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Die folgenden Ausführungen gelten daher auch für die mittelbare Haftungsfreizeichnung durch Einschränkung des Pflichtenprogramms, soweit diese durch
AGB erfolgt, da diese nach der hier vertretenen Auffassung einer ausdrücklichen
Freizeichnung von Schadensersatzpflichten gleichkommt. Im Rahmen der Einschränkung des Pflichtenprogramms kommt der präzisen Abgrenzung gegenüber
kontrollfreien Leistungsbeschreibungen jedoch besondere Bedeutung zu.
II. Abgrenzung von kontrollfähigen und kontrollfreien Bestimmungen
Nach der Begründung des Regierungsentwurfs soll die Inhaltskontrolle der
§§ 307 ff. weder Kontrolle von Preisen oder Leistungsangeboten ermöglichen
noch sollen dadurch Vorschriften anderer Gesetze modifiziert werden.567 Die
Kontrollfähigkeit einer Bestimmung ergibt sich letztlich erst durch die Prüfung,
ob eine Bestimmung von Rechtsvorschriften abweicht oder diese ergänzt. Nur in
diesem Fall ist sie einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Die Abgrenzung zwischen reiner Leistungsbeschreibung und kontrollfähigen Leistungsumständen gestaltet sich außerordentlich schwierig. So wird zunächst die Frage zu klären sein,
was unter »Rechtsvorschriften« im Sinne des § 307 Absatz 3 zu verstehen ist, um
klären zu können, ob eine Bestimmung davon abweicht oder diese ergänzt.
1) Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Absatz 3 BGB
Die Kontrollfähigkeit von Bestimmungen setzt nach § 307 Absatz 3 das Vorhandensein von Rechtsvorschriften voraus. Das Fehlen gesetzlicher Vorschriften allein ist allerdings kein Indiz für die Kontrollfreiheit einer Bestimmung, da ansonsten für gesetzlich nicht geregelte Vertragstypen wie z.B. den Forschungs- und
Entwicklungsvertrag oder den Lizenzvertrag eine Inhaltskontrolle per se ausscheiden würde. Gemeint sind damit vielmehr alle Regelungen, die im positiven
Recht enthalten sind oder sich als Bestandteil der objektiven Rechtsordnung begreifen lassen.568 Dass der Begriff der Rechtsvorschriften nicht auf gesetzliche
Vorschriften zu beschränken ist, ergibt sich schon aus § 307 Absatz 2 Nr. 2, der
auf den Maßstab der sich aus der Natur des Vertrages ergebenden Rechte und
Pflichten abstellt. Würden nach § 307 Absatz 3 unter Rechtsvorschriften aber nur
gesetzliche Regelungen verstanden, dann würde § 307 Absatz 2 Nr. 2 keinen Sinn
machen, da für die hiervon erfassten Fälle die Inhaltskontrolle nicht eröffnet
wäre.569 Daher sind zu den Rechtsvorschriften neben den gesetzlichen Regelungen auch alle ungeschriebenen Regeln und Grundsätze des objektiven Rechts zu
zählen, wie z.B. Gewohnheitsrecht, Richterrecht oder ungeschriebene Rechts-
567 Siehe BT-Drucks. 7/3919 S. 22.
568 Staudinger/Coester § 307 Rn. 294.
569 Fastrich S. 253.
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grundsätze570 sowie auch die sich aus der Natur des Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten.571
2) Ansätze zur Bestimmung der Kontrollfähigkeit
Es gibt verschiedene Ansätze, um die Kontrollfähigkeit einer Regelung herauszufinden.
a) Rechtsprechung
In der Rechtsprechung werden als kontrollfrei auf jeden Fall die Hauptleistungspflichten bezeichnet.572 Überwiegend wird auch der Begriff der Leistungsbeschreibung für den kontrollfreien Bereich verwendet.573 Im Gegensatz zu solchen
Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, ausgestalten oder
modifizieren und die der Inhaltskontrolle unterworfen sind, gelten als kontrollfreie Leistungsbeschreibung nur Klauseln, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen,574 die aber die für die Leistung geltenden gesetzlichen Vorschriften unberührt lassen.575 Dies gelte nur für den engen Bereich der
Leistungsbezeichnung576 bzw. der essentialia negotii.577
Der Inhaltskontrolle seien danach solche Abreden entzogen, die ihrer Art nach
nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Vorschriften unterliegen, sondern
von den Vertragspartnern festgelegt werden müssen und bei deren Fehlen der Vertrag mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts nicht durchgeführt werden kann.578 Letztlich wird also danach gefragt, was
für die berührte Thematik ohne die Klauselregelung gegolten hätte. Der BGH hat
570 BGHZ 100, 157, 163; Staudinger/Coester § 307 Rn. 231, 234, 236; Fastrich S. 253; Joost
ZIP 1996, 1685, 1691; Westermann in: Zehn Jahre AGB-Gesetz, RWS-Forum 2, S. 135,
141.
571 BAG NJW 2007, 536, 537; BGHZ 121, 13, 18; vgl. hierzu auch Canaris NJW 1987, 609,
610, der auch in Abwesenheit einer gesetzlichen Regelung eine Abweichung von dispositivem Recht nach § 8 AGBG (jetzt § 307 Absatz 3) darin sah, dass eine Abweichung von
der »normalen Rechtslage« erfolgte (es ging um Zinsberechnungsklauseln bei Annuitätendarlehen), welche er unter Heranziehung der §§ 157, 242 BGB aus dem Charakter des
Darlehens als gegenseitigem Vertrag herleitete (trotz Bejahung der Abweichung von dispositivem Recht verneinte er im Ergebnis im Wege der teleologischen Reduktion des § 8
dennoch die Kontrollfähigkeit der betreffenden Klausel).
572 BGH NJW 1984, 2160; 1989, 222, 223.
573 BGH NJW 1986, 2574, 2575; BGHZ 100, 157, 173.
574 BGH NJW 2001, 751, 752 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen.
575 BGHZ 100, 157, 173.
576 BGHZ 100, 157, 174.
577 OLG Frankfurt NJW 1986, 1618, 1620.
578 BGH NJW 2007, 997, 998; 1992, 688, 689; 1987, 1931, 1935.
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sich mit der Abgrenzung von kontrollfreier Leistungsbeschreibung und kontrollfähiger Einschränkung des Pflichtenprogramms in einigen Fällen befasst.
So hat der BGH den Ausschluss der Verantwortung für das Erreichen von Anschlussflügen in den Beförderungsbedingungen eines Luftfahrtunternehmens als
einen nach § 309 Nr. 8 unwirksamen Ausschluss von Verspätungsschäden angesehen.579 Der Ausschluss dieser Verantwortung sei nicht lediglich als Präzisierung
des Leistungsinhalts anzusehen, weil aufgrund der im Flugplan und Flugschein
angegebenen Ankunftszeiten gerade die Beförderung eines Fluggastes zu einer
bestimmten Zeit geschuldet würde. Der Fluggast buche einen im Flugplan aufgeführten Flug gerade deshalb, um nach der vorgesehenen Ankunftszeit einen Termin wahrzunehmen oder einen bestimmten Anschlussflug zu erreichen.
In einem anderen Fall hatte der BGH über eine Klausel in allgemeinen
Geschäftsbedingungen für Reiseverträge zu entscheiden, nach der sich der
Umfang der vertraglichen Leistungen aus der Leistungsbeschreibung des Reiseveranstalters unter Berücksichtigung der Landesüblichkeit ergab.580 Der BGH
bejahte hier die Inhaltskontrolle und stellte darauf ab, dass die Landesüblichkeit
die Reisebeschreibung nicht erläutere und unterstreiche, sondern vielmehr verändere. Mit ihr würde teilweise zurückgenommen, was vorher versprochen worden
sei. Ohne weitere Erläuterung seien die angebotenen Reiseleistungen als Gattungsschulden und entsprechend der durch die Reisebeschreibung geweckten
Erwartungen des Reisekunden in mittlerer Art und Güte zu erbringen.
Ähnlich argumentierte der BGH auch bezüglich einer Klausel, mittels derer ein
Kreditinstitut sich für seinen Online-Service zeitweilige Beschränkungen und
Unterbrechungen vorbehielt.581 Dies sei keine kontrollfreie Beschreibung der
geschuldeten Hauptleistung, sondern eine Einschränkung der zuvor versprochenen Hauptleistung.
Ohne weitere Begründung unterwarf der BGH die Einschränkung von Pflichten der Inhaltskontrolle im Fall eines Versicherungsmaklers, der seine Beratungspflichten für den von ihm vermittelten Versicherungsvertrag ausschloss und seine
vertraglichen Pflichten auf die Vermittlung des Vertrages beschränkte.582 Der Versicherungsmakler sei als Interessensvertreter des Versicherungsnehmers zu einer
umfassenden Beratung in Bezug auf den von ihm vermittelten Versicherungsvertrag verpflichtet.583
Auch in dem Fall eines Abweichungsvorbehalts in einem Bauträgervertrag
bezüglich Bauausführung und Materialauswahl sah der BGH keine kontrollfreie
579 BGH NJW 1983, 1322, 1324.
580 BGH NJW 1987, 1931.
581 BGH NJW 2001, 751, 752, hiernach wurde in der Einschränkung der Hauptleistung gleichzeitig eine Freizeichnung von daraus entstehenden Schäden gesehen, die mangels Differenzierung nach dem Grad des Verschuldens als unangemessen nach § 309 Nr. 7 verworfen
wurde; dem Urteil im Ergebnis zustimmend Fliegner, Haftung und Haftungsbeschränkung
bei Telekommunikationsverträgen, S. 93.
582 BGH NJW 2005, 1357, 1360.
583 Hinsichtlich der Pflichten eines Versicherungsmaklers vgl. BGHZ 94, 356, 359.
165
Einschränkung des Pflichtenprogramms, sondern eine der Inhaltskontrolle unterliegende Leistungsmodifikation.584 Gleiches galt im Falle des Heizöllieferanten,
der die Verpflichtung ausschloss, die Tanks des Käufers danach zu überprüfen, ob
sie die angelieferte, in den Lieferscheinen ausgewiesene Ware nach Sorte und
Menge aufnehmen können.585 Diese sei auch mangels Vorliegen einer zum damaligen Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Regelung eine aus der Verkehrserwartung
resultierende und damit zu erfüllende Pflicht.
Der BGH stellt in den dargestellten Fällen in Ermangelung einschlägiger gesetzlicher Regelungen auf den Vertragszweck und die objektivierte Verkehrserwartung in Bezug auf den jeweiligen Vertragstypus ab. Die Verkehrserwartung an den
Vertragstyp, unabhängig von individuellen Umständen, wird hier zum Maßstab
der Kontrollfähigkeit gemacht. Schränkt eine Bestimmung die Leistung entgegen
der Verkehrserwartung ein, so ist die Inhaltskontrolle eröffnet. Denn die Inhaltskontrolle solle den Vertragspartner des Verwenders vor einseitig ausbedungener,
inhaltlich unangemessener Verkürzung der vollwertigen Leistung, wie er sie nach
Gegenstand und Zweck des Vertrages erwarten darf, schützen.586
b) Literatur
Auch in der Literatur wird der Begriff der essentialia negotii für den Bereich der
kontrollfreien Vertragsbestandteile verwendet.587 Darunter seien die Grunddaten
eines Vertrages zu verstehen, die privatautonom entschieden werden müssen, damit dessen Wesen und Typus überhaupt erst konstituiert werde.588 Inhalte, die von
den Parteien festgelegt werden müssen und bei deren Fehlen der Vertrag mangels
Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit nicht durchgeführt werden kann, seien von
der Inhaltskontrolle ausgenommen.589 Eine ähnliche Linie verfolgt der Ansatz,
die Kontrollfähigkeit nur dann zu bejahen, wenn die betroffenen Abreden vom
584 BGH NJW 2005, 3420, 3421; ähnlich auch zu Gepäckinhaltsklauseln in der Luftfracht
BGH NJW 2007, 997, 998.
585 BGH NJW 1971, 1036, 1038.
586 BGH NJW 1987, 1931, 1935.
587 Staudinger/Coester § 307 Rn. 327; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher § 8 Rn. 8; Fuchs in
Ulmer/Brandner/Hensen § 307 Rn. 40; Fliegner, Haftung und Haftungsbeschränkung bei
Telekommunikationsverträgen, S. 72; siehe dazu auch Fastrich S. 251, der den Begriff insgesamt für »zu eng« hält, aber auf jeden Fall für die essentialia negotii die Kontrollfreiheit
ebenfalls bejaht, S. 256.
588 MüKo/Kramer § 154 Rn. 5.
589 Wolf in Wolf/Horn/Lindacher § 8 Rn. 8; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen § 307 Rn. 55,
56.
166
Gesetz festgelegt werden können, ob also das Gesetz die Individualisierung und
Konkretisierung der Leistung überhaupt vornehmen kann.590
Teilweise wird auch danach unterschieden, ob die vertragliche Bestimmung die
Hauptleistung unmittelbar tangiert oder nur mittelbar, wobei die Kontrollfreiheit
nur für unmittelbare das Leistungsverhältnis gestaltende Klauseln gelten soll.591
Auch soll die Abgrenzung zwischen kontrollfrei und kontrollfähig danach erfolgen, ob der Gegenstand der betreffenden Klausel grundsätzlich durch den Markt
bestimmt wird oder ob er einem Bereich angehört, in dem die Mechanismen von
Markt und Wettbewerb erfahrungsgemäß ihre Wirksamkeit nicht im erforderlichen Maß entfalten.592 Die Kontrollfreiheit wird auch bejaht für Regelungen über
das Äquivalenzverhältnis der beiderseitigen Hauptleistungen.593
Nicht kontrollfähig sind danach grundsätzlich solche Leistungsbeschreibungen,
durch die allein aufgrund vertraglicher Vereinbarung das Ob der Leistung sowie
Gegenstand, Art, Umfang, Quantität und Qualität der Leistung unmittelbar festgelegt werden.594
Auch der Vertragszweck wird als kontrollfrei bezeichnet,595 was sich schon aus
dem Wortlaut des § 307 Absatz 2 Nr. 2 ergebe, wonach die Gefährdung des Vertragszwecks vorausgesetzt wird, der Vertragszweck aber selbst nicht Gegenstand
der Inhaltskontrolle ist.596 Der Vertragszweck selbst kann schon aus logischen
Aspekten allein deshalb nicht selbst Gegenstand der Inhaltskontrolle sein, weil er
sich letztlich ja nicht selbst gefährden kann, was aber die Voraussetzung des § 307
Absatz 2 Nr. 2 ist. Er ist vielmehr selbst der Prüfungsmaßstab des § 307 Absatz
2 Nr. 2.
c) Bewertung
Letztlich lässt sich feststellen, dass es nach übereinstimmender Ansicht einen
kontrollfreien Kern der Leistungsbestimmung in AGB gibt, dass dessen Grenzen
und die Kriterien der Kontrollfähigkeit im Randbereich aber höchst unklar bleiben.597
590 Westermann in: Zehn Jahre AGB-Gesetz, RWS-Forum 2, 135, 139, der dies in Bezug auf
Stückschulden praktisch verneint und auch im Hinblick auf Gattungsschulden als schwierig ansieht.
591 Siehe z.B. Canaris NJW 1987, 609, 613 in Bezug auf preisbestimmende Regelungen.
592 Canaris NJW 1987, 609, 613; Westermann in: Zehn Jahre AGB-Gesetz, RWS-Forum 2,
135, 142; im Ansatz auch zustimmend Fastrich S. 264.
593 Fastrich S. 280; Staudinger/Coester § 307 Rn. 284.
594 Wolf in Wolf/Horn/Lindacher § 8 Rn. 10; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen § 307 Rn. 38.
595 Fliegner, Haftung und Haftungsbeschränkung bei Telekommunikationsverträgen, S. 73.
596 Wolf in Wolf/Horn/Lindacher § 8 Rn. 8.
597 Vgl. Staudinger/Coester § 307 Rn. 14.
167
An der Kontrollfähigkeit fehlt es jedenfalls dann, wenn rechtliche Kontrollmaßstäbe nicht vorhanden sind und auch nicht z.B. aus der Natur eines Vertrages,
aus seiner Auslegung oder aus einer objektivierten Verkehrserwartung heraus entwickelt werden können, sondern die betroffenen Bestimmungen zwangsläufig
allein durch die Parteien bestimmt werden müssen. Die Frage fokussiert sich
daher darauf, ob im Falle des Fehlens einer Parteivereinbarung diese Lücke hätte
durch Gesetz, Rechtsprechung oder anderweitig geschlossen werden können.
An der Kontrollfähigkeit fehlt es daher hinsichtlich der Bestimmung des Leistungskerns eines Vertrages. Man wird vergeblich nach Vorschriften suchen, die
vorgeben, an was geforscht wird, was gebaut oder vermietet wird, welche Dienste
und in welchem Umfang sie zu erbringen sind, denn solche Vorschriften wären
mit dem Grundsatz der Privatautonomie nicht vereinbar. Soweit grundsätzlich
Hauptleistungspflichten als kontrollfrei bezeichnet werden, erscheint dies problematisch, denn für Hauptleistungspflichten finden sich teilweise auch gesetzliche
Regelungen, die im Falle einer fehlenden Vertragsbestimmung greifen würden, so
z.B. die Instandhaltungspflicht des Vermieters gemäß § 535 Absatz 1 Satz 2 oder
die Abnahmepflicht beim Werkvertrag gemäß § 640. Bei Abweichungen hiervon
ist daher eine Inhaltskontrolle unzweifelhaft gegeben, weil hier von Rechtsvorschriften abweichende bzw. diese ergänzende Regelungen im Sinne des § 307
Absatz 3 vorliegen. Die Kontrollfreiheit kann daher nur für solche Hauptleistungspflichten gelten, die das gesamte Rechtsverhältnis erst begründen und die
ohne vertragliche Vereinbarung von niemandem spezifiziert werden könnten.
Die höchste Unterscheidungskraft besitzt der Begriff der essentialia negotii.
Darunter ist der Leistungskern zu verstehen, der ohne die Vereinbarung der Parteien nicht bestimmt werden könnte und für den auch im Wege der Rechtsfortbildung keine verallgemeinerungsfähigen Rechtsregeln gefunden werden, um ihn
bestimmen zu können. Kontrollfrei sind danach solche Regelungen, die den Vertrag überhaupt erst konstituieren. Darunter fallen die Bestimmung des Leistungsgegenstandes, dessen Umfang und Güte, die Bestimmung der Vertragsparteien
und des Vertragspreises. Auch und allen voran gehört die Beschaffenheit des
Leistungsgegenstandes zum kontrollfreien Leistungskern. Dies ergibt sich schon
aus § 434 Absatz 1 Satz 1, wonach die Beschaffenheit zur Disposition der Vertragsparteien gestellt wird. Ebenfalls ist darunter der Vertragszweck zu subsumieren, dessen Bestimmung allein der Privatautonomie der Parteien obliegt.
Kontrollfähig dagegen sind die aus diesem Vertragskern resultierenden Pflichten, die dem Vertrag immanent sind, also auch ohne Parteivereinbarung bestimmt
werden können, sei es durch Gesetz oder Rechtsprechung unter Heranziehung der
Verkehrserwartung oder der typischen Besonderheiten des konkreten Vertrags.
d) Beispiel Pflichtenprogramm eines Rechtsanwalts
Verdeutlicht werden soll die Frage nach der Kontrollfreiheit bzw. -fähigkeit von
Pflichtenbegrenzungen anhand des Beispiels eines Rechtsanwalts. Übernimmt
168
ein Anwalt ein Mandat, so kann nur er und sein Mandant bestimmen, welche
Rechtsfrage im Rahmen des Anwaltsvertrags nach §§ 611, 675598 geklärt werden
soll, welche rechtlichen Schritte gegangen werden sollen und auf welchem
Rechtsgebiet recherchiert werden soll. Diese Bestimmungen haben vertragskonstituierende Wirkung und können weder durch Gesetz, Rechtsprechung oder aus
einer Verkehrserwartung heraus von Dritten bestimmt werden. Diese Pflichten
sind daher kontrollfrei.
Daneben bestehen aber auch vertragsimmanente Pflichten, die auch ohne Parteivereinbarung gegeben sind, weil sie der Natur des Vertrages entspringen und allgemein erwartet werden dürfen. Dazu gehören die von der Rechtsprechung, aber
auch von der überwiegenden Literatur getragenen allgemeinen Anwaltspflichten
wie z.B. das Prinzip des sichersten Wegs,599 die Pflicht des Anwalts zur sorgfältigen Aufklärung und Ermittlung des Sachverhalts,600 seine Pflicht zur umfassenden Belehrung und Beratung601 sowie eine entsprechende Rechtsprüfungspflicht.602 Von diesen Pflichten kann sich der Rechtsanwalt durch AGB nicht freizeichnen, ohne nicht der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. zu unterliegen.
Schwieriger ist die Frage nach dem Umfang und der Tiefe der jeweiligen Pflichten zu beantworten.
So kann im Rahmen seines Mandates auch ohne Parteivereinbarung von einem
Anwalt die Aneignung nötiger Kenntnisse auf Randgebieten verlangt werden,
wenn das angenommene Mandat dort angesiedelt ist.603 Ebenso wird vom Anwalt
gefordert, dass er die in der amtlichen Sammlung und den Fachzeitschriften ver-
öffentlichten höchstrichterlichen Urteile kennt, bezogen allerdings auf die einschlägigen Fachzeitschriften.604 Welche Fachzeitschriften dagegen einschlägig
sind bzw. auf welches Rechtsgebiet sich die Rechtsprüfungspflicht des Anwalts
bezieht, richtet sich wiederum nach dem Umfang des erteilten Mandats und den
598 Bei der Anfertigung eines Gutachtens oder eines Vertrags kann auch ein auf eine
Geschäftsbesorgung gerichteter Werkvertrag nach §§ 611, 675 vorliegen, vgl. auch Ganter
WM Sonderbeilage Nr. 6/2001, 3, 5.
599 Staudinger/Martinek § 675 Rn. B 173; BGH NJW-RR 1993, 243, 245 «den Umständen
nach sichersten Weg”; ebenso BGH NJW 1996, 2648, 2649; BGH NJW 1992, 1159, 1160
»sicherster Weg«.
600 Raiser NJW 1991, 2049, 2050; Staudinger/Martinek § 675 Rn. B 169; Ganter WM Sonderbeilage Nr. 6/2001, 3, 8; BGH NJW 1998, 2048, 2049; BGH NJW 1983, 1665.
601 BGH NJW 2006, 501, 502; BGH NJW 1996, 2648, 2649.
602 Raiser NJW 1991, 2049, 2050; Staudinger/Martinek § 675 Rn. 171.
603 Fahrendorf NJW 2006, 1911, 1912; BGH NJW 2006, 501, 502, wonach der Anwalt sich
im Rahmen der mandatsbezogenen Kenntnisse auch in eine Spezialmaterie einzuarbeiten
hat.
604 Raiser NJW 1991, 2049, 2050; Fahrendorf NJW 2006, 1911, 1912; BGH NJW 2001, 675,
678; BGH NJW 1983, 1665; Kenntnisse der Literatur sind nur dann erforderlich, wenn
sich noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gebildet hat oder ihr Fortbestand zweifelhaft ist, siehe Ganter WM Sonderbeilage Nr. 6/2001, 3, 9.
169
Umständen des Einzelfalls.605 Ein Anwalt könnte daher z.B. seine Rechtsprüfungspflicht nicht durch AGB abbedingen, könnte die dazu notwendige Recherche aber durchaus auf seinen eigenen Bibliotheksbestand beschränken, solange
dieser stets auf dem neuesten Stand gehalten ist, die für das Fachgebiet einschlägigen Fachzeitschriften beinhaltet und ihn dazu befähigt, über die höchstrichterliche Rechtsprechung und Gesetzgebung auf dem Laufenden zu bleiben.
3) Kontrollfreie Bestimmungen des Forschungs- und Entwicklungsvertrags
Jeglichen Vorgaben entzogen sind die essentialia negotii eines Forschungs- und
Entwicklungsvertrags. Sie sind weder durch gesetzliche Regelungen noch durch
zu entwickelnde verallgemeinerungsfähige Grundsätze bestimmbar. Zu diesem
der Inhaltskontrolle entzogenen Leistungskern des Forschungs- und Entwicklungsvertrags gehört daher in erster Linie die Bestimmung des Forschungsgebietes. Auch der Vertragsgegenstand im engeren Sinn ist hierzu zu rechnen, also welche Dienste oder welches Werk geschuldet werden, ebenso das Forschungs- und
Entwicklungsziel sowie der Anwendungszweck. Auch die Höhe der Vergütung
stellt ein der Inhaltskontrolle nicht zugängliches Element dar. Das gleiche gilt für
die Beschaffenheit des Leistungsgegenstandes. Da es sich bei Forschungs- und
Entwicklungsleistungen niemals um Gattungsschulden handelt, ist auch die gesetzliche Regelung, dass im Zweifel eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten ist, § 243 Absatz 1, nicht anwendbar. Das bedeutet ebenso, dass durch die
Klauseln, die die Beschaffenheit regeln, nicht von einer gesetzlichen Regelung
abgewichen werden kann, da im Falle ihres Fehlens die Leistung nicht bestimmbar wäre.
Mangels gesetzlicher Regelungen, die im Falle des Fehlens vertraglicher
Bestimmungen greifen könnten, soweit es um die Bestimmung der Pflichten eines
FuE-Vertrages geht, sind nur solche Pflichten eines Forschungs- und Entwicklungsvertrages kontrollfähig, die der Natur nach einem Forschungs- und Entwicklungsvertrag immanent sind. Handelt es sich dagegen um Pflichten, die nach dem
Vertragszweck ohnehin nicht bestehen, kann insofern ein Ausschluss erfolgen,
der nicht der Inhaltskontrolle unterworfen ist.
C. Die Angemessenheitskontrolle nach § 307 Absatz 2 BGB
Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Absatz 2 soll im Folgenden
insbesondere der Frage nachgegangen werden, inwieweit und in welcher Form
allgemeine Angemessenheitskriterien auch für den Forschungs- und Entwick-
605 Raiser NJW 1991, 2049, 2051; Fahrendorf NJW 2006, 1911, 1914; BGH NJW 1996, 2648,
2649.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.