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V. Haftung
Hier kommt einerseits die Haftung des forschenden Arztes, andererseits die der
Mitglieder der Ethikkommissionen in Betracht.
1) Haftung des forschenden Arztes
Eine Haftung des forschenden Arztes gegenüber dem Probanden kommt neben einer Haftung nach § 280 wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Probandenvertrag
auch nach allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften der §§ 823 ff. in Betracht.319 Ein positives Votum der Ethikkommission entbindet zwar den Arzt nicht
von seinen eigenen Sorgfaltspflichten,320 dennoch können durch die positiven
Empfehlungen der Ethikkommission die Risiken des Arztes gemindert werden.
Dies gilt alleine schon deshalb, weil durch den Hinweis auf rechtliche oder ethische Bedenken diese schon im Vorfeld ihrer Realisierung durch entsprechende
Maßnahmen verhindert werden können, so dass es schon gar nicht zu Haftungsfällen kommt. Im Übrigen ist aber auch im Rahmen seines Verschuldensgrades
positiv zu berücksichtigen, wenn sein Handeln durch ein positives Votum einer
Ethikkommission gestützt wurde.321
Bei der Nichtbefolgung eines negativen Votums sieht es dagegen genau umgekehrt aus. Wenngleich es keine rechtliche Verpflichtung gibt, dem Votum einer
Ethikkommission zu folgen, so setzt sich jedoch der forschende Arzt in gesteigertem Maße dem Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung aus, wenn er ein
negatives Votum nicht beachtet.322 Zwar kann bei mangelnder Pflicht nicht das
Unterlassen selbst eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellen. Dennoch ist ein
abweichendes Votum der Ethikkommission, dem der Arzt keine Beachtung
schenkt, ein starkes Indiz dafür, dass der Arzt damit auch seine eigenen Sorgfaltspflichten in Bezug auf ethische, medizinische oder rechtliche Grundsätze im Verhältnis zu seinem Probanden außer Acht gelassen hat. Der Entlastungsbeweis
319 Zu den allgemeinen Anforderungen berufsspezifischer Sorgfaltspflichten eines Arztes
siehe BGH MedR 1995, 276, 277 sowie die Anmerkung zu diesem Urteil von Katzenmeier
MedR 1995, 276, wonach die nach § 276 zu beachtende und im Verkehr erforderliche ärztliche Sorgfalt sich nach dem medizinischen Standard des jeweiligen Fachgebietes
bestimme und auch aus rechtlicher Sicht keine anderen Anforderungen gestellt werden
dürften, da ansonsten die Gefahr eines Auseinanderklaffens medizinischer und juristischer
Sorgfaltsmaßstäbe drohe. Zu den besonderen Schutzpflichten des forschenden Arztes im
Rahmen der Durchführung klinischer Versuche siehe Eberbach S. 85 ff.; Fischer S. 78 ff.
320 Wenckstern S. 20.
321 Scheffold S. 108.
322 Schenke NJW 1991, 2313, 2315; Hart MedR 1994, 94, 102 sowohl für die Nichteinholung
eines erforderlichen Votums wie auch für die Nichtbeachtung eines negativen Votums; a.A.
Scheffold S. 98, der zwar in der Nichtanrufung eine Pflichtverletzung sieht, nicht jedoch
in der Nichtbeachtung eines negativen Votums.
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wird ihm daher bei Nichtbeachtung des Votums der Ethikkommission schwer fallen.
Von der Außenhaftung gegenüber dem Probanden wird der angestellte Arzt nicht
befreit, im Einzelfall ist aber ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber,
also den beschäftigenden Krankenhausträger, nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen denkbar.323 In dem Fall, dass ein Pharmaunternehmen das Krankenhaus zur
Erforschung eines Medikamentes beauftragt, kann sich der Arzt unter Umständen
auch auf die Drittwirkung der evtl. in diesem Forschungs- und Entwicklungsvertrag vorhandenen Freizeichnungsklauseln berufen, falls das Pharmaunternehmen
selbst Ansprüchen Dritter ausgesetzt ist und diese gegen den Krankenhausträger
oder den angestellten Arzt geltend macht.324
2) Haftung der Mitglieder der Ethikkommission
Die Mitglieder öffentlich-rechtlicher Ethikkommissionen haften gegenüber Probanden, dem antragstellenden Arzt sowie gegenüber weiteren Geschädigten im
Rahmen der Amtshaftung nach § 839 für den durch ihre Empfehlungen verursachten Schaden, wobei die Haftung jedoch im Wege der befreienden Schuld-
übernahme nach Art. 34 Satz 1 GG auf den Forschungsträger übergeht.325 Ein Regressanspruch ist nach Art. 34 Satz 2 GG bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit
jedoch grundsätzlich denkbar.
Bei privatrechtlichen Ethikkommissionen kommt mangels hoheitlichen Handelns ein Anspruch nach §§ 839 BGB, Art. 34 GG nicht in Betracht. Hier haftet
der Forschungsträger, sofern ihm Organisationsmängel vorzuwerfen sind, sowie
die Mitglieder der Kommission persönlich nach allgemeinen deliktsrechtlichen
Tatbeständen.326 Bei ehrenamtlichen Mitgliedern empfiehlt es sich, den Träger
der Ethikkommission um eine Freistellung von der Haftung im Innenverhältnis zu
ersuchen.
323 AnwKom/Katzenmeier § 823 Rn. 363.
324 Zu den genaueren Voraussetzungen der Drittwirkung von Freizeichnungsklauseln sowie
der dogmatischen Grundlage siehe die Ausführungen unter § 4 D.
325 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 144; nach überwiegender Meinung handelt es sich bei der
Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Ethikkommissionen um staatliches Verhalten, Deutsch
VersR 1989, 429, 432; Scheffold S. 136; v. Bahr/Fischer NJW 1980, 2734, 2739 »öffentliche Aufgabe«.
326 Vgl. hierzu v. Bahr/Fischer NJW 1980, 2734, 2740, der in diesem Fall den Mitgliedern
nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs einen Freistellungsanspruch gegen den Forschungsträger zuerkennen will.
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D. Haftungsmodelle
Zur Regelung der Haftung finden sich in der Praxis verschiedene Haftungsmodelle. Sie sind im Folgenden auf das Verhältnis zwischen den Parteien des Forschungs- und Entwicklungsvertrages beschränkt, beziehen sich also jeweils auf
die Beziehung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber. Ungeachtet einer
möglichen Unwirksamkeit einzelner Haftungsmodelle findet man in der Kautelarpraxis verschiedene Haftungsausschlüsse und –begrenzungen.
I. Unbegrenzte Haftung
Die Parteien können im Innenverhältnis vereinbaren, dass der Auftragnehmer für
alle Folgen, die im Rahmen der Realisierung des FuE-Projektes entstehen, einsteht. In diesem wie auch in dem Fall, dass die Parteien schlicht gar nichts regeln,
ist eine Haftungsbegrenzung, sei es durch Begrenzung dem Grunde oder der Höhe
nach, dann vertraglich nicht enthalten. Eine solche umfassende Haftung des Auftragnehmers wird dieser in den wenigsten Fällen akzeptieren können, da für ihn
das Risiko der Durchführung eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes damit unkalkulierbar wird. Diese Haftungskonstellation kommt jedoch in Verträgen
mit öffentlichen Auftraggebern häufig vor, die Haftungsbegrenzungen zugunsten
des Auftragnehmers nicht akzeptieren. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Aufträgen durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Der vom
BMBF verwendete »Forschungs- und Entwicklungsvertrag der Zuwendungsempfänger bzw. Auftragnehmer des Bundesministeriums für Bildung und Forschung«327 sieht eine Haftungsbegrenzung nicht vor. Auch die gemäß § 6 Absatz
2 des Vertrages miteinbezogenen Allgemeinen Bestimmungen für Forschungsund Entwicklungsverträge der Auftragnehmer (BEBF-AN 98)328 enthalten keine
Haftungsbegrenzung zugunsten des Auftragnehmers, sondern vielmehr sogar
eine Haftungsfreistellung zugunsten des Auftraggebers, § 4 Absatz 3 BEBF-AN
98. Einzige Haftungserleichterung findet sich hier in der Verkürzung der Verjährungsfrist für Gewährleistung auf 12 Monate, § 23 Absatz 1 BEBF-AN 98.
Während das Haftungsrisiko, speziell auch die Haftungsfolgen wie Produktionsausfallkosten, entgangener Gewinn u.ä. bei Aufträgen durch die Industrie
relativ hoch ist und insofern Haftungsbegrenzungen in diesen Fällen für den Auftragnehmer empfehlenswert sind, kann in Abwägung der Umstände und unter
Berücksichtigung des konkreten Haftungsrisikos des jeweiligen Projektes bei
Aufträgen mit öffentlichen Auftraggebern im Einzelfall eine unbegrenzte Haftung aufgrund geringerer Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme und geringerer Haftungsfolgen akzeptabel sein, so dass in der Praxis in solchen Fällen For-
327 BMBF-Vordruck 0270b/09.05; zu finden unter: www.kp.dlr.de/profi unter dem link »easy«
(elektronisches Angebots- und Antragssystem).
328 BMBF-Vordruck 0370c/03.00; zu finden unter: www.kp.dlr.de/profi unter dem link »easy«
(elektronisches Angebots- und Antragssystem).
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References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.