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bar, da gerade in Forschung und Entwicklung die Erreichung des Ergebnisses
nicht immer genau abgesehen werden kann. Das Risiko, dem Gläubiger aufgrund
von Unmöglichkeit auf Schadensersatz zu haften, ist bei Forschung und Entwicklung noch am ehesten bei Fallvarianten gegeben, in denen sich herausstellt, dass
die Erreichung des Zieles an naturgesetzlichen Gegebenheiten oder am Stand von
Wissenschaft und Technik scheitert. Auch die naturgesetzliche Unmöglichkeit
unterfällt dem Begriff der Unmöglichkeit.179 In Fällen anfänglicher Leistungshindernisse ist der Auftragnehmer dem Auftraggeber zum Schadensersatz oder Aufwendungsersatz nach § 311a Absatz 2 verpflichtet, soweit dieser das Leistungshindernis kannte oder seine Unkenntnis zu vertreten hat.
Anders einzuordnen ist dagegen der Fall, in dem die Zielerreichung als grundsätzlich möglich erscheint, jedoch nur mit weitaus größerem Aufwand erreicht
werden kann als ursprünglich geplant. Diese Fallgruppe erfüllt nicht den Tatbestand der Unmöglichkeit, sondern kann in Einzelfällen, sofern Leistungserschwerungen vorliegen, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Forschungsvorhabens fundamental abändern, ihre Korrektur über das Institut der Störung der
Geschäftsgrundlage erfahren.180
III. Ansprüche aus Verzögerung der Leistung
Die wohl häufigste und wahrscheinlichste Haftung ergibt sich aus der zeitlichen
Überschreitung des festgelegten Terminplanes für die Erbringung von Leistungen. Die Verzögerung der Leistung stellt eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Absatz 1 Satz 1 dar. Unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Schuldnerverzuges
können sich hier Ansprüche des Gläubigers auf Ersatz des Verzögerungsschadens
aus § 280 Absatz 1 und 2 iVm § 286 ergeben. Bei Dienstleistungen kann sich ein
solcher Anspruch nur dann ergeben, wenn die Dienstleistung nachholbar ist und
damit die Leistungspflicht des Dienstverpflichteten grundsätzlich bestehen
bleibt.181 Eine nicht nachholbare Dienstleistung dagegen, die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte erbracht werden können, wird mit Ablauf dieses Zeitpunkts unmöglich.182 Ein Anspruch aus §§ 280 Absatz 1 und 2 iVm § 286 ergibt
sich in letzterem Fall dann nicht.
179 Palandt/Heinrichs § 275 Rn. 14.
180 Beaumart in: Nicklisch, Forschungs- und Entwicklungsverträge in Wissenschaft und Technik, S. 49; siehe hierzu auch Kapitel § 3 A II.
181 Looschelders Schuldrecht BT Rn. 575.
182 Looschelders Schuldrecht BT Rn. 576.
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IV. culpa in contrahendo
Eine Haftung aus culpa in contrahendo ist insbesondere dann denkbar, wenn eine
Pflichtverletzung im Rahmen der Aufnahme von Vertragsverhandlungen begangen wurde. Die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründet nach § 311 Absatz 2 Nr. 1 ein Schuldverhältnis im Sinne von § 241 Absatz 2. Bejaht wird die
Aufnahme der Verhandlungen bereits mit deren Beginn, wobei einseitige Maßnahmen eines Vertragsteils genügen, die den anderen zu einem Vertragsschluss
veranlassen sollen.183 Beendet wird das vorvertragliche Schuldverhältnis mit dem
Abbruch der Verhandlungen.184
Nicht jeder Abbruch von Vertragsverhandlungen löst jedoch einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo nach §§ 280 Absatz 1, 311 Absatz 2 Nr.
1 aus. Auch ein als sicher in Aussicht gestellter Vertragsschluss, der dann verweigert wird, stellt nicht allein ein pflichtwidriges Verhalten dar.185 Eine Haftung
ergibt sich hier nur, wenn die Partei, die den Vertragsschluss als sicher in Aussicht
gestellt hat, von vornherein diese Absicht nicht gehabt hat, Hinderungsgründe für
den Vertragsschluss fahrlässig außer Acht gelassen hat oder den anderen Teil
nicht unverzüglich über die Aufgabe der Abschlussabsicht informiert.186
Ist schuldhaft und pflichtwidrig ein solcher Vertrauenstatbestand geschaffen
worden, durch den der andere potentielle Vertragspartner veranlasst wurde, Aufwendungen im Hinblick auf das gemeinsame Projekt zu tätigen, die z.B. in der
Anwerbung von Personal zur Durchführung des Projektes oder in der Investition
in notwendige Anlagen begründet liegen können, sind hier Ansprüche auf Schadensersatz nach §§ 280 Absatz 1, 311 Absatz 2 Nr. 1 denkbar.
V. Verletzung von Schutz- und Aufklärungspflichten
Der Begriff der Pflichtverletzung aus § 280 Absatz 1 erfasst auch Fälle, in denen
der Schuldner solche das Integritätsinteresse des Gläubigers schützende Verhaltenspflichten verletzt, wie sie in § 241 Absatz 2 angesprochen sind.187 Hierunter
fallen neben vielen weiteren vor allem Aufklärungs- und Schutzpflichten.188
Diese können auch neben die Haftung für die Folgen einer Schlechterfüllung tre-
183 Palandt/Grüneberg § 311 Rn. 22.
184 Palandt/Grüneberg § 311 Rn. 25.
185 Wertenbruch ZIP 2004, 1525, 1529.
186 Wertenbruch ZIP 2004, 1525, 1531; siehe auch Staudinger/Löwisch § 311 Rn. 109, der
eine Haftung nur dann annimmt, wenn der Partner, der das berechtigte Vertrauen in den
sicheren Vertragsabschluss durch sein Verhalten geweckt hat, von dem Vertragsabschluss
ohne triftigen Grund Abstand nimmt, wobei ein solcher triftiger Grund nur dann anzunehmen sei, wenn sich der Verhandlungspartner den Abbruch der Verhandlungen vorbehalten
hat oder sich auf einen Umstand berufen kann, der ihn von einer Verpflichtung zur Leistung
auch nach Abschluss des Vertrages befreit hätte.
187 Palandt/Heinrichs § 280 Rn. 3.
188 Palandt/Heinrichs § 241 Rn. 7.
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References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.