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dend auf den allgemeinen Stand von Wissenschaft und Technik an.289 Hierunter
wird der Gesetzesbegründung nach der Inbegriff der Sachkunde verstanden, die
im wissenschaftlichen und technischen Bereich vorhanden ist, also die Summe an
Wissen und Technik, die allgemein anerkannt ist und allgemein zur Verfügung
steht.290 Ist der Fehler für keinen Wissenschaftler oder Techniker weltweit erkennbar, so greift der Entlastungstatbestand ohne Zweifel ein. Fraglich ist allerdings,
ob schon Einzelstimmen bei der Beurteilung maßgeblich sind.291 Hier kommt es
nach h.M. vor allem darauf an, ob das Wissen objektiv verfügbar bzw. zugänglich
war.292 So sind Erkenntnisse, die nicht publiziert wurden, schon aufgrund ihrer
Unzugänglichkeit nicht relevant.293
Der Haftungsausschluss des § 1 Absatz 2 Nr. 5 ProdHaftG greift nur bei Konstruktionsfehlern, nicht jedoch bei Fabrikationsfehlern ein.294 Da bei Forschungsund Entwicklungsverträgen aber in aller Regel Konstruktionsfehler die Hauptfehlerquelle darstellen dürften, wird hieran in der Praxis die Entlastungsmöglichkeit
nach § 1 Absatz 2 Nr. 5 ProdHaftG in den seltensten Fällen scheitern.
X. Bereicherungsrechtliche Ansprüche
Bereicherungsrechtliche Ansprüche der Parteien eines Forschungs- und Entwicklungsvertrages untereinander sind eher selten. Eine Leistung kann nach § 812 Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 Fall 1 nur kondiziert werden, wenn diese ohne rechtlichen
Grund erfolgt ist, d.h. wenn der Rechtsgrund der Leistung von vornherein fehlt
oder später weggefallen ist. Da bei Vorliegen eines Forschungs- und Entwicklungsvertrages der Rechtsgrund sowohl für die Leistungen des Auftragnehmers
als auch des Auftraggebers gegeben ist, scheiden bereicherungsrechtliche Ansprüche in aller Regel aus. Denkbar wäre allenfalls ein Fall der condictio indebiti
289 Taschner NJW 1986, 611, 615; OLG Koblenz NJW-RR 1999, 1624, 1625; Palandt/Sprau
ProdHaftG § 1 Rn. 21; MüKo/Wagner ProdHaftG § 1 Rn. 58.
290 Vgl. Begr. RegE 11/2447 S. 15; nach Niklisch, NJW 1982, 2633, 2644 ist Voraussetzung
für das Vorliegen des »Stands der Technik«, des »Stands von Wissenschaft und Technik«
sowie für das Vorliegen einer »anerkannten Regel der Technik« der Konsens im Sinne einer
Mehrheitsauffassung unter den führenden Fachleuten; abweichende Mindermeinungen
oder Einzelmeinungen könnten erst dann den »Stand der Technik« bilden, wenn sie sich
durchgesetzt und die mehrheitliche Zustimmung der kompetenten Fachvertreter gefunden
haben; str., a.A. MüKo/Wagner ProdHaftG § 1 Rn. 60.
291 Hinsichtlich des Streitstands zur Berücksichtigung von Außenseiter- und Mindermeinungen siehe die Darstellung bei Staudinger/Oechsler § 1 ProdHaftG Rn. 128.
292 MüKo/Wagner ProdHaftG § 1 Rn. 59; Staudinger/Oechsler § 1 ProdHaftG Rn. 127.
293 Anders allerdings für denjenigen, der diese Erkenntnisse selbst hat, ihm wird dies als Sonderwissen zugerechnet werden müssen, so dass er sich auf die Entlastung nach § 1 Absatz
2 Nr. 5 nicht wird berufen können, vgl. MüKo/Wagner ProdHaftG § 1 Rn. 59; Staudinger/
Oechsler § 1 ProdHaftG Rn. 127.
294 BGH NJW 1995, 2162, 2163; für die Einbeziehung auch von Instruktionsfehlern vgl.
MüKo/Wagner ProdHaftG § 1 Rn. 57.
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bei einer versehentlichen Zuvielzahlung durch den Auftraggeber. Dies ist jedoch
bei der vertraglichen Ausgestaltung von Haftungsklauseln insofern nicht von Relevanz, als dass es sich hierbei nicht um Haftung im Sinne eines Einstehens für
verursachte Schäden handelt.
C. Haftung im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Ethikkommissionen
Insbesondere die medizinische Forschung wirft die Frage von Ethik und Recht in
besonderem Maße auf, so dass im Folgenden der Zusammenhang zwischen Ethikkommissionen und Haftung kurz skizziert werden soll. Die Frage der Haftungsfreizeichnung im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvertrages stellt
sich in diesem Zusammenhang nicht, da es im Folgenden entweder um eine Haftung des Arztes gegenüber den Probanden geht oder um die Haftung von Mitgliedern der Ethikkommissionen gegenüber forschenden Ärzten und Probanden. In
keinem dieser rechtlichen Verhältnisse untereinander handelt es sich um einen
Forschungs- und Entwicklungsvertrag, so dass die Frage der Haftungsfreizeichnung hier nur am Rande berührt ist. Da aber Ethikkommissionen in der Forschung, insbesondere der medizinischen, eine bedeutende Rolle einnehmen, sei
der Vollständigkeit halber ihre Funktion und die sich daraus ergebenden Haftungsszenarien in den wesentlichen Grundzügen kurz dargestellt.
I. Entstehung der Ethikkommissionen
Nachdem sich in den 60er Jahren zunächst in den Vereinigten Staaten von Amerika sogenannte Institutional Review Boards gebildet hatten, deren Hauptaufgabe
darin bestand, in der klinischen Forschung am Menschen die Interessen der Probanden zu schützen, entstanden nach und nach auch in Europa zunehmend Ethikkommissionen für den Bereich der klinischen Forschung am Menschen.295 Die
Tätigkeit der Ethikkommissionen in Deutschland geht im Wesentlichen auf die
vom Weltärztebund im Jahre 1975 beschlossene Revidierte Deklaration von Helsinki zurück. Die Pflicht zur Anrufung von Ethikkommissionen ist unter anderem
in den Berufsordnungen der Landesärztekammern statuiert worden, wonach vor
der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen sowie bei der Forschung an vitalen menschlichen Gameten und lebendem embryonalem Gewebe
295 Da an dieser Stelle im Detail thematisch zu weitgehend und daher nicht angemessen darstellbar, sei hinsichtlich Herkunft und Entstehen der Ethikkommissionen sowie zu Gründung und Verfahren verwiesen auf Deutsch VersR 1989, 429 ff.; Czwalinna MedR 1986,
305 ff.; Scheffold S. 75 ff.; zu den Institutional Review Boards Bork NJW 1983, 2056 ff.;
zur Deklaration von Helsinki siehe auch Deutsch NJW 2001, 857 ff.
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References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.