106
D. Haftungsmodelle
Zur Regelung der Haftung finden sich in der Praxis verschiedene Haftungsmodelle. Sie sind im Folgenden auf das Verhältnis zwischen den Parteien des Forschungs- und Entwicklungsvertrages beschränkt, beziehen sich also jeweils auf
die Beziehung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber. Ungeachtet einer
möglichen Unwirksamkeit einzelner Haftungsmodelle findet man in der Kautelarpraxis verschiedene Haftungsausschlüsse und –begrenzungen.
I. Unbegrenzte Haftung
Die Parteien können im Innenverhältnis vereinbaren, dass der Auftragnehmer für
alle Folgen, die im Rahmen der Realisierung des FuE-Projektes entstehen, einsteht. In diesem wie auch in dem Fall, dass die Parteien schlicht gar nichts regeln,
ist eine Haftungsbegrenzung, sei es durch Begrenzung dem Grunde oder der Höhe
nach, dann vertraglich nicht enthalten. Eine solche umfassende Haftung des Auftragnehmers wird dieser in den wenigsten Fällen akzeptieren können, da für ihn
das Risiko der Durchführung eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes damit unkalkulierbar wird. Diese Haftungskonstellation kommt jedoch in Verträgen
mit öffentlichen Auftraggebern häufig vor, die Haftungsbegrenzungen zugunsten
des Auftragnehmers nicht akzeptieren. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Aufträgen durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Der vom
BMBF verwendete »Forschungs- und Entwicklungsvertrag der Zuwendungsempfänger bzw. Auftragnehmer des Bundesministeriums für Bildung und Forschung«327 sieht eine Haftungsbegrenzung nicht vor. Auch die gemäß § 6 Absatz
2 des Vertrages miteinbezogenen Allgemeinen Bestimmungen für Forschungsund Entwicklungsverträge der Auftragnehmer (BEBF-AN 98)328 enthalten keine
Haftungsbegrenzung zugunsten des Auftragnehmers, sondern vielmehr sogar
eine Haftungsfreistellung zugunsten des Auftraggebers, § 4 Absatz 3 BEBF-AN
98. Einzige Haftungserleichterung findet sich hier in der Verkürzung der Verjährungsfrist für Gewährleistung auf 12 Monate, § 23 Absatz 1 BEBF-AN 98.
Während das Haftungsrisiko, speziell auch die Haftungsfolgen wie Produktionsausfallkosten, entgangener Gewinn u.ä. bei Aufträgen durch die Industrie
relativ hoch ist und insofern Haftungsbegrenzungen in diesen Fällen für den Auftragnehmer empfehlenswert sind, kann in Abwägung der Umstände und unter
Berücksichtigung des konkreten Haftungsrisikos des jeweiligen Projektes bei
Aufträgen mit öffentlichen Auftraggebern im Einzelfall eine unbegrenzte Haftung aufgrund geringerer Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme und geringerer Haftungsfolgen akzeptabel sein, so dass in der Praxis in solchen Fällen For-
327 BMBF-Vordruck 0270b/09.05; zu finden unter: www.kp.dlr.de/profi unter dem link »easy«
(elektronisches Angebots- und Antragssystem).
328 BMBF-Vordruck 0370c/03.00; zu finden unter: www.kp.dlr.de/profi unter dem link »easy«
(elektronisches Angebots- und Antragssystem).
107
schungs- und Entwicklungsverträge ohne Haftungsbegrenzungsklauseln für den
Auftragnehmer immer wieder vorkommen.
II. Haftungsbegrenzung dem Grunde nach
In der Praxis der Vertragsgestaltung sind häufig Haftungsbegrenzungsklauseln
anzutreffen, mit denen die Haftung der Vertragsparteien auf Fälle von Vorsatz
eingegrenzt wird. Auf diese Weise wird versucht, das Haftungsrisiko für fahrlässig verursachten Schaden auszuschließen.
Bisweilen ist auch die Haftung neben den Fällen für Vorsatz auf grobe Fahrlässigkeit erweitert.329 Grobe Fahrlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung
vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt ist,
schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und
nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste.330 Zur
Bestimmung des Maßes der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt können beispielsweise Rechtsvorschriften, Unfallverhütungsvorschriften, DIN-Normen und sonstige Fach- und Standesregeln herangezogen werden.331 In der Regel ist eine solche Haftungsbegrenzung nur für den Auftragnehmer als Leistungserbringer zu
finden.
Eine Haftungsmilderung findet sich auch dergestalt, dass vertraglich die Haftung
auf die diligentia quam in suis begrenzt wird, also nur der Sorgfaltsmaßstab angelegt wird, der in eigenen Angelegenheiten anzuwenden gepflegt wird. Dies ist
für den Sorgfaltspflichtverletzenden dann von Vorteil, wenn er in eigenen Angelegenheiten weniger sorgfältig verfährt. Verfährt er dagegen sorgfältiger, als
§ 276 verlangt, so haftet er auch in den Fällen des § 277 nur für den Maßstab des
§ 276,332 so dass eine solche Haftungsklausel für den Handelnden daher keine
Nachteile enthält.
329 Siehe z.B. Allgemeine Bedingungen für Entwicklungsverträge mit Industriefirmen, ABEI,
Stand 27. Juni 2005, § 3 Absatz 3, Vorstellung des Entwicklungsergebnisses, Prüfungen,
Gewährleistung: »Für die Richtigkeit und Brauchbarkeit der dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten pausbaren Sätze (§ 4 Abs. 2) haftet der Auftragnehmer nicht, wenn er
nachweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.«; Forschungsund Entwicklungsvertrag Universität Köln, § 4, Gewährleistung und Haftung: »Der Auftragnehmer haftet lediglich für vorsätzliches und grob fahrlässiges Handeln.«; Forschungsvertrag Universität Münster, § 5, Gewährleistung und Haftung: »(...) Schadensersatzansprüche gegenüber dem Auftragnehmer und seinen im Rahmen des Vorhabens tätigen Mitgliedern und Erfüllungsgehilfen sowie dem Land Nordrhein-Westfalen kommen
nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (...) in Betracht.«; Möffert S. 61: »Die Haftungsbeschränkung gilt nicht, so weit die Schadensursache auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
des Auftragnehmers zurückzuführen ist.«.
330 BGHZ 10, 14, 16; BGH NJW-RR 1998, 34, 35, 36; BGH NJW-RR 2002, 1108, 1109.
331 Möffert S. 64.
332 Palandt/Heinrichs § 277 Rn. 3.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.