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hingehend ausgelegt werden kann, dass die Parteien den Mitwirkungspflichten
des Bestellers den Status wirklicher Schuldnerpflichten zukommen lassen wollten.
Theoretisch denkbar ist auch die Haftung des Auftraggebers aus Verzug mit der
Vergütungspflicht. Auch hierfür sind in der Regel Haftungsbegrenzungen nicht
zu finden. Begründet liegt dies darin, dass sich der Verzugsschaden für die verzögerte Zahlung der Vergütung bei FuE-Verträgen in der Regel in dem Entstehen
von Verzugszinsen erschöpft, somit für den Auftraggeber also von vornherein
überschaubar ist. Zum anderen wird allgemein nicht davon ausgegangen, dass es
zu einem Zahlungsverzug kommt, der eine entsprechende Schadensersatzpflicht
auslöst, so dass in der Regel auf eine Haftungsbeschränkung für den Auftraggeber
in Forschungs- und Entwicklungsverträgen verzichtet wird.
II. Kostenüberschreitung
Ein nicht zu unterschätzendes Risiko ergibt sich aus der Überschreitung der anfänglich kalkulierten Kosten.
1) Risiko
Genauso schwierig wie die Einschätzung des Zeitumfangs für die Erledigung einer Forschungs- und Entwicklungsaufgabe ist die Einschätzung der zu kalkulierenden Kosten. Häufig ist zu Beginn der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit
der anzusetzende Aufwand noch nicht in allen Aspekten abschätzbar. Gerade bei
Langzeitprojekten sind Konjunkturschwankungen nur durch Preisgleitklauseln
abzufangen. Erhöhte Aufwendungen für die Erreichung des Projektzieles sind dadurch jedoch nicht abgedeckt. Haben die Parteien einen Werkvertrag geschlossen,
so liegt damit das Risiko der Vertragserfüllung zu dem vereinbarten Preis bei dem
Auftragnehmer. Dieser trägt mithin auch das Risiko, das Ergebnis zu erreichen,
auch wenn ihm dies nur bei Kostenüberschreitung gelingt. So können unerwartete
Teuerungen durch Zulieferer oder eine längere Projektdauer als erwartet den Auftragnehmer an den Rand der finanziellen Möglichkeiten bringen. Allenfalls kann
unter engen Voraussetzungen eine Korrektur über das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage erfolgen.139 Eine Anpassung der Vergütung ist hier jedoch nur
in besonderen Einzelfällen zu bejahen.
139 Beaumart in: Nicklisch, Forschungs- und Entwicklungsverträge in Wissenschaft und Technik, S. 49.
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2) Anpassung der Vergütung nach § 313 BGB
Es gibt Grenzen hinsichtlich dessen, was noch als Mehraufwand im Rahmen eines
Festpreises zuzumuten ist. Hier kommt im Falle eines krassen Missverhältnisses
zwischen Leistung und Gegenleistung die Anwendbarkeit der Grundsätze über
die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 in Betracht. Grundsätzlich trägt
zwar der Sachleistungsschuldner das Risiko von Leistungserschwerungen.140 Fallen also einer Partei für die Leistung, zu der sie sich verpflichtet hat, höhere Gestehungskosten an, als ursprünglich kalkuliert, und wird dadurch die subjektive
Äquivalenz zur Gegenleistung gestört, so bleibt dies grundsätzlich allein das Risiko dieser Partei.141 Insbesondere die Vereinbarung eines Festpreises ist grundsätzlich als Risikoübernahme des Auftragnehmers anzusehen, die eine Berufung
auf eine Störung der Geschäftsgrundlage ausschließt.142 Ein vereinbarter Festpreis bleibt daher auch bei unerwarteten Material- und Lohnerhöhungen,143 witterungsbedingten Schwierigkeiten und ähnlichen Erschwerungen bindend.144
Rechte aus Wegfall der Geschäftsgrundlage können jedoch dann bestehen,
wenn die der Risikozuweisung immanenten Grenzen überschritten werden.145
Dies ist dann der Fall, wenn durch Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners ein so krasses Missverhältnis zwischen Leistung und
Gegenleistung entsteht, dass ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist.146
Dabei sind die Verhältnisse und Interessen beider Parteien als Ganzes zu berücksichtigen.147
Die Überschreitung der Opfergrenze, ab der eine Vertragserfüllung zu unver-
änderten Bedingungen als nicht mehr zumutbar angesehen wird, wird jedoch erst
dort angesetzt, wo der wirtschaftliche Ruin des zur Leistung verpflichteten Vertragspartners droht.148
Davon zu unterscheiden ist der Fall, in dem die Unverhältnismäßigkeit der beiderseitigen Leistungen auf einer freien, nicht durch unvorhergesehene Ereignisse
beeinflussten Entscheidung des Auftragnehmers beruht.149
Im Bereich von Forschung und Entwicklung gibt es noch keine gefestigte Rechtsprechung, ab welcher Höhe der Kostenüberschreitung Unzumutbarkeit anzuneh-
140 Palandt/Grüneberg § 313 Rn. 31; Looschelders Schuldrecht AT Rn. 782.
141 MüKo/Roth § 313 Rn. 229, etwas anderes gelte nur dann, wenn die Gegenpartei an der
Kostenkalkulation beteiligt war oder die Kalkulation unter Offenlegung der Kalkulationsgrundlage errechnet wurde.
142 BGHZ 129, 236, 253; Looschelders Schuldrecht AT Rn. 782.
143 BGH WM 1979, 582; OLG München DB 1983, 2619, 2620.
144 Palandt/Grüneberg § 313 Rn. 31.
145 BGH NJW-RR 1993, 880, 881.
146 BGH BB 56, 254; OLG München DB 1983, 2619, 2620; Palandt/Grüneberg § 313 Rn.
32; Erman/Hohloch § 313 Rn. 35.
147 RGZ 101, 80, 83.
148 RGZ 101, 80, 81; RGZ 102, 272, 273.
149 »Hemingway«-Entscheidung BGH NJW-RR 1993, 880.
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men ist und infolgedessen Rechte aus § 313 in Betracht kämen. Zieht man die
Rechtsprechung in anderen Fällen heran, so ist auch dort ein einheitlicher Richtwert nicht zu finden.
So hat der BGH eine unangemessene Belastung verneint bei einem Mehraufwand
von 20.000 DM im Verhältnis zu einem Auftragsvolumen von rund 1,5 Millionen
DM.150 Die Klägerin hatte sich hier zur Erbringung von Bauleistungen zu festen
Einheitspreisen verpflichtet, die etwaige Lohnerhöhungen im Laufe der Bauzeit
nicht berücksichtigten. Der BGH hatte hier dahingehend entschieden, dass nicht
einkalkulierte Lohnerhöhungen als Risiko der Klägerin nicht zu berücksichtigen
seien. Lediglich hinsichtlich der Mehrkosten von Bauleistungen innerhalb eines
Zeitraumes, zu denen die Klägerin noch hätte zu den kalkulierten Preisen abrechnen können, der aber aufgrund Verschuldens der Beklagten hatte verschoben werden müssen, wurde die Frage der Anpassung der Vergütung diskutiert, diese jedoch letztlich aufgrund der Geringfügigkeit der Mehrkosten in Höhe von weniger
als 2 % des Gesamtvolumens verneint.
Auch das OLG München hatte im Fall einer Festpreiszusage eines Bauunternehmers bei Mehrkosten von 19,3 %, die auf gestiegene Materialkosten zurückzuführen waren, eine zur Vertragsanpassung berechtigende Äquivalenzstörung
nicht gesehen.151
Die Übertragbarkeit von Entscheidungen über Bauleistungen auf den Bereich von
Forschungs- und Entwicklungsleistungen erscheint überdies im Hinsicht auf die
Kostenüberschreitung nicht passend. Zwar sind Bau- wie auch Forschungs- und
Entwicklungsprojekte häufig gleichermaßen durch ihre Langfristigkeit gekennzeichnet, die zu einer Erhöhung des Risikos der Kostenüberschreitung führen
kann. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch im Vertragsinhalt. Im Gegensatz
zum Vertrag über Bauleistungen, bei dem die Leistungen oft bis in das letzte Detail im Voraus geplant werden können, sind Forschungs- und Entwicklungsprojekte gerade durch eine gewisse Unplanbarkeit des Projektverlaufs gekennzeichnet. Insbesondere die Neuartigkeit der versprochenen Leistungen erhöht die Gefahr von Leistungserschwerungen in kaum vergleichbarer Weise. Aus diesem
Grunde lassen sich in Bezug auf Kostenerhöhungen Entscheidungen zu Verträgen
über Bauleistungen nicht auf solche aus Forschungs- und Entwicklungsverträgen
übertragen.152
Weitere Entscheidungen in diesem Zusammenhang sind zu Verträgen über die
Herstellung von Werkleistungen ergangen. Hier wurde im Gegensatz zu den Bau-
150 BGH WM 1979, 582.
151 OLG München DB 1983, 2619, 2620.
152 Vgl. auch Ullrich Band 2, S. 87 Fn. 227, der in dem auf eine inhaltliche Konkretisierung
und auf Wandel angelegten Charakter von Forschungs- und Entwicklungsverträgen eine
starke Divergenz zu Bauverträgen sieht.
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leistungsfällen die Unzumutbarkeit bei Überschreitung der Herstellungskosten,
in diesen Fällen um das 15-fache153 bzw. um 60%154, bejaht. Beide Fälle sind aber
aufgrund der ihnen zugrunde liegenden besonderen Umstände nicht auf andere
Fälle übertragbar. Beiden Entscheidungen liegt die Rechtsprechung zu Fällen zugrunde, bei denen die Erfüllungszeit aus Anlass des ersten Weltkrieges auf die
Zeit nach Kriegsende hinausgeschoben wurde und sich die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen der Nachkriegszeit fatal auf die Herstellungskosten
der vereinbarten Werkleistung ausgewirkt hatten. Beide Entscheidungen betreffen damit Ausnahmefälle extremer politischer und wirtschaftlicher Einwirkungen
und sind damit nicht auf die Überschreitung von Kosten bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten übertragbar.
3) Ergebnis
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Überschreitung des ursprünglich vereinbarten Vertragspreises von immenser Dimension sein muss, um ein solches
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bejahen zu können, das zu
einer Vertrags- bzw. Vergütungsanpassung berechtigen würde. Was dies letztlich
für Forschungs- und Entwicklungsverträge bedeutet, lässt sich nur im Einzelfall
beurteilen. So kann eine Kostenüberschreitung von 100% bei einem auf 120 Millionen Euro kalkulierten Projekt die Opfergrenze überschreiten, so dass ein Anspruch auf Vergütungsanpassung bestünde. Setzt man dagegen den gleichen Prozentsatz von 100% bei einem Projekt mit einem Auftragswert von 10.000 Euro
an, so wird in der Regel die Unzumutbarkeit, die zu einem Anspruch auf Vertragsanpassung berechtigen würde, verneint werden müssen. Eine Einzelfallbetrachtung ist also unumgänglich.
Wird die Unzumutbarkeit im Sinne der Störung der Geschäftsgrundlage dennoch
in Einzelfällen bejaht werden können, kommt nach § 313 Absatz 1 die Anpassung
des Vertrages in Betracht.155 Anzustreben ist dabei ein optimaler Interessenausgleich.156 Bei einer unzumutbaren Überschreitung der Herstellungskosten wäre
daher im Rahmen der Anpassung des Vertrages der Festpreis den geänderten Bedingungen anzupassen, d.h. die Vergütung entsprechend zu erhöhen. Eine Ver-
153 RGZ 101, 80, 81.
154 RGZ 102, 272, 273.
155 A.A. Ullrich Band 2, S. 83, der die Anwendbarkeit des Instituts der Störung der Geschäftsgrundlage für Forschungs- und Entwicklungsprojekte aufgrund ihrer Allgemeinheit für
nicht gegeben hält. Die Gefahr der Leistungserschwerung durch die Verwirklichung des
Neuheitsrisikos kennzeichne Forschungs- und Entwicklungsleistungen in einem Maße,
dass sie weder als unvorhersehbar noch als von den Parteien in der Leistungsfestlegung
nicht antizipiert oder fassbar erschiene. Er greift daher auf die Unmöglichkeitsregeln als
Maßstab für die Beurteilung von Leistungserschwerungen bei Forschung und Entwicklung
zurück.
156 MüKo/Roth § 313 Rn. 103; Palandt/Grüneberg § 313 Rn. 40.
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tragsauflösung durch Rücktritt vom Vertrag bzw. bei Dauerschuldverhältnissen
durch Kündigung kommt nach § 313 Absatz 3 nur dann in Betracht, wenn die Anpassung des Vertrages nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist.
Bei der Vertragsgestaltung ist auf das Risiko der Kostenüberschreitung daher besondere Rücksicht zu nehmen. Enthält die vertragliche Regelung Lücken, sind neben den speziellen Strukturen des betreffenden Vertrages allgemeine Grundsätze
über die verkehrstypische Bedeutung und Reichweite von Pauschalpreisvereinbarungen zu berücksichtigen.157 Je weniger präzise die Leistungsbeschreibung und
die Pläne im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sind, und je größer damit die für die
spätere Konkretisierung gegebene Bandbreite ist, desto schwerer wird es für den
Unternehmer sein, Mehrforderungen durchzusetzen.158
III. Risiko der Vertragserfüllung und Gewährleistung
Geht man bei einem Forschungs- und Entwicklungsvertrag von einem Werkvertrag aus oder sind zumindest werkvertragliche Elemente enthalten, so liegt das
Risiko der Vertragserfüllung beim Auftragnehmer. Die nicht eindeutige oder unzureichende Umschreibung des gewünschten Ergebnisses geht damit in der Regel
zu Lasten des Auftragnehmers, der dann die Konsequenzen für eventuelle Leistungsstörungen zu tragen hat. So kann zum Beispiel ein nicht im Detail präzise
beschriebenes Ergebnis dazu führen, dass der Auftraggeber die Nichterreichung
des Forschungs- und Entwicklungsergebnisses behauptet und sich der Auftragnehmer den werkvertraglichen Gewährleistungskonsequenzen ausgesetzt sieht.
Für den Auftraggeber dagegen ergibt sich eine Haftung aus Unmöglichkeit und
Gewährleistung in der Regel schon deshalb nicht, weil sich die Hauptleistung des
Auftraggebers meistens in der Zahlung der vereinbarten Vergütung erschöpft und
weitergehende Leistungsverpflichtungen, abgesehen von eventuellen Mitwirkungspflichten im Einzelfall, nicht Gegenstand des Forschungs- und Entwicklungsvertrages sind.
IV. Fehlerhaftes Produkt
Gerade bei der Entwicklung von neuartigen und innovativen Produkten besteht
stets die Gefahr, dass deren Auswirkungen nicht vollumfänglich abgeschätzt werden können und ihre Wirkungen im Zeitpunkt der Entwicklung nicht in jeder Hin-
157 Nicklisch in: Nicklisch, Bau- und Anlagenverträge – Risiken, Haftung, Streitbeilegung,
S. 113.
158 Nicklisch in: Nicklisch, Bau- und Anlagenverträge – Risiken, Haftung, Streitbeilegung,
S. 113.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.