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IV. culpa in contrahendo
Eine Haftung aus culpa in contrahendo ist insbesondere dann denkbar, wenn eine
Pflichtverletzung im Rahmen der Aufnahme von Vertragsverhandlungen begangen wurde. Die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründet nach § 311 Absatz 2 Nr. 1 ein Schuldverhältnis im Sinne von § 241 Absatz 2. Bejaht wird die
Aufnahme der Verhandlungen bereits mit deren Beginn, wobei einseitige Maßnahmen eines Vertragsteils genügen, die den anderen zu einem Vertragsschluss
veranlassen sollen.183 Beendet wird das vorvertragliche Schuldverhältnis mit dem
Abbruch der Verhandlungen.184
Nicht jeder Abbruch von Vertragsverhandlungen löst jedoch einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo nach §§ 280 Absatz 1, 311 Absatz 2 Nr.
1 aus. Auch ein als sicher in Aussicht gestellter Vertragsschluss, der dann verweigert wird, stellt nicht allein ein pflichtwidriges Verhalten dar.185 Eine Haftung
ergibt sich hier nur, wenn die Partei, die den Vertragsschluss als sicher in Aussicht
gestellt hat, von vornherein diese Absicht nicht gehabt hat, Hinderungsgründe für
den Vertragsschluss fahrlässig außer Acht gelassen hat oder den anderen Teil
nicht unverzüglich über die Aufgabe der Abschlussabsicht informiert.186
Ist schuldhaft und pflichtwidrig ein solcher Vertrauenstatbestand geschaffen
worden, durch den der andere potentielle Vertragspartner veranlasst wurde, Aufwendungen im Hinblick auf das gemeinsame Projekt zu tätigen, die z.B. in der
Anwerbung von Personal zur Durchführung des Projektes oder in der Investition
in notwendige Anlagen begründet liegen können, sind hier Ansprüche auf Schadensersatz nach §§ 280 Absatz 1, 311 Absatz 2 Nr. 1 denkbar.
V. Verletzung von Schutz- und Aufklärungspflichten
Der Begriff der Pflichtverletzung aus § 280 Absatz 1 erfasst auch Fälle, in denen
der Schuldner solche das Integritätsinteresse des Gläubigers schützende Verhaltenspflichten verletzt, wie sie in § 241 Absatz 2 angesprochen sind.187 Hierunter
fallen neben vielen weiteren vor allem Aufklärungs- und Schutzpflichten.188
Diese können auch neben die Haftung für die Folgen einer Schlechterfüllung tre-
183 Palandt/Grüneberg § 311 Rn. 22.
184 Palandt/Grüneberg § 311 Rn. 25.
185 Wertenbruch ZIP 2004, 1525, 1529.
186 Wertenbruch ZIP 2004, 1525, 1531; siehe auch Staudinger/Löwisch § 311 Rn. 109, der
eine Haftung nur dann annimmt, wenn der Partner, der das berechtigte Vertrauen in den
sicheren Vertragsabschluss durch sein Verhalten geweckt hat, von dem Vertragsabschluss
ohne triftigen Grund Abstand nimmt, wobei ein solcher triftiger Grund nur dann anzunehmen sei, wenn sich der Verhandlungspartner den Abbruch der Verhandlungen vorbehalten
hat oder sich auf einen Umstand berufen kann, der ihn von einer Verpflichtung zur Leistung
auch nach Abschluss des Vertrages befreit hätte.
187 Palandt/Heinrichs § 280 Rn. 3.
188 Palandt/Heinrichs § 241 Rn. 7.
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References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.