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ger.201 Insbesondere fordert das Europäische Parlament die Kommission auf,
Maßnahmen wie die Einführung von Normen auf EU-Ebene zu prüfen, im Rahmen der Forderung nach einem Vorschlag für ein horizontales Instrument zu den
Verpflichtungen von Dienstleistungserbringern ihre Arbeit auf sektoraler Grundlage in Schlüsselbereichen fortzusetzen und die Möglichkeit eines Instruments zu
prüfen, das zumindest allgemeine Grundregeln enthalten solle, mit denen eine
angemessene Information über die Preisgestaltung, die Vertragsbedingungen und
die Rechtsmittel im Falle von fehlerhaften oder verspäteten Dienstleistungen zur
Auflage gemacht werden.
VII. Dingliche Ansprüche
In der Regel werden sich die dinglichen Ansprüche aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten auf solche auf Herausgabe nach § 985 beschränken. Dies kann
dann der Fall sein, wenn z.B. Dokumente (wie Konstruktionspläne), Informationsmaterial oder Gerätschaften leihweise für die Durchführung des Forschungsund Entwicklungsprojektes zur Verfügung gestellt werden. Unter dem hier angenommenen Begriff der Haftung als Einstehen für entstehende Schäden sind dingliche Ansprüche jedoch im Rahmen von Haftungsfreizeichnungsklauseln nicht
von Relevanz und werden im Folgenden nicht weiter behandelt.
VIII. Deliktische Ansprüche
Auch deliktische Ansprüche können im Rahmen von Freizeichnungsklauseln erfasst sein. Wenn eine Freizeichnungsklausel nach Überschrift und Text allerdings
z.B. auf die Gewährleistung für Mängel beschränkt ist, regelt sie nicht auch die
deliktsrechtliche Haftung.202 Anders ist dies dagegen dann zu werten, wenn der
Abschnitt mit »Haftung« allgemein betitelt ist, in diesem Fall kann einer Klausel
201 Das Europäische Parlament weist in diesem Zusammenhang auch auf entsprechende legislative Initiativen mit dem Ziel der Steigerung der Rechtssicherheit hin, nämlich auf den
Vorschlag für eine Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), KOM (2005)0650, zwischenzeitlich erlassen als Verordnung (EG)
Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und Rates vom 17. Juni 2008, den Vorschlag
für eine Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende
Recht (Rom II), KOM (2003)0427, zwischenzeitlich erlassen als Verordnung (EG) Nr. 864/
2007 des Europäischen Parlaments und Rates vom 11. Juli 2007 und das Grünbuch über
die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz, KOM
(2006)744 endg. vom 08. Februar 2007.
202 Vgl. BGH NJW 1977, 379, 381, wonach eine Freizeichnungsklausel, die sich in einem
Abschnitt der AGB befindet, der mit »Haftung für Mängel der Lieferung« überschrieben
ist, nicht auch Ansprüche aus § 823 BGB umfasst, soweit nicht ein diesbezüglich eindeutiger Hinweis formuliert wird; Schmidt-Salzer Band II Rn. 3.174; AnwKom/Katzenmeier
Vor §§ 823 ff. Rn. 72.
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über »Ansprüche auf Ersatz von Schäden aller Art« im Wege der Auslegung auch
Freizeichnungswirkung für deliktsrechtliche Ansprüche zugesprochen werden.203
Im Rahmen der deliktischen Haftung kommen sowohl Verschuldenshaftungstatbestände wie auch Gefährdungshaftungstatbestände in Betracht. In erster Linie
wird die Haftung aus § 823 Absatz 1 einschlägig sein. Geschützt werden Leben,
Körper oder Gesundheit und Eigentum eines anderen, nicht jedoch das Vermögen
als solches.204
Hier ist zwischen der deliktischen Haftung gegenüber dem Vertragspartner und
der Haftung gegenüber an dem Projekt nicht beteiligten Dritten zu unterscheiden.
1) Haftung gegenüber dem Vertragspartner
Aktives Tun oder Außerachtlassung entsprechender Verkehrspflichten205 ist ein
Aspekt der Haftung aus § 823. Praktisch bedeutsamste Verpflichtung im Zusammenhang mit Forschungs- und Entwicklungsverträgen ist die Beachtung von Verkehrspflichten, die sich aus der Beherrschung von Gefahrenquellen ergeben. So
sind z.B. Gefahren, die von Anlagen ausgehen, durch die Ergreifung entsprechender Sicherungsmaßnahmen möglichst zu verhindern206 und entsprechende Aufklärungspflichten zu berücksichtigen. Die Missachtung oder Unterlassung gebotener Verkehrspflichten kann bei Vorliegen von Verschulden zur Schadensersatzpflicht führen, die in der Regel den Auftragnehmer trifft.
Als Unterfall der deliktischen Haftung aus § 823 ist für Forschungs- und Entwicklungsverträge insbesondere die deliktische Produkthaftung nach § 823 Absatz 1
von Relevanz. Der Hersteller kann hiernach für Instruktions-, Fabrikations- und
Konstruktionsfehler sowie für Versäumnisse im Rahmen seiner Produktbeobachtungspflicht haften. Auch die Nichtbeachtung geltender Sicherheitsstandards,
wie sie z.B. durch das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) festgelegt
sind, kann zur Haftung nach § 823 führen. Diese Gesetze gelten als Schutzgesetze
im Sinne des § 823 Absatz 2.207
Nach § 831 Absatz 1 Satz 1 entsteht eine Schadensersatzpflicht auch in den Fällen, in denen ein Verrichtungsgehilfe einem Dritten widerrechtlich Schaden zu-
203 Schmidt-Salzer Band II Rn. 3.174; AnwKom/Katzenmeier Vor §§ 823 ff. Rn. 72.
204 Palandt/Sprau § 823 Rn. 11.
205 Der Begriff der »Verkehrssicherungspflichten«, der sich noch auf die Haftung für Gegenstände des unbeweglichen Vermögens bezog, ist weitestgehend der heute üblichen Verwendung des Oberbegriffs »Verkehrspflichten« gewichen, AnwKom/Katzenmeier § 823
Rn. 124.
206 Palandt/Sprau § 823 Rn. 46.
207 Emmerich § 23 Rn. 15.
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fügt. Nicht unter den Begriff des Verrichtungsgehilfen fallen jedoch die vom Auftragnehmer eingesetzten Subunternehmer, da diese als selbständige, nicht weisungsabhängige Personen keine Verrichtungsgehilfen darstellen,208 für die der
Auftragnehmer eine Haftung übernehmen müsste.
2) Haftung gegenüber Dritten
Häufiger als gegenüber dem Vertragspartner selbst ist die Haftung aus unerlaubter
Handlung und Gefährdungshaftungstatbeständen gegenüber Dritten, die nicht
Parteien des Forschungs- und Entwicklungsvertrages sind. Die bislang aufgeführten Haftungskonstellationen gehen von dem Vorliegen eines Forschungs- und
Entwicklungsvertrags aus und betreffen die Haftung der Vertragsparteien untereinander. Es haftet also entweder der Auftraggeber gegenüber seinem Auftragnehmer (z.B. aufgrund der Verletzung von Mitwirkungs- oder Vertraulichkeitspflichten) oder der Auftragnehmer haftet gegenüber seinem Auftraggeber (z.B.
aus Verzug oder Gewährleistung).
Insbesondere im Rahmen der deliktischen Haftung sind jedoch auch Konstellationen denkbar, in denen der Haftende in diesem Sinne weder Auftragnehmer
noch Auftraggeber ist, so z.B. dann, wenn der forschende Wissenschaftler oder
die Forschungseinrichtung selbst gegenüber Dritten (z.B. Patienten, Probanden)
deliktsrechtlich haftbar werden. Da in diesem Fall eine vertragliche Haftungsfreizeichnung zwischen den Parteien des Forschungs- und Entwicklungsvertrages
nicht zum Tragen kommt, weil entweder überhaupt kein Forschungs- und Entwicklungsvertrag vorlag oder aber eine in seinem Rahmen vereinbarte Haftungsfreizeichnung in der Regel nicht zu Lasten Dritter vereinbart werden kann209
(zumindest soweit der Dritte nicht in den Schutzbereich des Vertrages fällt210) tangiert diese Haftungskonstellation das Thema dieser Arbeit nur peripher, so dass
208 BGH NJW 1994, 2756, 2757; Emmerich § 25 Rn. 21; Subunternehmer sind aber als Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers anzusehen, v. Westphalen/Motzke Vertragsrecht und
AGB-Klauselwerke, Subunternehmervertrag, Rn. 3.
209 Im Rahmen eines FuE-Vertrages vereinbarte Haftungsausschlüsse oder –beschränkungen
wirken in der Regel gegenüber Dritten nicht, soweit diese nicht gerade in den Schutzbereich des Vertrages fallen, da dies einen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen kann, der nach
Rechtsprechung und Literatur unzulässig und damit unwirksam wäre, BGHZ 54, 145, 147;
BGH NJW 2004, 3326, 3327; Palandt/Grüneberg Vor § 328 Rn. 10; MüKo/Gottwald § 328
Rn. 132; Hübsch VersR 1997, 799, 804.
210 Zur Problematik siehe MüKo/Gottwald § 328 Rn. 132, 195; zu den Ausnahmen, in denen
ein Vertrag zu Lasten Dritter unter Umständen zulässig ist, insbesondere auf Konstellationen des Transportgewerbes bezogen, siehe Hübsch VersR 1997, 799, 806, der für diese
Fälle voraussetzt, dass der Dritte nicht gänzlich unbeteiligt ist, sondern eine wirtschaftliche Nähe zu dem belastenden Vertragsverhältnis aufweist; näher zu den zulässigen Ausnahmen drittbelastender Haftungsbeschränkungen auch Klein JZ 1997, 390, 393, der
zusätzlich zum Kriterium der wirtschaftlichen Nähe zum fremden Vertrag auch einen
Zurechnungsgrund in Form des Einverständnisses des Geschädigten mit dem belastenden
Vertrag fordert; ebenso Katzenstein RdA 2003, 346, 354.
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an dieser Stelle die Haftung der forschenden Wissenschaftler bzw. von Forschungseinrichtungen gegenüber Dritten nur kurz skizziert werden soll.
In Abgrenzung zu der verschuldensabhängigen deliktischen Haftung sind gerade
auch im Bereich von Forschung und Entwicklung verschuldensunabhängige Gefährdungshaftungstatbestände zu beachten. Für Forschung und Entwicklung beispielhaft genannt seien hier neben dem Produkthaftungsgesetz das Luftverkehrsgesetz (§ 33 LuftVG), das Arzneimittelgesetz (§ 84 AMG) sowie das Gentechnikgesetz (§ 32 GenTG).
Wichtige Fälle der deliktischen Haftung des forschenden Wissenschaftlers
bzw. der Forschungseinrichtung ergeben sich darüber hinaus gegenüber Unbeteiligten aus möglichen Forschungsunfällen, aus der Veröffentlichung und Verbreitung unrichtiger Forschungsergebnisse sowie gegenüber Versuchspersonen.211
a) Haftung bei Forschungsunfällen
Ein hohes Risikopotential in Bezug auf die Schädigung von Unbeteiligten birgt
gerade die naturwissenschaftliche Forschung. Man denke da beispielsweise an
die atomare, radiologische oder virologische Forschung. Um letzteres Beispiel
aufzugreifen, mag man sich vorstellen, was passieren kann, wenn bei der Untersuchung an Erregern von Ebola, Sars, Pocken212 oder Vogelgrippe sowie deren
gentechnisch veränderten Varianten Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten
würden und die Erreger oder ihre rekombinant veränderten Varianten eine Verbreitung außerhalb des Sicherheitslabors fänden.
Soweit durch Forschungsunfälle dieser Art Rechtsgüter Dritter betroffen werden,
greifen die allgemeinen deliktsrechtlichen Regelungen. Dabei wird es im Rahmen
einer Schadensersatzpflicht nach § 823 in der Regel auf die Verletzung von Verkehrspflichten ankommen.213 Maßstab für die Intensität der Sorgfaltspflichten ist
dabei das Gefahrenpotential des Unternehmens,214 welches gerade bei Forschungsanlagen entsprechend hoch einzuschätzen sein dürfte. Adressat der Ver-
211 Siehe zum Schutz der Versuchspersonen auch das Kapitel über die Haftung im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Ethikkommissionen unter § 3 C.
212 Selbst bei den als ausgerottet geltenden Pocken lagern immer noch 451 Proben des Erregers
in den Sicherheitslabors der amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta
sowie weitere 120 im Biowaffenforschungszentrum Vector bei Nowosibirsk in Russland,
siehe Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 01.05. 2005, S. 65.
213 Vgl. hierzu auch Heldrich S. 30.
214 MüKo/Wagner § 823 Rn. 377.
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kehrspflicht ist dabei nicht der einzelne Wissenschaftler, sondern der Betreiber
der Forschungsanlage.215
b) Haftung aus der Veröffentlichung und Verbreitung von
Forschungsergebnissen
Im Rahmen der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts aus Art. 5 III GG gehört
gerade die Veröffentlichung und Verbreitung von Forschungsergebnissen zur
grundgesetzlich geschützten Freiheit der Wissenschaft.216 Dennoch kann natürlich auch die Bekanntgabe von Forschungsergebnissen zur Schädigung von Dritten führen, so etwa, wenn das Ergebnis einer pharmakologischen Studie ergibt,
dass sich ein spezielles Medikament für die Behandlung einer bestimmten Krankheit besonders gut eignet, sich in der Praxis aber herausstellt, dass dies schwerwiegende Nebenwirkungen bei den behandelten Patienten verursacht.
Die Bekanntgabe von Forschungsergebnissen kann jedoch nur dann eine
deliktsrechtliche Verantwortlichkeit auslösen, wenn es sich dabei um die Verletzung von Sorgfaltspflichten, in diesem Falle Informationssorgfaltspflichten,217
handelt.
(1) Existenz und Inhalt von Informationssorgfaltspflichten
Die Begründung von Informationssorgfaltspflichten beruht auf verschiedenen
Aspekten.218 Zunächst einmal muss durch die fehlerhafte Information eine intellektuelle Gefahrenlage geschaffen werden. Um eine uferlose Haftung des Informationsgebers zu vermeiden, muss die Gefahrenlage qualifiziert sein, d.h. eine
fehlinformationsbezogene Verkehrspflicht ist zu bejahen, wenn ein besonderes
Vertrauen in die Sachkundigkeit des Informationsgebers gegeben ist und er in dieser Funktion die fachbezogene Information erteilt. Entscheidend für die Bejahung
einer Pflichtwidrigkeit in diesem Sinne ist aber auch die Möglichkeit der Gefahrenbeherrschung durch den Informationsgeber. Hat dieser im Rahmen seiner
Möglichkeiten notwendige Maßnahmen zur Vermeidung der Fehlerhaftigkeit der
erteilten Information beachtet, so fehlt es bei einer dennoch auftretenden Fehlinformation bereits an der objektiven Pflichtwidrigkeit, nicht erst am Verschulden.
Dabei sind im Sinne der Gefahrvermeidung nur solche Maßnahmen zu treffen, die
215 Heldrich S. 30; MüKo/Wagner § 823 Rn. 377; soweit aufgrund eigenen Verschuldens auch
die persönliche Haftung des angestellten Wissenschaftlers in Frage steht, ist nach den
Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs möglicherweise ein Freistellungsanspruch gegen den Forschungsträger gegeben.
216 BVerfG NJW 1973, 1176, 1177; Heldrich S. 40.
217 Mansel, FS für Lorenz, 215, 219.
218 Eingehend und detailliert hierzu Mansel, FS für Lorenz, 215 ff.
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ein vernünftiger Angehöriger eines bestimmten Verkehrskreises erwarten darf219
und die sich noch im Rahmen von Möglichkeit und Zumutbarkeit befinden.220
Ebenfalls bei der Beurteilung der Pflichtwidrigkeit zu beachten ist auch ein zumutbares Maß an Eigenverantwortung und Eigenvorsorge des Informationsverwenders.221
Zusammengefasst lässt sich dies auf folgende Formel bringen:222 Je größer der
Eindruck der Sachkunde ist, den der Informationsgeber erweckt und je geringer
die Sachkunde des Kreises derjenigen ist, an die sich die Information ihrer Bestimmung nach wendet, desto eher ist das Vorliegen einer Verkehrspflicht anzunehmen. Umgekehrt bedeutet dies, dass umso eher eine Verkehrspflicht zu verneinen und das Fehlinformationsrisiko dem Informationsverwender zuzuweisen
ist, je größer dessen Sachkunde und Beherrschungsmöglichkeit eines potentiellen
Schadens ist.223
(2) Sorgfaltspflichtmaßstab bei Forschungsergebnissen
Für die Weitergabe von Forschungsergebnissen muss man danach den Schluss
ziehen, dass eine Informationssorgfaltspflicht, die zu einer Haftung führt, nur selten wird bejaht werden können, da Forschungsergebnisse in aller Regel nur im
wissenschaftlichen Austausch weitergegeben werden, so dass dem Kreis der Informationsempfänger eine ähnliche Sachkunde unterstellt werden kann wie dem
Informationsgeber. Zumindest ist damit zu rechnen, dass im Rahmen der wissenschaftlichen Weitergabe sich die Informationsempfänger aufgrund eigener Erfahrungen mit wissenschaftlichen Daten der Sensibilität von Forschungsergebnissen
bewusst sind. Eine kritik- und bedenkenlose Übernahme von Forschungsergebnissen sollte von ihrer Seite nicht erwartet werden.
Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass der Informationsempfänger das Forschungsergebnis selbst einsetzt, sein eigenes Handeln folglich hinzukommt, er
also über entsprechende Beherrschungsmöglichkeiten verfügt. Hier bedarf die
Bejahung einer Sorgfaltspflicht schon eines erhöhten Begründungsaufwandes.
Anderes ist allerdings dann anzunehmen, wenn Forschungsergebnisse bewusst in
popularwissenschaftlicher Weise verbreitet werden, also davon auszugehen ist,
dass die Informationsempfänger nicht zwangsläufig die zur Beurteilung der For-
219 Staudinger/Hager § 823 E Rn. 35.
220 MüKo/Wagner § 823 Rn. 248; Staudinger/Hager § 823 E Rn. 335.
221 Mansel, FS für Lorenz, 215, 225; Staudinger/Hager § 823 E Rn. 32.
222 Siehe Mansel, FS für Lorenz, 215, 227.
223 Ähnlich auch MüKo/Wagner § 823 Rn. 251, der Schädiger könne sich bei der Wahl des
eigenen Sorgfaltsniveaus an den Gefahrkenntnissen und Gefahrvermeidungskompetenzen
eines Repräsentanten desjenigen Verkehrskreises orientieren, zu dem der potentiell
Geschädigte gehöre.
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schungsergebnisse notwendige Sachkunde aufbringen. Hier ist von einer erhöhten Sorgfaltspflicht auszugehen, die explizite Hinweise auf die mit der Befolgung
der Information verbundenen Gefahren notwendig macht.224 Hierdurch wird verhindert, dass der Informationsempfänger ein größeres schützenswertes Vertrauen
in die Information aufbaut.225
(3) Haftung, Haftungsfreiheit und Haftungserleichterungen
Nach obigen Grundsätzen wird aus der Bekanntgabe von Forschungsergebnissen
daher kein Anspruch hergeleitet werden können, wenn zur Gewinnung des Forschungsergebnisses wissenschaftlich anerkannte Standards berücksichtigt wurden, wenn also das Ergebnis »lege artis« gewonnen wurde.226 Hier fehlt es schon
an der objektiven Pflichtwidrigkeit. Problematisch gestaltet sich die Einhaltung
von Standards im Bereich der Forschung allerdings alleine schon deshalb, weil
Forschung ja gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass sie den Boden der gesicherten Erkenntnisse verlässt. Aus diesem Grund wird man annehmen dürfen, dass ein
lege artis gewonnenes Ergebnis dann vorliegt, wenn zumindest die Standards der
erforderlichen Sorgfalt bei der Durchführung der Forschung gewahrt wurden,
wenn also z.B. für einen zu entwickelnden Prototypen das ausgewählte Material
einwandfrei ist, für die Durchführung von Berechnungen anerkannte Methoden
verwendet werden, wenn in wissenschaftlichen Publikationen die vorhandene Literatur ausgenutzt und Gegenmeinungen nicht kategorisch unterschlagen werden
oder wenn allgemeine Sicherheitsstandards an die Durchführung von Forschung
eingehalten werden.227
Teilweise wird auch vertreten, dass selbst die Bekanntgabe eines Forschungsergebnisses, das nach Begründung oder Inhalt nicht dem in der jeweiligen Wissenschaft akzeptierten Standard entspricht, nicht zu einer deliktsrechtlichen Haftung
führt, sofern die Abweichung auf einfacher Fahrlässigkeit beruht.228 Anderenfalls
würde sich dies negativ auf die Publikationswilligkeit in der Wissenschaft aus-
224 Mansel, FS für Lorenz, 215, 226; Staudinger/Hager § 823 E Rn. 32.
225 Mansel, FS für Lorenz, 215, 226.
226 Heldrich S. 41; Hübner NJW 1989, 5, 9 leitet bei lege artis gewonnenen Erkenntnissen
aus der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Absatz 3 GG für leichte Fahrlässigkeit eine Haftungsfreistellung her; dies erscheint fragwürdig, wenn man davon ausgeht, dass es in diesen Fällen bereits an einer Pflichtwidrigkeit fehlt, es also auf die Frage des Verschuldens
und – mangels erfüllten Haftungstatbestands – auch auf eine Haftungsfreistellung nicht
mehr ankommt.
227 Vgl. Heldrich S. 41 ff.
228 Die Wissenschaftsfreiheit schütze insofern auch die »Freiheit zum Irrtum«, Heldrich S.
40, 53, dies allerdings einschränkend, sofern es sich um eine »kommerziell verflochtene«
Forschung handelt; eine Haftungsfreiheit für auf einfacher Fahrlässigkeit beruhende Fehlinformationen gelte nur für die von politischen, weltanschaulichen oder wirtschaftlichen
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wirken und zu einer Behinderung oder sogar Unterbindung wissenschaftlichen
Austausches von Meinungen, Gegenmeinungen und Kritik führen.229
Die Haftungsfreiheit für lege artis gewonnene Erkenntnisse gilt daher sowohl
für richtige als auch für falsche Ergebnisse.230 Ob ein Forschungsergebnis falsch
ist, ergibt sich im Übrigen ohnehin meist erst durch eine Rückschau aus der Perspektive weiterer gewonnener Erkenntnisse. Allerdings ergibt sich ein deliktsrechtliches Haftungsrisiko dann, wenn ein nachträglich als falsch erkanntes Forschungsergebnis nicht nach Aufdeckung des Fehlers korrigiert wird.231 Insofern
bestünde dann eine dahingehende Aufklärungspflicht, deren Unterlassung einen
Anspruch aus § 823 begründen könnte.
Definitiv gelten mögliche Haftungserleichterungen nicht für die bewusste Fälschung. Bekanntestes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist die im Dezember 2005 erfolgte Enttarnung eines südkoreanischen Klon-Wissenschaftlers. Er
hatte im März 2004 in der Wissenschaftszeitschrift »Science« behauptet, ihm sei
es als erstem und bislang einzigem gelungen, menschliche Embryonen zu klonen
und aus ihnen Stammzellen zu gewinnen und damit den Nachweis der Machbarkeit des therapeutischen Klonens erbracht zu haben. Die Nachprüfungen durch
die aufgrund von Unregelmäßigkeiten eingeschaltete Untersuchungskommission
der Seouler Universität ergaben jedoch, dass von den angeblich elf durch Klonen
hergestellten Stammzelllinien nicht eine einzige existierte. Der Wissenschaftler
hatte für seine Klonforschung umgerechnet insgesamt 50 Millionen Euro an staatlichen Forschungsmitteln erhalten.232
Für die daraus entstehenden Schäden, z.B. von Forschungsorganisationen oder
Fachkollegen, die diese in dem erfolglosen Bemühen, die gefälschten Experimente zu reproduzieren, aber auch für Schäden, die Patienten durch manipulierte
Forschungsergebnisse und daraus abgeleitete falsche Behandlungsmethoden erleiden, haftet der bewusst fälschende Wissenschaftler nach den allgemeinen de-
229 Interessen unabhängige Forschung wie der in Universitäten oder Großforschungseinrichtungen, S. 58; ähnlich in Bezug auf die Haftung des Verlegers und des Verfassers von wissenschaftlichen Publikationen auch Schack Rn. 1048 unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken der §§ 824 Absatz 2 BGB, § 193 StGB; a.A. aber MüKo/Wagner § 824 Rn. 44, der
dieses Privileg für nicht gerechtfertigt hält; ebenso Staudinger/Hager § 823 Rn. C 144.
229 Heldrich S. 53.
230 Heldrich S. 42; a.A. Palandt/Sprau § 823 Rn. 109 »berechtigt nicht zur Aufstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen«, allerdings einräumend, dass Unterlassungs- und Widerrufsansprüche bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Hinblick auf Art. 5 Absatz 3 GG
häufig ausscheiden; vgl. auch Palandt/Sprau § 824 Rn. 9, wonach im Hinblick auf die Freiheit der Wissenschaft die Rechtswidrigkeit entfallen kann; so auch Loritz BB 2000, 2006,
2010.
231 Heldrich S. 46; a.A. Over S. 133, der eine solche Berichtigungspflicht aus Zumutbarkeitsaspekten im Ergebnis ablehnt, eine entsprechende außervertragliche Informationspflicht
hinsichtlich nachträglich erkannter Gefahren dagegen bejaht.
232 Siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.01.2006, S. 3.
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liktsrechtlichen Vorschriften.233 Hier ist auch ein Schadensersatzanspruch nach
§ 826 durchaus denkbar.
c) Haftung gegenüber Versuchspersonen
Insbesondere in der klinischen Forschung am Menschen bestehen zahlreiche Risiken für die mitwirkenden Probanden, durch das jeweilige Forschungsprojekt einen Schaden zu erleiden.234 Vertragliche Ansprüche des Probanden gegenüber
dem Arzt oder Klinikträger können sich hier aus der Verletzung des Probandenvertrages235 nach §§ 280 ff. ergeben.236 Ein solcher Probandenvertrag stellt nach
überwiegender Ansicht einen Vertrag sui generis dar,237 in dessen Rahmen sich
der Proband zur Verfügungstellung seiner selbst, der forschende Arzt zur Wahrung der aus dem Vertrauensverhältnis zum Probanden resultierenden Schutzpflichten verpflichten.238 Den Arzt treffen insbesondere Pflichten hinsichtlich
ordnungsgemäßer Aufklärung239 des Probanden und der Berücksichtigung der damit zusammenhängenden Einwilligung240 sowie die Pflicht zur Wahrung des Verhältnisses zwischen dem dem Probanden aufgebürdeten Risiko und dem im Hinblick auf das zum Wohle der Gemeinschaft erwarteten Ergebnis.241
Bei Verletzung schadensersatzbegründender Pflichten in Bezug auf Aufklärung,
Einwilligung und Nutzen-Risiko-Aspekt können sich für den Arzt oder Klinik-
233 Heldrich S. 60; insoweit ist die Aufstellung erwiesen oder unstreitig unwahrer Tatsachenbehauptungen auch nicht durch die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Absatz 3 GG gedeckt,
AnwKom/Katzenmeier § 823 Rn. 212.
234 Zum Schutz von Probanden in der medizinischen Forschung siehe auch das Kapitel zu
Funktion und Aufgabe von Ethikkommissionen, § 3 C II.
235 Over S. 102; Osieka S. 333; auch als humanwissenschaftlicher Experimentvertrag bezeichnet, Eberbach S. 85; ein vertragliches Verhältnis ohne nähere Bezeichnung bejahend auch
Fischer S. 78; Lippert/Adler VersR 1993, 277, 278.
236 Zu den Möglichkeiten einer Ersetzung der Arzthaftung durch Versicherung und zu den
Bedenken in Bezug auf die dann wegfallende Funktion des Haftpflichtrechts als Schadensprävention siehe Katzenmeier VersR 2007, 137 ff.
237 Eberbach S. 85; Osieka S. 333.
238 Eberbach S. 50, 53.
239 Zu den Voraussetzungen eines Aufklärungsverzichts siehe die Ausführungen von Roßner
NJW 1990, 2291 ff; ein vollständiger Aufklärungsverzicht scheide bei rein wissenschaftlichen Versuchen aber wegen Verstoßes gegen ethische und moralische Normen aus,
Wenckstern S. 54.
240 Deutsch, FG für Weitnauer, 297, 309; Eberbach S. 85.
241 Schimikowski S. 7; Hart MedR 1994, 94, 96; Deutsch, FG für Weitnauer, 297, 309; ders.
in NJW 2001, 857, wonach Aufklärung und Einwilligung dahinter an zweiter Stelle stehen.
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träger Rechtsfolgen auch aus den allgemeinen Vorschriften der §§ 823 ff. ergeben.242
Bei wissenschaftlichen Versuchen an Universitätskliniken und anderen, auch
der Forschung verpflichteten Krankenhäusern öffentlicher Träger ist davon auszugehen, dass der forschende Arzt in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt,243 so dass für ein schuldhaftes Fehlverhalten deshalb die Anstellungskörperschaft nach Art. 34 GG, § 839 BGB haftet.244 Die persönliche Haftung des beamteten Arztes ergibt sich dabei aus § 839. Im Übrigen ergibt sich die Haftung des
Arztes aus § 823, seltener aus § 826, die des Klinikträgers aus § 831 (für den angestellten Arzt) oder nach §§ 823, 31, 89 (im Falle weisungsfreier Chefärzte).245
Rechtsgutverletzung im Rahmen der §§ 823 ff. betreffen bei klinischen Versuchen
insbesondere Leben, Körper und Gesundheit, im Einzelfall auch Freiheits- und
Persönlichkeitsrechte der Versuchspersonen.246 Fehler, die zu einer Haftung nach
den §§ 823 ff. führen können, sind neben solchen in Bezug auf Aufklärung und
Einwilligung auch hinsichtlich Planung, Durchführung und Überwachung der
Versuche gegeben.247 So können insbesondere auch in Bezug auf Auswahl, Anleitung und Überwachung von Projektmitarbeitern, bei der Auswahl von Probanden, bei der Anwendung von Medikamenten oder bei der Bedienung von medizinisch-technischen Geräten Fehler entstehen.248
Ist eine entsprechende Sorgfaltspflicht schuldhaft außer Acht gelassen worden,
so kann auch die Einwilligung des Probanden die Haftung nicht ausschließen, da
diese nur den sorgfaltsgemäßen Eingriff rechtfertigt.249
IX. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz
Eine mögliche Haftung für fehlerhafte Produkte ergibt sich insbesondere nach
dem Produkthaftungsgesetz. Fraglich sind in Forschung und Entwicklung jedoch
mehrere Aspekte, insbesondere die Frage danach, inwieweit Forschungs- und
Entwicklungsergebnisse Produkte im Sinne des ProdHaftG sind. Zur Verdeutlichung seien zwei Beispiele genannt.
242 Im Bereich des AMG kann nach § 40 Absatz 3 Satz 3 AMG ein solcher Schadensersatzanspruch erlöschen, wenn und soweit aus der gemäß § 40 Absatz 1 Satz 3 Nr. 8 AMG zu
Gunsten des Probanden abzuschließenden Probandenversicherung geleistet wird.
243 Fischer S. 84.
244 Bei privatem Handeln der Körperschaft kommen als Anspruchsgrundlagen §§ 89, 31, 823
oder § 831 in Betracht, Palandt/Heinrichs/Ellenberger § 89 Rn. 2.
245 Palandt/Sprau § 831 Rn. 6.
246 Persönlichkeitsrechte sind insbesondere in der sozialpsychologischen Forschung betroffen, siehe Deutsch, FG für Weitnauer, 297, 312.
247 Fischer S. 79.
248 Lippert/Adler VersR 1993, 277.
249 Fischer S. 79.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.