Ausdrücklich sich gegen die Verallgemeinerungsfähigkeit aussprechend BGH NJW-RR
2001, 342, 343 in Bezug auf BGHZ 103, 316 ff; ähnlich BGH NJW-RR 1996, 783, 788;
BeckOK/Becker § 309 Nr. 7 Rn. 49; Staudinger/Coester § 307 Rn. 446.
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nahmen sind indes theoretisch möglich, da auch hier im Einzelfall eine unangemessene Benachteiligung und Vertragszweckgefährdung durch besondere
Umstände verneint werden kann.
Wirksam dürfte nach der Rechtsprechung bei grob fahrlässiger Schadensverursachung durch Erfüllungsgehilfen und bei der Verletzung von wesentlichen Vertragspflichten jedoch eine Haftungsbegrenzung sein, wenn der vorgesehene Schadensersatzbetrag, auf den die Haftung begrenzt ist, die voraussehbaren, typischen
Schäden abdeckt.800
So bejahte im »Kaltlager«-Fall801 der BGH zwar die Unwirksamkeit einer Haftungsbegrenzung für grobes Verschulden einfacher Erfüllungsgehilfen. Das
Ergebnis wird im Wesentlichen aber damit begründet, dass der Schadensbetrag,
der als Höchstgrenze für die Haftung gedacht war (das Sechsfache des monatlichen Lagergeldes bzw. des Leistungsentgelts), nicht dazu geeignet war, einen
angemessenen Ausgleich für den erlittenen Schaden darzustellen und den voraussehbaren Schaden abzudecken.802 Der Kunde war dadurch weitestgehend rechtlos
gestellt. Es ist anzunehmen, dass das Ergebnis anders ausgefallen wäre, wenn der
Höchstbetrag den voraussehbaren Schaden abgedeckt hätte, denn dann wäre eine
völlige Rechtlosstellung des Kunden nicht mehr gegeben gewesen.
Auch die herrschende Meinung im Schrifttum hält einen völligen Ausschluss von
der Haftung im Falle grober Fahrlässigkeit einfacher Erfüllungsgehilfen auch im
unternehmerischen Geschäftsverkehr für nicht angemessen, eine Begrenzung dagegen für vertretbar, soweit die Haftung für vorhersehbare, typischerweise eintretende Schäden unberührt bleibt.803
800 Vgl. BGH NJW-RR 2006, 267, 269.
801 BGH NJW 1984, 1350.
802 Ebenso die Wirksamkeit versagt wurde der Haftungsbegrenzung in Nr. 24 ADSp (Fassung
1998), da der Höchstbetrag (10.000 DM) an typische Lagerschäden nicht annähernd heranreiche, BGH NJW-RR 2006, 267, 270; anders aber BGH NJW 1980, 1953, 1954 bei einer
Beschränkung in AGB eines Reinigungsunternehmens auf das 15-fache des Reinigungspreises, allerdings nur deshalb, weil gleichzeitig der Abschluss einer Versicherung gegen
höhere Schäden empfohlen und darauf hingewiesen wurde; ebenso Wolf in Wolf/Horn/Lindacher § 9 T 126; ablehnend im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Begrenzung auf das
15-fache des Reinigungspreises Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen Anh. § 310 Rn. 833,
der eine Begrenzung auf den Zeitwert favorisiert.
803 Erman/Roloff § 309 Rn. 78; Kötz NJW 1984, 2447, 2448; Christensen in Ulmer/Brandner/
Hensen § 309 Nr. 7 Rn. 46; Staudinger/Coester § 307 Rn. 448; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher § 11 Nr. 7 Rn. 55; MüKo/Kieninger § 309 Nr. 7 Rn. 38; Paulusch DWiR 1992, 182,
191; v. Westphalen NJW 2006, 2228, 2232; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 982, 984; Lutz S.
142 mit dem Hinweis, es sei nicht gerechtfertigt, den Schuldner zwingend für Schäden einstehen zu lassen, die über das durchschnittliche Vertragsrisiko deutlich hinausgehen; noch
weitergehend Helm BB 1977, 1109, 1111, der sogar einen evtl. Ausschluss nicht a limine
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VII. Freizeichnung bei einfacher Fahrlässigkeit
Hier ist zu unterscheiden zwischen einfach fahrlässiger Verletzung wesentlicher
Pflichten und einer solchen nicht wesentlicher Pflichten.804 Von der generellen
Möglichkeit der Freizeichnung bei einfacher Fahrlässigkeit geht die überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung aus.805 Da in § 309 Nr. 7 b) nur
ein Freizeichnungsverbot für grobe Fahrlässigkeit statuiert wurde, ist zwar der
Umkehrschluss, eine Freizeichnung für einfache Fahrlässigkeit sei generell wirksam, unzulässig, da auch außerhalb der Sondertatbestände der §§ 308, 309 die
Grenzen des § 307 zu beachten sind, sich im Einzelfall also auch bei der Haftungsfreizeichnung bei einfacher Fahrlässigkeit eine Unangemessenheit ergeben
kann, die die Unwirksamkeit eines solchen Ausschlusses oder Beschränkung zur
Folge hat.806 Ein generelles Verbot der Freizeichnung bei einfacher Fahrlässigkeit
lässt sich dem Gesetz jedoch gerade nicht entnehmen, so dass davon auszugehen
ist, dass eine Freizeichnung bei einfacher Fahrlässigkeit, sofern sie geeignet ist,
die Inhaltskontrolle des § 307 zu passieren, grundsätzlich möglich ist.
1) Einfache Fahrlässigkeit bei der Verletzung wesentlicher Pflichten
Hier ist zu unterscheiden zwischen einem völligen Haftungsausschluss und einer
Haftungsbegrenzung.
a) Haftungsausschluss im unternehmerischen Geschäftsverkehr
Nach der Rechtsprechung ist eine Klausel in AGB, durch die der Verwender sich
von wesentlichen Vertragspflichten im Sinne eines Haftungsausschlusses für einfache Fahrlässigkeit freizeichnet, auch im Geschäftsverkehr zwischen Unterneh-
804 ablehnen will; a.A. Koch WM 2002, 2173, 2178; außer bei gesicherten kaufmännischen
Bräuchen auch eine Haftungsbeschränkung auf den vorhersehbaren, vertragstypischen
Schaden in diesem Fall für unzulässig haltend Fliegner, Haftung und Haftungsbeschränkung bei Telekommunikationsverträgen, S. 63.
804 Gegen diesen Ansatz noch Wolf NJW 1980, 2433, 2434, der der Auffassung war, dass aus
dem Vorliegen einer »Kardinalpflicht« nicht unmittelbar etwas für ein Freizeichnungsverbot bei leichter Fahrlässigkeit entnommen werden könne, da zwischen der Existenz von
Pflichten einerseits und dem Haftungsmaßstab andererseits unterschieden werden müsse;
ders. aber nunmehr auch diesem Ansatz folgend in Wolf in Wolf/Horn/Lindacher § 11 Nr.
7 Rn. 52.
805 Vgl. BGH NJW 2002, 673, 674 »(...) nicht von vornherein untersagt, die Haftung für einen
Schaden, der auf einer mit nicht grober, also einfacher Fahrlässigkeit begangenen Vertragsverletzung des Verwenders beruht, formularmäßig abzubedingen«; BGH 1993, 335
»grundsätzlich zulässig«; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher § 11 Nr. 7 Rn. 51; MüKo/Kieninger § 309 Nr. 7 Rn. 4; Staudinger/Coester § 307 Rn. 450.
806 Siehe auch Bunte S. 134; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen § 307 Rn. 287.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.