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Umständen des Einzelfalls.605 Ein Anwalt könnte daher z.B. seine Rechtsprüfungspflicht nicht durch AGB abbedingen, könnte die dazu notwendige Recherche aber durchaus auf seinen eigenen Bibliotheksbestand beschränken, solange
dieser stets auf dem neuesten Stand gehalten ist, die für das Fachgebiet einschlägigen Fachzeitschriften beinhaltet und ihn dazu befähigt, über die höchstrichterliche Rechtsprechung und Gesetzgebung auf dem Laufenden zu bleiben.
3) Kontrollfreie Bestimmungen des Forschungs- und Entwicklungsvertrags
Jeglichen Vorgaben entzogen sind die essentialia negotii eines Forschungs- und
Entwicklungsvertrags. Sie sind weder durch gesetzliche Regelungen noch durch
zu entwickelnde verallgemeinerungsfähige Grundsätze bestimmbar. Zu diesem
der Inhaltskontrolle entzogenen Leistungskern des Forschungs- und Entwicklungsvertrags gehört daher in erster Linie die Bestimmung des Forschungsgebietes. Auch der Vertragsgegenstand im engeren Sinn ist hierzu zu rechnen, also welche Dienste oder welches Werk geschuldet werden, ebenso das Forschungs- und
Entwicklungsziel sowie der Anwendungszweck. Auch die Höhe der Vergütung
stellt ein der Inhaltskontrolle nicht zugängliches Element dar. Das gleiche gilt für
die Beschaffenheit des Leistungsgegenstandes. Da es sich bei Forschungs- und
Entwicklungsleistungen niemals um Gattungsschulden handelt, ist auch die gesetzliche Regelung, dass im Zweifel eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten ist, § 243 Absatz 1, nicht anwendbar. Das bedeutet ebenso, dass durch die
Klauseln, die die Beschaffenheit regeln, nicht von einer gesetzlichen Regelung
abgewichen werden kann, da im Falle ihres Fehlens die Leistung nicht bestimmbar wäre.
Mangels gesetzlicher Regelungen, die im Falle des Fehlens vertraglicher
Bestimmungen greifen könnten, soweit es um die Bestimmung der Pflichten eines
FuE-Vertrages geht, sind nur solche Pflichten eines Forschungs- und Entwicklungsvertrages kontrollfähig, die der Natur nach einem Forschungs- und Entwicklungsvertrag immanent sind. Handelt es sich dagegen um Pflichten, die nach dem
Vertragszweck ohnehin nicht bestehen, kann insofern ein Ausschluss erfolgen,
der nicht der Inhaltskontrolle unterworfen ist.
C. Die Angemessenheitskontrolle nach § 307 Absatz 2 BGB
Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Absatz 2 soll im Folgenden
insbesondere der Frage nachgegangen werden, inwieweit und in welcher Form
allgemeine Angemessenheitskriterien auch für den Forschungs- und Entwick-
605 Raiser NJW 1991, 2049, 2051; Fahrendorf NJW 2006, 1911, 1914; BGH NJW 1996, 2648,
2649.
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lungsvertrag gelten und welche Pflichten des Forschungs- und Entwicklungsvertrages als wesentliche Pflichten im Sinne des § 307 Absatz 2 Nr. 2 anzusehen sind.
I. Fokus der Freizeichnung
Inwieweit die Wertungen der besonderen Klauselverbote der §§ 308, 309 über
§ 307 Einfluss auch auf die Bewertung von Freizeichnungsklauseln im unternehmerischen Verkehr nehmen, ist Gegenstand der folgenden Prüfung.
Auf die Verwendung von AGB gegenüber Verbrauchern wird hier nur insoweit
eingegangen, als dies zur Herleitung von Ergebnissen im unternehmerischen
Geschäftsverkehr notwendig ist. Auf eine vertiefte Beschäftigung mit der Wirksamkeit im Verbraucherverkehr muss hier verzichtet werden, da die Beteiligung
von Verbrauchern als Partner eines Forschungs- und Entwicklungsvertrags in der
Praxis nur als höchst seltener Ausnahmefall zu verzeichnen ist und daher an dieser Stelle zu weitführend wäre.
Nicht alle Fälle der Haftungsfreizeichnung sind rechtlich problematisch, so dass
hier zunächst der Frage nachgegangen werden soll, welche Fälle der Freizeichnung überhaupt rechtlich streitig sind.
1) Generelle Unwirksamkeit jeglicher Freizeichnung
Einer Mindermeinung zufolge soll jegliche Freizeichnung, unabhängig von
Rechtsgrund, Erscheinungs- und Verschuldensform, nach AGB-Recht unwirksam
sein. Hier wird daher für ein völliges Verbot jeglicher Haftungsfreizeichnungsklauseln überhaupt eingetreten.606 Als Begründung werden hierfür im Wesentlichen zwei Aspekte herangezogen. Zum einen korrespondiere die Übernahme einer Pflicht, gleich ob durch Vertrag oder Gesetz, mit dem Einstehen für die Erfüllung dieser Verpflichtung, der Vertragspartner könne daher auf eine ordentliche Erfüllung vertrauen, eine Lösung über eine Freizeichnung durch AGB sei daher stets unzumutbar und damit unangemessen. Ferner seien Haftungsausschlüsse
oder Haftungsbegrenzungen schon deshalb unangemessen, da das Zivilrecht mit
Hinblick auf die Möglichkeit der individuellen Abrede oder vor allem mit dem Institut des Mitverschuldens nach § 254 andere probate Möglichkeiten biete.607
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Zum einen steht sie im Widerspruch
zum Gesetzeswortlaut. Denn hätte ein Ausschluss oder eine Begrenzung der
Schadensersatzhaftung nach AGB-Recht generell unzulässig sein sollen, dann
hätte es der Einschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in § 309 Nr. 7
606 Meier S. 235.
607 Meier S. 236.
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nicht bedurft. Zum anderen ist es unzulässig, allein mit dem Verweis auf die Möglichkeit individualvertraglicher Regelung oder der Anwendbarkeit des § 254 dem
Verwender eine ihm grundsätzlich vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit der Gestaltung seiner Haftung nach AGB-Grundsätzen zu versagen.
Für ein generelles Verbot jeglicher Freizeichnung durch AGB gibt es daher
keine Anhaltspunkte und keine überzeugenden Argumente.
2) Nichtunternehmerischer Verkehr
Im nichtunternehmerischen Verkehr fallen Haftungsausschlüsse bei Vorsatz und
grober Fahrlässigkeit eindeutig unter das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 a) und b).
Haftungsfreizeichnungen für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sind daher nach
§ 309 Nr. 7 im nichtunternehmerischen Verkehr generell unwirksam.
Im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern ist bei der Verletzung von Leben, Körper
und Gesundheit nach dem durch das SMG neu eingefügten § 309 Nr. 7 a) eine
Freizeichnung für jede Art von Verschulden, also neben Vorsatz und grober Fahrlässigkeit auch für einfache Fahrlässigkeit des Verwenders selbst, eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen unwirksam.608 Das nunmehr kodifizierte
Verbot entspricht der auf Art. 3 der EG-Richtlinie 93/13/EWG bezogenen Nr. 1 a)
des Anhangs zur Richtlinie, die solche Klauseln als missbräuchlich erachtet, die
bei Verletzung von Leben oder Körper die Haftung des Gewerbetreibenden ausschließen oder einschränken. Dieses schon vorher im Rahmen des § 9 AGBG anerkannte Verbot hat § 309 Nr. 7 a) nunmehr ausdrücklich übernommen, obgleich
der Richtlinienanhang zu Art. 3 Absatz 3 RL nur den Charakter eines Hinweises
hat und die volle Wirksamkeit der Richtlinie in einem hinreichend genauen und
klaren rechtlichen Rahmen gewährleistet werden kann, ohne dass die Liste im
Anhang der Richtlinie Bestandteil der Bestimmungen ist, mit denen die Richtlinie
umgesetzt wird.609 Eine in der Liste aufgeführte Klausel ist daher nicht zwangsläufig als missbräuchlich anzusehen, dagegen kann eine nicht darin aufgeführte
Klausel gleichwohl für missbräuchlich erklärt werden.610
608 Vgl. im Hinblick auf die Erfassung von Schäden bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes Koch, NJW 2004, 801, 807, der aufgrund des Wortlauts des § 309 Nr. 7
a) solche nicht unter diese Norm subsumiert, wohl aber in der Verletzung des Persönlichkeitsrechts stets eine wesentliche Vertragspflichtverletzung sieht, die die Unwirksamkeit
einer entsprechenden Freizeichnung nach § 307 Absatz 2 Nr. 2 nach sich ziehe.
609 EuGH EuZW 2002, 465, 466; EuGH NJW 2004, 1647; Palandt/Grüneberg § 310 Rn. 28;
Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen § 309 Nr. 7 Rn. 3 »bloße Regelungsoptionen«;
anders v. Westphalen BB 2002, 209, 210, der diesbezüglich mit Hinweis auf EuGH NJW
2001, 2244 von einer Umsetzungspflicht des Gesetzgebers ausgeht; ders. aber einschränkend in NJW 2005, 1987, wonach die Wiedergabe des Anhangs in der Gesetzesbegründung
für die Umsetzung ausreicht.
610 EuGH EuZW 2002, 465, 466; EuGH NJW 2004, 1647.
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Zwar erwähnt § 309 Nr. 7 a) und b) nicht die vorsätzliche Pflichtverletzung des
Verwenders selbst im Gegensatz zu der seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen. Das Verbot des Ausschlusses oder der Begrenzung bei vorsätzlicher Pflichtverletzung des Verwenders ergibt sich aber bereits zwingend aus
§ 276 Absatz 3.
Die Verbote betreffen im Verbraucherverkehr sowohl Haftungsausschlüsse als
auch jede Art von Haftungsbegrenzung. Unwirksam sind daher summenbezogene
Beschränkungen ebenso wie der Ausschluss bestimmter Schäden, z.B. indirekter,
mittelbarer oder nicht vorhersehbarer Schäden, sowie die Abkürzung der Verjährungsfrist.611
3) Unternehmerischer Verkehr
Anders sieht es dagegen im unternehmerischen Verkehr aus, da die Verbote aus
§§ 308, 309 und somit auch § 309 Nr. 7 bei Verwendung von AGB gegenüber Unternehmern nicht direkt anwendbar sind, § 310 Absatz 1.
Im Hinblick auf § 309 Nr. 7 a) stellt sich die Frage, ob dieser Verbotstatbestand
für den unternehmerischen Geschäftsverkehr zu beachten ist. Die Wertung des
§ 309 Nr. 7 a) gilt nach herrschender Meinung über § 307 in gleichem Maße auch
im unternehmerischen Geschäftsverkehr.612 Der Schutz von Leib, Leben und Gesundheit wiege so schwer, dass der Geschädigte unangemessen im Sinn von § 307
Absatz 1 benachteiligt würde, wenn man die Freizeichnung auch im Rahmen einfacher Fahrlässigkeit für wirksam ansehen würde.613 Dieser Ansicht ist im Ergebnis zuzustimmen. Weder Schutzbedürfnis noch Interessen einer unternehmerisch
handelnden Person unterscheiden sich im Hinblick auf die Verletzung von Leben,
Körper und Gesundheit so von denen eines Verbrauchers, dass eine andere Bewertung gerechtfertigt wäre. Ferner kommt hinzu, dass die Berücksichtigung des
Präventionsgedankens des Schadensrechts gerade bei der Verletzung von Leben,
Körper und Gesundheit besonders hoch zu bewerten sein dürfte, denn die Kompensation von Körperschäden ist in aller Regel unzureichend und der Vermeidungsgesichtspunkt umso bedeutender. Mithin ist eine Freizeichnung von schuldhaft verursachten Schäden aus der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit
611 Palandt/Grüneberg § 309 Rn. 44; a.A. im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 309 Nr.
7 auf Klauseln zur Verjährungserleichterung Schimmel/Buhlmann ZGS 2002, 109, 114.
612 BGH NJW 2007, 3774, 3775; v. Westphalen AGB-Klauselwerke, Freizeichnungsklauseln
bei leichter Fahrlässigkeit, Rn. 23; Stoffels Rn. 980; Koch WM 2002, 2173, 2178; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen § 309 Nr. 7 Rn. 43; Staudinger/Coester-Waltjen § 309
Nr. 7 Rn. 42, soweit der Unternehmer eine natürliche Person ist oder seine Arbeitnehmer
im Rahmen eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte betroffen sind.
613 BGH NJW 2007, 3774, 3775 mit der Begründung, dass hinsichtlich des von § 309 Nr. 7
a bezweckten Schutzes besonders wichtiger persönlicher Rechtsgüter kein Raum für eine
Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern sei; v. Westphalen, Verkaufsbedingungen, S. 159; ohne nähere Begründung auch Koch WM 2002, 2173, 2178.
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im Sinne von § 309 Nr. 7 a) auch im unternehmerischen Verkehr nach § 307 als
unangemessen einzustufen.
Auch in Bezug auf § 309 Nr. 7 b) wird teilweise dessen Geltung auch im unternehmerischen Verkehr befürwortet.614 Hier ist allerdings zu differenzieren.
Das Verbot der Freizeichnung für Vorsatz des Verwenders, obgleich in § 309 Nr.
7 b) nicht ausdrücklich aufgeführt, ergibt sich schon aus § 276 Absatz 3. Eine
Freizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr ist auch für das vorsätzliche Verhalten leitender Angestellter oder im Falle der Verletzung vertragswesentlicher Pflichten auch bei vorsätzlichem Handeln einfacher Erfüllungsgehilfen
unwirksam.615
Die Wertung des § 309 Nr. 7 b) ist nach herrschender Ansicht auch auf den unternehmerischen Verkehr übertragbar, soweit es das Verbot der Freizeichnung bei
eigener grober Fahrlässigkeit oder bei grob fahrlässigem Handeln gesetzlicher
Vertreter oder leitender Angestellter betrifft.616 In diesen Fällen kann auch die unter Umständen in die Angemessenheitsprüfung hineinspielende Möglichkeit und
Üblichkeit eines entsprechenden Versicherungsabschlusses keine diesbezügliche
Freizeichnung rechtfertigen.617 Den minimalen Sorgfaltsstandards, jene Sorgfaltsvorkehrungen zu treffen, die im gegebenen Fall jedem einleuchten müssten,
kann sich der AGB-Verwender auch dann nicht entziehen, wenn der Geschädigte
versichert ist oder sich üblicherweise versichern könnte.618
Weitestgehende Einigkeit herrscht mithin in Bezug auf Freizeichnungen für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Verwenders, seiner gesetzlichen
Vertreter oder leitenden Angestellten. In diesen Fällen ist im Grundsatz auch im
unternehmerischen Verkehr weder ein Ausschluss der Haftung noch ihre Begrenzung als angemessen im Sinne des § 307 anzusehen.619
614 Vgl. v. Westphalen NJW 2002, 12, 21, der unabhängig von der Erheblichkeit der Pflichtverletzung in dem Vorwurf groben Verschuldens auch im unternehmerischen Verkehr eine
unangemessene Benachteiligung des Geschädigten sieht.
615 Tankscheck-Fall BGH BB 1984, 1449.
616 BGH NJW 2007, 3774, 3775; BGHZ 38, 183, 185; BGH NJW 1996, 1407; NJW 1985,
2258, 2261; NJW 1999, 1031, 1032; Palandt/Grüneberg § 309 Rn. 48; Wolf in Wolf/Horn/
Lindacher § 11 Nr. 7 Rn. 47; Erman/Roloff § 309 Rn. 76; v. Westphalen, Verkaufsbedingungen, S. 160; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen § 307 Rn. 384; Tettinger AcP 205
(2005), 1, 19; die Einstandspflicht für grobes Verschulden entspreche schon dem natürlichen Rechtsempfinden, Fliegner, Der Leistungsbegriff des neuen Schuld- und AGB-
Rechts, S. 19.
617 BGH NJW 1999, 942, 943; NJW 1999, 1031, 1032; BGH NJW-RR 1989, 953, 956.
618 Koller ZIP 1986, 1089, 1098.
619 BGH NJW 1996, 1407 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Erman/Roloff § 309 Rn.
78; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher § 11 Nr. 7 Rn. 45-47; Staudinger/Coester-Waltjen § 309
Nr. 7 Rn. 42.
174
Hinsichtlich der Wertungen des § 309 Nr. 8 wird für den Geschäftsverkehr mit
Unternehmern differenziert. Während die Übertragbarkeit überwiegend bejaht
wird für die Wertungen aus § 309 Nr. 8 b) aa) (Ausschluss von Mängelansprüchen),620 bb) (Beschränkung auf Nacherfüllung)621 und ff) (Erleichterung der Verjährung)622, wird sie dagegen weitestgehend verneint für § 309 Nr. 8 b) ee) (Ausschlussfrist für Mängelanzeige).623
Ein völliger Haftungsausschluss wäre in diesen Fällen insgesamt demnach
auch unter Unternehmern nicht zu rechtfertigen, da er den Verwendungsgegner
quasi rechtlos stellt. Hierin dürfte in der Regel schon ein Verstoß gegen § 307
Absatz 2 Nr. 1 zu sehen sein.
4) Offene Fragen
Umstritten ist dagegen die Frage, ob Haftungsausschluss- oder Haftungsbegrenzungsklauseln im unternehmerischen Verkehr nach § 307 unwirksam sind, wenn
der Schaden durch einen nicht leitenden Angestellten oder Erfüllungsgehilfen
grob fahrlässig verursacht wurde. Auch die Frage der Möglichkeiten der Haftungsfreizeichnung bei einfacher Fahrlässigkeit ist nicht eindeutig beantwortet.
Der BGH hat in diesem Fall die Frage offen gelassen, ob die Freizeichnung bei
grober Fahrlässigkeit einfacher Erfüllungsgehilfen im unternehmerischen Verkehr generell unwirksam ist.624
Die Diskussion um die Anwendbarkeit des § 309 Nr. 7 im unternehmerischen Geschäftsverkehr fokussiert sich damit auf die Frage, inwieweit ein Verbot der Freizeichnung auch für grobes Verschulden einfacher Erfüllungsgehilfen gilt oder ob
und inwieweit eine Abwälzung entsprechender Risiken entgegen § 309 Nr. 7 im
Geschäftsverkehr mit Unternehmern möglich ist. Ferner soll der Frage nachgegangen werden, welchen Grenzen die Freizeichnung bei einfacher Fahrlässigkeit
unterliegt.
620 Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen § 309 Nr. 8 Rn. 48; Staudinger/Coester-Waltjen
§ 309 Nr. 8 Rn. 52; Palandt/Grüneberg § 309 Rn. 60.
621 Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen § 309 Nr. 8 Rn. 76; MüKo/Kieninger § 309 Nr. 8
Rn. 48; Palandt/Grüneberg § 309 Rn. 64; eingeschränkt Staudinger/Coester-Waltjen § 309
Nr. 8 Rn. 67.
622 Palandt/Grüneberg § 309 Rn. 77; Staudinger/Coester-Waltjen § 309 Nr. 8 Rn. 97; eingeschränkt Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen § 309 Nr. 8 Rn. 113; MüKo/Kieninger
§ 309 Nr. 8 Rn. 77.
623 Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen § 309 Nr. 8 Rn. 103; Palandt/Grüneberg § 309 Rn.
73; MüKo/Kieninger § 309 Nr. 8 Rn. 68; Staudinger/Coester-Waltjen § 309 Nr. 8 Rn. 86.
624 Vom BGH ausdrücklich offen gelassen in BB 1984, 746, 747; BB 1984, 1449, 1451; NJW
1984, 1350, 1351; NJW 1985, 914, 915; NJW 1985, 2258, 2261; NJW-RR 1994, 742;
grundsätzlich offen gelassen, inwieweit eine Haftungsbeschränkung bei grober Fahrlässigkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr zulässig ist BGH NJW 2007, 3774, 3776.
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Da sich die Bewertung im unternehmerischen Verkehr ausschließlich nach § 307
richtet, setzt die Beantwortung dieser Frage zunächst einmal die Auseinandersetzung mit (1) allgemeinen Angemessenheitskriterien und ihrer Eignung für die
Angemessenheitsbewertung von Klauseln aus Forschungs- und Entwicklungsverträgen, (2) dem Begriff des wesentlichen Grundgedankens der gesetzlichen Regelung nach § 307 Absatz 2 Nr. 1 sowie insbesondere (3) dem Begriff der wesentlichen Rechte und Pflichten bzw. der Kardinalpflichten nach § 307 Absatz 2 Nr.
2 voraus.
II. Allgemeine Angemessenheitskriterien
Nach § 307 darf eine Klausel den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen. Unangemessenheit wird dann angenommen, wenn der Verwender durch
einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines
Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.625 Teilweise wird auch vertreten, dass eine Klausel als unangemessen
zu bewerten sei, wenn sie von derjenigen Vertragsvereinbarung abweicht, zu der
die Parteien gelangt wären, wenn sie über den streitigen Punkt verhandelt hätten.626 Im Einzelnen herrschen in Rechtsprechung und Literatur recht unterschiedliche Ansätze in dem Bemühen, das Kriterium der Angemessenheit zu definieren und zu präzisieren. Dem soll im Folgenden nachgegangen werden.
Bei der Angemessenheitsprüfung sind als Orientierungsgrößen u.a. die Ausgleichsfunktion der Haftung, ihre Präventivfunktion, die Versicherbarkeit eines
etwaigen Schadens sowie der Aspekt der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung mit zu berücksichtigen.627
Hierbei sind als Kriterien im Rahmen der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung insbesondere das Preisargument, im Bereich der Prävention die Risikobeherrschung und im Zusammenhang mit der Ausgleichsfunktion die Versicherbarkeit eines Schadens zu nennen.
1) Risikobeherrschung
Insbesondere für die Beurteilung der Angemessenheit von Haftungsfreizeichnungsklauseln ist es von Bedeutung, in wessen Sphäre das haftungsbegründende
Risiko liegt und wer dieses eher beherrschen bzw. die Verwirklichung des Risikos
625 BGH NJW 2005, 1774, 1775; BGHZ 143, 104, 113.
626 BGH NJW 2005, 422, 424; MüKo/Kieninger § 307 Rn. 39.
627 Koller ZIP 1986, 1089 ff.; MüKo/Kieninger § 307 Rn. 50.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.